VwGH 02.07.2024, Ro 2023/08/0006
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Der Regelung des § 25 Abs. 1 letzter Satz GSVG dürfte insbesondere auch der Gedanke zugrunde liegen, dass Gesellschaftergeschäftsführerinnen und -geschäftsführer darüber disponieren können, inwieweit ihre Tätigkeit (auch) durch Gewinnausschüttungen abgegolten wird. Der VwGH hat in diesem Sinn ausgeführt, dass auch bei nach dem GSVG pflichtversicherten Einzelunternehmern und Geschäftsführern von Personengesellschaften eine fiktive Zerlegung der Einkünfte in Arbeitseinkommen und Unternehmergewinn (Erwerbseinkommen im engeren Sinn) einerseits und Nichterwerbseinkommen (Kapitalverzinsung) andererseits nicht erfolge; vor diesem Hintergrund erscheine eine Einbeziehung auch der aus der Beteiligung an der Gesellschaft herrührenden Kapitaleinkünfte als sachlich geboten (vgl. ). Diese zu § 25 Abs. 1 GSVG angestellten Überlegungen gelten unabhängig davon, auf welchen Tatbestand sich die Pflichtversicherung eines Gesellschaftergeschäftsführers gründet. Dementsprechend entfiel mit der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 die Bezugnahme auf die gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG Pflichtversicherten im letzten Satz des § 25 Abs. 1 GSVG. Die Bestimmung sollte nach der neuen Rechtslage, nach der Geschäftsführer auch ohne Kammerzugehörigkeit der von ihnen vertretenen Gesellschaft der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegen können, offenbar alle nach dem GSVG - egal, auf Grund welchen Tatbestandes - pflichtversicherten Gesellschaftergeschäftsführerinnen und -geschäftsführer erfassen. |
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RS 2 | Mit dem Argument, wonach es unsachlich erscheine, dass bei Gesellschaftergeschäftsführern mit einem (selbst nur geringen) Geschäftsführerbezug auch die Gewinnausschüttung in die Beitragsgrundlage einfließe, während Gesellschaftergeschäftsführer ohne Geschäftsführerbezug und nur mit Gewinnausschüttung gar nicht versichert wären (da es an einer nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorausgesetzten Einkunftsart fehle), werden Konstellationen angesprochen, die typischerweise Umgehungskonstruktionen vermuten lassen und allenfalls eine Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (also eine Qualifikation von Gewinnausschüttungen als - Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw. aus Gewerbebetrieb gleichzuhaltenden - Geschäftsführerbezug) erfordern würden. |
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RS 3 | Bei der Beurteilung der Überschreitung der Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG sind die (aus der Gesellschafterstellung resultierenden) Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, weil die genannte Bestimmung ohne Einschränkung auf § 25 GSVG - also auch auf den letzten Satz des Abs. 1 - verweist. Es wäre auch kein Grund dafür ersichtlich, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer Gesellschaftergeschäftsführerin zwar im Fall der Überschreitung der Versicherungsgrenze in die Beitragsgrundlage einzubeziehen sind, aber für die Beurteilung, ob es zur Überschreitung gekommen ist, außer Betracht zu bleiben haben. |
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RS 4 | Das Überschreiten der Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG wurde zu Recht bejaht, indem nicht nur die Einkünfte der Gesellschaftergeschäftsführerin aus selbständiger Arbeit, sondern auch die - aus ihrer Stellung als Gesellschafterin der von ihr vertretenen GmbH herrührenden - Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie zum Zeitpunkt des Zuflusses der Ausschüttungen noch Geschäftsführerin oder bereits Liquidatorin der GmbH war: Denn der Eintritt als Liquidatorin ist gemäß § 89 Abs. 2 GmbHG Ausfluss der Geschäftsführerfunktion. Mit den an sie ausgeschütteten Gewinnen wurde (entsprechend der grundsätzlichen Annahme des § 25 Abs. 1 letzter Satz GSVG) weiterhin die Tätigkeit als Vertreterin der GmbH abgegolten. |
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RS 5 | Die Tätigkeit eines Liquidators stellt - nicht anders als jene eines Geschäftsführers - eine aus der Organstellung resultierende Erwerbstätigkeit dar, finden doch gemäß § 92 Abs. 1 GmbHG alle in diesem Gesetz hinsichtlich der Geschäftsführung vorgesehenen Bestimmungen sinngemäß auch in Bezug auf die Liquidatoren Anwendung (vgl. etwa - in Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit nach § 12 AlVG - , mwN). Eine "Gewinnabsicht" muss nicht vorhanden sein. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der R W in W, vertreten durch Mag. Andrea Nobis, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kohlmarkt 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W198 2262020-1/5E, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin im Zeitraum 1. Jänner bis der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG und in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterlegen sei.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin von bis als Geschäftsführerin der A. GmbH eingetragen gewesen sei, an der sie zu 100% beteiligt gewesen sei. Die GmbH sei von bis (nicht aber im Jahr 2019) als Gewerbeinhaberin Mitglied der Wirtschaftskammer gewesen.
3 Am sei von der Generalversammlung die Auflösung der Gesellschaft beschlossen worden. Mit Notariatsakt vom selben Tag sei die Revisionswerberin als Geschäftsführerin abberufen und mit sofortiger Wirkung zur Liquidatorin der Gesellschaft mit selbständiger Vertretungsbefugnis bestellt worden. Die Revisionswerberin sei dann bis zur Löschung der Gesellschaft mit als Liquidatorin tätig gewesen.
4 Der Einkommensteuerbescheid der Revisionswerberin für das Jahr 2019 habe Einkünfte aus selbständiger Arbeit in der Höhe von € 484,82 und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 520.000,-- ausgewiesen. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen stammten aus Gewinnausschüttungen (der A. GmbH).
5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin im Zeitraum bis als geschäftsführende Gesellschafterin mit einer Beteiligung von 100% eine betriebliche Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausgeübt habe. Vom bis zum sei sie als Liquidatorin der Gesellschaft tätig gewesen. Da der Liquidator an die Stelle des handelsrechtlichen Geschäftsführers trete, sei weiterhin von einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG auszugehen gewesen.
6 Gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG seien Personen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, deren Einkünfte nach § 25 GSVG aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 GSVG nicht überstiegen, von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen.
7 Gemäß § 25 Abs. 1 GSVG seien für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 GSVG die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5, unterlägen, heranzuziehen; als Einkünfte gälten die Einkünfte im Sinne des EStG 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gälten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der GmbH.
8 § 25 Abs. 1 GSVG sehe also ausdrücklich vor, dass alle Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlägen, heranzuziehen seien. Da die Tätigkeiten als geschäftsführende Gesellschafterin und auch jene als Liquidatorin grundsätzlich der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlägen, seien alle Einkünfte, die in diesem Zusammenhang erwirtschaftet würden, zusammenzurechnen. Gegenständlich seien daher sowohl die unter der Versicherungsgrenze liegenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 484,82 als auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 520.000,-- heranzuziehen.
9 Hinsichtlich „GSVG-versicherter geschäftsführender GmbH-Gesellschafter“ ordne § 25 Abs. 1 letzter Satz GSVG an, dass sich deren Beitragsgrundlage aus der Summe der Einkünfte als Geschäftsführer und Gesellschafter zusammensetze. In der Vergangenheit habe die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) nur ausnahmsweise die Höhe der Kapitaleinkünfte (das heißt die Einkünfte als Gesellschafter) eines (geschäftsführenden) Gesellschafters erkennen können, weil diese im Einkommensteuerbescheid nicht aufschienen, sondern mittels Kapitalertragsteuer endbesteuert seien. Nach der Verwaltungspraxis seien daher die Kapitaleinkünfte (wohl entgegen dem Gesetzeswortlaut) bei der Bildung der Beitragsgrundlage regelmäßig außer Ansatz geblieben. Auch für diesen Versichertenkreis seien daher im Ergebnis die Einkünfte gemäß §§ 22, 23 EStG 1988 maßgebend gewesen.
10 Diese Verwaltungspraxis habe sich im Jahr 2016 geändert. In Einzelfällen seien die Versicherten aufgefordert worden, die Höhe der Gewinnausschüttungen bekanntzugeben. Solange die Versicherten dieser Auskunftspflicht nicht nachgekommen seien, seien die Beiträge gemäß § 27 Abs. 5 GSVG auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage vorgeschrieben worden. Auf der Grundlage der durch BGBl. II Nr. 38/2020 geänderten Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Durchführung der Übermittlung der Einkommensteuerdaten an die SVS müssten seit auch die Daten aus einer Kapitalertragsteueranmeldung - sohin die Höhe der Gewinnausschüttungen - von gemäß „§ 2 Abs. 1 oder 4“ GSVG versicherten geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern elektronisch der SVS übermittelt werden. Ab diesem Zeitpunkt würden Gewinnausschüttungen ausnahmslos bei der Beitragsvorschreibung berücksichtigt (Hinweis auf Pflug in Sonntag [Hrsg.], GSVG/SVSG11, § 25 Rz 5).
11 Gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG seien daher Personen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit als geschäftsführende Gesellschafter von der Pflichtversicherung nach dem GSVG ausgenommen, wenn ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit im Sinn des § 25 GSVG - „daher auch die Einkünfte aus der Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter“ - unter der Versicherungsgrenze lägen.
12 Die Revisionswerberin sei im Jahr 2019 als geschäftsführende Gesellschafterin und als Liquidatorin der GmbH tätig gewesen. Somit sei bei der Prüfung der Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG wesentlich, ob die Einkünfte aus dieser Tätigkeit - darunter fielen auch die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die laut Angaben der Revisionswerberin aus Ausschüttungen der GmbH stammten - unter der Versicherungsgrenze lägen.
13 § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG stelle nur darauf ab, ob selbständig erwerbstätige Personen auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinn der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielten. Dies sei gegenständlich der Fall. Aus der Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin seien Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 484,82 erzielt worden. Bei der Prüfung, ob die Ausnahme des § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG zur Anwendung komme, seien allerdings neben den Einkünften aus selbständiger Arbeit alle Einkünfte als geschäftsführender Gesellschafter relevant. Beachte man dem § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG iVm § 25 GSVG entsprechend alle Einkünfte, die der Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin zugerechnet werden könnten, so werde die maßgebliche Versicherungsgrenze deutlich überschritten, weshalb die Pflichtversicherung festzustellen gewesen sei.
14 Zu einem sogenannten „Overrulen“ des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG komme es durch diese Gesetzesanwendung nicht. § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG regle zunächst nur, dass Tätigkeiten, aus denen Einkünfte gemäß §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 bezogen würden, der Pflichtversicherung unterlägen. Für die Prüfung, ob mit diesen Einkünften auch die maßgebende Versicherungsgrenze überschritten werde, sei aber in jedem Fall (auch) der § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG iVm § 25 GSVG heranzuziehen. Durch den Verweis auf die Einkünfte gemäß § 25 GSVG komme es lediglich zu einer Ergänzung des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in Bezug auf die relevante Versicherungsgrenze und nicht zu dessen „Overrulen“.
15 Wie festgestellt, habe die Revisionswerberin im gegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus der Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin in Höhe von € 484,82 erzielt. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen seien als weitere Einkünfte aus der Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG iVm § 25 GSVG für die Prüfung der Überschreitung der Versicherungsgrenze relevant. § 25 GSVG stelle hierbei nicht auf die steuerrechtliche Zuordnung dieser Einkünfte als geschäftsführender Gesellschafter ab, weshalb jegliche Einkünfte im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit zu beachten seien. Dementsprechend seien Einkünfte, die isoliert gesehen „Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie die ersten drei Arten der sonstigen Einkünfte aus Kapitalvermögen“ wären, den Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw. aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, wenn sie im Rahmen einer selbständigen Arbeit bzw. eines Gewerbebetriebs anfielen (Hinweis auf Scheiber in Sonntag [Hrsg.], GSVG3, § 2 Rz 68).
16 Ausgehend davon seien auch bei der Beurteilung der Beitragsgrundlage (Hinweis auf ) die Einkünfte aus Kapitalvermögen herangezogen worden, wenn der geschäftsführende Gesellschafter unternehmerisch tätig sei. Ob hier nun eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 3 oder Z 4 GSVG bestehe, sei bei der Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG iVm § 25 GSVG unerheblich.
17 Nach der Verwaltungspraxis der SVS hätten Gewinnausschüttungen auch bei gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG versicherten geschäftsführenden GmbH-Gesellschaftern Bedeutung. Sie würden sowohl für die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtversicherung bestehe (also die Versicherungsgrenze überschritten werde), als auch für die Ermittlung der Beitragsgrundlagen-Höhe herangezogen. Im Schrifttum (Hinweis auf Mitterer in Neumann, GSVG für Steuerberater² §§ 25, 25a Rz 15; Neumann, ASoK 2020, 352) werde das mit der Begründung abgelehnt, dass der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nur an Einkünfte gemäß §§ 22, 23 EStG 1988 anknüpfe und Einkünfte gemäß § 27 EStG 1988 nicht erfasse. Nach Shubshizky (Handbuch der Sozialversicherung I, 327) sollten bei neuen Selbständigen Gewinnausschüttungen dann die Pflichtversicherung begründen, wenn eine geringfügige Tätigkeitsvergütung gewährt und gemeinsam mit der Gewinnausschüttung die Versicherungsgrenze überschritten werde. Eine Rechtsprechung gebe es dazu nicht (Hinweis auf Pflug in Sonntag [Hrsg.], GSVG/SVSG11, § 25 Rz 5a).
18 Hinsichtlich des weiteren Beschwerdevorbringens, dass die Revisionswerberin ab der Bestellung als Liquidatorin bis zum Antrag auf Löschung der GmbH im Firmenbuch keine selbständige Tätigkeit mehr ausgeübt habe, werde auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum AlVG verwiesen, nach der die Organstellung und folglich das „AlVG-rechtlich relevante Beschäftigungsverhältnis“ eines nach § 89 Abs. 2 GmbHG als Liquidator eingetretenen GmbH-Geschäftsführers auch während des gesamten Liquidationsverfahrens und solange aufrecht bleibe, bis er - als zuständiges Organ der GmbH - die Eintragung der Beendigung der Liquidationsfirma im Firmenbuch beantragt habe bzw. die Löschung der GmbH erfolgt sei. Insofern sei es unerheblich, ob in diesem Zeitraum „aktive“ geschäftliche Tätigkeiten ausgeübt worden seien, da bereits die Stellung als Liquidatorin eine selbständige Tätigkeit indiziere.
19 Da die Revisionswerberin bis als Liquidatorin tätig gewesen sei, sei im verfahrensrelevanten Zeitraum (bis ) jedenfalls von einer selbständigen Tätigkeit als Liquidatorin auszugehen.
20 Die SVS habe daher zu Recht festgestellt, dass die Revisionswerberin von bis der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sowie der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG unterlegen sei.
21 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Ob Gewinnausschüttungen für die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtversicherung bestehe (also die Versicherungsgrenze überschritten werde), sowie für die Ermittlung der Beitragsgrundlagen-Höhe heranzuziehen seien oder nicht, sei strittig. Zu dieser Frage liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht - es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet - erwogen:
24 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit wie das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Einbeziehung von Gewinnausschüttungen bei der Beurteilung der Überschreitung der Versicherungsgrenze bzw. der Ermittlung der Beitragsgrundlage. Darüber hinaus sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es nicht die Maßgeblichkeit der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit für das Ende der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG beachtet habe.
25 Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
26 Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung selbständig erwerbstätige Personen pflichtversichert, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist.
27 Gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG sind von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung Personen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG ausgenommen, „deren Einkünfte (§ 25) aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr das Zwölffache des Betrages nach § 25 Abs. 4 nicht übersteigen“.
28 § 25 Abs. 1 GSVG lautet:
„Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß § 2 Abs. 1 sind, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die im jeweiligen Kalenderjahr auf einen Kalendermonat der Erwerbstätigkeit im Durchschnitt entfallenden Einkünfte aus einer oder mehreren Erwerbstätigkeiten, die der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz, unbeschadet einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z 5, unterliegen, heranzuziehen; als Einkünfte gelten die Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988. Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.“
29 Der letzte Satz war mit folgendem Wortlaut schon in der Stammfassung des GSVG enthalten:
„Bei den gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 Pflichtversicherten sowie den Pflichtversicherten, die zu Geschäftsführern einer der Kammer der Wirtschaftstreuhänder angehörenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestellt sind, gelten als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte als Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung.“
30 Als mit dem ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139, der Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG geschaffen wurde, erhielt § 25 Abs. 1 letzter Satz GSVG seine noch heute geltende Fassung. Es entfiel also die Bezugnahme auf die gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG Pflichtversicherten (und auf die nach dem ehemaligen § 2 Abs. 3 GSVG versicherten Geschäftsführer einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft).
31 Die Regelung geht letztlich auf § 17 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes (GSPVG) zurück (vgl. zur Übernahme des vorhandenen Rechtsbestandes im Bereich der Kranken- und Pensionsversicherung der Gewerbetreibenden durch das GSVG und zur Gegenüberstellung der jeweiligen Bestimmungen die ErlRV 865 BlgNR 14. GP, 71 ff). Der Satz betreffend die Einbeziehung der Gesellschaftereinkünfte in die Beitragsgrundlage wurde mit der Novelle BGBl. Nr. 619/1977 angefügt, als die Pflichtversicherung der zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer wirtschaftskammerzugehörigen GmbH in der Pensionsversicherung eingeführt wurde.
32 In den ErlRV 642 BlgNR 14. GP, 7 f wird dazu ausgeführt:
„Im Zusammenhang mit der Einbeziehung der Angehörigen dieser Personengruppe ist festzuhalten, daß sie Einkünfte in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer und als Gesellschafter auf Grund ihrer Kapitaleinlage beziehen. Da jede Pflichtversicherung erst bei Erfüllung der Tatbestandsmerkmale Geschäftsführertätigkeit und Gesellschaftsverhältnis eintritt, ergibt sich daraus, daß zur Ermittlung der Beitragsgrundlage sowohl die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit als auch aus dem Gesellschaftsverhältnis (auf Grund der Kapitaleinlage) heranzuziehen sind.“
33 Der Regelung dürfte insbesondere auch der Gedanke zugrunde liegen, dass Gesellschaftergeschäftsführerinnen und -geschäftsführer darüber disponieren können, inwieweit ihre Tätigkeit (auch) durch Gewinnausschüttungen abgegolten wird (kritisch dazu Shubshizky, Handbuch zur Sozialversicherung I3, 327). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Sinn ausgeführt, dass auch bei nach dem GSVG pflichtversicherten Einzelunternehmern und Geschäftsführern von Personengesellschaften eine fiktive Zerlegung der Einkünfte in Arbeitseinkommen und Unternehmergewinn (Erwerbseinkommen im engeren Sinn) einerseits und Nichterwerbseinkommen (Kapitalverzinsung) andererseits nicht erfolge; vor diesem Hintergrund erscheine eine Einbeziehung auch der aus der Beteiligung an der Gesellschaft herrührenden Kapitaleinkünfte als sachlich geboten (vgl. ).
34 Diese zu § 25 Abs. 1 angestellten Überlegungen gelten unabhängig davon, auf welchen Tatbestand sich die Pflichtversicherung eines Gesellschaftergeschäftsführers gründet. Dementsprechend entfiel, wie dargestellt, mit der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 die Bezugnahme auf die gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG Pflichtversicherten im letzten Satz des § 25 Abs. 1 GSVG. Die Bestimmung sollte nach der neuen Rechtslage, nach der Geschäftsführer auch ohne Kammerzugehörigkeit der von ihnen vertretenen Gesellschaft der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegen können, offenbar alle nach dem GSVG - egal, auf Grund welchen Tatbestandes - pflichtversicherten Gesellschaftergeschäftsführerinnen und -geschäftsführer erfassen.
35 Mit dem in Teilen der Literatur (vgl. etwa Mitterer in Neumann, GSVG für Steuerberater3 [2023] §§ 24-25a GSVG Rz 15) dagegen vorgebrachten Argument, wonach es unsachlich erscheine, dass bei Gesellschaftergeschäftsführern mit einem (selbst nur geringen) Geschäftsführerbezug auch die Gewinnausschüttung in die Beitragsgrundlage einfließe, während Gesellschaftergeschäftsführer ohne Geschäftsführerbezug und nur mit Gewinnausschüttung gar nicht versichert wären (da es an einer nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorausgesetzten Einkunftsart fehle), werden letztlich Konstellationen angesprochen, die typischerweise Umgehungskonstruktionen vermuten lassen und allenfalls eine Beurteilung nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (also eine Qualifikation von Gewinnausschüttungen als - Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw. aus Gewerbebetrieb gleichzuhaltenden - Geschäftsführerbezug) erfordern würden.
36 Von der Frage der Einbeziehung in die Beitragsgrundlage ist die Frage zu unterscheiden, ob auch bei der Beurteilung der Überschreitung der Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z 5 GSVG die (aus der Gesellschafterstellung resultierenden) Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind. Dies ist zu bejahen, weil die genannte Bestimmung ohne Einschränkung auf § 25 GSVG - also auch auf den letzten Satz des Abs. 1 - verweist. Es wäre auch kein Grund dafür ersichtlich, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer Gesellschaftergeschäftsführerin zwar im Fall der Überschreitung der Versicherungsgrenze in die Beitragsgrundlage einzubeziehen sind, aber für die Beurteilung, ob es zur Überschreitung gekommen ist, außer Betracht zu bleiben haben.
37 Die SVS und das Bundesverwaltungsgericht haben nach dem Gesagten zu Recht das Überschreiten der Versicherungsgrenze bejaht, indem sie nicht nur die Einkünfte der Revisionswerberin aus selbständiger Arbeit in Höhe von € 484,82, sondern auch die - unstrittig aus ihrer Stellung als Gesellschafterin der von ihr vertretenen GmbH herrührenden - Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 520.000,-- berücksichtigt haben.
38 Dabei spielt es keine Rolle, ob sie zum Zeitpunkt des Zuflusses der Ausschüttungen noch Geschäftsführerin oder bereits Liquidatorin der GmbH war: Denn der Eintritt als Liquidatorin ist gemäß § 89 Abs. 2 GmbHG Ausfluss der Geschäftsführerfunktion. Mit den an die Revisionswerberin ausgeschütteten Gewinnen wurde (entsprechend der grundsätzlichen Annahme des § 25 Abs. 1 letzter Satz GSVG) weiterhin die Tätigkeit als Vertreterin der GmbH abgegolten.
39 Die Revisionswerberin wendet sich auch gegen die Annahme, dass in ihrer Funktion als Liquidatorin überhaupt noch eine betriebliche Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zu sehen gewesen sei. Es trifft jedoch - entsprechend den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts - zu, dass die Tätigkeit eines Liquidators - nicht anders als jene eines Geschäftsführers - eine aus der Organstellung resultierende Erwerbstätigkeit darstellt, finden doch gemäß § 92 Abs. 1 GmbHG alle in diesem Gesetz hinsichtlich der Geschäftsführung vorgesehenen Bestimmungen sinngemäß auch in Bezug auf die Liquidatoren Anwendung (vgl. etwa - in Zusammenhang mit der Prüfung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit nach § 12 AlVG - , mwN).
40 Eine „Gewinnabsicht“ muss nicht vorhanden sein. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang eine vermeintliche Aussage des Verwaltungsgerichtshofes (im Erkenntnis ) zitiert, übersieht sie, dass es sich dabei bloß um die Wiedergabe der in § 23 Z 1 EStG 1988 enthaltenen Definition von „Einkünften aus Gewerbebetrieb“ und nicht um die allgemeine Umschreibung der Voraussetzungen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG handelte.
41 Die Bejahung der Pflichtversicherung der Revisionswerberin in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG und in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG im Zeitraum 1. Jänner bis ist daher - auf Grund ihrer (neben der Innehabung der Gesellschaftsanteile gegebenen) Stellung zunächst als Geschäftsführerin und dann als Liquidatorin sowie der insgesamt die Versicherungsgrenze übersteigenden Einkünfte - zu Recht erfolgt.
42 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2023080006.J00 |
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VAAAF-46749