VwGH 01.02.2024, Ro 2023/16/0020
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | FamLAG 1967 §2 Abs1 litj |
RS 1 | § 2 Abs. 1 lit. j FamLAG 1967 stellt für die Gewährung der Familienbeihilfe auf den Beginn und die Dauer des ausgeübten Studiums ab. |
Normen | BudgetbegleitG 2011 FamLAG 1967 §2 Abs1 litb FamLAG 1967 §2 Abs1 litj UniversitätsG 2002 §51 Abs2 Z4 UniversitätsG 2002 §51 Abs2 Z5 UniversitätsG 2002 §60 UniversitätsG 2002 §63 Abs1 Z1 UniversitätsG 2002 §64 UniversitätsG 2002 §64 Abs3 UniversitätsG 2002 §68 Abs1 Z6 VwRallg |
RS 2 | Die Zulassung zu einem Bachelorstudium erlischt mit Abschluss des Studiums durch die positive Beurteilung bei der letzten vorgeschriebenen Prüfung (§ 68 Abs. 1 Z 6 UniversitätsG 2002) und wird nach Abschluss des Studiums ein akademischer Grad (hier: Bachelor of Science) verliehen. Für ein anschließendes Masterstudium ist ein eigener (neuer) Antrag auf Zulassung zum Studium zu stellen. Dabei ist vom Rektorat das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen (§ 60 UniversitätsG 2002), worunter auch die allgemeine Universitätsreife (§ 63 Abs. 1 Z 1 und § 64 UniversitätsG 2002) zählt. Die Zulassung zu einem Masterstudium setzt den Abschluss u. a. eines fachlich in Frage kommenden Bachelorstudiums voraus (§ 64 Abs. 3 UniversitätsG 2002; vgl. dazu bereits ). Das Masterstudium an einer Universität stellt gegenüber einem vorangegangenen Bachelorstudium u.a. ein eigenständiges Studium im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 dar (vgl. ). Vor dem Hintergrund der im UniversitätsG 2002 geregelten rechtlichen Grundlagen der ordentlichen Studien, die Bachelor- und Masterstudien klar trennen, besteht kein Grund für den VwGH diese Rechtsansicht nicht auch für die Auslegung des § 2 Abs. 1 lit. j FamLAG 1967 zu vertreten. Dies steht auch im Einklang mit den Materialien zum BudgetbegleitG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, (RV 981 BlgNR 24. GP, 223 f). |
Normen | BudgetbegleitG 2011 FamLAG 1967 §2 Abs1 FamLAG 1967 §2 Abs1 litj VwRallg |
RS 3 | In den Materialien zum BudgetbegleitG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, (RV 981 BlgNR 24. GP, 223 f) wird die allgemeine Herabsetzung der Altersgrenze für die Gewährung der Familienbeihilfe auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr maßgeblich damit begründet, dass "[d]urch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, [...] die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht" werde. Diese Herabsetzung führe daher "[i]m Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen" - somit aufgrund der allgemeinen Verkürzung der Studiendauer - deshalb "nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen". Der neu eingeführte § 2 Abs. 1 lit. j FamLAG 1967 sollte dabei als neue Verlängerungsmöglichkeit die "besondere Situation" bei Studierenden berücksichtigen, "deren Studium mindestens zehn Semester dauert". Dies offensichtlich - und nachvollziehbarer Weise - deswegen, weil in diesen Fällen die studienrechtlichen Änderungen in der Form der "verkürzten" Bachelorstudien nicht schlagend geworden sind, womit die als generelle Rechtfertigung (und typisierend) angenommene Selbsterhaltungsfähigkeit gerade nicht "bereits" nach sechs Semestern erreicht wird. Die Materialien stellen sohin - vor dem Hintergrund der Einführung der Bachelor- und Masterstudien - ausdrücklich auf die Dauer des jeweiligen Studiums ab. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Klagenfurt St. Veit Wolfsberg in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100562/2023, betreffend u.a. Familienbeihilfe März bis Mai 2023 (mitbeteiligte Partei: B H in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und der Spruchpunkt I.2) des angefochtenen Erkenntnisses dahin abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:
„Die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom , mit dem ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2023 bis Mai 2023 abgewiesen wurde, wird als unbegründet abgewiesen.“
Begründung
1 Am beantragte die Mitbeteiligte die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre am geborene Tochter unter Hinweis auf das von dieser betriebene Studium der Humanmedizin an einer inländischen Universität für den Zeitraum Juni 2022 bis Mai 2023 und legte dazu Studienbestätigungen und eine Bestätigung des Studienerfolges vor.
2 Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag - unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 9 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise vorgesehenen Verlängerung der Berechtigungsdauer der Familienbeihilfe um ein Semester - für den Zeitraum März 2023 bis Mai 2023 mit der Begründung abgewiesen, die Tochter habe das 24. Lebensjahr bereits vollendet und bei dem Bachelorstudium der Humanmedizin handle es sich um kein langes Studium im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG. Die Dauer des daran anschließenden Masterstudiums sei nicht miteinzubeziehen. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.
3 Mit Spruchpunkt I.2) des angefochtenen Erkenntnisses hob das Bundesfinanzgericht den Bescheid vom mit der Begründung auf, das Studium der Humanmedizin (Bachelor- und Masterstudium) sei insgesamt als ein langes Studium im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG anzusehen. Begründend führte das Bundesfinanzgericht insbesondere aus, der Abschluss des Bachelorstudiums der Humanmedizin berechtige noch zu keinerlei ärztlicher Berufsausübung. Der erstmögliche Studienabschluss werde nicht bereits mit dem Abschluss des Bachelorstudiums erreicht, sondern erst mit Abschluss des Masterstudiums. Unter einem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision gegen sein Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei, da eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Bachelorstudium und das anschließende Masterstudium an der genannten Universität eine Einheit bilden würden und daher ein langes Studium im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. j sublit. bb FLAG vorliege, fehle.
4 Gegen Spruchpunkt I.2) dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit überdies vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis stehe insoweit im Widerspruch zu den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0086 und vom , 2011/16/0066.
Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.
6 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei die Tochter der Mitbeteiligten am geboren. Sie sei am zum Bachelorstudium Humanmedizin zugelassen worden. Dieses Studium habe sie am erfolgreich abgeschlossen. Seit dem sei die Tochter der Mitbeteiligten zum Masterstudium Humanmedizin zugelassen.
7 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. j FLAG haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt und die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird.
8 § 2 Abs. 1 lit. j FLAG stellt demnach für die Gewährung der Familienbeihilfe in diesem Zusammenhang auf den Beginn und die Dauer des ausgeübten Studiums ab.
9 Gemäß § 51 Abs. 2 Z 2 Universitätsgesetz 2002 (UG) sind ordentliche Studien die Diplomstudien, die Bachelorstudien, die Masterstudien, die Doktoratsstudien, die kombinierten Master- und Doktoratsstudien sowie die Erweiterungsstudien.
10 Bachelorstudien sind die ordentlichen Studien, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung oder Berufsausbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten dienen, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern (§ 51 Abs. 2 Z 4 UG). Masterstudien sind die ordentlichen Studien, die der Vertiefung und Ergänzung der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung oder Berufsausbildung auf der Grundlage von Bachelorstudien dienen (§ 51 Abs. 2 Z 5 UG).
11 Die Zulassung zu einem Bachelorstudium erlischt mit Abschluss des Studiums durch die positive Beurteilung bei der letzten vorgeschriebenen Prüfung (§ 68 Abs. 1 Z 6 UG) und wird nach Abschluss des Studiums ein akademischer Grad (hier: Bachelor of Science) verliehen. Für ein anschließendes Masterstudium ist ein eigener (neuer) Antrag auf Zulassung zum Studium zu stellen. Dabei ist vom Rektorat das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen (§ 60 UG), worunter auch die allgemeine Universitätsreife (§ 63 Abs. 1 Z 1 und § 64 UG) zählt. Die Zulassung zu einem Masterstudium setzt den Abschluss u. a. eines fachlich in Frage kommenden Bachelorstudiums voraus (§ 64 Abs. 3 UG; vgl. dazu bereits ).
12 In seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0086, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Masterstudium an einer Universität gegenüber einem vorangegangenen Bachelorstudium u.a. ein eigenständiges Studium im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG darstellt.
13 Vor dem Hintergrund der im UG geregelten rechtlichen Grundlagen der ordentlichen Studien, die Bachelor- und Masterstudien klar trennen, besteht kein Grund für den Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsansicht nicht auch für die Auslegung des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG zu vertreten.
14 Dies steht auch im Einklang mit den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, (RV 981 BlgNR 24. GP, 223 f). Dort wird die allgemeine Herabsetzung der Altersgrenze auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr maßgeblich damit begründet, dass „[d]urch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, [...] die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht“ werde. Diese Herabsetzung führe daher „[i]m Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen“ - somit aufgrund der allgemeinen Verkürzung der Studiendauer - deshalb „nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen“. Der neu eingeführte § 2 Abs. 1 lit. j FLAG sollte dabei als neue Verlängerungsmöglichkeit die „besondere Situation“ bei Studierenden berücksichtigen, „deren Studium mindestens zehn Semester dauert“. Dies offensichtlich - und nachvollziehbarer Weise - deswegen, weil in diesen Fällen die studienrechtlichen Änderungen in der Form der „verkürzten“ Bachelorstudien nicht schlagend geworden sind, womit die als generelle Rechtfertigung (und typisierend) angenommene Selbsterhaltungsfähigkeit gerade nicht „bereits“ nach sechs Semestern erreicht wird. Auch die Materialien stellen sohin - vor dem Hintergrund der Einführung der Bachelor- und Masterstudien - ausdrücklich auf die Dauer des jeweiligen Studiums ab.
15 Dass, wie das Bundesfinanzgericht ausführt, keine sachlichen Gründe ersichtlich seien, das revisionsgegenständliche Studium der Humanmedizin hinsichtlich der Frage seiner Dauer anders zu behandeln, als die Studien an bestimmten anderen Universitäten, trifft angesichts der dargestellten rechtlichen Grundlagen nicht zu. Insbesondere erlangt die Absolventin bzw. der Absolvent des Bachelorstudiums einen akademischen Grad und es bietet sich - wie in der Revision zutreffend angeführt - die Möglichkeit, sich nach Abschluss des Bachelorstudiums in diversen (nichtärztlichen) Berufsfeldern zu engagieren. Zudem eröffnet der Abschluss des Bachelorstudiums neben der Zulassung zum Masterstudium Humanmedizin auch die Zulassung zu anderen Studien.
16 Das Verwaltungsgericht hat das angefochtene Erkenntnis aus den genannten Gründen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
17 Nach dem Gesagten erweist sich der Revisionsfall als entscheidungsreif, weshalb gemäß § 42 Abs. 4 VwGG im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Ersparnis weiteren Verfahrensaufwands in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis spruchgemäß abzuändern ist.
Wien, am
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Normen | BudgetbegleitG 2011 FamLAG 1967 §2 Abs1 FamLAG 1967 §2 Abs1 litb FamLAG 1967 §2 Abs1 litj UniversitätsG 2002 §51 Abs2 Z4 UniversitätsG 2002 §51 Abs2 Z5 UniversitätsG 2002 §60 UniversitätsG 2002 §63 Abs1 Z1 UniversitätsG 2002 §64 UniversitätsG 2002 §64 Abs3 UniversitätsG 2002 §68 Abs1 Z6 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023160020.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-46785