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VwGH 24.10.2024, Ro 2022/16/0020

VwGH 24.10.2024, Ro 2022/16/0020

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1a
RS 1
Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa , mwN). Auf eine Rechtsfrage, die das VwG bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird oder der in der Revision gar die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen wird, ist vom VwGH nicht einzugehen (vgl. ; , Ro 2019/17/0002).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2020/13/0005 B RS 1
Normen
BAO §207
BAO §208
BAO §209 Abs3
BAO §4
VwRallg
RS 2
Die Zehnjahresfrist des § 209 Abs. 3 BAO beginnt schon mit "Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4)" und nicht nach Maßgabe der in § 208 BAO für die Verjährungsfristen nach § 207 BAO getroffenen Regelungen, also nicht etwa erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, oder im Falle vorläufiger Bescheide des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden ist. Bei der Umsatzsteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 UStG 1994 jeweils mit Ablauf des Kalendermonats (vgl. zur Konsequenz für die absolute Verjährung Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 209, 581 f; zu einer insoweit noch vergleichbaren früheren Rechtslage auch die Erkenntnisse vom , 89/15/0083, VwSlg 6518 F/1990, und vom , 97/13/0202). Auch die in § 209 Abs. 1 BAO getroffenen Regelungen über die Verlängerung von Verjährungsfristen nach § 207 BAO sind auf die Verjährung gemäß § 209 Abs. 3 BAO nicht anwendbar (vgl. etwa Ritz, BAO5, § 209 Tz 36).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/13/0127 E RS 1 (hier nur der erste Satz)
Normen
BAO §4
FinStrG §29 Abs6
RS 3
Der Sachverhalt, welcher zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG führt, besteht in der Erstattung einer Selbstanzeige, einem Verhalten nach der Tat (vgl. ). Damit ist geklärt, dass der Abgabenanspruch hinsichtlich der nach § 29 Abs. 6 FinStrG festzusetzenden Abgabenerhöhung mit Erstattung einer Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe entsteht.
Normen
BAO §3 Abs2 lita
FinStrG §29 Abs6
RS 4
Dass die Höhe der Abgabenerhöhung, nämlich der Prozentsatz der Mehrbeträge, von der Summe der sich aus einer Selbstanzeige ergebenden Mehrbeträge abhängt und nicht von der Höhe des Mehrbetrages an einer Abgabe, lässt die Beurteilung der einzelnen Abgabenerhöhung als Nebenanspruch zu einer konkreten Abgabe unberührt (vgl. etwa auch die Zusammenrechnung strafbestimmender Wertbeträge zur Frage der Gerichtszuständigkeit bei zusammentreffenden Finanzvergehen - § 53 Abs. 1 FinStrG).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/16/0125 E RS 6
Normen
BAO §207 Abs2
BAO §209 Abs3
FinStrG §29 Abs6
VwRallg
RS 5
Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gemäß § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. Die absolute Verjährung der Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG ist aus diesem Grund an die Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Abgabe, die Gegenstand der Selbstanzeige nach § 29 Abs. 6 FinStrG ist, gebunden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Finanzamts für Großbetriebe in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100423/2022, betreffend Abgabenerhöhung (mitbeteiligte Partei: B GmbH, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Großbetriebe (im Folgenden: Finanzamt) gemäß § 29 Abs. 6 Finanzstrafgesetz (FinStrG) eine 30% ige Abgabenerhöhung iHv 694.041,44 € gegenüber der mitbeteiligten Partei fest. Als Bemessungsgrundlage zog das Finanzamt die aus dem Zeitraum Mai 2010 bis April 2011, somit aus dem Wirtschaftsjahr 2011, resultierende Umsatzsteuerzahllast der mitbeteiligten Partei iHv 2.313.471,47 € heran.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und behob den vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheid des Finanzamts ersatzlos. Die Revision erklärte das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

3 Das Bundesfinanzgericht stellte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens - soweit für das Revisionsverfahren relevant - fest, die - mit der mitbeteiligten Partei in umsatzsteuerrechtlicher Organschaft stehende - H GmbH habe in ihrem Gründungsjahr 2002 die H Liegenschaft mit dem Ziel erworben, diese Immobilie zu entwickeln und zu verwerten. Die Planungsphase habe rund sieben Jahre gedauert. Im Jahr 2009 sei entschieden worden, drei Projekte auf dem Gelände umzusetzen. Das Bauvolumen habe mehr als 100 Millionen Euro betragen. Der Vertrieb der Objekte habe im Jahr 2011 begonnen und im Jahr 2015 geendet.

4 Für das Teilprojekt „Wohnungen“ sei im Dezember 2009 auf Basis der Förderungszusagen der Stadt W festgelegt worden, dass 60,08 % der Wohnnutzfläche umsatzsteuerrechtlich unecht steuerbefreit verkauft werden würden. Daraus habe sich ein Vorsteuerteiler iHv 60,08 % NAV (= nicht abziehbare Vorsteuern) ergeben, d.h. 60,08 % der Vorsteuern aus Eingangsrechnungen, welche im Zusammenhang mit dem Projekt „Wohnungen“ gestanden seien, seien nicht abzugsfähig gewesen.

5 Im Zeitraum September 2002 bis April 2009 habe die mitbeteiligte Partei 100 % der Vorsteuern iZm dem Projekt „Wohnungen“ geltend gemacht. Im Dezember 2009 sei festgestanden, dass eine Vorsteuerberichtigung im Ausmaß von 60,08 % vorzunehmen sei, dennoch seien nach Vertriebsstart in den Umsatzsteuervoranmeldungen der verfahrensgegenständlichen Voranmeldungszeiträume keine Berichtigungen nach § 12 Abs. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG 1994) vorgenommen worden und es seien weiterhin aus der noch laufenden Bautätigkeit Vorsteuern in ungekürzter Höhe geltend gemacht worden.

6 Mittels Umsatzsteuerjahreserklärung für das Wirtschaftsjahr 2011 sei in der Folge ein unrichtiger Erstbescheid vom erwirkt worden. Dessen Korrektur sei aufgrund der Selbstanzeige der mitbeteiligten Partei vom für die Umsatzsteuer 2011 durchgeführt worden.

7 Die Festsetzung der Abgabennachforderung nach der abgabenbehördlichen Prüfung auf Basis der Offenlegungen in der Selbstanzeige sei am , die Festsetzung der Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG am erfolgt. Die Abgabennachforderung und die Abgabenerhöhung seien am unter Einhaltung der Vorgaben des § 29 Abs. 2 FinStrG entrichtet worden.

8 Unstrittig sei, dass die Abgabenbehörde auf Grund der Selbstanzeige eine richtige Abgabennachforderung habe festsetzen können. Die von der Abgabenbehörde als finanzstrafrechtlich relevant angesehene Darlegung einer Verfehlung und die Offenlegung der für die Abgabenfestsetzung und die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG bedeutsamen Umstände seien in der Selbstanzeige erfolgt. Die Abgabenbehörde habe die zu diesem Punkt vorgenommene Vorsteuerkorrektur iHv 2.313.471,47 € als Bemessungsgrundlage für die Abgabenerhöhung herangezogen.

9 Der Prüfungszeitpunkt sei jener der Einreichung der Selbstanzeige. Im März 2017 habe keine Verpflichtung bestanden, im Sachverhalt darzustellen, dass teils eine Berichtigungspflicht nach § 12 Abs. 11 UStG 1994 nicht wahrgenommen und teils Vorsteuern zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien. Dies gelte selbst dann, wenn man der Amtspartei folgen würde, dass bei unrichtiger Geltendmachung von Vorsteuern ein Abgabenanspruch erst mit Einreichungsverpflichtung der betroffenen Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. mit Einreichung einer unrichtigen Jahreserklärung entstehe. Dies hätte zum damaligen Zeitpunkt noch nicht die Konsequenz nach sich gezogen, dass hinsichtlich des Teiles der Vorsteuerberichtigungspflicht nach § 12 Abs. 11 UStG 1994 schon absolute Verjährung eingetreten gewesen wäre.

10 Folge man der Sichtweise der mitbeteiligten Partei und des Bundesfinanzgerichts, komme der Unterlassung der differenzierten Darstellung des Sachverhalts ohnehin keine Bedeutung zu, da eine richtige Festsetzung der Abgabennachforderung dadurch im Zeitpunkt der Einbringung der Selbstanzeige nicht hintangehalten worden sei und bei Erlassung des Festsetzungsbescheides eben hinsichtlich des gesamten Nachforderungsbetrages für die Umsatzsteuer von Mai 2010 bis April 2011 absolute Verjährung eingetreten sei.

11 Es habe unbestritten keine Verfolgungshandlung und keine Tatentdeckung vor Einreichung der Selbstanzeige vorgelegen. Ebenso sei zuvor keine Selbstanzeige zu diesem Abgabenanspruch eingebracht worden. Eine Täternennung sei in der Selbstanzeige erfolgt. Die Selbstanzeige sei nach Anmeldung oder sonstiger Bekanntgabe einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen erstattet worden.

12 Im Zusammenhang mit der Prüfung der Festsetzungsverjährung führte das Bundesfinanzgericht aus, dass unstrittig Verlängerungshandlungen erfolgt seien. Es hätte daher auch im Jahr 2021 noch eine Abgabenfestsetzung bzw. eine Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG für die Umsatzsteuer 2011 erfolgen können.

13 Strittig sei zwischen den Parteien des Verfahrens lediglich, ob nach § 209 Abs. 3 BAO im Zeitpunkt der Festsetzung der Abgabenerhöhung bereits absolute Verjährung hinsichtlich des Teilfaktums der zu Unrecht in den verfahrensgegenständlichen Monaten geltend gemachten Vorsteuern eingetreten sei, oder nicht.

14 Es gehe zunächst um eine Vorsteuerberichtigung, die nicht den gesetzlichen Vorgaben folgend in voller Höhe durchgeführt worden sei. Berichtigungen wären grundsätzlich monatsweise im Zeitraum der Realisierung der Lieferung/des Verkaufes der Wohnungen vorzunehmen gewesen. Eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs. 11 UStG 1994 trete bereits in jenem Voranmeldungs- bzw. Veranlagungszeitraum ein, in dem der Unternehmer seine Absicht, einen Gegenstand oder eine sonstige Leistung zur Ausführung unecht steuerfreier bzw. steuerpflichtiger oder echt steuerfreier Umsätze zu verwenden, nach außen hin erkennbar, klar bestimmt und verbindlich geändert habe (zB durch Abschluss von verbindlichen Nutzungsverträgen dahingehend, zu errichtende Wohnungen nunmehr steuerpflichtig vermieten zu wollen), und nicht erst im Zeitpunkt des erstmaligen Bewirkens von Umsätzen (vgl. ).

15 Diese Änderung der Verhältnisse sei verfahrensgegenständlich durch den Vertriebsstart erfolgt. Damit sei bei Vertriebsstart 1) die zuvor zu Recht für das Bauvorhaben geltend gemachte Vorsteuer nach § 12 Abs. 11 UStG 1994 zu berichtigen gewesen, bzw. 2) habe für die weiteren Wohnungen, die nunmehr einem Verkauf zugeführt werden sollten, jedoch noch in der Phase der baulichen Fertigstellung waren, nicht mehr Vorsteuer in voller Höhe abgezogen werden dürfen.

16 Entgegen der Auffassung der belangten Behörde gehe das Bundesfinanzgericht davon aus, dass zu beiden Sachverhaltsgruppen zu 1) und 2) hinsichtlich der Entstehung der Steuerschuld an § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 anzuknüpfen sei, und nicht an den Fälligkeitstag der Umsatzsteuer am 15. des zweitfolgenden Monats iSd § 21 Abs. 1 UStG 1994 oder an die Einreichung einer unrichtigen Jahreserklärung und die Erwirkung eines unrichtigen Erstbescheides.

17 Das Bundesfinanzgericht sei der Auffassung, dass sich dies aus dem klaren Verweis des § 4 Abs. 3 BAO auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld ergebe. Es wäre daher für das abweichende Wirtschaftsjahr spätestens im April 2011 eine Berichtigung der Vorsteuern in das Rechenwerk für die Voranmeldung aufzunehmen gewesen. Zuletzt seien im April 2011 unrichtig Vorsteuern in voller Höhe geltend gemacht worden. Damit sei mit Ablauf des Monats der Abgabenanspruch entstanden, dessen Geltendmachungsmöglichkeit mittels Bescheiderlassung durch Verlängerungshandlungen zwar bis in das Jahr 2021 habe erstreckt werden können, jedoch nur bis zum Eintritt der absoluten Festsetzungsverjährung.

18 Der Abgabenanspruch der monatlich selbst zu berechnenden Umsatzsteuer im Voranmeldungszeitraum entstehe unabhängig von einer Wahrnehmung oder Unterlassung einer Erklärungspflicht einer bei deren Fälligkeit zu meldenden Zahllast oder der Geltendmachung einer Gutschrift für einen Voranmeldungszeitraum. Der Abgabenbescheid sei erst am ergangen, somit knapp außerhalb der absoluten Festsetzungsverjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO, die an die Entstehung des Abgabenanspruchs anknüpfe. Das derzeit noch offene Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht zur Festsetzung der Umsatzsteuer 2011 habe auch keinen Einfluss mehr auf die gemäß § 207 Abs. 2 BAO am bereits eingetretene absolute Verjährung hinsichtlich der Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG. Der Bescheid über die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG sei somit ohne weiteres Eingehen auf das sonstige Beschwerdevorbringen ersatzlos aufzuheben.

19 Zur Zulassung der Revision führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dass es zur Rechtsfrage der Entstehung des Abgabenanspruchs bei unrichtiger Geltendmachung eines Vorsteuerabzugs bisher keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

20 Das Finanzamt erhebt gegen das vorliegende Erkenntnis Amtsrevision. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung der Revision sowie die Zuerkennung des Schriftsatzaufwands, in eventu die Abweisung der Revision.

21 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

22 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

23 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

24 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. , mwN).

25 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nämlich nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (vgl. , mwN).

26 Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der Revision als grundsätzlich erachtet hat, die in der Revision aber nicht angesprochen wird oder der in der Revision gar die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abgesprochen wird, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen (vgl. etwa , Ro 2021/15/0022; , Ro 2020/13/0005, jeweils mwN).

27 In der Amtsrevision wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, dass die Zulässigkeitsbegründung des Bundesfinanzgerichts impliziere, dass der Abgabenanspruch betreffend die Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG gleichzeitig mit der Entstehung des Abgabenanspruchs hinsichtlich der im Jahr 2011 zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuern entstehen würde, obwohl die der Festsetzung der Abgabenerhöhung zu Grunde liegende Selbstanzeige erst im Jahr 2017 erstattet worden sei. Der Abgabenanspruch betreffend die Abgabenerhöhung würde bereits zu einem Zeitpunkt entstanden sein, in dem eine Selbstanzeige noch gar nicht vorgelegen habe und damit der Tatbestand des § 29 Abs. 6 FinStrG noch gar nicht erfüllt gewesen sei. Die Revision sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Entstehung des Abgabenanspruchs der Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG und damit zum Beginn der Festsetzungsverjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO und gemäß § 209 Abs. 3 BAO zum Eintritt der (absoluten) Verjährung des Rechts auf Festsetzung spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs vorliege. Sofern die Selbstanzeige, wie vom Finanzamt angenommen, das auslösende Moment für die Entstehung des Abgabenanspruchs hinsichtlich der Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG sei, wäre ausgehend von der Erstattung der Selbstanzeige am im Zeitpunkt der Festsetzung der Abgabenerhöhung weder die relative Festsetzungsverjährung von fünf Jahren, noch die vom Bundesfinanzgericht in dem angefochtenen Erkenntnis herangezogene absolute Verjährung nach § 209 Abs. 3 BAO von zehn Jahren eingetreten gewesen.

28 Mit diesen Ausführungen bringt die revisionswerbende Partei zum Ausdruck, dass der vom Bundesfinanzgericht für die Zulassung der Revision als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage die Eignung als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abgesprochen wird. Aus diesem Grund ist auf diese Rechtsfrage in der Folge nicht mehr einzugehen (vgl. erneut , mwN).

29 Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt gemäß § 209 Abs. 3 erster Satz Bundesabgabenordnung (BAO) spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs (§ 4 BAO).

30 Die Zehnjahresfrist des § 209 Abs. 3 BAO beginnt schon mit „Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4)“ und nicht nach Maßgabe der in § 208 BAO für die Verjährungsfristen nach § 207 BAO getroffenen Regelungen, also nicht etwa erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, oder im Falle vorläufiger Bescheide des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden ist (vgl. , mwN).

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Sachverhalt, welcher zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 Finanzstrafgesetz (FinStrG) führt, in der Erstattung einer Selbstanzeige, einem Verhalten nach der Tat, besteht (vgl. ). Damit ist geklärt, dass der Abgabenanspruch hinsichtlich der nach § 29 Abs. 6 FinStrG festzusetzenden Abgabenerhöhung mit Erstattung einer Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe entsteht.

32 Es ergibt sich bereits aus § 29 Abs. 6 letzter Satz FinStrG, dass die Abgabenerhöhung als Nebenanspruch im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. a BAO gilt. Dass die Höhe der Abgabenerhöhung, nämlich der Prozentsatz der Mehrbeträge, von der Summe der sich aus einer Selbstanzeige ergebenden Mehrbeträge abhängt und nicht von der Höhe des Mehrbetrages an einer Abgabe, lässt die Beurteilung der einzelnen Abgabenerhöhung als Nebenanspruch zu einer konkreten Abgabe unberührt (vgl. erneut ).

33 Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gemäß § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe. Die absolute Verjährung der Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG ist aus diesem Grund an die Verjährung des Rechts auf Festsetzung der Abgabe, die Gegenstand der Selbstanzeige nach § 29 Abs. 6 FinStrG ist, gebunden.

34 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer dieser maßgebenden Normen noch keine Rechtsprechung ergangen wäre (, mwN).

35 Die revisionswerbende Partei legt mit ihrem Vorbringen somit nicht dar, dass das Bundesfinanzgericht mit seiner Beurteilung der Verjährung des Anspruchs auf Abgabenerhöhung als Nebenanspruch gemäß § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung jener Abgabe, die Gegenstand der Selbstanzeige vom war, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. dem insoweit klaren Wortlaut des § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO abgewichen wäre.

36 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

37 Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §207
BAO §207 Abs2
BAO §208
BAO §209 Abs3
BAO §3 Abs2 lita
BAO §4
B-VG Art133 Abs4
FinStrG §29 Abs6
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2022160020.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-46742