VwGH 14.05.2024, Ro 2023/16/0016
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | B-VG Art133 Abs4 VwGG §25a Abs1 |
RS 1 | Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist die vom VwG vorzunehmende Fokussierung auf die vom VwGH zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage. Das VwG hat in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision daher (kurz) darzulegen, welche - konkret auf die vorliegende Beschwerdesache bezogene - grundsätzliche Rechtsfrage der VwGH (erstmals) zu lösen hätte (vgl. B , Ro 2014/01/0033; B , Ro 2014/08/0083). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2015/07/0010 E RS 1 |
Normen | B-VG Art133 Abs4 EURallg VwGG §25a Abs1 31987R2658 Kombinierte Nomenklatur 32013R0952 ZK 2013 Art57 Abs1 62022CJ0368 Danish Fluid System Technologies VORAB |
RS 2 | Die Einreihung einer Ware in den Zolltarif beruht auf einer reinen Tatsachenfeststellung (vgl. etwa , Danish Fluid System Technologies A/S, Rn 30). Daraus folgt, dass es sich bei der zur Zulässigkeit der Revision angeführten Frage - nämlich der Einreihung einer konkreten Ware in den Zolltarif - schon dem Grunde nach nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. |
Normen | B-VG Art133 Abs4 VwGG §34 Abs1 |
RS 3 | Zwar kann einer Rechtsfrage auch bei sich aus dem Unionsrecht ergebenden Bedenken eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen; mit einem allgemein gehaltenen Verweis auf bestimmte Urteile des EuGH wird jedoch nicht aufgezeigt, welche konkrete Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in der vorliegenden Revisionssache zu klären wäre (). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/16/0154 B RS 1 |
Normen | EURallg 31987R2658 Kombinierte Nomenklatur 32013R0952 ZK 2013 Art57 Abs1 62019CJ0772 Bartosch Airport Supply Services VORAB 62020CJ0062 Vogel Import Export VORAB 62022CJ0368 Danish Fluid System Technologies VORAB |
RS 4 | Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln festgelegt sind (vgl. etwa Vogel Import Export NV, C-62/20, Rn 33; und Bartosch Airport Supply Services GmbH, C-772/19, Rn 22). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0110 E RS 1 |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2023/16/0017 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der N GmbH in W, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Siebensterngasse 42/3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7200051/2020, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
1 Mit Bescheiden vom sowie vom setzte das damalige Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien (nunmehr Zollamt Österreich) die Eingangsabgaben zu zwei näher genannten Zollanmeldungen der Revisionswerberin mit € 10.795,89 und € 3.470,04 fest. Mit diesen Zollanmeldungen wurden u.a. „Menstruationsunterhosen“ in den zollrechtlich freien Verkehr überführt.
2 Mit Beschwerden gegen die genannten Bescheide richtete sich die Revisionswerberin jeweils gegen die Einordnung der revisionsgegenständlichen Waren in die Zolltarifnummer 6208 99 00 99 und sohin gegen die Anwendung eines Zollsatzes von 12 Prozent. Bei der Ware handle es sich um eine solche, die in die Zolltarifnummer 9619 00 00 00 einzureihen sei. Es sei demnach ein Abgabensatz von 6,3 Prozent vorzuschreiben.
3 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen jeweils vom ab. Mit dem - infolge der Einbringung von Vorlageanträgen erlassenen - angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die genannten Bescheide insofern ab, als es den Zoll unter Heranziehung eines Zollsatzes von 10,5 Prozent in Höhe von € 9.733,31 und € 3.036,28 festsetzte und die Beschwerden im Übrigen abwies. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Begründend führt das Bundesfinanzgericht aus, die gegenständlichen Waren seien - wie aus den vorgelegten Mustern zu erkennen sei - eindeutig aus Wirkwaren hergestellt. Die Hosen seien im Schritt vierlagig aufgebaut und daher Erzeugnisse, die als Windeln oder ähnliche Waren in die Kombinierte Nomenklatur einzureihen seien. Unter die von der Revisionswerberin begehrte Einreihung fielen ausschließlich hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren. Der wesentliche Unterschied zu Windeln und ähnlichen Waren bestehe darin, dass letztere, wenn sie als Windelhosen gefertigt seien, wie Unterwäsche angezogen werden könnten, weil sie oben mit einer Öffnung für den Unterkörper und unten mit zwei Öffnungen für die Beine ausgestattet seien. Die revisionsgegenständlichen Waren würden diese Einreihungskriterien erfüllen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revisionswerberin mit der vorliegenden Revision. Das Bundesfinanzgericht hat dem Verwaltungsgerichtshof die Revision nach Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 30a VwGG gemeinsam mit den Verfahrensakten und der Revisionsbeantwortung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vorgelegt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. , mwN).
10 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 VwGG bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. , mwN). Das Verwaltungsgericht hat in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision daher (kurz) darzulegen, welche - konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene - grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hat (vgl. ).
11 Das Bundesfinanzgericht sprach aus, die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einreihung der in Rede stehenden Ware in den Zolltarif fehle.
12 Gemäß Art. 56 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , (Unionszollkodex - UZK) umfasst der gemeinsame Zolltarif, auf welchen sich gemäß Art. 56 Abs. 1 UZK die zu entrichtenden Einfuhrabgaben stützen, u.a. die Kombinierte Nomenklatur nach der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 256 vom , (KN-VO).
13 Für die Anwendung des gemeinsamen Zolltarifs gilt gemäß Art. 57 Abs. 1 UZK als zolltarifliche Einreihung von Waren die Bestimmung der Unterposition oder der weiteren Unterteilung der Kombinierten Nomenklatur, der diese Waren zugewiesen werden.
14 Die Einreihung einer Ware in den Zolltarif beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) auf einer reinen Tatsachenfeststellung (vgl. etwa , Danish Fluid System Technologies A/S, Rn 30). Daraus folgt, dass es sich bei der vom Bundesfinanzgericht zur Zulässigkeit der Revision angeführten Frage - nämlich der Einreihung einer konkreten Ware in den Zolltarif - schon dem Grunde nach nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt.
15 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. , mwN).
16 Verfahrensgegenständlich begehrt die Revisionswerberin die Einreihung einer konkreten Ware in den KN-Code 9619 00 40 (Hygienische Binden [Einlagen], Tampons und ähnliche Waren), wohingegen das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis eine Einreihung in den KN-Code 9619 00 50 (Windeln und Windeleinlagen und ähnliche Waren) vorgenommen hat. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit vor, es fehle eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Frage der Einreihung der hier gegenständlichen Menstruationsunterwäsche“. Der Feststellung des Bundesfinanzgerichts, wonach die gegenständliche Ware „ähnlich wie Windelhosen konfektioniert sind“, tritt die Revisionswerberin dabei nicht entgegen.
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage auch bei sich aus dem Unionsrecht ergebenden Bedenken eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen; mit einem allgemein gehaltenen Verweis auf bestimmte Urteile des EuGH wird jedoch nicht aufgezeigt, welche konkrete Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang in der vorliegenden Revisionssache zu klären wäre (vgl. etwa ). Dies gilt im gegenständlichen Revisionsfall umso mehr, als in der Revision weder auf konkrete Rechtsprechung des EuGH noch des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wird.
18 Zur Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (KN) und deren Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt geäußert (vgl. erneut , mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln festgelegt sind (vgl. mVa Vogel Import Export NV, C-62/20, Rn 33; und Bartosch Airport Supply Services GmbH, C-772/19, Rn 22; vgl. erneut , Danish Fluid System Technologies A/S, Rn 33).
19 Dass das Bundesfinanzgericht, ausgehend von seinen in der Revision unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen, mit dem angefochtenen Erkenntnis - in dessen Erwägungen es sich ausdrücklich auf die hier genannten höchstgerichtlichen Vorgaben stützt - von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, bringt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision aber nicht vor.
20 Im Übrigen vermögen auch die sonstigen Ausführungen in der Revision nicht aufzuzeigen, dass das Bundesfinanzgericht, ausgehend von der eingangs wiedergegebenen Feststellung über die Ware (§ 41 VwGG), die zolltarifarische Einordnung im Revisionsfall nicht gemäß der dargestellten rechtlichen Vorgaben vorgenommen hätte.
21 Soweit die Revisionswerberin in den Revisionsgründen auf die Definition der „Windel“ im „Duden“ hinweist bzw. mit dem Verweis auf einen Eintrag in der freien Enzyklopädie Wikipedia ausführt, in die Position 9619 00 40 10 [wohl gemeint des TARIC] fielen alle Waren, die der Menstruationshygiene dienen, ist dem entgegen zu halten, dass beispielsweise - abhängig vom verwendeten Stoff - auch die Positionen KN-Code 9619 00 71, 9619 00 75 und 9619 00 79 hygienische Binden (Einlagen), Tampons und ähnliche Waren enthalten. Ebenso ermöglicht die Behauptung der Revisionswerberin, der günstigere Zollsatz für Damenhygieneartikel gegenüber Windeln und Windeleinlagen und ähnlichen Artikeln spiegle die gesellschaftliche Tendenz wieder, solche Artikel möglichst günstig anzubieten, um eine Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern soweit wie möglich zu reduzieren, keinen Rückschluss auf die oben genannten höchstgerichtlichen Einreihungskriterien für zolltarifliche Positionen. Zu keinem anderen Ergebnis führt auch der Verweis auf eine nicht näher referierte Rechtsprechung, wonach „Warenmischungen danach beurteilt“ würden, „was ihren wesentlichen Charakter ausmacht“, zumal fallgegenständlich keine Warenmischung zu beurteilen ist und die Revision auch nicht begründet, warum der wesentliche Charakter der nicht spezifizierten Warenmischung „die weibliche Monatshygiene“ sei.
22 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art133 Abs4 EURallg VwGG §25a Abs1 VwGG §34 Abs1 31987R2658 Kombinierte Nomenklatur 32013R0952 ZK 2013 Art57 Abs1 62019CJ0772 Bartosch Airport Supply Services VORAB 62020CJ0062 Vogel Import Export VORAB 62022CJ0368 Danish Fluid System Technologies VORAB |
Schlagworte | Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023160016.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-46783