Stabilitätsabgabe
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Maga. Ulrike Nussbaumer LL.M. M.B.L. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs GmbH, Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Großbetriebe vom bzw. 17. und die Festsetzung der Stabilitätsabgabe die Jahre 2018-2023 betreffend (Steuernummer xx xxx/xxxx) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Zwischen den Parteien ist die Frage strittig, ob die belangte Behörde die Verminderung der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe um die Liquiditätsreserve gemäß § 2 Abs. 2 Z 3a Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG) zu Unrecht verweigert hat.
Die Bescheide über die Festsetzung der Stabilitätsabgabe für die Jahre 2018 bis 2021 wurden zunächst erklärungsgemäß erlassen. Im Zuge von Betriebsprüfungen im Sparkassensektor beziehungsweise nach der Beantwortung von Ergänzungsersuchen wurde dem Finanzamt bekannt, dass in den Abgabenerklärungen die Bemessungsgrundlagen der Stabilitätsabgabe um die von der Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) bei ihrem Zentralinstitut, der X-Bank AG, zur Erfüllung ihrer Liquiditätshaltungspflicht zu haltenden Guthaben gemäß § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG vermindert worden waren. Dieser Abzug wurde vom Finanzamt nicht anerkannt, weshalb in der Folge mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Stabilitätsabgabe 2018 bis 2021 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen wurden. Der weitere Bescheid über die Festsetzung der Stabilitätsabgabe für das Jahr 2022 vom wurde am gemäß § 293b BAO berichtigt. In der Abgabenerklärung über die Stabilitätsabgabe für das Jahr 2023 wurde im Hinblick auf die bekannte Rechtsmeinung der Abgabenbehörde die Liquiditätsreserve von der Bf. nicht abgezogen, aber in einem Begleitschreiben die Durchsetzung der eigenen Rechtsansicht im Rahmen einer Beschwerde angekündigt. Die belangte Behörde erließ den bekämpften Bescheid für das Jahr 2023 am unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes.
Die Bf. erhob gegen die vorgenannten Sachbescheide - nach Fristverlängerungen - am das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte - neben einer mündlichen Verhandlung - weiters, gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO, dass eine Beschwerdevorentscheidung unterbleiben möge.
Die belangte Behörde legte die Beschwerden am dem Bundesfinanzgericht unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes zur Entscheidung vor.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom wurde die Entscheidung gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des beim VwGH anhängigen Verfahrens zu Ro 2024/13/0019 (Amtsrevision zu ) ausgesetzt, da der Ausgang dieses Verfahrens von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache war. Mit Erkenntnis des VwGH vom (Ro 2024/13/0019-6) wurde das angefochtene Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Mit Schriftsatz vom zog die Bf. den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
II. Sachverhalt
Die Bf. ist ein Kreditinstitut im Sinne des § 1 BWG und unterliegt dem Stabilitätsabgabegesetz. Als Mitglied des Sparkassensektors ist sie der X-Bank AG als Zentralinstitut angeschlossen und damit gemäß § 27a BWG verpflichtet, zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen (Liquiditätsverbund). Dazu muss die Bf. bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Liquiditätsreserve halten. In den Stabilitätsabgabeerklärungen 2018 bis 2022 hat die Beschwerdeführerin die Kürzungsbestimmung des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG angewendet und die Bemessungsgrundlagen um die von ihr beim Zentralinstitut gehaltenen Liquiditätsreserven im Sinne des § 27a BWG gekürzt.
Diesen Kürzungen wurde in der Folge - wie im Verfahrensgang dargelegt - von der belangten Behörde eine Absage erteilt.
III. Beweiswürdigung
Der vorstehende Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstrittig und geht im Übrigen auch aus den vorgelegten Akten hervor.
IV. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis vom zu Ro 2024/13/0019, in einem gleichgelagerten Fall zur Anwendbarkeit des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG ausgesprochen, wie folgt:
"13 Der Betrieb von Kreditinstituten unterliegt nach § 1 Stabilitätsabgabegesetz (StabAbgG) der Stabilitätsabgabe.
14 Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe ist nach § 2 Abs. 1 StabAbgG die durchschnittliche unkonsolidierte Bilanzsumme des Kreditinstitutes, vermindert um die in Abs. 2 leg. cit. genannten Beträge.
15 § 2 Abs. 2 StabAbgG lautete in der Stammfassung (Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010) auszugsweise:
"[...] Die Bilanzsumme des Jahresabschlusses und die Vermögensausweise gemäß § 74 BWG sind dabei jeweils um folgende Beträge zu vermindern:
[...]
3. Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß § 25 BWG entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut im Sinne des § 25 Abs. 13 BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß § 25 BWG dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut im Sinne des § 25 Abs. 13 BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;
[...]"
16 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 106) wurde zu § 2 StabAbgG u.a. ausgeführt:
"Die Stabilitätsabgabe ist von der durchschnittlichen Bilanzsumme des Kreditinstituts, die um das Eigenkapital und gesicherte Einlagen vermindert wird, zu berechnen. Dabei ist auf den Einzelabschluss und nicht auf den konsolidierten Abschluss abzustellen. [...]
Durch das Abstellen auf die Bilanzsumme bzw. die Vermögensausweise gemäß § 74 BWG als Bemessungsgrundlage kann auf bereits vorliegende Daten zurückgegriffen werden, wodurch der zusätzliche Verwaltungsaufwand in Grenzen gehalten wird. [...]
Die Kosten für den Staatshaushalt durch den Bankensektor wurden im Krisenjahr 2008 und den nachfolgenden zwei Jahren bis zur Budgetkonsolidierung verursacht. Die Stabilitätsabgabe soll einen Beitrag zu diesen Krisenkosten darstellen, zusätzlich soll sie der Finanzmarktstabilität dienen und eine Beteiligung des Bankensektors an zukünftigen kapitalmarktbedingten Kosten und staatlichen Stabilisierungsmaßnahmen darstellen. Die Bemessungsgrundlage soll zudem so gewählt sein, dass den steuerpflichtigen Kreditinstituten keine Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden mit denen die Stabilitätsabgabe umgangen werden kann. Aus diesen Gründen soll auf eine bereits vorhandene Bemessungsgrundlage abgestellt werden. [...]
Zu Z 3:
Um keine Doppelbesteuerungen im Bankenverbund auszulösen, sollen Verbindlichkeiten, die aus der Erfüllung der Liquiditätshaltungsbestimmungen des § 25 BWG entstanden sind, von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Diese Kürzung der Bemessungsgrundlage ist jedoch nur insoweit zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung zulässig, als das steuerpflichtige Kreditinstitut seinerseits Guthaben bei und Forderungen an ein Zentralinstitut hat, die dort Steuerpflicht auslösen. Im Sinne des EU Rechts ist dies auf ein System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs gemäß § 25 Abs. 13 BWG auszuweiten, wenn dieses Kreditinstitut der Stabilitätsabgabe oder einer vergleichbaren Abgabe im Ausland (zB ausländische Bankenabgabe, die an die Bilanzsumme anknüpft) unterliegt."
17 Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 184/2013 wurden § 2 Abs. 2 Z 3 StabAbgG geändert und eine Z 3a eingefügt:
"3. Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß § 25 BWG entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß § 25 BWG dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;"
"3a. Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten, soweit diese aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 entstanden sind. Eine Verminderung ist nur in jenem Ausmaß zulässig, als Forderungen an das Zentralinstitut oder ein anderes Kreditinstitut gemäß § 27a BWG bestehen, die der Erfüllung der eigenen Liquiditätshaltungspflicht gemäß Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 dienen und das Zentralinstitut oder das andere Kreditinstitut gemäß § 27a BWG der Stabilitätsabgabe gemäß diesem Bundesgesetz oder einer vergleichbaren Abgabe in einem Mitgliedstaat (§ 2 Z 5 BWG) unterliegt;"
18 Gemäß § 9 Abs. 2 StabAbgG trat diese Z 3 mit in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft; Z 3a trat mit in Kraft.
19 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2438 BlgNR 24. GP 78) wurde dazu ausgeführt:
"Da die Liquiditätsbestimmungen ab der Verordnung (EU) Nr. xxx/2013 zu entnehmen sind, wird ab Inkrafttreten dieser Bestimmungen der Verweis auf die Liquiditätsbestimmungen des BWG in Abs. 2 Z 3 durch einen Verweis auf die Liquiditätsbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. xxx/2013 ersetzt (Abs. 2 Z 3a)."
20 § 25 BWG (in der Fassung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des StabAbgG, insoweit BGBl. I Nr. 72/2010) sah vor, dass die Kreditinstitute dafür zu sorgen hatten, ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Dazu wurden den Kreditinstituten verschiedene "Verpflichtungen" (vgl. § 25 Abs. 3 BWG: "Ungeachtet dieser Verpflichtungen ...") auferlegt (etwa durch die dauernde Haltung ausreichender flüssiger Mittel für den Ausgleich künftiger Ungleichgewichte der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge ausreichend vorzusorgen, § 25 Abs. 1 Z 2 BWG). Ungeachtet dieser Verpflichtungen hatten die Kreditinstitute als Mindesterfordernis flüssige Mittel gemäß § 25 Abs. 4 bis 14 BWG zu halten. § 25 Abs. 13 BWG (vgl. zu dessen Entwicklung 2009/17/0205) sah vor, dass Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen waren, zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen und dazu eine näher geregelte Liquiditätsreserve zu halten hatten.
21 Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 184/2013 wurde neben der bereits oben angeführten Änderung des StabAbgG auch das BWG geändert; der "bisherige § 25 Abs. 13 wurde aus systematischen Gründen in § 27a verschoben" (vgl. 2438 BlgNR 24. GP 48).
22 § 27a BWG (in der im vorliegenden Verfahren anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 118/2016; vgl. zu dessen Entwicklung sowie unionsrechtlichen Grundlagen Ra 2015/02/0140) lautet:
"Liquiditätsverbünde
§ 27a. Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, haben zur Sicherung der Finanzmarktstabilität an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen. Dazu haben sie bei ihrem Zentralinstitut oder bei einem anderen vertraglich oder statutarisch festgelegten Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat eine Liquiditätsreserve im Ausmaß von 10 vH der Spareinlagen und 20 vH der sonstigen Euro Einlagen, höchstens jedoch 14 vH der gesamten Euro Einlagen zu halten. Das Kreditinstitut muss zur Entgegennahme von Einlagen berechtigt und auf Grund seiner Geschäftsstruktur geeignet sein, die sich aus Gewährleistung eines Liquiditätsverbundes ergebenden Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere hat es eine ausreichende Bonität aufzuweisen und liquide Mittel wie auch Refinanzierungsmöglichkeiten haben dauerhaft zur Verfügung zu stehen, um im Bedarfsfall rasch Liquiditätsunterstützung gewähren zu können. Die Modalitäten der konkreten Leistungsbeziehung zwischen dem Zentralinstitut oder dem sonstigen Kreditinstitut, bei dem die Liquiditätsreserve gehalten wird, und den übrigen am Liquiditätsverbund teilnehmenden Kreditinstituten sind unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 vertraglich oder statutarisch zu regeln. Die vertraglichen oder statutarischen Regelungen haben insbesondere zu enthalten:
1. Die Voraussetzungen für die Versorgung der angeschlossenen Kreditinstitute mit Liquidität, im Bedarfsfall;
2. die nähere Ausgestaltung der Leistungsverpflichtung des Zentralinstitutes oder sonstigen Kreditinstitutes, bei dem die liquiden Mittel gehalten werden, im Bedarfsfall;
3. die Willensbildung, insbesondere die Beschlusserfordernisse, bei den entsprechenden Entscheidungen;
4. eine Kündigungsfrist, die mindestens ein Jahr betragen muss.
Das Ausmaß der Liquiditätsreserve ist jeweils zum Ende der Monate März, Juni, September und Dezember nach dem Stand der Einlagen zu ermitteln und für das jeweils folgende Vierteljahr anzupassen. Sinken die Einlagen um mehr als 20 vH unter den Stand der letzten maßgeblichen Berechnungsgrundlage, so kann das Kreditinstitut eine Anpassung zum nächstfolgenden Monatsletzten verlangen. Sonstige Einlagen sind täglich fällige Gelder des Zahlungsverkehrs (Sichteinlagen), alle Kündigungs und Festgelder sowie die Einlagen gegen Ausgabe von Kassenscheinen. Einlagen gemäß Art. 27 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, ABl. Nr. L 11 vom S. 1, zählen nicht zur Bemessungsgrundlage der Liquiditätsreserve. Dies gilt sinngemäß auch für Zentralinstitute, die gemäß § 30c von der Einhaltung der Liquiditätsanforderungen auf Einzelbasis freigestellt wurden."
23 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. 118/2016, mit welchem die beiden letzten Sätze angefügt wurden, wurde ausgeführt (1335 BlgNR 25. GP 22):
"§ 27a BWG regelt den Liquiditätsausgleich bei dezentralen Sektoren. Für die Sicherung der Finanzmarktstabilität müssen angeschlossene Institute bei ihrem Zentralinstitut eine Liquiditätsreserve in einem bestimmten Ausmaß halten. In dreistufigen Sektoren wird nach geltender Rechtslage die von den Primärbanken gehaltene Liquiditätsreserve in die Bemessungsgrundlage für die von den Landesbanken bei ihrem Zentralinstitut zu haltende Liquiditätsreserve einbezogen. Bis zum Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, ABl. Nr. L 11 vom S. 1, im Oktober 2015 war die Einbeziehung der von den Primärbanken gehaltenen Liquiditätsreserven in die Bemessungsgrundlage der Landesbanken sachlich gerechtfertigt, da die Landesbanken die Liquiditätsreserve der Primärbanken grundsätzlich auch noch frei veranlagen konnten.
Mit dem Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 hat sich die Rechtslage geändert. Seither sind die Landesbanken gegenüber angeschlossenen Instituten vertraglich verpflichtet, die bei ihnen gehaltene Liquiditätsreserve vollständig in Form von hochliquiden Aktiva zu veranlagen, damit die angeschlossenen Institute die Liquiditätsreserve zu 100% als hochliquide Mittel anrechnen lassen können. Somit können die Landesbanken diese Mittel nicht mehr frei veranlagen. Die Funktion der Landesbanken besteht insoweit nur noch in der Bündelung und gemeinsamen Veranlagung der Liquiditätsreserve für die Primärstufe. Für die Erfüllung der eigenen LCR Erfordernisse dürfen die Landesbanken nach der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 die Mittel der Primärbanken auch nicht heranziehen (Art. 27 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61).
Eine zusätzliche Einrechnung der von den Primärbanken gehaltenen Mittel in die Berechnungsgrundlage der Liquiditätsreserve der Landesbanken bei ihrem Zentralinstitut erscheint daher nicht mehr gerechtfertigt und soll folglich durch die vorliegende Gesetzesänderung eine entsprechende Anpassung der Rechtslage erfolgen. Diese Problematik der Liquiditätsreserve betrifft ausschließlich dreistufige Sektoren und lässt die sonstige Ausgestaltung der Liquiditätsreserve unberührt."
24 Nach § 2 Abs. 2 Z 3 bzw. Z 3a StabAbgG ist die von der Bilanzsumme abzuleitende Bemessungsgrundlage um "Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten" zu vermindern, soweit diese "aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses" (ursprünglich nach § 25 BWG, nunmehr nach Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013) "entstanden" sind.
25 Das "Liquiditätserfordernis" besteht insbesondere in der Verpflichtung zur Haltung (näher geregelter) ausreichender "flüssiger Mittel" (§ 25 BWG; nunmehr Teil 6 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, vgl. insbesondere Art. 412 f der Verordnung: ausreichende "liquide Aktiva"). § 2 Abs. 2 Z 3 bzw. Z 3a StabAbgG sprechen insoweit aber "Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten" an; sie beziehen sich (nach den Gesetzesmaterialien) auf einen Bankenverbund mit einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs gemäß § 25 Abs. 13 BWG. Nach der zuletzt genannten Bestimmung, deren Inhalt inzwischen nach § 27a BWG ("Liquiditätsverbünde") "verschoben" wurde, haben jene Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, bei ihrem Zentralinstitut (oder einem anderen Kreditinstitut) eine näher geregelte Liquiditätsreserve zu halten. Dazu ist eine vertragliche oder statutarische Regelung zu treffen, die nähere Inhalte zu umfassen hat.
26 Kreditinstitute, die einem Zentralinstitut angeschlossen sind, die sich also in einem Bankenverbund befinden, treffen demnach zur Erfüllung des gesetzlich normierten Liquiditätserfordernisses gesetzliche, durch Vertrag oder Statut zu konkretisierende Verpflichtungen gegenüber dem Zentralinstitut (oder einem anderen Kreditinstitut). Die Verpflichtung besteht entgegen der Ansicht des revisionswerbenden Finanzamts nicht bloß darin, eine näher geregelte Liquiditätsreserve an dieses Zentralinstitut (anderes Kreditinstitut) zu leisten, sondern diese Liquiditätsreserve dort dauerhaft zu "halten". Entgegen der Ansicht des revisionswerbenden Finanzamts fällt diese Verpflichtung demnach nicht dadurch weg, dass diese Liquiditätsreserve an das Zentralinstitut geleistet wird.
27 Die Bemessungsgrundlage vermindern Verpflichtungen, die ("soweit diese") aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses "entstanden" sind. Entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung kann dies nicht dahin verstanden werden, dass es sich um "Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten aus den Liquiditätsbestimmungen" handle. Hiezu ist zunächst zu bemerken, dass Verpflichtungen (im Allgemeinen; anders etwa bei einem Realkontrakt, z.B. "Darleihen" nach § 983 ABGB idF vor BGBl. I Nr. 28/2010; anders allenfalls auch im Sinne eines aufschiebend bedingten Entstehens durch Erbringung der Gegenleistung) durch Gesetz oder durch ein Rechtsgeschäft begründet werden (vgl. § 859 ABGB). Der Gesetzgeber, der die Bemessungsgrundlage (insbesondere zur Vermeidung zusätzlichen Verwaltungsaufwandes) an Rechnungslegungsvorschriften anknüpfen wollte, meint hier wohl die Realisierung (vgl. dazu wenn auch zum Entstehen einer Forderung, nicht hingegen einer Verpflichtung Mayr/Fritz Schmied in Doralt et al, EStG24, § 6 Tz 36) der "Verpflichtung", die in diesem Fall (erst) mit der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses angenommen wird. Aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses, das im Rahmen eines Bankenverbundes im Halten der Liquiditätsreserve beim Zentralinstitut (oder einem anderen Kreditinstitut) besteht, entsteht aber keine Verpflichtung des Kreditinstituts, das diese Liquiditätsreserve geleistet hat (dieses wird vielmehr berechtigt), sondern eine Verpflichtung jenes Kreditinstitutes, an das diese Liquiditätsreserve geleistet wurde (also des Zentralinstituts). Dieses trifft eine im Vertrag oder im Statut näher auszugestaltende Leistungsverpflichtung. Das Zentralinstitut muss im Bedarfsfall rasch und ohne administrative Hindernisse Liquiditätsunterstützung gewährleisten, die auch über den Betrag der entgegengenommenen Einlagen hinausgehen soll (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I Nr. 108/2007, mit welchem § 25 Abs. 13 BWG neu gefasst worden war, 313 BlgNR 23. GP 5 f).
28 Lediglich eine derartige Verpflichtung des Zentralinstituts (oder eines anderen bestimmten Kreditinstituts), die gegenüber dem einlegenden Kreditinstitut besteht, ist aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses entstanden und könnte daher nach § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG die Bemessungsgrundlage vermindern.
29 Da überdies eine Verminderung nur in jenem Ausmaß zulässig ist, als Forderungen an das Zentralinstitut (oder ein anderes Kreditinstitut) bestehen, kann die Verminderung der Bemessungsgrundlage nach dieser Ziffer nur im Fall eines mehrstufigen Bankenverbundes eintreten, da nur in diesem Fall sowohl Verpflichtungen gegenüber einem Kreditinstitut (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses), anderseits aber auch Forderungen an das Zentralinstitut bestehen können. Eine derartige Verminderung der Bemessungsgrundlage wird daher insbesondere bei einem dreistufigen Bankenverbund, und zwar auf Ebene der Landesbank eintreten können, bei welcher Verpflichtungen gegenüber dem Primärinstitut und Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut bestehen.
30 Zu verweisen ist auch darauf, dass in Satz 1 des § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG nicht normiert ist, wessen Liquiditätserfordernisse erfüllt wurden. Im zweiten Satz dieser Bestimmung wird hingegen in deutlicher Abweichung vom ersten Satz auf die Erfüllung der "eigenen Liquiditätshaltungspflicht" (also jene des Kreditinstituts, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist) abgestellt. In diesem Sinne verweisen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (zur Stammfassung des § 2 Abs. 2 Z 3 StabAbgG) darauf, dass das steuerpflichtige Kreditinstitut "seinerseits" Guthaben und Forderungen an ein Zentralinstitut habe. Es kann somit abgeleitet werden, dass in Satz 1 dieser Bestimmung gerade nicht die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts gemeint sind, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, sondern die Liquiditätserfordernisse jenes Kreditinstituts, das die Einlagen bei dem Kreditinstitut, dessen Stabilitätsabgabe zu beurteilen ist, geleistet hat (und damit die Verpflichtung ausgelöst hat).
31 Bei einem (wie hier vorliegenden) zweistufigen Bankenverbund liegen hingegen nicht (beim selben Kreditinstitut) sowohl Verpflichtungen (aus der Erfüllung eines Liquiditätserfordernisses) als auch Forderungen gegenüber dem Zentralinstitut vor.
32 Die mitbeteiligte Partei macht geltend, seit der Änderung des § 27a BWG mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 118/2016 habe die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 3a StabAbgG betreffend den dreistufigen Bankenverbund keinen Anwendungsbereich mehr. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass zwar aufgrund der geschilderten Änderung des § 27a BWG eine Einrechnung der von den Primärbanken gehaltenen Mittel in die Berechnungsgrundlage der Liquiditätsreserve der Landesbanken nicht mehr erfolgen soll. Dies ändert aber nichts daran, dass für die Landesbank (insoweit als Zentralinstitut; vgl. dazu Blume in Dellinger, BWG, 8. Lfg, § 27a BWG, Rz 7) Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten (Primärbanken) bestehen, die aus der Erfüllung des Liquiditätserfordernisses (der Primärbanken) entstanden sind. Betreffend die Landesbank ist daher die Bemessungsgrundlage weiterhin zu vermindern um jene Forderungen gegenüber ihrem Zentralinstitut, die der Erfüllung der eigenen (aufgrund der Änderung des § 27a BWG reduzierten) Liquiditätshaltungspflicht dienen. Es besteht sohin weiterhin ein Anwendungsbereich für diese Bestimmung, auch wenn der Zweck für diese Verminderung der Bemessungsgrundlage weggefallen sein mag.
33 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."
Die Beschwerde war in Entsprechung der vorgenannten Judikatur - da vergleichbare Sachverhalte vorliegen und dieselben Rechtsvorschriften gelten (vgl. dazu auch den Schriftsatz der Bf. vom ) - somit als unbegründet abzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht sieht sich weiters nicht veranlasst, die von der Bf. geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken an den VfGH heranzutragen. Wie bereits im vorzitierten Erkenntnis des VwGH unmissverständlich zum Ausdruck kommt, ist die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 3a StabAbgG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Ein - wie von der Bf. intendierter - Antrag gemäß Art 140 Abs. 1 Z 1 lit a B-VG erfordert aber, dass "die Anwendung eines Gesetzes" Bedenken des Verwaltungsgerichtes hervorruft. Da eine derartige Anwendung im Gegenstand gerade nicht vorliegt und im Übrigen auch der VwGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, war von einer Antragstellung Abstand zu nehmen.
4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die gegenständliche Rechtsfrage wurde durch den VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2024/13/0019 gelöst, weshalb die Revision für nicht zulässig zu erklären war.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Z 3 lit. a StabAbgG, Stabilitätsabgabegesetz, BGBl. I Nr. 111/2010 |
Schlagworte | Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.4100097.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
TAAAF-46968