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VwGH 26.02.2020, Ra 2019/13/0085

VwGH 26.02.2020, Ra 2019/13/0085

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
FamLAG 1967 §42 Abs1 lita
RS 1
Unter einer Unternehmung oder einem Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ist nach ständiger Rechtsprechung eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Auch Hoheitsbetriebe einer Gemeinde können beitragspflichtig sein, wenn sich ihre Tätigkeit als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Wesentlich ist, dass die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (vgl. , VwSlg 6251 F/1987; , 2004/14/0107, VwSlg 8091 F/2004; vgl. auch - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Achatz/Leitner, Körperschaften öffentlichen Rechts und ihre Privatisierung im Steuerrecht2, 286 f).
Norm
FamLAG 1967 §42 Abs1 lita
RS 2
Die Überlassung der Beamten an den ausgegliederten Rechtsträger stellt für sich noch keinen Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG dar (vgl. auch ).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2019/13/0064 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104986/2018, betreffend u.a. Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 1/2003 bis 5/2008 (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft

in 1090 Wien, Porzellangasse 51), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom beantragte u.a. die mitbeteiligte Partei, eine Dienststelle des Magistrats der Stadt Wien und öffentliche Kasse iS des § 85 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988, gemäß § 201 BAO die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für das Jahr 2003 mit Null. Sie brachte vor, die Gemeinde Wien bzw. die W AG hätten für Bedienstete der Gemeinde Wien, die mehreren Unternehmen (im Rahmen der Ausgliederung der Wiener Stadtwerke; vgl. hiezu BGBl. I Nr. 68/1999 sowie das Wiener Stadtwerke - Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr. 17/1999) zur Dienstleistung zugewiesen worden seien, im Jahr 2003 den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag entrichtet. Es habe jedoch für diese Bediensteten weder die Pflicht zur Abfuhr des Dienstgeberbeitrags noch die zur Abfuhr des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag bestanden. Die Gemeinde Wien sei weiterhin Arbeitgeber der Bediensteten. Der Status der den Betrieben zugewiesenen Gemeindebediensteten entspreche dem von überlassenen Arbeitskräften. Daher seien die Unternehmen, denen die Arbeitskräfte überlassen worden seien, nicht beitragspflichtig. Die Gemeinde sei aber - entgegen der bisher gepflogenen Praxis - von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit. Es liege kein Unternehmen im Sinne des § 42 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) vor.

2 Mit weiteren, im Wesentlichen in gleicher Weise begründeten Eingaben beantragte die mitbeteiligte Partei die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag auch für die Jahre 2004 bis 2012 mit Null.

3 Mit Bescheiden vom und wies das Finanzamt diese Anträge als unbegründet ab.

4 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diese Bescheide (soweit sie den Zeitraum bis einschließlich Mai 2008 betrafen) Beschwerden.

5 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom gab das Finanzamt den Beschwerden keine Folge. Es liege ein Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG vor, sodass die Dienstgeberbeiträge von der mitbeteiligten Partei zu Recht erklärt und abgeführt worden seien; den Anträgen auf Festsetzung der Dienstgeberbeiträge mit Null habe daher nicht Folge gegeben werden können.

6 Die mitbeteiligte Partei beantragte die Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden Folge und setzte u.a. die Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum 1/2003 bis 5/2008 mit Null fest. Es sprach aus, dass insoweit (anders als in Bezug auf die zugleich getroffene Entscheidung über Zeiträume vor 2003; vgl. dazu den Beschluss vom heutigen Tag, Ro 2019/13/0032) die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - aus, Ziel des § 201 BAO sei es, ein mit den materiell-rechtlichen Vorschriften in Einklang stehendes Ergebnis herbeizuführen. Bereicherungsüberlegungen seien in § 201 Abs. 1 BAO nicht angeführt. Solche Überlegungen seien daher weder bei der Festsetzung von Selbstberechnungsabgaben noch bei der Ermessensübung zu berücksichtigen.

9 Nach der mit Wirkung ab dem aufgehobenen Bestimmung des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG seien der Bund, die Länder und die Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit gewesen. Der Begriff "Betrieb" sei insoweit eigenständig zu beurteilen gewesen. Bei der Zuweisung von Bediensteten durch eine Gebietskörperschaft an ausgegliederte Unternehmen liege kein Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG vor (Hinweis auf ; , 2009/13/0160, 2010/13/0090; , 2012/13/0099). Der Dienstgeberbeitrag sei sohin (u.a.) für die Zeiträume 1/2003 bis 5/2008 mit Null festzusetzen gewesen.

10 Zur Frage, ob es sich bei der Zuweisung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft an ausgegliederte Unternehmen um einen Betrieb iSd (aufgehobenen) § 42 Abs. 1 lit. a FLAG handle, liege einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen sei. Die Revision sei daher insoweit nicht zulässig.

11 Gegen dieses Erkenntnis - betreffend den Zeitraum 1/2003 bis 5/2008 - wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit macht die Revision geltend, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art iSd KStG 1988 einen Betrieb iSd FLAG begründen könne. Das Bundesfinanzgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, warum im konkreten Fall kein Betrieb iSd FLAG vorliegen solle, sondern diesen nur verneint. Auch habe sich das Bundesfinanzgericht nicht mit dem Vorbringen der Mitbeteiligten beschäftigt, das Personal stelle keinen Vermögenswert dar. Bei Personalleasingunternehmen werde der Wert des Unternehmens aber nicht nur durch den Kundenstock, sondern vorwiegend durch das fähige Personal repräsentiert. Es liege auch eine Verletzung der amtswegigen Ermittlungspflicht vor, das Bundesfinanzgericht habe sich nicht mit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des Betriebes iSd FLAG auseinandergesetzt.

12 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 16 Gemäß § 42 Abs. 1 lit. a FLAG in der hier noch anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 103/2007 waren der Bund, die Länder und die Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit; die Gemeinden jedoch nur dann, wenn ihre Einwohnerzahl 2000 überstieg. 17 Diese Ausnahme von der Beitragspflicht korrespondierte mit der Selbsttragung des Aufwandes insbesondere an Familienbeihilfen durch die Gebietskörperschaften (mit Ausnahme der von ihnen verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds) nach § 46 FLAG (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 103/2007). 18 Diese Regelung war im Wesentlichen bereits in der Stammfassung des FLAG enthalten (BGBl. Nr. 376/1967). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (549 BlgNR 11. GP 21) wurde dazu ausgeführt, diese Regelung entspreche der bisherigen Rechtslage. Die damit angesprochene, bisherige Rechtslage (vgl. 549 BlgNR 11. GP 12) betraf das Kinderbeihilfengesetz, BGBl. Nr. 31/1950 (vgl. hiezu 45 BlgNR 6. GP), sowie das Familienlastenausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 18/1955 (vgl. hiezu 419 BlgNR 7. GP), die in § 13 bzw. § 24 Regelungen zur Selbstträgerschaft enthielten.

19 Unter einer Unternehmung oder einem Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ist nach ständiger Rechtsprechung eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Auch Hoheitsbetriebe einer Gemeinde können beitragspflichtig sein, wenn sich ihre Tätigkeit als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Wesentlich ist, dass die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (vgl. , VwSlg. 6251/F; , 2004/14/0107, VwSlg. 8091/F; vgl. auch - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Achatz/Leitner, Körperschaften öffentlichen Rechts und ihre Privatisierung im Steuerrecht2, 286 f).

20 Im Erkenntnis vom , 2007/13/0025, wurde zur Dienstgeberbeitragspflicht des Bundes betreffend die Österreichische Staatsdruckerei für den Zeitraum 1994 bis 1997 dargelegt, es könne nicht gesagt werden, dass es sich bei der Staatsdruckerei nach dem (mit diesem Datum wurde die Staatsdruckerei als Rechtsträger eigener Art eingerichtet) um eine vom Bund verwaltete Einrichtung iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG gehandelt hätte. Dass der Bund mit dem als Dienststelle für die Redakteure der Wiener Zeitung dienenden Amt der Wiener Zeitung (§ 17 Staatsdruckereigesetz, BGBl. Nr. 340/1981) den Ausnahmetatbestand von der Befreiung nach § 42 Abs. 1 lit. a FLAG erfüllt hätte, werde auch vom Finanzamt nicht mehr behauptet. Es treffe daher zu, dass im Grunde des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG keine Dienstgeberbeitragspflicht für den Bund bestanden habe. 21 Im Erkenntnis vom , 2009/13/0160, 2010/13/0090, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass in § 42 Abs. 1 lit. a FLAG der Begriff des "Betriebes" eigenständig verwendet wird und nicht etwa auf die Begriffsdefinition eines Betriebes gewerblicher Art in § 2 KStG 1988 verwiesen wird; entgegen dem Revisionsvorbringen liegt somit zu dieser Frage Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Im Zusammenhang mit der Dienstzuteilung von Beamten (in jenem Fall an die "Umweltbundesamt GmbH") ist im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten kein vom Bund verwalteter Betrieb iSd § 42 Abs. 1 lit. a FLAG zu erblicken. Die Überlassung der Beamten an den ausgegliederten Rechtsträger stellt für sich noch keinen Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG dar (vgl. auch ).

22 Die Revision zeigt sohin nicht auf, dass sie von einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge. Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
FamLAG 1967 §42 Abs1 lita
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130085.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-47652