VwGH 07.09.2021, Ro 2018/15/0026
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | BAO §279 Abs1 |
RS 1 | Die Änderungsbefugnis im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO - nach jeder Richtung - ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/15/0161). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/16/0069 B RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Graz-Stadt (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Graz-Stadt) in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100689/2014, betreffend Festsetzung von Beschwerdezinsen (mitbeteiligte Partei: t GmbH in G, vertreten durch die Schenz & Haider Rechtsanwälte OG in 2340 Mödling, Enzersdorfer Straße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Zinsen für den Zeitraum bis betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei, eine in Deutschland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Österreich Umsätze tätigt, verkaufte in den Jahren 2003 und 2004 vier Maschinen in Österreich, wobei sie diese grenzüberschreitenden Geschäftsfälle in Österreich der Umsatzsteuer unterzog (Umsatzsteuervoranmeldungen März 2003 und Jänner 2004). Im Mai 2005 machte die mitbeteiligte Partei die in den Jahren 2003 und 2004 getätigten Verkäufe unter Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts rückgängig. In der Umsatzsteuervoranmeldung Mai 2005 machte sie (mit Wirkung vom ) eine Umsatzsteuergutschrift in Höhe von 367.081,58 € geltend. Die Umsatzsteuergutschrift wurde im Rahmen einer Außenprüfung, die im Juli 2006 begann und im Juni 2008 endete, geprüft und am auf dem Abgabenkonto der Mitbeteiligten verbucht.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - der geänderten Beurteilung im Abschlussbericht der Außenprüfung folgend - die Umsatzsteuer 2005 mit 2.734,36 € fest (Umsatzsteuer-Jahresbescheid). Dadurch ergab sich auf dem Abgabenkonto der mitbeteiligten Partei eine Nachforderung in Höhe von 367.081,59 €, die durch Verrechnung mit einem bestehenden Guthaben auf dem Abgabenkonto der mitbeteiligten Partei und Überweisung des Restbetrages entrichtet wurde.
3 Mit Schriftsatz vom brachte die mitbeteiligte Partei gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 das Rechtsmittel der Berufung ein, in der sie u.a. die Aussetzung der Einhebung des Nachforderungsbetrages gemäß § 212a BAO beantragte.
4 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab, woraufhin die mitbeteiligte Partei deren Vorlage an den unabhängigen Finanzsenat beantragte (Vorlageantrag vom ).
5 Am gab das Finanzamt dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom statt und setzte den Nachforderungsbetrag von 367.081,59 € gemäß § 212a BAO aus. Am verfügte das Finanzamt den Ablauf der Aussetzung.
6 Der unabhängige Finanzsenat gab der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 mit Berufungsentscheidung vom (zugestellt laut angefochtenem Erkenntnis am ) statt, woraufhin dem Abgabenkonto der mitbeteiligten Partei der Betrag von 367.081,59 € gutgeschrieben wurde (Gutschrift vom ).
7 Der Betrag von 367.081,59 € wurde der mitbeteiligten Partei über Antrag vom am ausbezahlt.
8 Unter Verweis auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (u.a. Littlewoods Retail Ltd, C-591/10) beantragte die mitbeteiligte Partei am für den Zeitraum bis eine Verzinsung des Betrages von 367.081,58 €.
9 Das Finanzamt erließ am einen Bescheid, mit welchem es der mitbeteiligten Partei für die Zeiträume bis sowie bis Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO in Höhe von 10.021,32 € festsetzte. Zur Begründung führte das Finanzamt aus: „Die Beschwerdezinsen waren für jene Abgaben gutzuschreiben, für die aufgrund eines Antrages eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, als Folge der Beschwerde herabgesetzt wurde.“
10 Die gegen den Bescheid vom eingebrachte Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin die mitbeteiligte Partei die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragte.
11 Das Bundesfinanzgericht änderte mit dem angefochtenen Erkenntnis den Bescheid des Finanzamtes ab und setzte Beschwerdezinsen (in Höhe von insgesamt 51.170,02 €) für die Zeiträume bis , bis und bis fest.
12 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht mit der Begründung für zulässig, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verzinsung verspätet erstatteter Umsatzsteuerguthaben gemäß § 205a BAO - insbesondere für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 205a BAO - fehle.
13 Die Revision richtet sich gegen dieses Erkenntnis, soweit mit ihm Zinsen für den Zeitraum bis zugesprochen werden. In der Revision bringt das Finanzamt zur Zulässigkeit u.a. vor, dass ein Abspruch über Beschwerdezinsen für den Zeitraum bis nicht Inhalt des Spruches seines mit Beschwerde bekämpften Bescheides vom gewesen sei. Das Bundesfinanzgericht habe die Sache des Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO) überschritten und das angefochtene Erkenntnis dadurch mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.
14 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zulässige Revision erwogen:
16 Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht - von hier nicht betroffenen Fällen abgesehen - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
17 Die bei der Entscheidung über die Bescheidbeschwerde bestehende Änderungsbefugnis im Sinne des § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO - nach jeder Richtung - ist durch die Sache nach § 279 Abs. 1 erster Satz BAO begrenzt. Sache ist im Bescheidbeschwerdeverfahren die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides erster Instanz gebildet hat (vgl. etwa ; und , 2012/15/0161).
18 Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Beschwerdezinsen für die Zeiträume bis und bis festgesetzt, also nur für Zeiträume, in denen die Regelung des § 205a BAO betreffend Beschwerdezinsen bereits in Kraft war. In Bezug auf den davorliegenden Zeitraum hat das Finanzamt über den Antrag der mitbeteiligten Partei noch nicht abgesprochen, sodass der Antrag insoweit noch vom Finanzamt zu erledigen ist.
19 Die Beschwerde, in der u.a. die Höhe des Zinsanspruches bekämpft wurde, richtete sich gegen den Bescheid des Finanzamts vom . Sache des Beschwerdeverfahrens konnte daher nur der Abspruch über Zinsen für den Zeitraum bis sein (vgl. nochmals ).
20 Das Bundesfinanzgericht hat in seiner Beschwerdeentscheidung auch Beschwerdezinsen für den Zeitraum bis (erstmals) festgesetzt, also für einen Zeitraum, der außerhalb des von der Sache des Beschwerdeverfahrens erfassten Zeitraumes liegt. Dafür war das Bundesfinanzgericht funktionell nicht zuständig.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang, nämlich soweit es Zinsen für den Zeitraum bis betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts aufzuheben.
22 Zur Frage der Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0035, verwiesen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | BAO §279 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2018150026.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-46491