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VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011

VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BAO §262 Abs1
VwGG §38 Abs4
RS 1
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist - von den in Abs. 2 normierten, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - über Bescheidbeschwerden mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Ist die Beschwerdevorentscheidung noch nicht erlassen, besteht auch keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichts über ihm vorgelegte Beschwerden (vgl. ).
Normen
RS 2
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Auch die Kenntnis, dass das Schriftstück hinterlegt worden sei, genügt nicht (vgl. Bumberger/Schmid, ZustG § 7 E 57 ff). Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstückes (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. Ritz, BAO6, § 7 ZustG Rz 7). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über den Fristsetzungsantrag des Finanzamts Graz-Umgebung in 8018 Graz, Adolf-Kolping-Gasse 7, gegen das Bundesfinanzgericht betreffend Haftungsbescheide für die Jahre 2003 bis 2007 (mitbeteiligte Partei: H GmbH in F, vertreten durch die Lampert Kanzlei für Steuerberatung GmbH in 8010 Graz, Hauptplatz 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Fristsetzungsantrag des Finanzamtes liegt eine Beschwerde der X GmbH zugrunde, die von der mit Zustellvollmacht ausgestatteten L GmbH steuerlich vertreten wird. Im Beschwerdeverfahren tritt auch die K GmbH als steuerlicher Vertreter auf, die jedoch über keine Zustellvollmacht verfügt. 2 Mit Haftungsbescheiden vom zog das Finanzamt die X GmbH zur Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2003 bis 2007 heran; diese Bescheide stellte es der zustellbevollmächtigten L GmbH (als Empfängerin) zu. Dagegen wurde von der X GmbH mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben.

3 Am erließ das Finanzamt Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Haftungsbescheide 2003 bis 2007; diese Bescheide stellte es der nicht zustellbevollmächtigten K GmbH (als Empfängerin) zu. 4 Die X GmbH brachte - nach mehrmaliger Fristverlängerung - am einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein.

5 Am  legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Dieses vertrat den Standpunkt, dass die Beschwerdevorentscheidung nicht wirksam erlassen worden sei, weil das Finanzamt den Empfänger der Sendung (den Zustellbevollmächtigten) unrichtig bezeichnet habe. Im Hinblick darauf teilte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt mit Schriftsatz vom  mit, dass es zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig sei (§ 262 BAO), weil die rechtsunwirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung nicht durch Einlassung (Einbringung des Vorlageantrages) geheilt werde. Vielmehr möge das Finanzamt eine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

6 Das Finanzamt rügt im vorliegenden Fristsetzungsantrag, dass das Bundesfinanzgericht seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen sei. Zur Begründung führt es aus, der ihm unterlaufene Zustellfehler sei als geheilt anzusehen, weil die X GmbH einen Vorlageantrag eingebracht habe. Es sei eine "Heilung durch Einlassung" in Form der Einbringung eines Vorlageantrages eingetreten. Somit sei eine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden. Die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sei am erfolgt, weshalb die Entscheidungsfrist am abgelaufen sei.

7 Der Fristsetzungsantrag erweist sich als unzulässig.

8 In einer Stellungnahme zum Fristsetzungsantrag teilte das Bundesfinanzgericht dem Verwaltungsgerichtshof mit, es erachte sich als nicht für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig, weil keine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden sei. Es stehe auf dem Standpunkt, dass die unwirksame Zustellung der Beschwerdevorentscheidung nicht durch die Einbringung eines Vorlageantrages geheilt werde. Eine "Heilung durch Einlassung" gebe es nicht.

9 Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist - von den in Abs. 2 normierten, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - über Bescheidbeschwerden mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Ist die Beschwerdevorentscheidung noch nicht erlassen, besteht auch keine Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichts über ihm vorgelegte Beschwerden (vgl. ). 10 Der Fristsetzungsantrag des Finanzamtes ist darauf gestützt, dass die Beschwerdevorentscheidung wegen der "Heilung durch Einlassung" als zugestellt gilt. Diese "Heilung durch Einlassung" sei dadurch erfolgt, dass die X GmbH einen Vorlageantrag gestellt habe. Die Beschwerdevorentscheidung sei demnach ergangen. Die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sei am erfolgt, weshalb die Entscheidungsfrist am abgelaufen sei. Das Bundesfinanzgericht sei somit seiner bestehenden Entscheidungspflicht nicht nachgekommen.

11 Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Auch die Kenntnis, dass das Schriftstück hinterlegt worden sei, genügt nicht (vgl. Bumberger/Schmid, ZustG § 7 E 57 ff). Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstückes (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. Ritz, BAO6, § 7 ZustG Rz 7). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht.

12 Das Vorbringen des Finanzamtes zur Säumigkeit des Bundesfinanzgerichts beruht somit auf einem Rechtsirrtum betreffend die Heilung von Zustellmängeln. Daraus folgt, dass der Fristsetzungsantrag die Säumigkeit des Bundesfinanzgerichts nicht aufzuzeigen vermag.

13 Der Fristsetzungsantrag war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:FR2018150011.F00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-47006

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