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VwGH 14.12.2023, Ro 2023/13/0014

VwGH 14.12.2023, Ro 2023/13/0014

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
UStG 1994 §11 Abs1 idF 2014/I/013
UStG 1994 §11 Abs12 idF 2014/I/013
UStG 1994 §11 Abs6 idF 2014/I/013
12010E267 AEUV Art267
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art. 193
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art203
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art220 Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art238
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
62021CJ0378 Finanzamt Österreich VORAB
RS 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung erbracht hat und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, nach dieser Bestimmung den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn die in der konkreten Rechnung ausgewiesene Leistung an einen Nichtsteuerpflichtigen erbracht wurde, auch wenn dieser Steuerpflichtige weitere gleichartige Leistungen an andere Steuerpflichtige erbracht hat?

2. Ist als "Endverbraucher, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist", im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom , C-378/21, nur ein Nichtsteuerpflichtiger zu verstehen oder auch ein Steuerpflichtiger, der die konkrete Leistung nur für private Zwecke (oder für sonstige nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke) in Anspruch nimmt und deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist?

3. Nach welchen Kriterien ist bei einer vereinfachten Rechnungslegung nach Artikel 238 der Richtlinie 2006/112/EG zu beurteilen, für welche Rechnungen (allenfalls im Rahmen einer Schätzung) der Steuerpflichtige den zu Unrecht in Rechnung gestellten Betrag nicht schuldet, weil keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt?

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Niederösterreich Mitte in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 95, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100930/2021, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2019 (mitbeteiligte Partei: P GmbH in W, vertreten durch die LBG Burgenland Steuerberatung GmbH in 7210 Mattersburg, Hauptplatz 3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung erbracht hat und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, nach dieser Bestimmung den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn die in der konkreten Rechnung ausgewiesene Leistung an einen Nichtsteuerpflichtigen erbracht wurde, auch wenn dieser Steuerpflichtige weitere gleichartige Leistungen an andere Steuerpflichtige erbracht hat?

2. Ist als „Endverbraucher, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist“, im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom , C-378/21, nur ein Nichtsteuerpflichtiger zu verstehen oder auch ein Steuerpflichtiger, der die konkrete Leistung nur für private Zwecke (oder für sonstige nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke) in Anspruch nimmt und deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist?

3. Nach welchen Kriterien ist bei einer vereinfachten Rechnungslegung nach Artikel 238 der Richtlinie 2006/112/EG zu beurteilen, für welche Rechnungen (allenfalls im Rahmen einer Schätzung) der Steuerpflichtige den zu Unrecht in Rechnung gestellten Betrag nicht schuldet, weil keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt?

Begründung

1 A. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:

2 Die P GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach österreichischem Recht. Sie betreibt einen Indoor-Spielplatz. Im Jahr 2019 unterzog sie die Eintrittsgelder zum Indoor-Spielplatz (Entgelt für ihre Dienstleistungen) dem Umsatzsteuersatz von 20 %. Sie stellte ihren Kunden bei Zahlung des Entgelts Rechnungen (Registrierkassenbelege) aus, bei denen es sich um Kleinbetragsrechnungen gemäß § 11 Abs. 6 UStG 1994 (vereinfachte Rechnungslegung gemäß Art. 238 RL 2006/112/EG) handelte. Die P GmbH korrigierte in der Folge ihre Umsatzsteuererklärung, weil auf die Eintrittsgelder der ermäßigte Steuersatz von 13 % anzuwenden sei. Die P GmbH erbrachte ihre Leistungen nicht ausschließlich an Nichtsteuerpflichtige (Nichtunternehmer).

3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für das Jahr 2019 fest. In der Begründung wurde ausgeführt, die P GmbH habe Erlöse aus Eintritten zu Indoor-Spielplätzen mit 20 % versteuert; die Umsatzteuer sei auf den mit der Registrierkasse erstellten Belegen ausgewiesen. Eine nachträglich für das Jahr 2019 vorgenommene Berichtigung des Umsatzsteuersatzes von 20 % sei nicht zulässig, weil weder die Rechnungen berichtigt noch die aus der Umsatzsteuerdifferenz entstehenden Gutschriften an die Kunden des Unternehmens weitergeleitet werden könnten. Die Umsatzsteuer von 20 % sei daher aufgrund der Rechnungslegung und auch aufgrund der unberechtigten Bereicherung vorzuschreiben.

4 Die P GmbH erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, die Leistungen seien „praktisch ausschließlich“ an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Privatpersonen erbracht worden. Eine Gefährdung des Steueraufkommens sei somit auszuschließen. Damit sei eine formale Rechnungskorrektur samt Übermittlung der Korrektur an den Rechnungsempfänger nicht erforderlich.

5 Mit Beschluss vom richtete das Bundesfinanzgericht ein Ersuchen um Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof.

6 Mit Urteil vom , Finanzamt Österreich, C-378/21, sprach der Europäische Gerichtshof aus:

„Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht hat und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, nach dieser Bestimmung den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.“

7 Mit der beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Entscheidung änderte das Bundesfinanzgericht den Umsatzsteuerbescheid 2019 ab.

8 Das Bundesfinanzgericht ging davon aus, dass die Leistungen der P GmbH „(fast) ausschließlich“ von Kunden in Anspruch genommen worden seien, die als Endverbraucher keinen Vorsteuerabzug geltend machen könnten. Abseits einer Schätzung in Höhe von 0,5 % des auf den Indoor-Freizeitpark entfallenden Gesamtumsatzes liege keine Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens vor. Dies ergebe sich aus der Erklärung des Geschäftsführers der P GmbH, wonach im Jahr 2019 die Abnehmer der Leistungen der P GmbH lediglich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher seien. Es habe weder Reise- noch Besorgungsleistungen gegeben. Da aber nicht vollkommen ausgeschlossen sei, dass Kunden der P GmbH (zu Recht oder zu Unrecht) einen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen vorgenommen hätten, sei eine Schätzung vorzunehmen. Aufgrund der überragenden Wahrscheinlichkeit, dass die Leistungen der P GmbH für den privaten Gebrauch der Kunden erbracht worden seien, schätze das Bundesfinanzgericht 0,5 % des Gesamtumsatzes, für den eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung bestehe. Das betreffe, bezogen auf die ausgestellten Belege (insgesamt 22.557 Rechnungen) etwa 112 Rechnungen, aus denen (zu Recht oder zu Unrecht) ein Vorsteuerabzug vorgenommen worden sei.

9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Das Finanzamt macht geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab. Der Europäische Gerichtshof habe ausgeführt, dass ein Steuerpflichtiger den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schulde, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliege, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht worden sei, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Eine Aufteilung im Schätzungswege an einerseits Endverbraucher und anderseits Steuerpflichtige, welche zum Vorsteuerabzug berechtigt seien, lasse sich dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht entnehmen. Die Prüfung der Frage durch den Europäischen Gerichtshof sei ausschließlich im Lichte der Prämisse erfolgt, dass die Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht werde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien.

10 B. Maßgebende Bestimmungen

11 1. Nationales Recht

12 § 11 Umsatzsteuergesetz 1994 in der im Streitfall anzuwendenden Fassung (BGBl. I Nr. 13/2014) lautet auszugsweise:

„(1) 1. Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 aus, ist er berechtigt, Rechnungen auszustellen. Führt er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, aus, ist er verpflichtet, Rechnungen auszustellen. Führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung oder Werkleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück an einen Nichtunternehmer aus, ist er verpflichtet eine Rechnung auszustellen. Der Unternehmer hat seiner Verpflichtung zur Rechnungsausstellung innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung des Umsatzes nachzukommen.

[...]

(6) Bei Rechnungen, deren Gesamtbetrag 400 Euro nicht übersteigt, genügen neben dem Ausstellungsdatum folgende Angaben:

1.Der Name und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;

2.die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und der Umfang der sonstigen Leistung;

3.der Tag der Lieferung oder sonstigen Leistung oder der Zeitraum, über den sich die Leistung erstreckt;

4.das Entgelt und der Steuerbetrag für die Lieferung oder sonstige Leistung in einer Summe und

5.der Steuersatz.

[...]

(12) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.“

13 2. Unionsrecht

14 Artikel 193 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem lautet:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt, außer in den Fällen, in denen die Steuer gemäß den Artikeln 194 bis 199b sowie 202 von einer anderen Person geschuldet wird.“

15 Artikel 203 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.“

16 Artikel 220 Abs. 1 der Richtlinie lautet auszugsweise:

„Jeder Steuerpflichtige stellt in folgenden Fällen eine Rechnung entweder selbst aus oder stellt sicher, dass eine Rechnung vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird:

1. Er liefert Gegenstände oder erbringt Dienstleistungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person;

[...]“

17 C. Erläuterung der Vorlagefragen

18 Das Bundesfinanzgericht hatte in der Begründung seines Ersuchens um Vorabentscheidung vom ausdrücklich ausgeführt, die Kunden der P GmbH seien im Jahr 2019 „ausschließlich Endverbraucher, die kein Recht auf Vorsteuerabzug besitzen“, gewesen.

19 Diese Sachverhaltsannahme des Bundesfinanzgerichts wurde bereits im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in Frage gestellt (vgl. insbesondere die Schlussanträge der Generalanwältin vom , C 378/21, Rn. 38 ff). Im Urteil vom , C-378/21, ging der Gerichtshof auf diese Erwägungen der Generalanwältin nicht ein. Der Gerichtshof führte in seinem Urteil aus, die Fragen des vorlegenden Gerichts beruhten auf der Prämisse, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliege, da die Kunden der P GmbH ausschließlich Endverbraucher gewesen seien, die hinsichtlich der ihnen von der P GmbH in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Die Prüfung der ersten Frage erfolge „ausschließlich im Lichte dieser Prämisse“ (Rn. 18).

20 Im fortgesetzten Verfahren ging das Bundesfinanzgericht von dieser Sachverhaltsannahme ab. Es geht nunmehr davon aus, dass nicht ausgeschlossen sei, dass Kunden der P GmbH (zu Recht oder zu Unrecht) einen Vorsteuerabzug vorgenommen hätten. Es schätzte den Anteil dieser Kunden mit 0,5 % des Gesamtumsatzes (bzw. etwa 112 Rechnungen von insgesamt 22.557 Rechnungen).

21 Gerade im Hinblick darauf, dass die Beantwortung des Gerichtshofs im vorangegangenen Vorabentscheidungsverfahren ausdrücklich darauf gestützt wurde, dass sämtliche Kunden der P GmbH nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher gewesen seien, ist zweifelhaft, was gelten soll, wenn auch nur ein geringer Teil der Kunden der P GmbH Personen waren, die Steuerpflichtige (Unternehmer) sind. Damit ist eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht (jedenfalls und in vollem Umfang) ausgeschlossen.

22 Daraus könnte abgeleitet werden, dass im Hinblick darauf, dass eine Berichtigung der Rechnungen (die Leistungsempfänger wurden in den „Kleinbetragsrechnungen“ nicht ausgewiesen und sind demnach unbekannt) tatsächlich nicht durchgeführt wurde, die Gefährdung des Steueraufkommens insgesamt nicht rechtzeitig und vollständig beseitigt wurde, sodass die P GmbH den in sämtlichen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag zur Gänze schuldet.

23 Nach den Ausführungen der Generalanwältin bezieht sich Art. 203 der Richtlinie hingegen auf die einzelne unrichtige Rechnung. Daraus könnte abgeleitet werden, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens nur betreffend jene Rechnungen besteht, die an Steuerpflichtige (Unternehmer) ergangen sind (auch wenn der Leistungsempfänger nicht in der Rechnung ausgewiesen ist).

24 Für den Fall, dass es auf die einzelne unrichtige Rechnung ankommt, ist weiters fraglich, nach welchen Kriterien jene Rechnungen (allenfalls auch im Wege einer Schätzung) zu ermitteln sind, bei denen eine Gefährdung des Steueraufkommens besteht. In diesem Zusammenhang ist unklar, wie der Begriff des „Endverbrauchers, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist“, zu verstehen ist. Fraglich ist, ob als Endverbraucher in diesem Sinne nur ein Nichtsteuerpflichtiger zu verstehen ist oder auch ein Steuerpflichtiger, der die konkrete Leistung nur für private Zwecke (oder für sonstige nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke) in Anspruch nimmt und deshalb nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

25 Die Gefährdung des Steueraufkommens bei Ausweis eines - wie hier unbestritten vorliegend - überhöhten Steuersatzes ergibt sich daraus, dass vom Empfänger der Leistung Vorsteuern in einem überhöhten Umfang geltend gemacht werden. Dies wird vor allem jene Fälle betreffen, in denen Steuerpflichtige (Unternehmer) die Leistungen der P GmbH als Vorleistungen für ihre eigenen steuerpflichtigen Leistungen in Anspruch nehmen (etwa - wie von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen, Rn. 39 - angeführt: ein selbständiger Fotograf, der am Spielplatz erstellte Fotos veräußert). In diesem Fall besteht die Gefahr, dass die Vorsteuer zwar dem Grunde nach zu Recht, der Höhe nach aber zu Unrecht (weil überhöht) geltend gemacht wird.

26 Dies kann aber auch jene Fälle betreffen, in denen Steuerpflichtige (Unternehmer) die Leistungen für private Zwecke (oder für sonstige nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende Zwecke) nutzen (etwa private Aufnahmen; Unternehmer, die mit ihren Kindern den Park besuchen) und die Vorsteuer insoweit auch dem Grunde nach zu Unrecht geltend machen. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass dabei auch die Art der erbrachten Leistung von Bedeutung sein kann. Es liegt nahe, dass etwa Leistungen eines Indoor-Spielplatzes gerade deswegen, weil sie nur ausnahmsweise als Vorleistungen für eine unternehmerische Leistung in Frage kommen werden, auch von den diese Leistung empfangenden Steuerpflichtigen nur ausnahmsweise dem Grunde (und hier auch der Höhe) nach zu Unrecht als Vorsteuern geltend gemacht werden.

27 Ist hingegen ein Nichtsteuerpflichtiger der Leistungsempfänger, wird im Allgemeinen keine Gefahr der Geltendmachung des in der Rechnung ausgewiesenen Betrages (dem Grunde und der Höhe nach) bestehen.

28 Dabei könnte aber allenfalls auch zu berücksichtigen sein, dass es sich bei den ausgestellten Rechnungen um „Kleinbetragsrechnungen“ handelt, sodass insbesondere der Leistungsempfänger daraus nicht ersichtlich ist. Es könnte daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Steuerpflichtiger, der diese Leistungen nicht empfangen hat, diese Rechnung missbräuchlich nutzt (vgl. zu möglichen missbräuchlichen Handlungen etwa die Schlussanträge der Generalanwältin vom , C-442/22, Rn. 2).

29 Insgesamt scheint die Auslegung des Unionsrechts in Bezug auf diese Fragen nicht derart offenkundig zu sein, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum bliebe (vgl.  Kommission/Französische Republik, C-416/17, Rn. 110).

30 Die Fragen werden daher dem EuGH mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt.

Wien, am

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Normen
UStG 1994 §11 Abs1 idF 2014/I/013
UStG 1994 §11 Abs12 idF 2014/I/013
UStG 1994 §11 Abs6 idF 2014/I/013
12010E267 AEUV Art267
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art. 193
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art203
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art220 Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art238
62017CJ0416 Kommission / Frankreich
62021CJ0378 Finanzamt Österreich VORAB
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023130014.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-46761