VwGH 26.01.2023, Ro 2020/01/0002
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AdelsaufhV 1919 §5 B-VG Art133 Abs1 Z1 |
RS 1 | Die AdelsaufhV 1919 und damit auch deren § 5 stehen im Rang einer Verordnung des Bundes in Geltung. Die Auslegung dieses somit durch Verordnung normierten Verwaltungsstraftatbestandes kommt daher dem VwGH im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG zu. |
Normen | AdelsaufhG 1919 §1 AdelsaufhV 1919 §2 Z1 |
RS 2 | Nach der Rechtsprechung des VfGH ist eine Führung des durch § 2 Z 1 der AdelsaufhV 1919 als Namensbestandteil verbotenen Wortes "von" grundsätzlich geeignet, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, ohne dass es darauf ankommt, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist ( = VfSlg. 20.234). Die Führung des Namenszusatzes "von" ist daher, unabhängig davon, ob die im Einzelfall konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist, durch § 1 AdelsaufhG 1919 untersagt (vgl. , mit Hinweis auf VfSlg. 20.234). Der VwGH hat sich im Hinblick auf das im Verfassungsrang stehende AdelsaufhG 1919 diesen Erwägungen angeschlossen (vgl. -0378, mit Verweis auf das zitierte Erkenntnis Ra 2019/01/0216-0218, dieses mit Verweis auf ; vgl. weiters ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/01/0007 E RS 1 |
Normen | ABGB §6 VwRallg |
RS 3 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes findet die Methode der verfassungskonformen Interpretation - wie auch jede andere Auslegungsmethode - ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (vgl. etwa ; , 2009/12/0141; , Ro 2016/10/0005, 0006). Dies bedeutet bei Auslegung von Gesetzen einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter "korrigierender Auslegungsmethoden" (vgl. etwa ; , Ra 2018/04/0089). Können allerdings auf Grund des eindeutigen und klaren Wortlautes einer Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen, dann ist eine Untersuchung, ob nicht etwa eine andere Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde, nicht möglich. Auch die verfassungskonforme Auslegung hat dann zurückzutreten, denn nur im Zweifelsfalle gilt die Regel, der verfassungskonformen Auslegung sei der Vorzug zu geben; ist der Wortlaut einer Regelung eindeutig, liegt ein solcher Zweifelsfall nicht vor (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2020/01/0006 E RS 2 (hier: nur die ersten beiden Sätze; unter zusätzlicher Bezugnahme auf die Auslegung von Verordnungen) |
Normen | AdelsaufhG 1919 §2 AdelsaufhV 1919 §5 Abs1 AdelsaufhV 1919 §5 Abs2 |
RS 4 | § 5 Abs. 1 AdelsaufhV 1919 kommt ein im Hinblick auf § 2 Satz 2 AdelsaufhG 1919 bloß wiederholender, verweisender Charakter und keine selbstständige normative Bedeutung zu (vgl. = VfSlg. 20.344). Dagegen wird in § 5 Abs. 2 AdelsaufhV 1919 der in § 2 AdelsaufhG 1919 normierte Begriff der "Führung dieser Adelsbezeichnungen, Titel und Würden" näher konkretisiert. |
Normen | AdelsaufhG 1919 §2 AdelsaufhV 1919 §5 Abs2 |
RS 5 | § 5 Abs. 2 AdelsaufhV 1919 umschreibt mehrere Tatbilder, so "nicht nur" die "Führung von Adelsbezeichnungen im öffentlichen Verkehr", wobei dieses Tatbild durch die Wortfolge "das heißt im Verkehr mit Behörden und öffentlichen Stellen sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Äußerungen" näher konkretisiert wird, "sondern auch" die "Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr und de[n] Gebrauch von Kennzeichen, die einen Hinweis auf den früheren Adel oder auf aufgehobene Titel oder Würden enthalten". Als weitere Voraussetzung normiert § 5 Abs. 2 AdelsaufhV 1919 den Halbsatz "soferne darin eine dauernde oder herausfordernde Mißachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken ist.". In § 5 Abs. 2 AdelsaufhV 1919 wird demnach (u.a.) zwischen dem Tatbild der "Führung von Adelsbezeichnungen im öffentlichen Verkehr" und dem Tatbild deren "Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr" unterschieden, und es werden in der genannten Verordnungsbestimmung diese beiden Tatbilder einander gegenübergestellt. Diese Unterschiedlichkeit der beiden Tatbilder ergibt sich bereits aus der in dieser Bestimmung verwendeten Konjunktion "[Strafbar ist hienach] nicht nur ..., sondern auch ...", zumal dann, wenn ein Normengeber - wie hier im selben Satz - verschiedene Tatbilder mit unterschiedlichen Begriffen umschreibt, davon auszugehen ist, dass von ihm damit Verschiedenes gemeint ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa , Rn. 21). Demzufolge schließt die Subsumtion eines bestimmten Verhaltens unter das Tatbild der "Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr" es aus, dasselbe Verhalten auch unter das Tatbild der "Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr" zu subsumieren, bzw. ist dann, wenn ein solches Verhalten das letztgenannte Tatbild erfüllt, das erstgenannte Tatbild durch dieses Verhalten nicht verwirklicht. |
Normen | AdelsaufhV 1919 §5 Abs2 VwRallg |
RS 6 | Der in § 5 Abs. 2 der AdelsaufhV 1919 normierte Tatbestandsbegriff "an die Öffentlichkeit gerichtete[n] Mitteilungen und Äußerungen" ist dahin auszulegen, dass es sich dabei um Erklärungen (Mitteilungen, Äußerungen) handelt, die ein "nicht von vornherein beschränkter Personenkreis" zur Kenntnis nehmen kann. |
Normen | AdelsaufhG 1919 §2 AdelsaufhV 1919 §5 Abs2 |
RS 7 | Bezeichnet sich ein österreichischer Staatsbürger im Rahmen seines Internetauftrittes auf seiner Website mit seinem Namen unter (zusätzlicher) Verwendung des Adelszeichens "von" und kann aufgrund dieses Internetauftrittes und der Abrufbarkeit der Website von dieser Mitteilung ein "nicht von vornherein beschränkter Personenkreis" Kenntnis nehmen, so stellt dieses Verhalten unter dem Blickwinkel des § 5 Abs. 2 AdelsaufhV 1919 die "Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr" dar. Ein solches Verhalten, das das in dieser Verordnungsbestimmung normierte Tatbild der "Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr" erfüllt, verwirklicht daher nicht das in dieser Verordnungsbestimmung normierte Tatbild der "Führung [einer solchen Bezeichnung] im rein gesellschaftlichen Verkehr". |
Normen | VStG §44a Z1 VStG §44a Z2 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 8 | Eine spruchmäßige Tatanlastung, die sich nicht darauf festlegt, welche von mehreren in Betracht kommenden Straftatbeständen angenommen wird, würde einen unzulässigen Alternativvorwurf darstellen und wäre daher rechtswidrig (vgl. dazu etwa , Rn. 46, mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des * * in A, vertreten durch Dr. Stefan Josef Schermaier, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-001/010/14933/2018-11, betreffend Übertretung der Vollzugsanweisung zum Adelsaufhebungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang des Schuldspruches (im Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Erstinstanzliches Straferkenntnis
1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe sich am auf seiner (näher bezeichneten) Homepage (Website) „in den dort angeführten Beiträgen und im Impressum als ‚* von *’ bezeichnet, obwohl das Recht zur Führung des Adelszeichens ‚von’ auch im rein gesellschaftlichen Verkehr aufgehoben ist“. Der Revisionswerber habe dadurch § 1 des Gesetzes vom über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden (im Folgenden: Adelsaufhebungsgesetz), StGBl. Nr. 211/1919 in der geltenden Fassung, iVm § 2 und § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vorn , über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden (im Folgenden: Vollzugsanweisung), StGB1. Nr. 237/1919 in der geltenden Fassung StGBl. Nr. 392/1919, verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Revisionswerber gemäß § 2 Adelsaufhebungsgesetz iVm § 5 Abs. 1 der Vollzugsanweisung eine Geldstrafe in der Höhe von € 70,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Stunden, verhängt.
2 In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dem Vorbringen des Revisionswerbers in dessen Rechtfertigung, wonach das Betreiben einer Homepage nicht unter „gesellschaftlicher Verkehr“ zu subsumieren sei, werde entgegnet, dass ein derartiger Internetauftritt „gegenwärtig geradezu als das Paradebeispiel eines solchen anzusehen und (ggfs. in Verbindung mit einem Suchwerkzeug im Internet) vergleichbar ist mit einem ,sich Vorstellen’ oder dem Veröffentlichen einer Autobiographie“.
Angefochtenes Erkenntnis
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde gemäß § 50 VwGVG die vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde hinsichtlich der Schuldfrage mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass nach dem Wort „bezeichnet“ die Worte „und damit die Bestimmungen des Gesetzes vom über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisse Titeln und Würden dauernd bzw. herausfordernd missachtet“ einzufügen seien. Der Ausspruch über die Verhängung der Strafe und Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens bei der belangten Behörde habe zu entfallen (Spruchpunkt I.). Der Revisionswerber habe keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten (Spruchpunkt II.). Eine Revision wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.).
4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei „Medieninhaber und Eigentümer der Homepage www.*von*.at“. Als Adresse sei im Impressum nach § 25 Mediengesetz eine näher genannte Adresse in Wien angeführt. Auf dieser Homepage werde der Revisionswerber in sämtlichen Beiträgen als „* von *“ bezeichnet. Diese Homepage seit 2017 eingerichtet worden und zur Tatzeit am für jedermann abrufbar gewesen.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach auszugsweiser Wiedergabe der Bestimmungen des Adelsaufhebungsgesetzes und der Vollzugsanweisung aus, die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde sei gegeben, da von einer „Inlandstat“ auszugehen sei. So habe bei „Internetdelikten“ nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Täter dort gehandelt, wo er die Initialhandlung zur Freischaltung der Daten gesetzt habe (Verweis auf ). Vorliegend habe der Revisionswerber nicht anzugeben vermocht, wo er diese Initialhandlung gesetzt habe. Es sei aber nicht anzunehmen und habe der Revisionswerber auch nicht behauptet, dass er alle diesbezüglichen Handlungen aus dem Ausland getätigt habe. Es sei daher von einer „Inlandstat“ auszugehen gewesen. Der belangten Behörde sei der inkriminierte Sachverhalt durch die an sie übermittelte Sachverhaltsdarstellung vom zur Kenntnis gekommen. Da im gegenständlichen Fall nicht feststellbar gewesen sei, in welchem Sprengel die Initialhandlung gesetzt worden sei, die belangte Behörde die erste Verfolgungshandlung gesetzt habe und bis zur Erlassung des Straferkenntnisses kein Umstand hervorgekommen sei, der die örtliche Zuständigkeit einer anderen Behörde begründen würde, sei die belangte Behörde nach § 28 VStG örtlich zuständig gewesen.
6 Der Revisionswerber sei österreichischer Staatsbürger und es seien sohin auf ihn das im Verfassungsrang stehende Adelsaufhebungsgesetz und die dazu ergangene Vollzugsanweisung anwendbar. In § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung sei ausdrücklich geregelt, dass das Recht zur Führung des Adelszeichens „von“ aufgehoben sei. Strafbar sei nach § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung nicht nur die Führung solcher Bezeichnungen im öffentlichen Verkehr, sondern auch die Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr, sofern darin eine dauernde oder herausfordernde Missachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken sei.
7 Vorliegend habe sich der Revisionswerber auf der von ihm betriebenen Homepage nicht nur „im Namen der Homepage www.*von*.at“, sondern auch in sämtlichen „in der Homepage geschalteten“ Beiträgen als „* von *“ bezeichnet. Der belangten Behörde sei zuzustimmen, dass es für die heutige Zeit geradezu typisch sei, dass der „gesellschaftliche Verkehr“ zum großen Teil über das und im Internet stattfinde.
8 Die Homepage sei von Mitarbeitern des Revisionswerbers angelegt worden und die Aktualisierung des Blogs erfolge wöchentlich. Daraus sei zu ersehen, dass die Homepage auf „Dauer“ ausgelegt sei und daher von einer dauernden Missachtung des Adelsaufhebungsgesetzes auszugehen sei. Dazu passend sei, dass die gegenständliche Homepage als „www.*von*.at“ auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unverändert im Internet abrufbar sei. Durch diese Bezeichnung der Homepage und die Bezeichnung des Revisionswerbers in sämtlichen Beiträgen auf dieser Homepage als „* von *“ liege auch eine herausfordernde Missachtung des Adelsaufhebungsgesetzes vor.
9 Abgesehen davon liege nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes „auch eine verbotene Führung des Adelstitels ‚von’ im öffentlichen Verkehr im Sinn des § 5 Abs. 2 Vollzugsanweisung“ vor, weil es sich bei der Homepage und den darin geschalteten, wöchentlich aktualisierten Beiträgen um Mitteilungen und Äußerungen an die Öffentlichkeit handle, der Zugang zu dieser Homepage uneingeschränkt möglich sei und daher „allen (mit Internetzugang) die in der Homepage geschalteten Beiträge zugänglich“ seien.
10 Zum Entfall des Strafausspruches und der Verfahrenskosten führte das Verwaltungsgericht aus, der Ausspruch über die Strafe und Vorschreibung der Kosten des Strafverfahrens bei der belangten Behörde habe zu entfallen, weil die herrschende Lehre davon ausgehe, dass der in § 2 Adelsaufhebungsgesetz bestimmte und hier anzuwendende Strafsatz der Geldstrafe, „der noch immer in Kronen und sohin auf eine nicht mehr bestehenden Währung lautet“, nicht anwendbar sei und damit auch keine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden könne.
11 Die Revision sei zulässig, weil der Rechtsfrage, „ob der Strafsatz der Geldstrafe im Adelsaufhebungsgesetz und/oder der Vollzugsanweisung anwendbar“ sei oder eine „Geld-/Ersatzfreiheitsstrafe nicht verhängt werden kann“, im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Soweit ersichtlich, liege dazu auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
Erkenntnis des VfGH
12 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH).
13 Der VfGH sprach mit Erkenntnis vom , E 1851/2019, = VfSlg. 20.344, aus, dass der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei (Spruchpunkt I.), wies die Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden sei (Spruchpunkt II.).
14 In diesem Erkenntnis führte der VfGH unter anderem aus:
„III. Erwägungen
...
1.3. Die VA [Vollzugsanweisung] und damit auch deren § 5 stehen im Rang einer Verordnung des Bundes in Geltung (näher zur Überleitungsgeschichte der VA die Stellungnahme des Verfassungsdienstes, Pkt. II; siehe auch § 2 Abs. 2 Z 3 2. BRBG, BGBl I 61/2018, und dazu in Bezug auf die VA die Erläut zur RV des 2. BRBG, 192 B1gNR 26. GP, 7).
...
Der Verfassungsgerichtshof geht daher (siehe auch die Stellungnahme des Verfassungsdienstes, Pkt. II) davon aus, dass § 5 Abs. 1 VA (weiterhin) nur der ursprüngliche Inhalt einer Geldstrafdrohung von bis zu 20.000 Kronen und daher ein im Hinblick auf § 2 Satz 2 Adelsaufhebungsgesetz bloß wiederholender, verweisender Charakter und keine selbstständige normative Bedeutung zukommt.
2. Das Verwaltungsgericht Wien ist daher im angefochtenen Erkenntnis zutreffend davon ausgegangen, dass ungeachtet der festgestellten schuldhaften Verwaltungsübertretung die Verhängung einer Geldstrafe über den Beschwerdeführer auf Grund von § 2 Satz 2 Adelsaufhebungsgesetz nicht in Betracht kommt.
Wenn das Verwaltungsgericht Wien im angefochtenen Erkenntnis in der Schuldfrage davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer, weil er sich auf seiner Website jedenfalls auch als nach dem Impressum Verantwortlicher als ,**** von ********‘ bezeichnet hat, gegen die Anordnungen des Adelsaufhebungsgesetzes verstoßen hat, ist ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten.
Ob und inwieweit das Verwaltungsgericht Wien angesichts der festgestellten schuldhaften Verwaltungsübertretung in der Folge prüfen hätte müssen, ob im vorliegenden Fall nach § 2 Satz 2 Adelsaufhebungsgesetz gegenüber dem Beschwerdeführer eine (primäre) Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen wäre, kann hier - vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht Wien der Sache nach zutreffend angenommenen Strafbarkeit des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers - aber dahinstehen, weil der Beschwerdeführer diesbezüglich, das heißt durch die Nichtverhängung einer Freiheitsstrafe, in den von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nicht verletzt ist.
3. Eine Verletzung des Beschwerdeführers in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes scheidet im Hinblick auf den Verfassungsrang des § 2 Adelsaufhebungsgesetz aus (der Verfassungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die einschlägigen Regelungen des Adelsaufhebungsgesetzes im Hinblick auf Art. 44 Abs. 3 B-VG, vgl. VfSlg. 17.060/2003, 19.891/2014, 20.234/2018; zum HabsburgerG vgl. auch VfSlg. 11.888/1988).
Es ist schließlich nicht zu erkennen, wodurch sonst das Verwaltungsgericht Wien im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Bedeutung des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit den Beschwerdeführer in den von ihm geltend gemachten oder sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt haben könnte (vgl. aus dem Blickwinkel des Unionsrechts , Sayn-Wittgenstein; , Rs. C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff.“
15 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende ordentliche Revision, mit der das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes nach den Ausführungen zum Revisionspunkt nur im Umfang des Schuldspruchs angefochten wird.
16 Das Verwaltungsgericht legte die Revision gemäß § 30a Abs. 6 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht mit der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zulässigkeit
17 Im Hinblick auf die auf den Schuldspruch eingeschränkte Anfechtung des Erkenntnisses kann die vom Verwaltungsgericht in der Begründung nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG aufgezeigte Rechtsfrage eine Zulässigkeit der Revision nicht begründen.
18 Der Revisionswerber hat auch in der ordentlichen Revision von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa , Rn. 9, mwN).
19 In diesem Sinn bringt die Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Begriffe „gesellschaftlicher Verkehr“, „öffentlicher Verkehr“, „dauernd“ und „herausfordernde Missachtung“ in § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung in dem in ihrer Zulässigkeitsbegründung näher dargelegten Sinn zu verstehen seien.
20 Die Revision ist zulässig, zumal zum Verwaltungsstraftatbestand des § 5 der Vollzugsanweisung und somit auch zu den Tatbildern des § 5 Abs. 2 leg. cit. keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht.
21 Wie der VfGH in seiner oben dargestellten Rechtsprechung festgehalten hat, stehen die Vollzugsanweisung und damit auch deren § 5 im Rang einer Verordnung des Bundes in Geltung. Die Auslegung dieses somit durch Verordnung normierten Verwaltungsstraftatbestandes kommt daher dem Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG ebenso zu wie die Entscheidung, ob der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden sei (vgl. hiezu VfGH VfSlg. 20.344/2019, Spruchpunkt II.).
Rechtslage
22 Das Adelsaufhebungsgesetz, StGBl. Nr. 211/1919 idF BGBl. I Nr. 2/2008, lautet auszugsweise:
„§ 1.
Der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger werden aufgehoben.
§ 2.
Die Führung dieser Adelsbezeichnungen, Titel und Würden ist untersagt. Übertretungen werden von den politischen Behörden mit Geld bis zu 20.000 K oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.
...“
23 Die Vollzugsanweisung, StGB1. Nr. 237/1919 idF StGB1. Nr. 392/1919, lautet auszugsweise:
„Auf Grund des Gesetzes vom , St. G. Bl. Nr. 211, wird verordnet, wie folgt
§ 1.
Die Aufhebung des Adels, seiner äußeren Ehrenvorzüge, weiters der bloß zur Auszeichnung verliehenen, mit einer amtlichen Stellung, dem Berufe oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhange stehenden Titel und Würden und der damit verbundenen Ehrenvorzüge trifft alle österreichischen Staatsbürger, und zwar, gleichviel, ob es sich um im Inlande erworbene, oder um ausländische Vorzüge handelt.
§ 2.
Durch § 1 des Gesetzes vom , St. G. Bl. Nr. 211, sind aufgehoben:
1. das Recht zur Führung des Adelszeichens ,von`;
...
§ 5.
(1) Die Führung von Adelsbezeichnungen (§ 2) sowie von aufgehobenen Titeln und Würden (§ 3) wird von den politischen Behörden gemäß § 2 des Gesetzes vom , St. G. Bl. Nr. 211, mit Geld bis zu 20.000 K oder Arrest bis zu sechs Monaten bestraft.
(2) Strafbar ist hienach nicht nur die Führung solcher Bezeichnungen im öffentlichen Verkehr, das heißt im Verkehr mit Behörden und öffentlichen Stellen sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Äußerungen, sondern auch die Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr und der Gebrauch von Kennzeichen, die einen Hinweis auf den früheren Adel oder auf aufgehobene Titel oder Würden enthalten, soferne darin eine dauernde oder herausfordernde Mißachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken ist.
(3) Die Verwendung von Gegenständen, die mit Bezeichnungen des Adels, eines aufgehobenen Titels oder einer solchen Würde bereits versehen sind, ist nicht als strafbare Führung solcher Bezeichnungen anzusehen.“
Vorbemerkungen
24 Vorweg ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht Wien unter dem Blickwinkel des § 3 Abs. 2 Z 1 VwGVG zur Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers zuständig war.
25 Was die Führung der Adelsbezeichnung „von“ betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung - an die Rechtsprechung des VfGH anknüpfend - klargestellt, dass eine Führung des durch § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung als Namensbestandteil verbotenen Wortes „von“ grundsätzlich geeignet ist, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, ohne dass es darauf ankommt, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist. Die Führung des Namenszusatzes „von“ ist daher, unabhängig davon, ob die im Einzelfall konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist, durch § 1 Adelsaufhebungsgesetz untersagt (vgl. zu allem aus jüngerer Zeit , mwN).
26 Ein mit dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) jüngst entschiedenen Fall (vgl. EGMR [Vierte Kammer] , Künsberg Sarre/Österreich, 19475/20 u.a.) vergleichbarer Sachverhalt liegt nicht vor. Schon aus diesem Grund ist daher auf die vom EGMR zur oben angeführten Rechtsprechung vertretene Auffassung nicht einzugehen.
27 Aus dem zitierten Erkenntnis des VfGH VfSlg. 20.344/2019 ergibt sich im Übrigen, dass die vom Verwaltungsgericht angewendeten Rechtsgrundlagen - so auch § 5 der Vollzugsanweisung, dessen Aufhebung zur Gänze als verfassungswidrig der Revisionswerber in seiner an den VfGH erhobenen Beschwerde beantragt hatte - in verfassungsrechtlicher Hinsicht unbedenklich seien und es daher ausgeschlossen sei, dass der Revisionswerber (durch das angefochtene Erkenntnis) in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden sei.
28 Die hier in Rede stehenden Bestimmungen der Vollzugsanweisung begegnen somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
29 Nunmehr ist auf die vorliegend aufgeworfene Rechtsfrage der Auslegung des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung einzugehen.
Tatbilder des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung
30 Einleitend sei darauf hingewiesen, dass nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das zu einer Verwaltungsstrafsache ergangene Erkenntnis , Rn. 15, mwN) jede Auslegungsmethode ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes - bzw. im Fall einer Verordnung in deren eindeutigen Wortlaut (vgl. dazu etwa , Rn. 14 und 16) - findet, was bei der Auslegung einen Vorrang der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung sowie äußerste Zurückhaltung gegenüber der Anwendung sogenannter „korrigierender Auslegungsmethoden“ bedeutet.
31 Im Verwaltungsstrafrecht bildet der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze belastender Strafrechtsgewinnung (vgl. , mwN). Strafrechtsquelle ist dabei ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt allerdings eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl. etwa , Rn.17, mwN).
32 Wie der VfGH im zitierten Erkenntnis VfS1g. 20.344/2019 ausgeführt hat, kommt § 5 Abs. 1 der Vollzugsanweisung ein im Hinblick auf § 2 Satz 2 Adelsaufhebungsgesetz bloß wiederholender, verweisender Charakter und keine selbstständige normative Bedeutung zu. Dagegen wird in § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung der in § 2 Adelsaufhebungsgesetz normierte Begriff der „Führung dieser Adelsbezeichnungen, Titel und Würden“ näher konkretisiert.
33 Dabei umschreibt § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung mehrere Tatbilder, so „nicht nur“ die „Führung von Adelsbezeichnungen im öffentlichen Verkehr“, wobei dieses Tatbild durch die Wortfolge „das heißt im Verkehr mit Behörden und öffentlichen Stellen sowie in an die Öffentlichkeit gerichteten Mitteilungen und Äußerungen“ näher konkretisiert wird, „sondern auch“ die „Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr und de[n] Gebrauch von Kennzeichen, die einen Hinweis auf den früheren Adel oder auf aufgehobene Titel oder Würden enthalten“. Als weitere Voraussetzung normiert § 5 Abs. 2 Vollzugsanweisung den Halbsatz „soferne darin eine dauernde oder herausfordernde Mißachtung der Bestimmungen des Gesetzes zu erblicken ist.“, wobei vorliegend dahinstehen kann, ob sich diese Voraussetzung auf alle Tatbilder dieser Bestimmung bezieht.
34 In § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung wird demnach (u.a.) zwischen dem Tatbild der „Führung von Adelsbezeichnungen im öffentlichen Verkehr“ und dem Tatbild deren „Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr“ unterschieden, und es werden in der genannten Verordnungsbestimmung diese beiden Tatbilder einander gegenübergestellt. Diese Unterschiedlichkeit der beiden Tatbilder ergibt sich bereits aus der in dieser Bestimmung verwendeten Konjunktion „[Strafbar ist hienach] nicht nur ..., sondern auch ...“ (vgl. dazu auch Duden, Die Grammatik8 [2009], Band 4, 623, wonach eine solche „adversative Konjunktion“ zwei gegensätzliche Sachverhalte bezeichnet), zumal dann, wenn ein Normengeber - wie hier im selben Satz - verschiedene Tatbilder mit unterschiedlichen Begriffen umschreibt, davon auszugehen ist, dass von ihm damit Verschiedenes gemeint ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa , Rn. 21).
35 Demzufolge schließt die Subsumtion eines bestimmten Verhaltens unter das Tatbild der „Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr“ es aus, dasselbe Verhalten auch unter das Tatbild der „Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr“ zu subsumieren, bzw. ist dann, wenn ein solches Verhalten das letztgenannte Tatbild erfüllt, das erstgenannte Tatbild durch dieses Verhalten nicht verwirklicht.
„Führung von Adelsbezeichnungen im öffentlichen Verkehr“ in Abgrenzung zur „Führung im rein gesellschaftlichen Verkehr“
36 Nach der in § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung enthaltenen Begriffserklärung erfüllen (u.a.) „an die Öffentlichkeit gerichtete[n] Mitteilungen und Äußerungen“ die Tatbestandsvoraussetzung „im öffentlichen Verkehr“. Die Vollzugsanweisung enthält allerdings keine nähere Umschreibung des Tatbestandsmerkmales „Öffentlichkeit“. Auch im Adelsaufhebungsgesetz, auf dessen Grundlage die Vollzugsanweisung erlassen wurde, findet sich keine solche Legaldefinition.
37 Im Hinblick darauf erscheint es zur weiteren Auslegung geboten, auf das diesbezügliche Begriffsverständnis des Gesetzgebers, soweit in anderen bundesgesetzlichen Regelungen der Begriff „Öffentlichkeit“ bzw. „öffentlich“ normiert ist, und auf das in der dazu ergangenen Rechtsprechung entwickelte Normenverständnis zurückzugreifen, ist doch nach dem Auslegungsprinzip der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtsprache im Allgemeinen davon auszugehen, dass in der Rechtssprache geprägte Begriffe die gleiche Bedeutung haben (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur etwa , und , Rn. 48, mwN).
38 So etwa ordnet § 7 Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955, BGBl. Nr. 39, (im Folgenden: GBG) - wie bereits zuvor die im Wesentlichen inhaltsgleiche Bestimmung des § 7 des (mit Inkrafttreten des GBG außer Kraft getretenen) Gesetzes vom 25. Juli 1871, RGB1. Nr. 95, über die Einführung eines Allgemeinen Grundbuchsgesetzes - (u.a.) an, dass das Grundbuch „öffentlich“ ist und „jedermann“ das Grundbuch in Gegenwart eines Grundbuchsbeamten einsehen kann. Daraus ergibt sich, dass aufgrund des „öffentlichen“ Charakters des Grundbuches eine Beschränkung der Einsichtsmöglichkeit auf einen bestimmten Personenkreis bzw. eine bestimmte Personengruppe unzulässig ist.
39 Weiters ist beispielsweise in § 1 Z 11 Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz, BGBl. Nr. 431/1995 in der Fassung BGBl. I Nr. 167/2004 (im Folgenden: TabakG), der Begriff „öffentlicher Ort“ als „jeder Ort, der von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden kann ...“ definiert (vgl. idS zu „Räumen öffentlicher Orte“ iSd § 13 TabakG auch , Rn. 42, mwN).
40 In gleicher Weise hat die zum EGVG ergangene hg. Rechtsprechung ein Arbeitszimmer eines Magistratischen Bezirksamtes („jedenfalls während der Dienstzeiten“) als einen „öffentlichen Ort“ im Sinne des Art. IX Abs. 1 Z 1 EGVG beurteilt, weil es grundsätzlich jederzeit „von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis“ betreten werden kann (vgl. dazu , mwN).
41 Ferner sind etwa im Urheberrechtsgesetz, BGBl. Nr. 111/1936, (im Folgenden: UrhG) in einer Reihe von Bestimmungen die Tatbestandsbegriffe „öffentlich“ bzw. „der Öffentlichkeit zugänglich [machen]“, „veröffentlicht“ oder „öffentliche Mitteilung“ genannt, ohne dass dieses Gesetz eine Legaldefinition dieser Begriffe enthält. Dazu hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in Auslegung des Begriffes „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 18 Abs. 3 UrhG (vgl. in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Leitfunktion des OGH bei der Auslegung von in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien auf dem Gebiet des Zivilrechts etwa , Rn. 8, mwN) ausgeführt, dass eine Aufführung dann „öffentlich“ im Sinne des § 18 UrhG sei, wenn sie „nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen begrenzten Kreis abgestimmt“, also „allgemein zugänglich“, sei oder der bestimmte oder bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden sei, die seine Zusammenkünfte als solche der Privatsphäre erscheinen ließen; das sei nur dort der Fall, wo der Teilnehmerkreis durch ein reelles persönliches Band verbunden und durch wechselseitige Beziehungen unter sich oder zum Veranstalter nach außen hin abgegrenzt sei (vgl. , mwN; vgl. dazu auch RIS-Justiz RS0077202).
42 Ebenso enthält das Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259, (im Folgenden: PatG), das in mehreren Bestimmungen den Begriff „Öffentlichkeit“ als Tatbestandsmerkmal normiert, keine diesbezügliche Definition dieses Begriffes. In seinem zu § 3 Abs. 1 PatG (zur Wortfolge: „... was der Öffentlichkeit ... zugänglich gemacht worden ist“) ergangenen Urteil vom , 4 Ob 220/20m, hat der OGH ausgeführt, dass ein „Zugänglichmachen an die Öffentlichkeit“ dann gegeben sei, wenn für einen nicht beschränkten Personenkreis eine nicht entfernt liegende, daher nicht bloß theoretische Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehe.
43 Nach der Rechtsprechung des OGH ist die „Öffentlichkeit“ der Verhandlung gemäß § 171 Abs. 1 ZPO im Allgemeinen nur dann hergestellt, wenn „jedermann, der an ihr teilnehmen will, ohne Hindernis Zutritt hat“, wobei „Einschränkungen in Bezug auf die Platzverhältnisse am Verhandlungsort“ zulässig sind (vgl. ), bzw. bedeutet „Öffentlichkeit der Hauptverhandlung“ gemäß § 228 StPO, „dass es jedermann, freilich im Rahmen der technischen Möglichkeiten, erlaubt ist, einer Verhandlung beizuwohnen“ (vgl. ).
44 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass entsprechend dem bereits in Art. 117 Abs. 4 B-VG verfassungsrechtlich normierten Gebot der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen z.B. § 36 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 2001 vorsieht, dass Gemeinderatssitzungen öffentlich sind und demnach idR „jedermann“ (nach Maßgabe des vorhandenen Platzes) berechtigt ist, zuzuhören und sich Aufzeichnungen zu machen (vgl. ).
45 Diese Beispiele haben die Gemeinsamkeit und zeigen als Auslegungsergebnis, dass der Normengeber mit der Verwendung des Begriffes „öffentlich“ bzw. „Öffentlichkeit“ im Zusammenhang mit einer (mündlichen oder schriftlichen) Äußerung (Erklärung, Mitteilung, Darstellung u.dgl.) auf einen „nicht von vornherein beschränkten Personenkreis“ abstellt, dem die Möglichkeit geboten wird, von dieser (mündlichen oder schriftlichen) Äußerung (Erklärung, Mitteilung, Darstellung u.dgl.) Kenntnis zu nehmen.
46 Überträgt man das oben dargestellte Begriffsverständnis auf den hier in Rede stehenden, in § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung normierten Tatbestandsbegriff „an die Öffentlichkeit gerichtete[n] Mitteilungen und Äußerungen“, so ist diese Wortfolge dahin auszulegen, dass es sich dabei um Erklärungen (Mitteilungen, Äußerungen) handelt, die ein „nicht von vornherein beschränkter Personenkreis“ zur Kenntnis nehmen kann.
47 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die Bezeichnung eines österreichischen Staatsbürgers mit dessen Namen unter (zusätzlicher) Verwendung des Adelszeichens „von“ im Rahmen eines Internetauftrittes auf einer Website - so im Rahmen der Nennung des als nach dem Impressum Verantwortlichen - den Begriff der „Führung einer Adelsbezeichnung“ erfüllt, wurde im oben genannten Erkenntnis VfSlg. 20.344/2019 (vgl. darin insbesondere III.2.) gebilligt. Gegen diese Auffassung des Verwaltungsgerichtes bestehen auch unter dem Blickwinkel des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung keine Bedenken.
48 So hat der Verwaltungsgerichtshof (im Zusammenhang mit der Verordnung [EU] 2015/2120 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zu Endkundenentgelten für regulierte intra-EU-Kommunikation) die Bereitstellung von Anwendungen und Diensten durch „Endnutzer“ dahin gedeutet, dass damit der Öffentlichkeit eigene Inhalte zugänglich gemacht werden (vgl. , Rn. 59).
49 Im erwähnten Erkenntnis Ra 2018/01/0287 hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der beabsichtigten Anfertigung einer Tonaufnahme einer Gemeinderatssitzung durch einen Zuhörer zur „Veröffentlichung“ auf einer Internetseite bzw. „zum Zweck der Veröffentlichung auf der von ihm betriebenen, unbeschränkt und ohne Anmeldungsschritte für alle Internetnutzer zugänglichen Facebook-Seite“ erkennen lassen, dass die Bereitstellung von Inhalten im Internet - im Wege der unbeschränkten Zugriffsmöglichkeit für alle Internetnutzer - einen Fall der „Veröffentlichung“ darstellt (zum „Betreiben einer grundsätzlich für die gesamte Öffentlichkeit zugänglichen Homepage“ vgl. weiters , mit Hinweis auf ).
50 Zusammenfassend ergibt sich daher aus den vorstehenden Ausführungen Folgendes:
51 Bezeichnet sich ein österreichischer Staatsbürger im Rahmen seines Internetauftrittes auf seiner Website mit seinem Namen unter (zusätzlicher) Verwendung des Adelszeichens „von“ und kann aufgrund dieses Internetauftrittes und der Abrufbarkeit der Website von dieser Mitteilung ein „nicht von vornherein beschränkter Personenkreis“ Kenntnis nehmen, so stellt dieses Verhalten unter dem Blickwinkel des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung die „Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr“ dar.
52 Ein solches Verhalten, das das in dieser Verordnungsbestimmung normierte Tatbild der „Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr“ erfüllt, verwirklicht daher nicht das in dieser Verordnungsbestimmung normierte Tatbild der „Führung [einer solchen Bezeichnung] im rein gesellschaftlichen Verkehr“.
Einzelfallbezogene Beurteilung
53 Dem Revisionswerber wurde im Spruch des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses vorgeworfen, sich auf dessen Homepage „www.*von*.at“ in den dort angeführten Beiträgen und im Impressum als „* von *“ bezeichnet zu haben, „obwohl das Recht zur Führung des Adelszeichens ‚von‘ auch im rein gesellschaftlichen Verkehr aufgehoben ist“. Dieser Spruch wurde durch das angefochtene Erkenntnis insoweit (mit einer für den vorliegenden Zusammenhang unmaßgeblichen Ergänzung) bestätigt und, weil damit das Verwaltungsgericht ihn sich zu eigen gemacht hat (vgl. dazu etwa , Rn. 36), Teil des mit dem angefochtenen Erkenntnis getroffenen Abspruches, der an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Straferkenntnisses getreten ist (vgl. , Rn. 19). Dazu stellte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (u.a.) fest, dass die Homepage zur Tatzeit am für jedermann abrufbar gewesen sei, der Zugang zu dieser Homepage uneingeschränkt möglich sei und daher die in der Homepage geschalteten Beiträge allen (mit Internetzugang) zugänglich seien.
54 Dieses dem Revisionswerber angelastete Verhalten erfüllt jedoch nicht den ihm spruchgemäß angelasteten Tatbestand der „Führung einer Adelsbezeichnung im rein gesellschaftlichen Verkehr“ im Sinn des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung, weil ein solches Verhalten (Verwendung des Adelszeichens „von“) - wie oben dargestellt - dann, wenn aufgrund des Internetauftrittes und der Abrufbarkeit der Website von dieser Mitteilung ein „nicht von vornherein beschränkter Personenkreis“ Kenntnis nehmen kann, unter dem Blickwinkel des § 5 Abs. 2 der Vollzugsanweisung die „Führung einer Adelsbezeichnung im öffentlichen Verkehr“ darstellt.
55 Im Hinblick darauf hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt und dadurch das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
56 Wenn das Verwaltungsgericht - lediglich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses - die Auffassung vertritt, es liege „abgesehen davon“ nach seiner Ansicht „auch eine verbotene Führung des Adelstitels ‚von‘ im öffentlichen Verkehr im Sinn des § 5 Abs. 2 Vollzugsanweisung vor“, so ist dazu Folgendes zu bemerken:
57 Eine spruchmäßige Tatanlastung, die sich nicht darauf festlegt, welche von mehreren in Betracht kommenden Straftatbeständen angenommen wird, würde einen unzulässigen Alternativvorwurf darstellen und wäre daher rechtswidrig (vgl. dazu etwa , Rn. 46, mwN). Ein Beschuldigter hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden, und die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa bis 0020, Rn. 11, mwN). Besteht ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, bei dem es sich nicht bloß um eine terminologische Abweichung, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft, handelt, sondern bei dem die Wahl unterschiedlicher Begriffe vielmehr eine Unterschiedlichkeit in der rechtlichen Wertung durch Subsumtion unter je ein anderes Tatbild zum Ausdruck bringt, führt dies zu einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit (vgl. nochmals bis 0020, Rn. 12, mwN).
58 Mit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wurde dem Revisionswerber die Führung der Adelsbezeichnung „von“ im rein gesellschaftlichen Verkehr angelastet, sodass die genannte Alternativbegründung des Verwaltungsgerichtes, die somit im Widerspruch zum Schuldspruch steht, diesen nicht tragen kann.
Ergebnis
59 Aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis im bekämpften Umfang des Schuldspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen - so insbesondere auch nicht auf die Rechtsfragen in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung „dauernde oder herausfordernde Mißachtung der Bestimmungen des Gesetzes“ - eingegangen zu werden brauchte.
60 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht, ein Tribunal iSd EMRK bzw. ein Gericht iSd Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat (vgl. dazu etwa , mwN).
61 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | ABGB §6 AdelsaufhG 1919 §1 AdelsaufhG 1919 §2 AdelsaufhV 1919 §2 Z1 AdelsaufhV 1919 §5 AdelsaufhV 1919 §5 Abs1 AdelsaufhV 1919 §5 Abs2 B-VG Art133 Abs1 Z1 VStG §44a Z1 VStG §44a Z2 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Mängel im Spruch Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020010002.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-46527