VwGH 01.02.2024, Ro 2023/16/0004
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Besteuerung gemäß § 57 Abs. 1 GSpG 1989 erfasst sowohl verbotene als auch erlaubte Ausspielungen (vgl. ). |
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RS 2 | § 57 Abs. 1 GSpG 1989 zielt seinem Wortlaut nach nicht auf einen Erhalt der Spieleinsätze durch den Veranstalter ab (vgl. etwa , mwN), sondern bemisst sich nach dem geleisteten Einsatz. In diesem Zusammenhang sieht § 57 Abs. 1 GSpG 1989 eine Glücksspielabgabe in Höhe von 16 v.H. vom "Einsatz" vor. § 57 Abs. 1 GSpG 1989 bestimmt als Gegenstand der Besteuerung zunächst "Ausspielungen" im Plural. Im Hinblick auf die Steuerbemessungsgrundlage spricht diese Bestimmung im selben Satz - nach ausdrücklichem Verweis auf den Inlandsbezug - im Singular den "Einsatz" an. Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber eine Besteuerung nur insoweit vorgesehen hat, als der jeweilige "Einsatz" für die betreffenden Ausspielungen im Zusammenhang mit einer Teilnahme vom Inland aus erfolgt. Dies bestätigt sich auch angesichts des für die Entstehung der Steuerschuld maßgeblichen § 59 Abs. 1 Z 2 GSpG 1989: Dieser knüpft die Entstehung der Steuerschuld an die Vornahme der Handlung an, die den Abgabentatbestand verwirklicht. Daraus ist zu folgern, dass bezogen auf den jeweiligen geleisteten Einsatz eine Teilnahme an einer Ausspielung vom Inland aus vorliegen muss. |
Norm | GSpG 1989 §57 Abs1 |
RS 3 | Gegenstand der Besteuerung des § 57 Abs. 1 GSpG 1989 ist die Ausspielung (vgl. ). |
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RS 4 | Die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung einer Lotterie ohne Erwerbszweck nach § 58 Abs. 1 GSpG 1989 ist nicht - wie nach § 57 Abs. 1 GSpG 1989 - der gezahlte Einsatz, sondern alle erzielbaren Einsätze. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102949/2021, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , betreffend Glücksspielabgabe u.a. für die Monate 01/2012 bis 12/2012 (mitbeteiligte Partei: G in H (Deutschland), vertreten durch die Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheiden gemäß § 201 BAO, jeweils vom , setzte das nunmehr revisionswerbende Finanzamt die Glücksspielabgabe der Mitbeteiligten u.a. für den Zeitraum 01/2012 bis 12/2012 fest.
2 Gegen diese Festsetzungen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte die Bescheide vom dahingehend ab, dass es die Glücksspielabgabe u.a. jeweils gesondert für die Monate 01/2012 bis 12/2012 in veränderter Höhe festsetzte. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - festgestellt, dass die Mitbeteiligte in Deutschland die einzige Veranstalterin von Klassenlotterien sei. Bei allen von ihr veranstalteten Spielen handle es sich um Ausspielungen in Form von Nummernlotterien.
5 Die Teilnahme an den von der Mitbeteiligten veranstalteten Lotterien sei durch den Erwerb von aufgelegten Losen mit aufgedruckter Losnummer erfolgt. Die Gewinnzahlen seien durch Zufallsprinzip mit einem Ziehungsgenerator ermittelt worden.
6 Das Angebot der Mitbeteiligten richte sich grundsätzlich an deutsche Kunden. Gleichwohl habe im Zeitraum Jänner 2011 bis November 2017 ein Vertrieb auch an Kunden in anderen Ländern - einschließlich Österreich - stattgefunden. Im Hinblick auf Österreich habe die Mitbeteiligte letztmalig im November 2017 durch ihre Lotterieeinnehmer vermittelte Lotterieumsätze erzielt.
7 Die Spielverträge mit den österreichischen Spielteilnehmern seien über Vermittlung durch in Deutschland ansässige selbständige Lotterieeinnehmer zustande gekommen und mit der Mitbeteiligten abgeschlossen worden. Dabei seien die Daten der österreichischen Spielteilnehmer von den Lotterieeinnehmern festgehalten, der Mitbeteiligten jedoch nicht übermittelt worden. Weder die Mitbeteiligte noch die Lotterieeinnehmer verfügten über eine Zweigniederlassung oder eine Betriebsstätte in Österreich.
8 Von den österreichischen Spielteilnehmern seien im Jahr 2012 insgesamt - monatlich gesondert dargestellt - € 12.049.438,65 als Lospreise an die Mitbeteiligte gezahlt worden. Von allen Spielteilnehmern (österreichischen und nichtösterreichischen) gemeinsam seien im Jahr 2012 in Summe € 395.677.633,00 an Lospreisen gezahlt worden.
9 Die mit österreichischen Spielteilnehmern seit dem Jahr 2012 erzielten Spieleinsätze seien in Deutschland mit dortiger Lotteriesteuer belastet worden, welche von der Mitbeteiligten auch entrichtet worden sei. Eine Anrechnung der österreichischen Glücksspielabgabe auf die in Deutschland geleistete Lotteriesteuer komme nicht in Betracht.
10 Eine Revision sei im gegenständlichen Fall zulässig, weil zur Rechtsfrage, ob bei verbotenen Lotterien, die einzelne Lotterie oder der einzelne Spielvertrag den Steuergegenstand im Sinn des § 57 Glücksspielgesetzes (GSpG) bilde und daran anknüpfend, ob auch die Einsätze der Spielteilnehmer ohne „Österreichbezug“ in die Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe einzubeziehen seien, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Weiters liege auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vor, ob das Territorialitätsprinzip und die Dienstleistungsfreiheit eine einschränkende Auslegung der Bestimmung des § 57 Abs. 1 GSpG gebiete, die im Ergebnis dazu führe, dass nur jene Spielverträge, an denen Spieler aus Österreich teilnehmen, der österreichischen Glücksspielabgabe zu unterziehen seien.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die sich in ihrem Umfang auf die Anfechtung der Abänderung der gemäß § 201 BAO festgesetzten Glücksspielabgabe gemäß § 57 Abs. 1 GSpG für die Zeiträume 01/2012 bis 12/2012 beschränkt.
12 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie eine mündliche Verhandlung sowie die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragte.
13 Zur Zulässigkeit wird in der Revision (lediglich) vorgebracht, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe, ob Steuergegenstand der Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 1 GSpG die Ausspielung - im Sinne der einzelnen Lotterie - oder der zivilrechtliche Glücksvertrag - im Sinne des Loskaufes des einzelnen Spielers - sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.
15 Nach den in der Revision unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe die Mitbeteiligte im revisionsgegenständlichen Jahr 2012, ohne dass sie über eine Berechtigung oder Konzession im Sinn der §§ 5, 14 oder 21 GSpG verfügt hätte, Lotterien veranstaltet, an denen es auch zur Teilnahme von Spielteilnehmern aus Österreich gekommen sei.
16 Ausspielungen sind nach § 2 Abs. 1 GSpG Glücksspiele, die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn). Der Ausspielungscharakter im Sinn des § 2 Abs. 1 GSpG der von der Mitbeteiligten veranstalteten verfahrensgegenständlichen Lotterien ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Gegenteiliges ist aus den vorgelegten Akten auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
17 Gemäß § 2 Abs. 4 GSpG sind verbotene Ausspielungen solche, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 leg. cit. ausgenommen sind. Verfahrensgegenständlich sind demnach verbotene Ausspielungen im Sinn des § 2 Abs. 4 GSpG.
18 Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, unterliegen - vorbehaltlich hier nicht relevanter Ausnahmen - gemäß § 57 Abs. 1 GSpG einer Glücksspielabgabe in Höhe von 16 v.H. vom Einsatz.
19 Die Besteuerung gemäß § 57 Abs. 1 GSpG erfasst sowohl verbotene als auch erlaubte Ausspielungen (vgl. ).
20 Das Bundesfinanzgericht kam im angefochtenen Erkenntnis - soweit für dieses Verfahren relevant - zum Ergebnis, dass bei einer von einem ausländischen Unternehmer veranstalteten verbotenen Lotterie die Einsätze der Spielteilnehmer ohne Inlandsbezug nicht in die Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe einzubeziehen seien.
21 Das revisionswerbende Finanzamt bringt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor, aus § 57 Abs. 1 GSpG - der die Wendung „Teilnahme vom Inland aus erfolgt“ enthalte, die sich auf die dort genannte „Ausspielung“ beziehe - gehe hervor, die Lotterie als Ganzes sei Gegenstand der Besteuerung. Der „Einsatz“ sei nicht Gegenstand, sondern vielmehr Bemessungsgrundlage der Besteuerung. § 57 Abs. 1 GSpG enthalte keine Einschränkung dergestalt, dass nur ein „inländischer Einsatz“ oder ein „Einsatz vom Inland aus“ in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei.
22 Ausgehend vom Ausspielungsbegriff des § 2 Abs. 1 GSpG bestimmt § 57 Abs. 1 GSpG sowohl die Bemessungsgrundlage als auch den Steuersatz der revisionsgegenständlichen Glücksspiele. § 57 Abs. 1 GSpG erfasst solche Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt.
23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zielt § 57 Abs. 1 GSpG seinem Wortlaut nach nicht auf einen Erhalt der Spieleinsätze durch den Veranstalter ab (vgl. etwa , mwN), sondern bemisst sich nach dem geleisteten Einsatz. In diesem Zusammenhang sieht § 57 Abs. 1 GSpG eine Glücksspielabgabe in Höhe von 16 v.H. vom „Einsatz“ vor. § 57 Abs. 1 GSpG bestimmt als Gegenstand der Besteuerung zunächst „Ausspielungen“ im Plural. Im Hinblick auf die Steuerbemessungsgrundlage spricht diese Bestimmung im selben Satz - nach ausdrücklichem Verweis auf den Inlandsbezug - im Singular den „Einsatz“ an. Daraus ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber eine Besteuerung nur insoweit vorgesehen hat, als der jeweilige „Einsatz“ für die betreffenden Ausspielungen im Zusammenhang mit einer Teilnahme vom Inland aus erfolgt.
24 Dies bestätigt sich auch angesichts des für den gegenständlichen Revisionsfall für die Entstehung der Steuerschuld maßgeblichen § 59 Abs. 1 Z 2 GSpG: Dieser knüpft die Entstehung der Steuerschuld für die hier zu betrachtenden Ausspielungen an die Vornahme der Handlung an, die den Abgabentatbestand verwirklicht. Daraus ist zu folgern, dass bezogen auf den jeweiligen geleisteten Einsatz eine Teilnahme an einer Ausspielung vom Inland aus vorliegen muss (vgl. in diesen Sinn auch Allram in Bergmann/Pinetz (Hrsg), GebG², GSpG, §§ 57-59, Rz 498; ebenso Meilinger/Papst in Zillner, GSpG² § 59 Rz 9).
25 Dem revisionswerbenden Finanzamt ist zwar zunächst darin zu folgen, wenn es unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/17/0002, davon ausgeht, dass Gegenstand der Besteuerung des § 57 Abs. 1 GSpG die Ausspielung ist. In dem dem Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0002, zugrundeliegenden Fall, der die Besteuerung von vor Ort betriebenen Pokercasinos zum Gegenstand hatte, hat sich jedoch die Frage der Bemessungsgrundlage der Glücksspielabgabe im Hinblick auf die „Teilnahme vom Inland aus“ aufgrund der physischen Anwesenheit der Pokerspieler bereits dem Grunde nach nicht gestellt. Bereits aus diesem Grund vermag das angefochtene Erkenntnis die vom revisionswerbenden Finanzamt behauptete Besteuerung des gesamten (weltweit erbrachten) Einsatzes im gegenständlichen Fall nicht zu tragen.
26 Die vom revisionswerbenden Finanzamt ins Treffen geführten Aussage des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , Ra 2019/17/0109, wonach bei einer Lotterie ohne Erwerbszweck die gesamte Lotterie Gegenstand der Glücksspielabgabe und als Bemessungsgrundlage das gesamte Spielkapital heranzuziehen ist, kann - hinsichtlich des der Glücksspielabgabe unterliegenden Einsatzes - auf den gegenständlichen Revisionsfall schon deshalb nicht übertragen werden, weil die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung einer Lotterie ohne Erwerbszweck nach § 58 Abs. 1 GSpG nicht - wie nach § 57 Abs. 1 GSpG - der gezahlte Einsatz, sondern alle erzielbaren Einsätze sind.
27 Dies gilt gleichermaßen für die vom revisionswerbenden Finanzamt zur Begründung herangezogene Besteuerung von grenzüberschreitenden Gewinnspielen nach § 58 Abs. 3 GSpG: Bemessungsgrundlage sind dort die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet (siehe dazu jüngst ). Einen Rückschluss auf die Bemessungsgrundlage im Sinn des § 57 Abs. 1 GSpG lässt diese Bestimmung demnach nicht zu.
28 Im Ergebnis vermag das revisionswerbende Finanzamt daher - insoweit es den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses bekämpft - eine inhaltliche Rechtswidrigkeit desselben nicht aufzuzeigen. Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
29 Von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
30 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023160004.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-46779