VwGH 17.02.2020, Ra 2019/17/0044
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Wie der Verwaltungsgerichtshof erkannt hat, bedeutet das Durchführen eines Glücksspiels auf eigene Rechnung und Gefahr im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG, dass sich Gewinn UND Verlust, also auch das unternehmerische Risiko, in der eigenen Vermögenssphäre auswirken müssen. Die Vereinbarung über die Erlösaufteilung mag dabei zunächst zwar ein Indiz für die Eigenschaft der Beschuldigten als Mitveranstalterin sein, reicht aber zur Begründung einer solchen Qualifikation nicht aus. Wesentlich ist auch der Inhalt der Vereinbarung für den Fall des Verlustes (so explizit ). Das LVwG hat festgestellt, dass die Beschuldigte die von ihr vorgestreckten Gewinne (der Spieler) durch eine bestimmte Person "retourniert" erhalten habe. Der Erlös sei geteilt worden. Die Feststellung der Abgeltung der ausbezahlten Spielgewinne - das sind die Verluste des Spielveranstalters - schließt jedoch die Schlussfolgerung, jemand führe auf eigene Rechnung und Gefahr ein Glücksspiel durch, aus, selbst wenn ein potentieller Erlös in der Folge geteilt wird. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann die Beschuldigte daher nicht als Veranstalterin der Glücksspiele im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG qualifiziert werden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/17/0854 E RS 2
(hier nur der erste Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des E U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , LVwG-1-751/2017-R7, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurden über den Revisionswerber wegen fünffacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) fünf Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. Der Revisionswerber habe in einem näher bezeichneten Lokal Glücksspiele veranstaltet, indem er "auf eigene Rechnung und eigenes Risiko" fünf näher bezeichnete Glücksspielgeräte aufgestellt und betrieben habe.
2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass bezüglich aller Übertretungen im Spruch die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG ergänzt werde. Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, der Revisionswerber habe "auf eigene Rechnung die Geräte betrieben", die Auszahlungen von Gewinnen selbst oder durch eine von ihm beauftragte Kellnerin veranlasst. Weiters habe er die Gewinne nicht mit der Inhaberin des Lokals geteilt, sondern diese habe von ihm eine fixe monatliche Miete erhalten. Der Revisionswerber habe dadurch § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG verwirklicht. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass der nunmehrige Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und erklärte nach § 25a Abs. 1 VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.
4 1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 1.2. Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C- 390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12. 8 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie bis 0049, Rn. 24 ff und ).
9 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
10 Entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen der Revision kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. dazu etwa u.a., Stoß u.a., Rn. 107; , C-390/12, Pfleger, Rn. 50 ff; , Gmalieva s.r.o. u.a., C- 79/17, Rn. 27; , 0049; , Ra 2017/17/0052; , Ra 2015/17/0022; u.a.; sowie Herbst/Weinhandl, Das österreichische Glücksspielmonopol aus unions- und verfassungsrechtlicher Sicht, in: Jahrbuch Öffentliches Recht 2017, 121 ff, insbes. 149). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen. 11 1.3. Dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers, die ihm vorgeworfene Verwirklichung des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG sei durch die Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses nicht gedeckt, ist zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht ausreichende Feststellungen getroffen hat, die eine Subsumtion unter den Tatbestand des Veranstaltens erlauben:
12 Als Täter, der im Sinn des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt (vgl. , mwN). Das Durchführen eines Glücksspiels auf eigene Rechnung und Gefahr im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG bedeutet, dass sich Gewinn und Verlust, also auch das unternehmerische Risiko, in der eigenen Vermögenssphäre auswirken müssen (vgl. ). Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, der Revisionswerber habe für das Aufstellen der Glücksspielgeräte monatlich Miete ohne Gewinnbeteiligung geleistet und mögliche Gewinne unmittelbar oder mittelbar selbst an die Spieler ausbezahlt. Er habe die Gewinne nicht mit der Inhaberin des Lokals geteilt, sondern diese habe vom Revisionswerber eine fixe monatliche Miete erhalten. Ausgehend davon besteht der in der Revision behauptete Widerspruch zwischen Spruch und Begründung nicht.
13 1.4. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Feststellungen und entscheidungswesentlicher Sachverhalt nachvollziehbar zu begründen seien. Der Verwaltungsgerichtshof sei zwar zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht berufen, doch liege im Revisionsfall eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbar vorgenommene Beweiswürdigung vor. Das angefochtene Erkenntnis enthalte keine Begründung, auf welcher Grundlage auf eine Veranstaltereigenschaft des Revisionswerbers geschlossen werden könne.
14 Dem ist bloß ergänzend entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. ). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. , mwN; , Ra 2019/17/0007). Ein derart krasser Fehler der Beweiswürdigung wird hier nicht aufgezeigt, weil die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses insgesamt ausreichend und damit vertretbar erkennen lässt, aufgrund der Würdigung welcher Beweisergebnisse das Verwaltungsgericht zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen zur Veranstaltereigenschaft des Revisionswerbers gelangt ist. 15 2. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170044.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-47773