VwGH 18.11.2020, Ra 2020/02/0147
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ein schriftlicher Bescheid, der nicht rechtswirksam zugestellt und damit erlassen wurde, ist rechtlich nicht existent geworden (Hinweis E , 636/47, VwSlg 484 A/1948; E , 1918/62, VwSlg 6033 A/1963; E , B 230/69, VfSlg 6349/1970). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1085/80 B RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Die Zurückweisung der Beschwerde, die sich explizit gegen einen zugestellten und daher rechtlich existent gewordenen Bescheid gerichtet hat, erweist sich als rechtswidrig (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, der gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 32.23-791/2020-7, betreffend Antrag auf Ratenzahlung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Steiermark wurde das Ansuchen des Antragstellers um Bewilligung der Bezahlung der offenen Strafen in monatlichen Raten zu je € 150,-- der über ihn verhängten Geldstrafen gemäß §§ 54a und 54b VStG abgewiesen.
2 Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurde die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde zurückgewiesen, weil kein Bescheid vorliege. Das LVwG sprach aus, dass gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4 Begründend wird ausgeführt, die Vollstreckung des Teilzahlungsbescheides ergebe für den Antragsteller einen unverhältnismäßigen Nachteil. Der Antragsteller sei vermögenslos und beziehe eine geringe Alterspension; dem stünden aushaftende Verwaltungsstrafen in Höhe von € 9.163,-- entgegen, die er nicht auf einmal bezahlen könne. Im Ergebnis würde ihm die Ersatzfreiheitsstrafe drohen, was ein unverhältnismäßiger Nachteil sei.
5 Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:
„Aufschiebende Wirkung
§ 30. (1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.
(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.
(3) Der Verwaltungsgerichtshof kann ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
(4) Beschlüsse gemäß Abs. 2 und 3 sind den Parteien zuzustellen. Wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ist der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Anordnungen zu treffen; der Inhaber der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung darf diese nicht ausüben.
(5) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.“
6 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. z.B. ), ist ein Bescheid, mit dem eine Änderung der Rechte oder Pflichten des Antragstellers abgelehnt wird, einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG nicht zugänglich. Dies trifft in Hinsicht auf den Abspruchsgegenstand des von der Revision betroffenen Beschlusses - Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der Abweisung des Ansuchens um Ratenzahlung - auch für den vorliegenden Fall zu. Der Antragsteller könnte die von ihm mit Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angestrebte Rechtstellung auch bei Aufhebung des von ihm mit Revision angefochtenen Beschlusses durch den Verwaltungsgerichtshof im Revisionsverfahren nicht erlangen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde auch keine Bewilligung des Antrages auf Ratenzahlung darstellen, sondern allenfalls die weitere Anhängigkeit des diesbezüglichen Verfahrens vor dem LVwG bewirken. Der Antragsteller legt jedoch nicht dar, dass schon dies allein die angesprochenen negativen Folgen ausschließen könnte. Derartiges ist bei der nach der Begründung des Antrages derzeit gegebenen Sachlage auch nicht ersichtlich (vgl. auch ).
7 Dem vorliegenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher schon aus diesem Grund nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/02/0151 E
Ra 2020/02/0152 B
Ra 2020/02/0190 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H in G, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 15/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 32.23-791/2020-7, betreffend Antrag auf Ratenzahlung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde über den Revisionswerber wegen der Übertretung des § 37 Abs. 1 FSG iVm. § 1 Abs. 3 FSG gemäß § 37 Abs. 1 FSG iVm. § 37 Abs. 4 Z 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verhängt.
2 Nach Mahnungen, der bescheidmäßigen Feststellung der Haftunfähigkeit des Revisionswerbers für bestimmte Zeiträume und der Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe stellte der Revisionswerber mit Schreiben vom einen Antrag auf Bewilligung der Bezahlung der offenen Strafen in monatlichen Raten zu je € 150,--. Begründend führte er aus, es möge ihm bekannt gegeben werden, welche einzelnen Strafen genau aushafteten; er sei aufgrund seiner Vermögenslosigkeit und seiner monatlichen Pension nicht in der Lage, die offenen Strafen auf einmal zu bezahlen. Eine Ratenzahlung sei ihm jedoch möglich.
3 Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde gemäß § 54a, 54b VStG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, es gebe einen Zahlungsrückstand von insgesamt € 9.163,--, weshalb die monatliche Ratenzahlung von € 150,-- zu gering sei. Der Großteil der rechtskräftigen Strafen gehe auf die Jahre 2015 - 2017 zurück, der Revisionswerber habe Zeit genug gehabt, die aushaftenden Strafen zu bezahlen.
4 Im Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde trägt dieser Bescheid das Datum „“ sowie die Zahlen „VStV/915301245648/2015, 915301106202/2015, 915301680603/2015, 91530773388/2015, 917300273299/2017“.
5 Der Revisionswerber erhob - nach Abweisung seines am gestellten Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) - mit Schriftsatz vom Beschwerde „gegen den Bescheid Teilzahlung vom “.
6 Mit Beschluss des LVwG wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde „vom ... gegenständlich VStV/915301245648/2015“ gemäß § 50 iVm. § 31 VwGVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
7 Begründend führte das LVwG aus, mit dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde sei das Ansuchen des Revisionswerbers vom um Ratenzahlung abgewiesen worden. Beschwerde werde gegen einen Teilzahlungsbescheid vom „“ erhoben. Die belangte Behörde habe mit der Beschwerdevorlage einen Bescheid vom „“ vorgelegt, mit dem diverse Ansuchen auf Teilzahlung abgewiesen worden seien.
8 Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, er habe nie einen Bescheid vom „“ zugestellt erhalten, sondern ausschließlich einen Bescheid vom „“. Aufgrund einer Nachfrage bei der belangten Behörde habe sich ergeben, dass „aufgrund eines Systemfehlers“ nur der „Bescheid vom (gemeint wohl: 2019)“, welcher zwar alle Aktenzahlen beinhaltet habe, dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers übermittelt worden sei. Der nunmehr auch im Akt der belangten Behörde befindliche Bescheid, datiert mit „“ betreffend das Straferkenntnis vom , sei dem Rechtsvertreter bzw. dem Revisionswerber selbst nie zugestellt worden. Da somit kein Bescheid vorliege, der mit Beschwerde habe bekämpft werden können, sei die Beschwerde zurückzuweisen gewesen.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitig per Post erhobene außerordentliche Revision.
10 Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen das Gesetz, wonach gegen einen zugestellten Bescheid eine Beschwerde möglich sei, als zulässig und begründet.
13 Die belangte Behörde hat einen Bescheid erlassen, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf Ratenzahlung abgewiesen wurde. Dem Revisionswerber wurde - zu Handen seines Rechtsvertreters - ein Schriftstück mit dem Datum „“ zugestellt, wie der Rechtsvertreter durch dessen Vorlage in der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG nachgewiesen hat. Das Schriftstück - auf dem das Eingangsdatum in der Kanzlei des Rechtsvertreters gestempelt und die zu beachtenden Fristen händisch eingetragen sind - ist im Verwaltungsakt des LVwG enthalten. Es bezeichnet sich selbst als „Bescheid Teilzahlung“, weist die GZ „VStV/915301106202/2015, 915301245648/2015 915301680603/2015, 91530773388/2015, 917300273299/2017“ auf, enthält einen Spruch, eine Begründung, eine Rechtsmittelbelehrung, den Namen des Sachbearbeiters, den Hinweis auf die elektronische Fertigung einer Person für den Landespolizeidirektor sowie eine Amtssignatur.
14 Es handelt sich daher um einen Bescheid mit dem Datum „“, der dem Revisionswerber zu Handen seines Rechtsvertreters zugestellt, mithin erlassen worden ist.
15 Gemäß § 7 VwGVG kann gegen einen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben werden.
16 Der Revisionswerber hat gegen den ihm zugestellten Bescheid vom „“, mit dem sein Antrag auf Teilzahlung abgewiesen worden ist, Beschwerde erhoben.
17 Der Revisionswerber hat nicht gegen einen Bescheid vom „“ Beschwerde erhoben; wie das LVwG selbst ausführt, ist ihm kein Bescheid vom zugestellt worden, weshalb ein solcher Bescheid - mag er auch in den Akten der belangten Behörde enthalten sein - mangels Zustellung nicht existent geworden ist.
18 Anders verhält es sich jedoch mit dem Bescheid vom „“: Dieser wurde dem Revisionswerber zugestellt, er ist daher existent geworden und konnte mit Beschwerde bekämpft werden.
19 Die Zurückweisung der Beschwerde, die sich explizit gegen den zugestellten Bescheid vom „“ gerichtet hat, erweist sich daher als rechtswidrig (vgl. ).
20 Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VStG §54a VStG §54b VwGG §30 Abs2 |
Schlagworte | Vollzug |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020147.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-47831