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VwGH 17.06.2020, Ra 2020/16/0071

VwGH 17.06.2020, Ra 2020/16/0071

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2
62006CJ0173 Agrover VORAB
62014CJ0007 Wünsche Handelsgesellschaft International / Kommission
RS 1
Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex wird von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben abgesehen, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich

- dass die Abgaben wegen eines Irrtums der zuständigen Behörden nicht erhoben worden sind,

- dass deren Irrtum von einem gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und

- dass dieser alle für seine Zollerklärung geltenden Bestimmungen beachtet hat (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa Wünsche Handelsgesellschaft International m.b.H. & Co KG, C-7/14p, Rn. 55, und Agrover Srl., C-173/06, Rn. 30). Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen kumulativ diese drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit sich der Einführer mit Erfolg auf ein berechtigtes Vertrauen nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK berufen und ihm somit die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme von der Nacherhebung (nachträglichen buchmäßigen Erfassung) zugutekommen kann (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/16/0161 B RS 1 (hier ohne den letzten Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der K Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Margaretenstraße 22/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/2200019/2019, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das Zollamt Graz führte bei der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin) eine Betriebsprüfung über die Richtigkeit der erklärten Zollwerte und die Einhaltung von Antidumpingmaßnahmen anlässlich der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr durch. Die Revisionswerberin meldete in den Jahren 2014 bis 2016 selbstklebende Gitterstreifen aus der Volksrepublik China stets unter der Warennummer 7019 4000 99 mit einem Zollsatz von 7 % an.

2 Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom wurden der Revisionswerberin u.a. nachträglich buchmäßig erfasste Beträge für Zollanmeldungen im Zeitraum bis  mitgeteilt.

3 Über die dagegen erhobene Beschwerde entschied das Zollamt mit Beschwerdevorentscheidung vom dahingehend, dass es teilweise den nachzuerhebenden Betrag neu festsetzte und im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abwies, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und setzte wie in der zuvor genannten Beschwerdevorentscheidung die nacherhobenen Eingangsabgaben in näher dargestellter Höhe neu fest. Es sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Das Bundesfinanzgericht traf u.a. die Feststellung, dass die in Rede stehenden selbstklebenden Gitterstreifen nach der technischen Beschreibung des Herstellers auf dem Datenblatt ein Gewicht von 75 g/m² und eine Zelllänge und -breite von 2,5 bis 2,8 mm aufwiesen. Diese Angaben seien den bei der Zollanmeldung vorgelegten Lieferscheinen und Rechnungen nicht zu entnehmen gewesen. Bei der ersten Anmeldung Anfang 2014 habe das Zollamt eine Dokumenten- und eine Warenkontrolle (innere Beschau ohne abweichende Feststellungen) vorgenommen. Bei der Zollabfertigung vom habe die Zollbehörde zur Überprüfung der Einreihung der eingeführten Waren in den österreichischen Gebrauchszolltarif ein Warenmuster gezogen. Aus der Beschriftung der Rollen hätten sich weder die Zelllänge und Zellbreite noch das Gewicht entnehmen lassen, bei dieser Beschau sei die Ware weder verwogen noch die Zelllänge und Zellbreite vermessen worden. Im Untersuchungsbefund vom sei von einem Quadratmetergewicht - aus welchem Grund auch immer - offenbar zu Unrecht von „weniger als 35 g“ ausgegangen worden. Die Gitterstreifen seien zum damaligen Zeitpunkt in die Position 7019 4000 99 TARIC eingereiht worden, die Mitteilung an die Revisionswerberin sei mit ETOS-Erledigung des Zollamtes Salzburg vom erfolgt. Eine neuerliche Untersuchung der Gitterstreifen im Jänner 2017 durch die TUA habe ein abweichendes Ergebnis und eine Änderung der TARIC-Position ergeben.

6 Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht, die mit Antidumpingzöllen belegte Warennummer 7019 4000 50 erfasse die von der Revisionswerberin eingeführten offenmaschigen Gewebe aus Glasfasern, mit einer Zelllänge und -breite von mehr als 1,8 mm und mit einem Quadratmetergewicht von mehr als 35 g, die von der Revisionswerberin angemeldete Warennummer 7019 4000 99 betreffe „---andere“. Die Revisionswerberin habe bei keiner einzigen Anmeldung alle geltenden Vorschriften über eine Zollanmeldung eingehalten, weil die für die Einreihung im TARIC entscheidenden Informationen über die Maschenweite und das Gewicht der Gitterstreifen gefehlt hätten. Damit sei eine notwendige Voraussetzung für das von der Revisionswerberin angestrebte Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nicht erfüllt.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in der sich die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem subjektiven Recht verletzt erachtet, dass von der buchmäßigen Erfassung und Festsetzung der Eingangsabgaben abgesehen werde, weil der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden sei, dieser Irrtum von der Revisionswerberin nicht erkannt worden sei, sie gutgläubig gehandelt habe und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten habe.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. als grundsätzliche Rechtsfrage geltend gemacht, ob es auf die von der Revisionswerberin unterlassene Offenlegung der einreihungsrelevanten Informationen über die Maschenweite und das Quadratmetergewicht überhaupt ankomme, obwohl diese Daten den zuständigen Zollbehörden aufgrund von Warenkontrollen (in deren Rahmen ein Muster gezogen worden sei und wobei eine sogar zu einer ETOS-Erledigung geführt habe) akkurat bekannt gewesen seien oder bekannt gewesen sein mussten, weil es sonst den Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK bis auf die Fälle der Schreib- und Rechenfehler und des Abweichens der Zollstellen von fehlerfreien Zollanmeldungen zugunsten der Zollschuldner, die dann später zu korrigieren seien, nicht mehr gäbe und diese Bestimmung weitgehend obsolet wäre (Hinweis auf Witte/Alexander, Zollkodex, Art. 220 Rz. 40).

12 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die zitierte Literaturstelle damit auseinander setzt, ob die zutreffende Einreihung in der Zollanmeldung enthalten sein muss, das Bundesfinanzgericht indes darauf abstellte, dass die zur richtigen Tarifierung erforderlichen Angaben fehlten.

13 Darüber hinaus weicht die Revisionswerberin - ohne entsprechend auf die Beweiswürdigung einzugehen - vom festgestellten Sachverhalt ab, weil das Bundesfinanzgericht seiner Entscheidung die Sachverhaltsannahme zu Grunde legte, dass sowohl das Gewicht als auch die Maschenweite der Gitterstreifen weder den Beilagen zu den Anmeldungen noch der Aufschrift der Ware zu entnehmen war, die genannte ETOS-Erledigung auf einem Untersuchungsbefund beruht, der erst nach den hier maßgeblichen Zollanmeldungen erstellt wurde, und das Zollamt Graz erst durch die Untersuchung vom Jänner 2017 Kenntnis über das richtige Quadratmetergewicht erlangte. Die Revision hängt daher auch aus diesen Gründen nicht von der oben genannten Rechtsfrage ab.

14 Da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom , alle drei Voraussetzungen, nämlich dass die Abgaben wegen eines Irrtums der zuständigen Behörden nicht erhoben worden sind, dass deren Irrtum von einem gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte und dass dieser alle für seine Zollerklärung geltenden Bestimmungen beachtet hat, kumulativ vorliegen müssen (, mwN), und zu dem vom Bundesfinanzgericht angenommenen Fehlen des Einhaltens aller geltender Vorschriften über eine Zollanmeldung keine grundsätzliche Rechtsfrage geltend gemacht wird, kommt es auf die Argumente der Zulässigkeitsbegründung zu den anderen genannten Voraussetzungen nicht mehr an.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2
62006CJ0173 Agrover VORAB
62014CJ0007 Wünsche Handelsgesellschaft International / Kommission
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160071.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-48014