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VwGH 17.01.2024, Ro 2021/13/0019

VwGH 17.01.2024, Ro 2021/13/0019

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BAO §133
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
RS 1
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es auch, dafür zu sorgen, dass die gesetzlich vorgesehenen Abgabenerklärungen rechtzeitig und richtig eingereicht werden (Hinweis E , 98/14/0043).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2001/14/0006 E RS 1
Normen
BAO §116 Abs1
BAO §198
BAO §224 Abs1
VwRallg
RS 2
Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so ist die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren zu beantworten (vgl. ; , 2009/16/0260; , 2009/16/0109, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0100 B RS 3
Normen
BAO §116 Abs1
BAO §167 Abs2
BAO §207 Abs2
FinStrG §33
VwRallg
RS 3
Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln (vgl. ). Im Falle eines Freispruches besteht aber keine solche Bindung (vgl. ), und zwar schon wegen der anders gearteten Beweisregeln (vgl. , mwN). Im Falle eines Freispruches im Strafverfahren sowie in jenen Fällen, in denen es kein Strafverfahren gibt, ist es damit Sache des Finanzamtes, die maßgebenden Hinterziehungskriterien nachzuweisen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/13/0038 B RS 1 (hier anstelle des letzten Satzes: "Gleiches gilt auch im Fall einer Einstellung eines Strafverfahrens.")
Normen
BAO §115 Abs1
BAO §115 Abs2
BAO §183 Abs4
BAO §280 Abs1 lite
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
RS 4
Auch Ermittlungs- bzw. Begründungsmängel des Bundesfinanzgerichts können zur Zulässigkeit der Revision führen (vgl. ; , Ra 2015/13/0051). Dazu ist aber in der Revision die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise darzulegen (vgl. ; , Ra 2018/15/0022). Der Rechtsmittelwerber muss die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß aufzuzeigen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Gericht dadurch zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0081 B RS 1
Normen
BAO §133
BAO §134
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
RS 5
Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Abgaben, welche der Abgabenschuldner selbst zu berechnen und abzuführen hat, ist danach maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben ist hingegen grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (vgl. ). Spätere Bescheide, die eine Nachforderung festsetzen, weil (in der Folge) Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel festgestellt wurden, sind insoweit nicht von Bedeutung (vgl. ); dies betrifft sohin Fälle, in denen die Abgabenerklärung zwar rechtzeitig, aber unrichtig eingereicht wurde. Wurden hingegen keine Abgabenerklärungen abgegeben, kommt es darauf an, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften (insbesondere der Verpflichtung zur rechtzeitigen Einreichung der Abgabenerklärung) zu entrichten gewesen wären.
Normen
BAO §20
BAO §280 Abs1 lite
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
BAO §93 Abs3 lita
VwRallg
RS 6
Kommen mehrere Vertreter als Haftungspflichtige in Frage, ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen und gegebenenfalls in welchem Ausmaß in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen (vgl. z.B. ; , 98/17/0250).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0084 E RS 1
Norm
BAO §76 Abs1 litc
RS 7
Die Befangenheit eines Mitglieds eines Tribunals ist dann anzunehmen, wenn einem Organwalter auch nur der äußere Anschein der Unparteilichkeit mangelt. Eine Befangenheit ist etwa dann anzunehmen, wenn ein Richter vor der Verhandlung durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der konkreten Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat (vgl. , mwN).
Norm
BAO §76 Abs1 litc
RS 8
Nicht jede unangebrachte Bemerkung indiziert eine Befangenheit, wenn die Wortwahl bei vernünftiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Verfahrensteilnehmers nicht dazu angetan war, begründete Zweifel an der vollen Bereitschaft des Richters hervorzurufen, dass er die Einwendungen des Revisionswerbers weiterhin im gebotenen Umfang ernst nehmen und das Vorbringen und die Beweisergebnisse auch zu seinen Gunsten prüfen werde (vgl. z.B. ).

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

Besprechung in: SWI 4/2024, S. 154-161;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Mag. G in K, vertreten durch die Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103413/2020, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO (Körperschaftsteuer 2007 bis 2009), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Finanzamts vom wurde der Revisionswerber als ehemaliger „Director“ der X Ltd. gemäß §§ 9 und 80 BAO als Haftungspflichtiger für deren Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt (ca.) 2,5 Mio. € (näher aufgeschlüsselt betreffend Körperschaftsteuer 2007 bis 2009) in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.

2 In der Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, die X Ltd. sei nach dem Companies (Jersey) Law 1991 in der Rechtsform einer Registered Public Company gegründet und in Jersey im Juni 2007 im Companies Registry eingetragen worden (Gesellschafter waren die A AG mit Sitz in Wien sowie der Revisionswerber im Verhältnis 2:1). Im Februar 2015 sei die X Ltd. aufgelöst worden. Gegenüber der X Ltd. bestünden Abgabenansprüche (Körperschaftsteuer 2007 bis 2009), die bisher noch nicht festgesetzt worden seien und nunmehr erstmals gegenüber dem Haftungspflichtigen geltend gemacht würden. Die Frist für die Festsetzungsverjährung sei nicht abgelaufen, da es sich um hinterzogene Abgaben handle. Die maßgebenden Entscheidungen der X Ltd. seien vom Revisionswerber von Wien aus getroffen worden. Der Revisionswerber sei sich des „Scheinkonstrukts“ (X Ltd. als bloße Briefkastenfirma, maßgebliche Entscheidungen in Wien getroffen) bewusst gewesen. Er habe auch von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der X Ltd. in Österreich gewusst und dennoch keine Abgabenerklärungen eingereicht.

3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte sowohl Einwendungen gegen den Abgabenanspruch als auch gegen die Heranziehung zur Haftung geltend.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

6 Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde insoweit statt, als die Haftung auf (insgesamt ca.) 1,5 Mio. € eingeschränkt wurde.

7 Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof lehnte der Revisionswerber mit Eingabe vom die Mitglieder des Senats wegen Vorliegens von Befangenheitsgründen ab. Der Senat habe im vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Erkenntnis eine Vielzahl polemischer, unsachlicher Äußerungen getätigt, die weder mit dem inhaltlichen Vorwurf in Zusammenhang stünden noch zur Beweiswürdigung notwendig seien.

8 Der Präsident des Bundesfinanzgerichts wies den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom als unbegründet ab.

9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde (neuerlich) insoweit Folge, als die Haftung des Revisionswerbers für offene Abgabenschuldigkeiten der X Ltd. auf einen Betrag von (ca.) 1,5 Mio. € (näher aufgegliedert betreffend Körperschaftsteuer 2007 bis 2009) eingeschränkt werde. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

10 Nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht zunächst im Wege einer „Kurzzusammenfassung“ aus, der Sitz der X Ltd. sei in den Streitjahren in Jersey gelegen, der Ort der Geschäftsleitung habe sich aber in Wien befunden; somit bestehe ein Körperschaftsteueranspruch in Österreich. Auf Basis der vom Revisionswerber vorgelegten Zusammenstellungen der Unternehmenszahlen nach den Vorgaben des Jersey Law seien die Bemessungsgrundlagen für die Haftungsinanspruchnahme geschätzt worden. Der Vorabgewinn, der dem Revisionswerber vereinbarungsgemäß zugekommen sei, sei als Geschäftsführerbezug anzusehen und als Betriebsausgabe anerkannt worden. Die Körperschaftsteuer für die Jahre 2007 bis 2009 sei gegenüber der Primärschuldnerin nicht festgesetzt worden; sie sei bei ihr unbestritten nicht mehr einbringlich zu machen. Es sei somit der Abgabenanspruch erstmalig mit Haftungsbescheid gegenüber dem Revisionswerber geltend gemacht worden. Den Revisionswerber habe als Vertreter der X Ltd. eine Meldungs- und Entrichtungspflicht getroffen. Durch Nichtabgabe von entsprechenden Jahreserklärungen zu den gesetzlichen Erklärungsfristen und Nichtentrichtung der Abgabenschuldigkeiten bei Fälligkeit habe er diese Pflichten schuldhaft verletzt. Im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme sei dieser keine Festsetzungsverjährung entgegengestanden. Bei der Ermessensübung sei wegen des Umstandes, dass auch einen weiteren Direktor der X Ltd. (C) eine Verpflichtung zur Wahrnehmung der steuerlichen Agenden der durch ihn vertretenen Gesellschaft getroffen hätte, seinem diesbezüglichen Beschäftigungsanteil von 20 % entsprechend mit einem Abschlag von 10 % vorgegangen worden. Auf diese Kurzzusammenfassung folgt eine ausführliche Begründung.

11 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst neuerlich Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

12 Mit Beschluss vom , E 1588/2021-19, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, der Revisionswerber rüge die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein faires Verfahren. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesfinanzgericht ein in jeder Hinsicht rechtmäßiges Verfahren durchgeführt und die Voraussetzungen für die Heranziehung des Revisionswerbers zur Haftung zutreffend beurteilt habe, nicht anzustellen.

13 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich die nunmehr vorliegende Revision.

14 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in der es sich ohne weitere Ausführungen (und ohne Antrag auf Aufwandersatz) der vom Bundesfinanzgericht vertretenen Ansicht anschließt.

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

18 Der Revisionsweber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. z.B. , mwN).

19 Das Bundesfinanzgericht begründete die Zulässigkeit der Revision zunächst damit, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage vor, ob die Erklärung der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren nicht weiterzuführen, da die (momentane) Beweislage zur Annahme einer hinterzogenen Abgabe gegen eine Zuständigkeit im gerichtlichen Finanzstrafverfahren spreche, eine Bindungswirkung dahin auslöse, dass die Abgabenbehörde in einem abgabenrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht von hinterzogenen Abgaben ausgehen könnte, so die Indizien dafür sprächen.

20 Weiters führte das Bundesfinanzgericht aus, bei mit Bescheid festzusetzenden Abgaben (wie hier die Körperschaftsteuer) sei die erstmalige Festsetzung für die Fälligkeit entscheidend. Sei aber - wie hier - die Abgabe gegenüber der Primärschuldnerin nicht festgesetzt worden, ergebe sich kein der Haftungsinanspruchnahme vorangehender Fälligkeitstag der Abgabenforderung. Im Haftungsverfahren sei dem Abgabepflichtigen jedoch die Möglichkeit einzuräumen, eine Gleichbehandlung aller Gläubiger zu einem (oder mehreren) Fälligkeitstagen vorzunehmen. Werde die Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin erst nach Unmöglichkeit einer Geltendmachung gegenüber dieser bekannt, genüge für die Haftungsinanspruchnahme allenfalls die schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters betreffend die Erklärungspflicht; allenfalls sei aber ein fiktiver Fälligkeitstag anzusetzen. Zu dieser Frage liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor.

21 Schließlich führt das Bundesfinanzgericht aus, zur Rechtsfrage, ob bei außerhalb der Europäischen Union errichteten Drittstaatsgesellschaften mit Verlagerung des Verwaltungssitzes nach Österreich die unbeschränkte österreichische Körperschaftsteuerpflicht ungeachtet des Umstandes gegeben sei, dass sie nach österreichischem internationalen Privatrecht als solche nicht rechtsfähig sei, bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

22 Ergänzend führte das Bundesfinanzgericht aus, auch zu dem im ersten Rechtsgang als offen und von grundsätzlicher Bedeutung bezeichneten Rechtsfragen liege noch keine Rechtsprechung vor. Darin wurde zusätzlich die Rechtsfrage genannt, ob die Finanzstrafbehörde in Folge ihrer weiteren Eigenschaft als Abgabenbehörde bei nach außen gehenden Handlungen im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zur gemeinsamen Ausforschung eines Abgabepflichtigen mit unterschiedlichen rechtlichen Kompetenzen auch im Sinne einer Verlängerung der Festsetzungsverjährungsfrist für das parallel laufende Abgabenverfahren agieren könne.

23 Der Revisionswerber erklärte im Rahmen des Vorbringens zur Zulässigkeit der Revision, auch seiner Ansicht nach handle es sich bei diesen Fragen um solche von grundsätzlicher Bedeutung. Der Revisionswerber behandle aber die ersten beiden Rechtsfragen (Verjährung und Fälligkeit) anders als das Bundesfinanzgericht. Die dritte Rechtsfrage (Körperschaftsteuerpflicht einer Drittstaatsgesellschaft) betreffe nach Ansicht des Revisionswerbers die Frage der Rechtsfähigkeit für Zwecke der Haftung nach § 9 BAO. Darüber hinaus werfe das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts aber noch weitere, näher genannte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

24 Mit diesem Vorbringen kann insgesamt die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.

25 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

26 Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

27 Zu den vom Vertreter zu erfüllenden Pflichten zählt - neben der Verpflichtung, die Abgaben zu entrichten - insbesondere die Verpflichtung zur rechtzeitigen (und richtigen) Einreichung von Abgabenerklärungen (vgl. ; , 2001/14/0006).

28 Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so ist die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren zu beantworten (vgl. , mwN; vgl. auch , mwN).

29 Da gegenüber der Primärschuldnerin keine Abgabenfestsetzung erfolgte, ist im vorliegenden Haftungsverfahren auch zu prüfen, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

30 Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist u.a. bei der Körperschaftsteuer fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre.

31 Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vorfrage nach § 116 Abs. 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln. Im Falle eines Freispruches besteht aber keine solche Bindung, und zwar schon wegen der anders gearteten Beweisregeln (vgl. , Ra 2020/13/0096, mwN). Gleiches gilt auch im Fall einer Einstellung eines Strafverfahrens (vgl. ; , Ra 2020/13/0014; vgl. weiters RIS-Justiz RS0106015).

32 Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert (vgl. z.B. , mwN).

33 Zum vorliegenden Sachverhalt wurde - wie das Bundesfinanzgericht darlegt - von der zuständigen Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geführt, der Revisionswerber und C hätten als Geschäftsführer der X Ltd. vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Nichtabgabe der Jahressteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2009 Verkürzungen an Körperschaftsteuer mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von rund 2,5 Mio. € bewirkt. Mit Benachrichtigung im September 2017 habe die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, sie habe dieses Verfahren gemäß § 202 FinStrG eingestellt. In der Begründung habe die Staatsanwaltschaft ausgeführt, ein auch nur bedingter Vorsatz auf Verwirklichung des Tatbestandes des § 33 Abs. 1 FinStrG (und nicht bloß eine sogar bewusste Fahrlässigkeit) werde dem Revisionswerber mit der für die Anklageerhebung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht nachzuweisen sein. Die Finanzstrafbehörde habe gemäß § 205 FinStrG die Fortführung des Ermittlungsverfahrens beantragt. Dieser Fortsetzungsantrag sei vom zuständigen Landesgericht mit Beschluss vom Mai 2018 als unzulässig zurückgewiesen worden.

34 Damit oblag es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Abgabenbehörde (und dem Bundesfinanzgericht), Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand der Abgabenhinterziehung zu treffen. Das Bundesfinanzgericht kam nach umfangreichen eigenen Beweisaufnahmen zum Ergebnis, dass unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht zu den jeweiligen Erklärungsterminen des § 134 BAO betreffend die Veranlagungsjahre 2007, 2008 und 2009 Verkürzungen an Körperschaftsteuern bewirkt worden seien, indem die zur Vertretung der X Ltd. berufenen Organe gegenüber dem österreichischen Fiskus den Umstand verheimlicht hätten, dass die Geschäftsleitung der X Ltd. tatsächlich in Wien bestanden habe, weshalb das Finanzamt infolge Unkenntnis von der Entstehung der Abgabenansprüche nicht mit Ende der jeweiligen Erklärungsfrist gegenüber der X Ltd. Körperschaftsteuern habe bescheidmäßig festsetzen können. Weiters ging es davon aus, dass die beiden österreichischen Geschäftsführer (der Revisionswerber und C) es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hätten, dass in Österreich eine Steuerpflicht hinsichtlich der erzielten Gewinne der X Ltd. bestehe und dass eine Erklärungslegung und Versteuerung demnach gesetzwidrig unterblieben sei.

35 Den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts wird im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens (abgesehen von der noch zu behandelnden Frage der behaupteten Befangenheit der Mitglieder des Senats des Bundesfinanzgerichts) lediglich entgegengehalten, den Parteien sei gemäß § 115 Abs. 2 BAO Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Zu den Obliegenheiten des Bundesfinanzgerichts (§ 269 Abs. 1 BAO) zähle insbesondere die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs. Dem Revisionswerber sei jedoch im zweiten Rechtsgang zu keiner Zeit die Möglichkeit gewährt worden, sein Parteiengehör wahrzunehmen. Weiters habe das Bundesfinanzgericht keine Tätigkeiten festgestellt, die einen Ort der Geschäftsleitung der X Ltd. in Österreich begründet hätten.

36 Auch Ermittlungs- oder Begründungsmängel des Bundesfinanzgerichts können zur Zulässigkeit der Revision führen. Dazu ist aber in der Revision die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise darzulegen. Der Rechtsmittelwerber muss die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind (vgl. z.B. ; , Ra 2023/13/0053, je mwN). Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß aufzuzeigen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Gericht dadurch zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. z.B. ; , Ra 2020/13/0081, mwN). In der Revision wird aber nicht aufgezeigt, welches weitere (konkrete) Tatsachenvorbringen der Revisionswerber im hier sehr umfangreich geführten Verfahren hätte erstatten können.

37 Entgegen dem Revisionsvorbringen enthält das angefochtene Erkenntnis auch Feststellungen zu Handlungen, aus denen auf den Ort der Geschäftsleitung in Österreich geschlossen wurde. Auch wenn in diesen Ausführungen (Seiten 583 bis 683 des angefochtenen Erkenntnisses) Sachverhaltsfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung vermengt wurden, ergibt sich daraus in einer sowohl für den Revisionswerber als auch für den Verwaltungsgerichtshof nachprüfbaren Weise, von welchem Sachverhalt das Bundesfinanzgericht ausgeht und aufgrund welcher beweiswürdigenden Erwägungen das Bundesfinanzgericht zu diesen Sachverhaltsannahmen gelangt ist.

38 Ausgehend von diesen Feststellungen ist aber im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision dem Bundesfinanzgericht nicht entgegenzutreten, wenn es zum Ergebnis gelangt ist, dass im vorliegenden Fall eine Verjährungsfrist von zehn Jahren anzunehmen ist (§ 207 Abs. 2 BAO).

39 Auf die Frage möglicher Verlängerungshandlungen betreffend die Festsetzungsverjährung (§ 209 Abs. 1 BAO) kommt es damit nicht an, sodass die Revision von dieser Frage nicht iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt.

40 Zur Frage der Haftung für eine gegenüber der Primärschuldnerin nicht festgesetzte Abgabe ist zunächst auszuführen, dass es - wie bereits dargelegt - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch gegeben ist, als Vorfrage im Haftungsverfahren zu beantworten ist.

41 Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Vertreter für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann haftet, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrags, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. z.B. , mwN).

42 Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Abgaben, welche der Abgabenschuldner selbst zu berechnen und abzuführen hat, ist danach maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben ist hingegen grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (vgl. ). Spätere Bescheide, die eine Nachforderung festsetzen, weil (in der Folge) Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel festgestellt wurden, sind insoweit nicht von Bedeutung (vgl. ); dies betrifft sohin Fälle, in denen die Abgabenerklärung zwar rechtzeitig, aber unrichtig eingereicht wurde. Wurden hingegen - wie hier - keine Abgabenerklärungen abgegeben, kommt es darauf an, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften (insbesondere der Verpflichtung zur rechtzeitigen Einreichung der Abgabenerklärung) zu entrichten gewesen wären.

43 Darauf, ob (wie vom Finanzamt angenommen) diese Abgaben bei Beachtung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Einreichung der Abgabenerklärung (Einreichung bis Ende Juni des Folgejahres; Festsetzung der Abgaben im Juli des Folgejahres) bereits im August des Folgejahres oder (wie vom Bundesfinanzgericht angenommen: Einreichung der Abgabenerklärung bis zum 30. April des Folgejahres, Festsetzung - unter Berücksichtigung der Entscheidungsfrist - bis spätestens 31. Oktober des Folgejahres) erst mit 15. Dezember des Folgejahres fällig geworden wären, kommt es nicht entscheidend an. Der Revisionswerber erstattete weder im bisherigen Verfahren noch in der Revision konkretes Vorbringen dazu, dass er ab diesen Zeitpunkten mangels ausreichender liquider Mittel nicht in der Lage gewesen wäre, die Abgaben (vollständig) zu entrichten. In der Ergänzung zur Beschwerde vom hatte der Revisionswerber vielmehr ausdrücklich vorgebracht, dass noch im März 2012 ein Bankguthaben in einer Höhe bestanden habe, das zur Abdeckung der strittigen Beträge an Körperschaftsteuer 2007 bis 2009 jedenfalls ausgereicht hätte. Auf dieses Vorbringen wird in der Revision verwiesen und ergänzt, dieses Bankguthaben sei in der Folge an die Gesellschafter ausgeschüttet (oder von diesen entnommen) worden. Damit ist aber - unabhängig von den divergierend angenommenen Fälligkeitstagen - schon nach dem Vorbringen des Revisionswerbers anzunehmen, dass bei oder nach Fälligkeit (vgl. ) der Verbindlichkeit ausreichende Mittel für die Bezahlung der hier geltend gemachten Abgaben zur Verfügung standen.

44 Auf den Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme kommt es hingegen - entgegen der Behauptung in der Revision - nicht an; es ist daher auch nicht von Bedeutung, ob zu diesem Zeitpunkt allenfalls die Aufbewahrungsfrist nach § 132 BAO bereits abgelaufen war. Diesem Vorbringen ist aber weiters zu erwidern, dass es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichtet (entrichten kann), schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar ist, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen (vgl. , mwN).

45 Zur Körperschaftsteuerpflicht einer außerhalb der Europäischen Union errichteten Drittstaatsgesellschaft ist auszuführen, dass gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 (in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 2023, BGBl. I Nr. 110) u.a. juristische Personen des privaten Rechts, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben, unbeschränkt steuerpflichtig sind.

46 Es entsprach der Ansicht der Finanzadministration (zu dieser Rechtslage), dass eine nach dem Recht von Jersey gegründete Kapitalgesellschaft, die einer österreichischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist und die den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nach Österreich verlegt, der österreichischen unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass sie nach österreichischem internationalen Privatrecht als solche nicht rechtsfähig ist ( EAS 2516). Dies entsprach auch der herrschenden Ansicht in der Literatur (vgl. z.B. Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG § 1 Tz 306; Hohenwarter-Mayr in WU-KStG³, § 1 Tz 56 f; Staringer in FS Zorn, 549 ff, je mwN). Auch der Revisionswerber ging (gestützt auf ein Rechtsgutachten eines Steuerberaters - „Memo“ vom ) von dieser Rechtsansicht aus; zentrales Thema seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid war demnach auch die Bestreitung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung der X Ltd. in Österreich. Eine mangelnde Vergleichbarkeit der X Ltd. mit einer österreichischen Kapitalgesellschaft wurde vom Revisionswerber nicht behauptet.

47 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2023, BGBl. I Nr. 110, wurde § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 dahin geändert, dass nunmehr inländische juristische Personen des privaten Rechts und diesen vergleichbare ausländische Rechtsgebilde, die im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz haben, unbeschränkt steuerpflichtig sind. Diese Bestimmung ist nach § 26c Z 88 KStG 1988 auf alle offenen Verfahren anzuwenden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2086 BlgNR 27. GP 15 f) wurde dazu u.a. ausgeführt, ausländische Rechtsgebilde, die nach dem Recht eines Drittstaates errichtet worden seien und neben ihrem Ort der Geschäftsleitung auch den Sitz der Hauptverwaltung iSd § 10 IPRG in Österreich hätten, würden nach den Bestimmungen des österreichischen internationalen Privatrechts nicht als juristische Person des privaten Rechts anerkannt. Im Sinne der Rechtssicherheit sollten auch in § 1 Abs. 2 Z 1 KStG 1988 vergleichbare ausländische Rechtsgebilde ausdrücklich erwähnt und damit die Rechtsgrundlage für den Typenvergleich verankert werden. Dadurch solle sichergestellt werden, dass die Einordnung ausländischer Rechtsgebilde als Subjekt der Körperschaftsteuer sowohl für Zwecke der beschränkten als auch der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gleichermaßen nach Maßgabe des Typenvergleichs erfolge, wie dies schon bisher im Schrifttum überwiegend vertreten worden sei.

48 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, wenn eine für die Entscheidung über die Revision präjudizielle Bestimmung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines nur mehr kleinen Kreises potentiell Betroffener nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. ; , Ra 2021/15/0045, je mwN). Dass die aufgeworfene Frage, ob eine nach dem Recht eines Drittstaates errichtete Gesellschaft, deren Ort der Geschäftsleitung und Sitz der Hauptverwaltung sich in Österreich befindet, in Österreich der Körperschaftsteuer unterliegt, noch für eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle von Bedeutung sein könnte, ist nicht erkennbar.

49 Dass die nach dem Recht von Jersey errichtete X Ltd. einer österreichischen Kapitalgesellschaft nicht vergleichbar sei (vgl. zum Typenvergleich z.B. ; , Ro 2018/13/0003; , Ro 2021/15/0001, je mwN), wird auch in der Revision nicht behauptet.

50 Dem Bundesfinanzgericht ist demnach nicht entgegenzutreten, wenn es die X Ltd. (auch wenn sie zivilrechtlich in Österreich nicht rechtsfähig ist) betreffend Körperschaftssteuer als Steuersubjekt behandelt hat. Die abgabenrechtlichen Pflichten dieses Steuersubjekts sind von einem Vertreter iSd §§ 80 ff BAO zu erfüllen (vgl. zur insoweit vom Zivilrecht abweichenden Nomenklatur auch ).

51 Das Bundesfinanzgericht ist - entgegen den Einwendungen des Revisionswerbers - zum Ergebnis gelangt, dass zwar ursprünglich der Plan bestanden haben möge, im Rahmen der X Ltd. zwischen A-Direktoren („executive“) und (aufsichtsratsähnlichen) B-Direktoren („non-executive“) zu differenzieren, dass dieser Plan aber letztlich nicht umgesetzt worden sei. Der Revisionswerber sei einer der das Tagesgeschäft leitendenden entscheidungsberechtigten Direktoren gewesen. Damit ist aber dem Bundesfinanzgericht nicht entgegenzutreten, wenn es den Revisionswerber als Vertreter iSd § 9 iVm §§ 80 ff BAO beurteilte.

52 Die Revision macht weiters geltend, nach Art. 4 Abs. 3 DBA Slowakei sei eine in beiden Vertragsstaaten ansässige Gesellschaft in jenem Vertragsstaat ansässig, in dem sich ihr Ort der Geschäftsleitung befinde. Nach Art. 7 Abs. 1 DBA dürften Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übe seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Nach Art. 9 Abs. 1 DBA seien Gewinne zwischen verbundenen Unternehmen entsprechend dem Fremdvergleichsgrundsatz aufzuteilen. Obwohl im konkreten Fall zahlreiche Hinweise auf eine Anwendung dieser Bestimmungen bestünden und vom Bundesfinanzgericht auch festgestellt worden seien, habe es das Bundesfinanzgericht unterlassen, diese Bestimmungen anzuwenden; insoweit weiche das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

53 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts jene Tätigkeiten, die den Ort der Geschäftsleitung begründeten, in Österreich erbracht wurden. Eine Betriebsstätte der X Ltd. in der Slowakei kann den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts nicht entnommen werden. Dass eine Tochtergesellschaft in der Slowakei bestand, wird hingegen auch vom Bundesfinanzgericht angenommen. Mit der Frage der Verrechnung der Leistungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft hat sich das Bundesfinanzgericht eingehend befasst. Im Hinblick darauf, dass weitere Unterlagen fehlten, ermittelte das Bundesfinanzgericht die Bemessungsgrundlagen im Wege einer Schätzung nach § 184 BAO. Es wird nicht aufgezeigt, dass insoweit ein die Zulässigkeit der Revision begründender Mangel vorliege.

54 Zur Frage des Ermessens verweist die Revision zutreffend darauf, dass dann, wenn (wie hier) mehrere Vertreter als Haftungspflichtige in Frage kommen, die Ermessensentscheidung, wer von ihnen und gegebenenfalls in welchem Ausmaß in Anspruch genommen wird, entsprechend zu begründen ist (vgl. z.B. , mwN). Das angefochtene Erkenntnis enthält aber eine derartige Begründung. Das Bundesfinanzgericht ging davon aus, dass die Tätigkeit des C als Mitgeschäftsführer für diesen nur eine Nebentätigkeit dargestellt habe und nahm eine Reduktion des Haftungsbetrages beim Revisionswerber in Höhe von 10 % vor. Die Revision kann nicht aufzeigen, dass insoweit ein die Zulässigkeit der Revision begründender Ermessensfehler vorläge. Wenn zur Frage des Ermessens schließlich darauf verwiesen wird, der Revisionswerber habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Beratung durch einen Steuerberater gehandelt, so ist aber zu bemerken, dass - nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - Handlungen (die zur Begründung der Geschäftsleitung im Inland und damit zur Körperschaftsteuerpflicht führten) gerade entgegen der Beratung durch den Steuerberater vorgenommen wurden (etwa, dass laufende Entscheidungen durch A-Direktoren - als solcher ist der Revisionswerber nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts zu beurteilen - ausschließlich und nachweislich im Ausland getroffen werden sollten).

55 Der Revisionswerber macht schließlich geltend, im vorliegenden Verfahren seien zahlreiche Äußerungen getätigt worden, die Anlass gegeben hätten, an der Unvoreingenommenheit der entscheidenden Organe zu zweifeln. Der gestellte Ablehnungsantrag sei jedoch abgewiesen worden, weshalb im konkreten Fall ein subjektiv befangenes Mitglied des Senates mitentschieden habe. Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts weiche insoweit von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

56 Gemäß § 268 Abs. 1 BAO steht den Parteien das Recht zu, den Einzelrichter oder ein Mitglied des Senates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 BAO aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt. Nach § 76 Abs. 1 lit. c BAO haben sich Organe der Verwaltungsgerichte der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.

57 Der Revisionswerber hat - nach Ergehen der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts im ersten Rechtsgang und dessen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof - einen Ablehnungsantrag eingebracht. Der Präsident des Bundesfinanzgerichts wies diesen Antrag mit Beschluss vom  als unbegründet ab. In der Begründung wurde zusammenfassend ausgeführt, es könne nicht erkannt werden, dass die Senatsmitglieder nicht bereit gewesen seien, Einwendungen des Revisionswerbers im gebotenen Umfang ernst zu nehmen und sein Vorbringen auch zu seinen Gunsten zu prüfen. Ein am Verfahren Beteiligter hätte bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Organwalter zu zweifeln. Der Senat sei auch keineswegs kritiklos der Rechtsmeinung des Finanzamtes gefolgt, sondern habe den Haftungsbetrag um mehr als 1 Mio. € reduziert.

58 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Beurteilung, ob eine Befangenheit iSd § 76 Abs. 1 lit. c BAO vorliegt, maßgebend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln. Die Befangenheit eines Mitglieds eines Tribunals ist dann anzunehmen, wenn einem Organwalter auch nur der äußere Anschein der Unparteilichkeit mangelt. Eine Befangenheit ist etwa dann anzunehmen, wenn ein Richter vor der Verhandlung durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der konkreten Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat (vgl. , mwN).

59 Der Revisionswerber macht geltend, dass das Bundesfinanzgericht mit den (in der Revisionsbegründung näher geschilderten) Formulierungen das Gebot einer streng sachlichen Führung des Verfahrens verletzt habe. Allerdings indiziert nicht schon jede unangebrachte Bemerkung eine Befangenheit, wenn die Wortwahl bei vernünftiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Verfahrensteilnehmers nicht dazu angetan war, begründete Zweifel an der vollen Bereitschaft des Richters hervorzurufen, dass er die Einwendungen des Revisionswerbers weiterhin im gebotenen Umfang ernst nehmen und das Vorbringen und die Beweisergebnisse auch zu seinen Gunsten prüfen werde (vgl. neuerlich z.B. ).

60 Jeder Vorwurf der Befangenheit hat auch konkrete Umstände aufzuzeigen, welche die Objektivität des Organs in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Eindeutige Hinweise etwa, dass ein Organ seine vorgefasste Meinung nicht mach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit sei, könnten seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (vgl. ; , Ra 2017/08/0122, mwN).

61 Dass derartige Umstände vorlägen, kann die Revision - selbst unter Bedachtnahme auf das gesamte Revisionsvorbringen - nicht aufzeigen. Wenn etwa ausgeführt wird, anlässlich einer Vorsprache des Vertreters des Revisionswerbers sei die „Frage nach dem Sinn einer Abhaltung einer weiteren mündlichen Verhandlung“ gestellt worden, ist dem entgegenzuhalten, dass eine weitere Verhandlung tatsächlich stattgefunden hat, woraus gerade abzuleiten ist, dass eine Bereitschaft zur Änderung der Meinung je nach den Verfahrensergebnissen (bzw. dem erst zu erstattenden weiteren Vorbringen) bestand. Wenn dazu auf die Abweisung von (weiteren) Vertagungsanträgen verwiesen wird, so wird nicht dargelegt, dass diese Vertagungsanträge (auch unter Berücksichtigung des weiteren Revisionsvorbringens zum Parteiengehör, wobei - wie bereits dargelegt - nicht ausgeführt wird, welches allfällige weitere Vorbringen hätte erstattet werden können) begründet waren.

62 Soweit in diesem Zusammenhang ergänzend auch Verfahrensfehler (etwa die Ablehnung von Beweisanträgen) geltend gemacht werden, so bildet der Vorwurf von Verfahrensfehlern - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - keinen Anlass, die Befangenheit des Richters anzunehmen (vgl. z.B. ). Da die Revision überdies auch in diesem Zusammenhang die Relevanz dieser (allfälligen) Verfahrensmängel nicht darlegt, kann im vorliegenden Fall auch aus diesem Umstand eine Befangenheit nicht abgeleitet werden.

63 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

64 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §115 Abs1
BAO §115 Abs2
BAO §116 Abs1
BAO §133
BAO §134
BAO §167 Abs2
BAO §183 Abs4
BAO §198
BAO §20
BAO §207 Abs2
BAO §224 Abs1
BAO §280 Abs1 lite
BAO §76 Abs1 litc
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
BAO §93 Abs3 lita
B-VG Art133 Abs4
FinStrG §33
VwGG §34 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Ermessen VwRallg8 Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2021130019.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-46630