VwGH 19.10.2022, Ro 2021/15/0034
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | UStG 1994 §3 Abs8 |
RS 1 | Mangels einer Sonderregelung in der hier anzuwendenden Fassung des UStG 1994 müssen die Rechtsfolgen für Reihengeschäfte (seit 1997) aus den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes abgeleitet werden. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei Lieferungen in der Reihe gedanklich um mehrere Lieferungen handelt, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden und nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; üblicherweise wird diese Lieferung als die "bewegte Lieferung" oder "Transportlieferung" bezeichnet, die anderen Lieferungen als "ruhende Lieferungen" (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Rz 54; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2, § 3 Rz 222; Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 3 Abs. 8 Anm. 33) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/15/0114 E RS 2 (hier ohne den ersten Satz) |
Normen | UStG 1994 Anh Art1 Abs2 62004CJ0245 EMAG Handel Eder VORAB |
RS 2 | Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferungen befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. , EMAG Handel Eder, Rn 51). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/15/0114 E RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen (vgl. , Toridas, Rn. 31). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/15/0125 E RS 3 |
Normen | |
RS 4 | In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden. Zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. , Toridas, Rn. 34 f). Dabei ist insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden (EuGH Toridas, Rn. 36; , Arex, Rn. 70). Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind (vgl. EuGH Arex, Rn. 74). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/15/0125 E RS 4 |
Normen | UStG 1994 Anh Art1 62017CJ0414 AREX CZ VORAB |
RS 5 | Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird (vgl. , Arex, Rn. 75). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/15/0125 E RS 5 |
Normen | |
RS 6 | Wie der B, C-696/20, ausgesprochen hat, ist Art. 41 MwStSystRL auch dann anwendbar, wenn es der Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung der Gegenstände ist, der sich auf diese Bestimmung stützt, um einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen der Umsatzsteuer zu unterwerfen, weil beim Erwerb die von ihm erteilte UID-Nummer verwendet worden ist. Allerdings schränkt der EuGH dies mit Hinweis auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität ein. Demnach darf eine Besteuerung auf der Grundlage von Art. 41 MwStSystRL nicht erfolgen, "wenn der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der als im Gebiet dieses Mitgliedstaats bewirkt gilt, mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen einhergeht, die in diesem Mitgliedstaat nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz behandelt worden ist." |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der S NV, in Belgien, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100149/2019, betreffend Umsatzsteuer 2015 und 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Graz-Stadt), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - eine Aktiengesellschaft belgischen Rechtes (NV) ohne Betriebstätte im Inland, die im Streitzeitraum sowohl über eine belgische als auch über eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte und mit Glukose handelte. Eine österreichische Gesellschaft (A) verkaufte dabei an die Revisionswerberin (B) die Glukose, die diese als mittleres Unternehmen (B) an EU-Gesellschaften (C) weiter veräußerte. Die Waren gelangten direkt vom ersten Lieferer (A) an die Endabnehmenden der Waren (C). In den überwiegenden Fällen wurde die Glukose über Transportbeauftragung der Revisionswerberin an die Endabnehmenden versendet (Lieferkondition DDP). Daneben gab es Geschäftsfälle, wo die Glukose von den Endabnehmenden im Werk in Österreich abgeholt wurde (Lieferkondition FCA).
2 In beiden Fällen hat A Rechnungen mit 10% österreichischer Umsatzsteuer gelegt, die von der Revisionswerberin (B) als Vorsteuer in Abzug gebracht wurde. In den Rechnungen waren jeweils die österreichische UID-Nummer der Revisionswerberin und die Lieferkondition FCA angeführt. Die Revisionswerberin ihrerseits fakturierte an ihre Kunden stets ohne österreichische Umsatzsteuer. In den Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen wurden von ihr alle Geschäftsfälle - unabhängig von der Transportbeauftragung gegenüber den Endabnehmenden - als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt und Zusammenfassende Meldungen eingereicht.
3 Nach Durchführung einer Außenprüfung kam der Prüfer demgegenüber zum Ergebnis, dass die umsatzsteuerliche Qualifikation der Revisionswerberin nur hinsichtlich der von ihren Endabnehmenden in Österreich abgeholten Ware (Lieferkondition FCA) korrekt sei. In diesen Fällen bestehe - wie von A und B angenommen - die ruhende Lieferung zwischen A und B (steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz von A) und sei die bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG 1994 zwischen der Revisionswerberin (B) und den abholenden Kunden (C) anzunehmen (steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung der B).
4 Anders seien jedoch die Geschäftsfälle zu beurteilen, wo die Revisionswerberin die Transportaufträge erteilt habe (Lieferkondition DDP). Die Lieferkondition (Incoterm) „Delivered Duty Paid“ („Geliefert, verzollt“) bedeute im Allgemeinen, dass die Verkäuferin die zur Einfuhr freigemachte Ware den Erwerbenden auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit am benannten Bestimmungsort zur Verfügung stelle. Der Verkäufer trage alle Kosten und Gefahren, die im Zusammenhang mit der Beförderung der Ware bis zum Bestimmungsort stünden. Bei dieser Klausel sei der Verkäufer verpflichtet, die Ware nicht nur für die Ausfuhr, sondern auch für die Einfuhr freizumachen, alle Abgaben sowohl für die Aus- als auch für die Einfuhr zu zahlen sowie alle Zollformalitäten zu erledigen. Die Verwendung dieser Lieferkondition spreche dafür, dass die zivilrechtliche Lieferung erst am Bestimmungsort laut Vereinbarung stattfinde. Es sei Sache der Revisionswerberin als Lieferantin, die Ware zum vereinbarten Übergabeort zu transportieren, sie habe die Kosten dafür zu tragen und trage auch das Risiko von Beschädigungen, Diebstahl oder sonstigem Untergang der Ware. Trete ein solches Risiko ein, komme die Ware nicht im vereinbarten Zustand am vereinbarten Übergabeort an und finde die Lieferung nicht statt. Zu diesem Ergebnis gelange man auch bei Beurteilung des Wortlautes der verwendeten vertraglichen Verkaufsbedingungen.
5 Da bei den Fällen der verwendeten Lieferkondition DDP die Ersterwerberin (die Revisionswerberin B) an die Zweiterwerbenden (C) sohin erst am Bestimmungsort liefere und dort der Gefahrenübergang stattfinde, bestehe auch keine Verfügungsgewalt der Zweiterwerbenden (C) an der Ware in Österreich. In diesen Fällen sei daher von einer bewegten Lieferung gemäß § 3 Abs. 8 UStG zwischen A und B (Revisionswerberin) auszugehen. A tätige daher in Österreich steuerbare und bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 7 UStG 1994 steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.
6 Spiegelbildlich werde gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Versendung befinde (Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten RL und Art. 40 der MwStSystRL). Die Revisionswerberin (B) habe daher in den einzelnen Mitgliedstaaten der letzten Abnehmenden (Bestimmungsland) einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt.
7 Verwende die Erwerberin (B) gegenüber dem Lieferanten eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat (also nicht vom Bestimmungsland) erteilte UID-Nummer, so gelte gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 der Erwerb (zusätzlich) solange in dem Gebiet des Mitgliedstaates als bewirkt, bis sie nachweise, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden sei (Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten RL und Art. 41 der MwStSystRL). Da die Revisionswerberin gegenüber dem Liefernden A die österreichische UID-Nummer verwendet habe, gelte der Erwerb zusätzlich auch in Österreich als bewirkt.
8 Gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 könne ein Unternehmer die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen als Vorsteuer abziehen. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nur für den echten (originären) innergemeinschaftlichen Erwerb, dh den Erwerb, der im Bestimmungsland bewirkt werde. Ein Vorsteuerabzug für die zusätzliche Erwerbsteuer (Verwendung der österreichischen UID-Nummer) sei nicht möglich (Hinweis auf ). Der Revisionswerberin sei daher die Erwerbsteuer in Österreich vorzuschreiben, ein entsprechender Vorsteuerabzug bestehe jedoch nicht. Die Erwerbe fielen erst wieder (ex nunc) weg, wenn die Erwerbsbesteuerung der gelieferten Waren in den jeweiligen Bestimmungsländern nachgewiesen werde.
9 Bei den Lieferungen der Revisionswerberin an die jeweiligen Endkunden im EU-Gebiet handle es sich um die ruhenden Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG 1994). Die Lieferorte befänden sich gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 in den einzelnen Bestimmungsländern. Daher seien die von der Revisionswerberin in Österreich erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend zu berichtigen.
10 Das Finanzamt setzte daraufhin die Umsatzsteuer der Jahre 2015 und 2016 entsprechend den Ergebnissen der Außenprüfung fest.
11 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde. Darin führte sie aus, dass im Revisionsfall bereits dem Grunde nach bezweifelt werden könne, dass ein umsatzsteuerliches Reihengeschäft vorliege. Dies vor allem deshalb, weil - anders als bei einem klassischen Reihengeschäft - die Revisionswerberin an ihre EU-Kunden Ware verkauft habe, die sie selbst - im Wege eines mehrjährigen Liefervertrages, bei dem Spezifikation, Preis, Menge (abgesehen von geringfügigen Toleranzen) der für die einzelnen Jahre erworbenen Glukose bereits festgelegt gewesen seien - zeitlich weit vorgelagert und unabhängig von den weiteren Veräußerungen bei der A AG gekauft habe. Die beiden Lieferungen würden somit nicht dadurch ausgeführt, dass der erste Unternehmer dem letzten Abnehmenden in der Reihe unmittelbar die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschaffe, sondern es werde die Verfügungsmacht zuerst von der A AG auf die Revisionswerberin übertragen und erst nachgelagert in einem zweiten Schritt von dieser auf die EU-Kunden. Im Vertrag mit der A AG sei auch geregelt, dass die Lieferung mit Abgabe der Ware aus dem Füllstutzen als ausgeführt gelte und in diesem Zeitpunkt der Eigentumsübergang erfolge, aber auch Risiken des Verlustes oder des zufälligen Untergangs übergingen. Mit Abholung der Produkte bzw. bei Beladung der LKW gehe somit vertraglich die Verfügungsmacht von der A AG auf die Revisionswerberin über. Da im Zuge dieser Lieferung kein Transport stattfinde, befinde sich der Leistungsort in Österreich (§ 3 Abs. 7 UStG 1994). Die Lieferungen der A AG seien folglich in Österreich steuerbar und steuerpflichtig.
12 Selbst wenn man der Ansicht des Finanzamts folge, dass ein Reihengeschäft A - B - C (EU-Kunde) vorliege, sei die Lieferung A - B jedoch als ruhende Lieferung gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1994 zu betrachten, bei der der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet werde. Die besonderen Umstände des Einzelfalls (Verwendung der österreichischen UID durch die Revisionswerberin, Mitteilung von Weiterverkauf und -transport an Erstlieferant A, keine Steuerumgehung) sprächen für eine Zuordnung der Warenbewegung zur zweiten Lieferung, nämlich der Lieferung B - C. Zwischen der Revisionswerberin (B) und ihren EU-Kunden (C) habe zudem stets die Absicht bestanden, dass die EU-Kunden die Kontrolle über den Transportvorgang hätten und insoweit den Zeitpunkt des Transportbeginns bestimmen, den Transport anhalten oder umrouten sowie den Bestimmungsort jederzeit ändern könnten. Diese Parteienabsicht, nämlich dass die EU Kunden vor Beginn des Transports bereits über die Waren derart verfügen könnten, hätten die EU-Kunden im Rahmen der Betriebsprüfung auch noch einmal in den hierfür explizit an die Revisionswerberin ausgestellten „Letter of confirmation for VAT purposes“ bestätigt. Die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht von der Revisionswerberin auf die EU-Kunden sei daher vor Beginn des Transports übertragen worden und sei dies auch der erklärte Parteiwille gewesen.
13 Schließlich spreche auch die Gefahrtragung des zufälligen Untergangs während des Transportvorganges für diese Zuordnung. Es könne davon ausgegangen werden, dass derjenige, der das Risiko des zufälligen Untergangs tragen müsse, auch die Befähigung innehabe, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen. Trage somit die Erstverkäuferin A die Gefahr für den zufälligen Untergang während des innergemeinschaftlichen Transports, könne sie davon ausgehen, dass ihre Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit sei. Trage hingegen der Vertragspartner der Erstverkäuferin (d.h. gegenständlich die Revisionswerberin B als erste Zwischenhändlerin) die Gefahr für den zufälligen Untergang während des Transports, komme es für das Vorliegen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung darauf an, ob ein Reihengeschäft vorliege. Liege ein Reihengeschäft vor und sei die Erstverkäuferin darüber informiert, dass ein Reihengeschäft vorliege, dann sei die Lieferung des Vertragspartners (Zwischenhändlerin) die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. Sei die Erstverkäuferin informiert, dass es sich um ein Reihengeschäft handle, könne sie aus dem Umstand, dass ein anderer die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache trage, darauf schließen, dass dieser als Leistender den Gegenstand grenzüberschreitend und steuerfrei liefere und die Lieferung der Erstverkäuferin steuerpflichtig sei.
14 Im Übrigen sei eine zusätzliche Erwerbsbesteuerung nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 im Abgangsland Österreich rechtswidrig, widerspreche dem Regelungszweck und führe zu einer irreparablen Doppelbesteuerung.
15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die Beschwerde - unter Abänderung der Umsatzsteuerfestsetzungen - ab. Begründend führte es aus, das BFG teile die von der Revisionswerberin in ihrer Beschwerde geäußerten Bedenken, dass gegenständlich gar keine klassischen Reihengeschäfte vorlägen, nicht. Mit dem Vorbringen zu einer Rahmenvereinbarung über den Kauf von Produkten in bestimmten Mengen und Spezifikationen für die streitgegenständlichen Jahre mit der A AG wolle die Revisionswerberin die Behauptung aufstellen, sie sei bereits im Inland über die Ware verfügungsberechtigt gewesen. Demgegenüber wiesen jedoch die erhobenen Eingangsrechnungen exakt die Gegenstände aus, die die Revisionswerberin in der Folge an ihre Kunden (EU-Endabnehmende) weiterverkauft habe. Wäre dem nicht so gewesen, hätte die A AG wohl die gesamte in der Rahmenvereinbarung bestellte Warenmenge in einem fakturiert und die gesamte Leistungsumsatzsteuer abgeführt. Aus den Unterlagen ergebe sich hingegen etwa folgender Bestell- und Verkaufsvorgang für einen Warenbezug, aus dem unbedenklich sowohl in zeitlicher als auch mengenmäßiger Hinsicht auf eine Durchfakturierung ein- und derselben Ware geschlossen werden könne:
1. Bestellung vom an A AG über 24.620 kg Sirodex 431 á [Stückpreis]
2. Eingangsrechnung vom A AG an Revisionswerberin über 24.620 kg á [Stückpreis] zuzügl. ... Output Tax; Terms of delivery: FCA P. (Österreich)
3. CMR-Frachtbrief vom über 24,620 to Sirodex 431, erhalten vom Warenempfänger in Deutschland am
4. Ausgangsrechnung der Revisionswerberin vom an den Warenempfänger (DE) über 24,620 kg á [Stückpreis Verkauf], Lieferbedingungen: DDP T. (Deutschland)
16 Was die Bezugnahme der Revisionswerberin auf die „Letters of confirmation“ anlange, sei festzustellen, dass ihre Kunden darin rund drei Jahre nach Abschluss des Liefergeschäftes in allgemeiner Form für Mehrwertsteuerzwecke („for VAT purposes“) bestätigten, dass sie bereits vor dem körperlichen Transport über die Waren verfügen hätten können (Behauptung der steuerlichen Verfügungsmacht vor Beginn der Beförderung). Diese Bestätigungen stünden diametral den in den Rechnungen vereinbarten Handelsklauseln „DDP“ gegenüber und komme ihnen als nachträglich unter dem Eindruck des Außenprüfungsverfahrens hergestellten Bescheinigungsurkunden ein geringerer Beweiswert als den früheren Urkunden (Rechnungen) zu (Hinweis auf ).
17 Abgesehen davon, scheine es nicht den Gewohnheiten des handelsüblichen Verkehrs zu entsprechen, wenn eine deutsche Sektkellerei Zuckermelasse bei einem belgischen Großhändler ordere, um dann auch noch die Transportgefahr von Österreich nach Deutschland tragen zu müssen. Aus diesem Grund sei wohl unzweifelhaft vereinbart worden, dass die Revisionswerberin die Ware an den Empfängerort in Deutschland zu bringen und zu übergeben habe (DDP-Klausel), was sich dem CMR-Frachtbrief auch entnehmen lasse. Die von der Revisionswerberin behauptete Vorgangsweise der Übernahme des Eigentümerrisikos durch die Endabnehmenden noch in Österreich, indem sie als Endkunden bereits an einem Ort über die Ware verfügungsberechtigt gewesen sein sollten, der weit außerhalb von ihren unternehmerischen Interessen gelegen wäre, komme dagegen wenig Glaubwürdigkeit zu. Ein derartiges Vorbringen müsse als Zweckbehauptung betrachtet werden.
18 Ebenso könne aus den Ausführungen, wonach in einigen Fällen die Waren der Abnehmenden der Revisionswerberin bereits an einen dritten Erwerber weiterveräußert worden seien, bei dem die Waren letztlich angekommen seien, nichts anderes abgeleitet werden. Die Waren seien von der Erstlieferantin direkt an den Letztkunden gelangt. Die Tatsache, dass in einigen Fällen ein zwei- oder mehrgliedriges Reihengeschäft vorgelegen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, ob die Revisionswerberin bereits vor Beginn der Beförderung die faktische Verfügungsmacht über die Waren erlangt habe.
19 Zum Rahmenvertrag vom zwischen der A AG und der Revisionswerberin sei auszuführen, dass während der Laufzeit des Vertrages im „Rahmen der festgelegten Mengen“ Bestellungen über SAP, E-Mail oder Fax durch die Auftraggeberin (Revisionswerberin) der Auftragnehmerin (A AG) zwei Werktage vor dem geplanten Liefertermin zu übermitteln seien. A prüfe diese Bestellung und bestätige die Annahme oder Ablehnung des Auftrags bis 12 Uhr des Geschäftstages vor dem Liefertermin. Damit könne keineswegs schon davon ausgegangen werden, dass die Revisionswerberin bereits durch den Abschluss des Rahmenvertrages oder durch den Abruf der Ware bereits über diese verfügungsberechtigt gewesen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die einzelnen Lieferungen erst nach Abruf bzw. Ausführung der Bestellung bei der Herstellerin erfolgt seien. Gerade diese Vorgangsweise spreche dafür, dass die Herstellerin der Revisionswerberin die Verfügung über die Ware erst nach Abruf ermögliche. Im Übrigen werde in Punkt 15.3. ausdrücklich von einer Jahresmenge gesprochen, woraus zu schließen sei, dass die Herstellerin (A AG) nicht verpflichtet sei, jederzeit die gesamte Jahresmenge für die Revisionswerberin auf Lager zu halten, um die abgerufenen Bestellmengen liefern zu können. Eine pauschale Entschädigung sei erst zu leisten, wenn die Jahresmengen nicht geliefert werden könnten, da sich die Revisionswerberin dann die benötigten Produkte anderweitig am freien Markt beschaffen müsse. Abgesehen davon seien von der A AG auch nicht die gesamte Jahresmenge in einem, sondern lediglich die bestellten Mengen an die Revisionswerberin fakturiert worden. Somit vermittle die Bezugnahme der Revisionswerberin auf den Rahmenvertrag keine neuen Erkenntnisse über den Übergang der Verfügungsmacht der Ware.
20 Nach den erhobenen Lieferkonditionen sei ausdrücklich vereinbart worden, dass den Endabnehmenden im Bestimmungsland am angegebenen Erfüllungsort die Ware zu übergeben sei. Daraus ergebe sich, dass dies erst nach Beginn der (innergemeinschaftlichen) Beförderung gewesen sei. Eine andere Betrachtungsweise könne aus dem tatsächlichen Ablauf des Liefergeschäftes der Revisionswerberin und der redlichen Absicht der Parteien seitens des BFG nicht abgeleitet werden. Im angeführten Beispiel (A AG - Revisionswerberin - Sektkellerei, DE, DDP) bestelle die Sektkellerei Zuckermelasse nicht bei der Revisionswerberin, um bei der Herstellerin A AG in Österreich die Verfügungsmacht über die Ware zu erhalten und dann noch das Transportrisiko zu tragen, sondern sie bestehe auf Ablieferung am Ort ihres Unternehmens, wo die Ware später auch verwendet werde. Etwas anderes spreche gegen die wirtschaftliche Vernunft, hätte die Sektkellerei die Ware ja sonst gleich selbst bei der Herstellerin abholen können.
21 In rechtlicher Hinsicht stellten sowohl der EuGH als auch der Verwaltungsgerichtshof in ihrer Rechtsprechung für die Zuordnung der bewegten Lieferung darauf ab, ob die Übertragung der Verfügungsmacht wie ein Eigentümer, über den Gegenstand zu verfügen, vor oder nach der innergemeinschaftlichen Beförderung erfolgt sei. Entsprechend dieser Judikatur sei grundsätzlich („Regelfall“) davon auszugehen, dass der erste Umsatz (A an B) der „bewegte“ und der zweite Umsatz (B an C) der „ruhende“ Umsatz sei. Maßgeblich sei dabei immer, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung (B an C) der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmenden (C) stattgefunden habe. Nur falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattgefunden habe, könne diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber (A an B) zugeordnet werden.
22 Derartiges habe von der Revisionswerberin entgegen ihren Darlegungen nicht aufgezeigt werden können, zumal sie selbst sich zur Übertragung der Verfügungsmacht am Bestimmungsort (EU) kraft angewandter Handelsklausel (DDP) verpflichtet habe. Daher hätten die Endabnehmenden im Inland noch nicht über die Ware verfügen können und es sei in der weiteren Folge von einem innergemeinschaftlichen Erwerb durch die Revisionswerberin im Bestimmungsstaat gemäß Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG 1994 und einem anschließenden EU-Inlandsumsatz auszugehen.
23 Gemäß Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 liege auch ein (fiktiver) innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich kraft Verwendung der österreichischen UID-Nummer vor. Die daraus resultierende inländische (zusätzliche) Erwerbsbesteuerung solle sicherstellen, dass der EU-Erwerb in den anderen Mitgliedstaaten versteuert werde. Diese Besteuerung sei solange aufrecht zu erhalten, bis der revisionswerbende Erwerber (B) nachweise, dass der Erwerb im tatsächlichen „Erwerbstaat“ besteuert worden sei. Eine solche Besteuerung sei nicht einmal ansatzweise nachgewiesen worden, zumal die Revisionswerberin lediglich auf ihre abgegebenen zusammenfassende Meldung für innergemeinschaftliche Lieferungen (B-C) verwiesen habe.
24 Entsprechend dem , X und Facet BV, sei der Abzug der (bloß) im Staat der Registrierung geschuldeten Erwerbsteuer als Vorsteuer nicht zulässig, weil keine (entsprechenden) Umsätze vorlägen, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe. Der Warenempfänger (C) habe möglicherweise einen vermeintlichen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert, den er gar nicht getätigt habe, weil er in Wahrheit eine EU-Inlandslieferung erhalten habe. Der von der Revisionswerberin aus den Rechnungen der A vorgenommene Vorsteuerabzug sei abzuerkennen, weil er nicht aus steuerbaren und steuerpflichtigen (ruhenden) Inlandslieferungen an die Revisionswerberin, sondern aus steuerbaren, aber steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen resultiere ().
25 An die in UStR 2000, Rz. 1825 dargestellte Rechtsansicht, wonach eine gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldete Steuer vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden könne, wenn die Steuer in einer vom Leistenden erstellten Rechnung im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 ausgewiesen sei, sei das BFG nicht gebunden, zumal es sich nicht um eine als Verordnung kundgemachte Erlassansicht handle. Abgesehen davon würde dies dem auf eine Amtsrevision ergangenen VwGH-Erkenntnis vom , Ro 2018/15/0004, widersprechen, wonach auch der im do. Verfahren nicht weiter strittige Vorsteuerabzug von der Amtspartei ausdrücklich releviert und vom VwGH für den Verfahrensausgang als maßgeblich erachtet worden sei.
26 Auf die Frage, ob aus der Verwendung einer anderen UID als der des Bestimmungsstaates der Ware ein zusätzlicher Erwerb anzunehmen sei, sei der VwGH in seiner bisherigen Judikatur nicht eingegangen, werde aber von der hL auch nicht ausdrücklich negiert (Hinweis auf Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 3 BMR, Rz. 35 und 35/1 kritisch). Auf Grund der Verwendung der österreichischen UID und der bisherigen Beurteilung des Erwerbsvorgangs der Revisionswerberin als Inlandsumsatz, werde das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem durch Abgabe einer entsprechenden Zusammenfassenden Meldung durch den Lieferanten nicht ausgelöst, sodass der tatsächliche Erwerbstaat vom Erwerb der Revisionswerberin im Bestimmungsstaat keine Kenntnis habe erlangen können.
27 Die Revision ließ das BFG zu, weil „die Frage, ob die Vorlage der UID des Abgangsortes bei einem Reihengeschäft den Tatbestand des Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 erfüllt, ... grundsätzliche Bedeutung“ habe.
28 In der von der Revisionswerberin daraufhin eingebrachten Revision führte diese zur Zulässigkeit ihrerseits aus, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sei allein schon deshalb gegeben, weil es bis dato keine höchstgerichtliche Judikatur hinsichtlich der Festsetzung eines (fiktiven) innergemeinschaftlichen Erwerbs ohne Vorsteuerabzugsrecht im Ursprungsmitgliedstaat gebe. Zudem habe sich das BFG nicht schlüssig mit der in der Beschwerde erhobenen Rüge der inkorrekten Zuordnung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft bzw. auch mit dem allfälligen Nichtvorliegen eines Reihengeschäfts auseinandergesetzt.
29 Ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994, könne nur in jenem EU-Mitgliedstaat anfallen, dessen UID-Nummer verwendet werde, wenn es nicht das Bestimmungsland oder das Ursprungsland sei. Werde die UID-Nummer des Ursprungslandes angegeben, könne von vornherein kein fiktiver innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegen, da insoweit kein Sicherungszweck bestehe und diese Norm gegen ihren Normzweck angewendet würde.
30 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.
31 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
32 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
33 Bei Lieferungen in der Reihe handelt es sich gedanklich um mehrere Lieferungen, die als nacheinander erfolgt anzusehen sind, auch wenn sie nur zu einer einzigen Bewegung von Gegenständen führen. Der Ort der einzelnen Umsätze muss jeweils für sich bestimmt werden; nur für einen Umsatz in der Reihe kann der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG 1994 bestimmt werden; diese Lieferung wird üblicherweise als die „bewegte Lieferung“ bezeichnet, die anderen Lieferungen als „ruhende Lieferungen“ (vgl. , mwN).
34 Bei einem Reihengeschäft mit einer Warenbewegung in einen anderen Mitgliedstaat kann nur die bewegte Lieferung eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Der Ort der ruhenden Lieferung befindet sich entweder im Mitgliedstaat des Beginns oder im Mitgliedstaat der Ankunft der Beförderung oder Versendung, je nachdem, ob die bewegte Lieferung vor oder nach einer solchen Lieferung stattfindet (vgl. ).
35 Eine innergemeinschaftliche Lieferung muss mit einem innergemeinschaftlichen Erwerb einhergehen.
36 In Bezug auf Umsätze, die eine Kette zweier aufeinanderfolgender Lieferungen bilden, die zu nur einer innergemeinschaftlichen Beförderung geführt haben, kann die innergemeinschaftliche Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden. Zur Klärung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. , mwN auch zur Rechtsprechung des EuGH).
37 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom , Ro 2018/15/0011 und Ro 2018/15/0004, bereits - zur auch hier anwendbaren Rechtslage vor dem StRefG 2020, BGBl I Nr. 103/2019, mit dem in § 3 Abs. 15 UStG 1994 eine neue Sonderregelung für Reihengeschäfte eingeführt worden ist - weiter ausgesprochen hat, ist zur Beantwortung der Frage, welcher der beiden Lieferungen die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuordnen ist, insbesondere zu klären, zu welchem Zeitpunkt die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, zugunsten des Endabnehmers stattgefunden hat. Falls die zweite Übertragung dieser Befähigung vor der innergemeinschaftlichen Beförderung stattfand, kann diese nicht der Erstlieferung an den Ersterwerber zugeordnet werden.
38 Es kommt insoweit also auf den Zeitpunkt an, zu dem die Voraussetzungen in Bezug auf die innergemeinschaftliche Beförderung einerseits und die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, jeweils erfüllt sind.
39 Die Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, liegt vor, wenn die Partei ermächtigt ist, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis verlangt weder, dass die Partei, der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert wird und/oder physisch von ihr empfangen wird.
40 Im angefochtenen Erkenntnis hat das BFG zunächst unter Hinweis auf die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und die Art der Abwicklung der einzelnen Lieferungen begründet, warum es im Revisionsfall vom Vorliegen eines Reihengeschäfts ausgeht. Zudem hat das BFG die Zuordnung der Warenbewegung an die erste Lieferung sowohl mit dem Hinweis auf die vereinbarten Lieferkonditionen als auch mit vertraglichen Vereinbarungen begründet und ist im Einzelnen auf die von der Revisionswerberin geltend gemachten Einwendungen beweiswürdigend eingegangen.
41 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. , mwN).
42 Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revision nicht auf.
43 Die Revision wendet sich auch gegen die Vorschreibung einer (zusätzlichen) Erwerbsteuer in Österreich gemäß Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994.
44 Gemäß Art. 41 MwStSystRL 2006/112/EG gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs (zusätzlich) als im Gebiet jenes Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist. Art. 41 MwStSystRL 2006/112/EG wurde in Österreich durch Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 umgesetzt.
45 Wie der B, C-796/20, ausgesprochen hat, ist Art. 41 MwStSystRL auch dann anwendbar, wenn es der Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung der Gegenstände ist, der sich auf diese Bestimmung stützt, um einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen der Umsatzsteuer zu unterwerfen, weil beim Erwerb die von ihm erteilte UID-Nummer verwendet worden ist.
46 Allerdings schränkt der EuGH dies mit Hinweis auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität ein. Demnach darf eine Besteuerung auf der Grundlage von Art. 41 MwStSystRL nicht erfolgen, „wenn der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der als im Gebiet dieses Mitgliedstaats bewirkt gilt, mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen einhergeht, die in diesem Mitgliedstaat nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz behandelt worden ist.“
47 Solcherart kommt es im revisionsgegenständlichen Fall darauf an, ob die betreffenden, an die Revisionswerberin erfolgten Lieferungen als steuerfrei behandelt worden sind.
48 Da das BFG im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Vorlieferant der Revisionswerberin (also A) mit den betreffenden Lieferungen an die Revisionswerberin besteuert worden ist oder nicht, hat es sein Erkenntnis mit (prävalierender) inhaltlicher Rechtswidrigkeit (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund unrichtiger Rechtsansicht) belastet.
49 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
50 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | EURallg UStG 1994 Anh Art1 UStG 1994 Anh Art1 Abs2 UStG 1994 Anh Art7 UStG 1994 Art3 Abs8 UStG 1994 §3 Abs8 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art41 62004CJ0245 EMAG Handel Eder VORAB 62016CJ0386 Toridas VORAB 62017CJ0414 AREX CZ VORAB 62020CJ0696 Skarbowej VORAB |
Schlagworte | Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021150034.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-46656