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VwGH 25.03.2024, Ra 2024/13/0027

VwGH 25.03.2024, Ra 2024/13/0027

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BAO §232
BAO §232 Abs1
BAO §243
BAO §270
RS 1
Das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag hat sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des (erstinstanzlichen) Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. , mwN). Auf im Beschwerdeverfahren dem VwG zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise (§ 270 BAO), welche sich allerdings auf die Überprüfung der Frage zu beschränken haben, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages die dafür erforderlichen Voraussetzungen objektiv gegeben waren, ist Bedacht zu nehmen (vgl. ; , 2012/15/0036, mwN).
Normen
BAO §232
BAO §232 Abs1
EStG 1988 §9
RS 2
Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld müssen entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen (vgl. ). Im Rahmen einer vom BFG als möglich erörterten Rückstellungsbildung wären auch zu prognostizierende Vorteile (etwa Regressforderungen) bei hinreichender Sicherheit dieser Vorteile in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verlustkompensierend zu berücksichtigen (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des MMag. Dr. P in W, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105507/2016, betreffend Sicherstellung (§ 232 BAO), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung der Einkommensteuer 2005 bis 2007 sowie Anspruchszinsen 2005 bis 2007 in Höhe von insgesamt ca. 8,6 Mio. € in das Vermögen des Revisionswerbers an. Zu den sicherzustellenden Abgabenansprüchen verwies das Finanzamt - neben einer kurzen Darstellung der Sachverhalte - auf die Niederschrift über eine Schlussbesprechung sowie auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung. Zur Gefährdung führte das Finanzamt aus, die Sachverhalte, die die Abgabenansprüche begründet hätten, seien auch Gegenstand einer Hauptverhandlung am Landesgericht für Strafsachen Wien gewesen. Der Revisionswerber sei zusammen mit dem Zweitangeklagten zum Ersatz des Schadens in Höhe von insgesamt ca. 11,4 Mio. € verurteilt worden. Dem stehe das Gesamtvermögen gegenüber, das der Revisionswerber mit ca. 15 Mio. € beziffert habe und das hauptsächlich aus Liegenschaften bzw. Anteilen an solchen bestehe. Unter Berücksichtigung der Schadenersatzansprüche fänden die Abgabennachforderungen im vorhandenen Vermögen keine Deckung. Die Abgabenbehörde erachte daher die Einbringung als gefährdet. Während der Durchführung der Außenprüfung seien Liegenschaften, die Gesellschaften gehörten, an denen der Revisionswerber als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt sei, veräußert worden; andere Liegenschaften seien aufgrund einer Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit einen Veräußerungs-, Belastungs- und Verpfändungsverbot belegt worden. An Liegenschaften, die dem Revisionswerber persönlich gehörten, bestehe zugunsten eines Familienangehörigen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot. Andere Liegenschaften seien mit Pfandrechten belastet. Aufgrund dieser Verfügungsbeschränkungen sehe die Abgabenbehörde die Einbringung der Abgabennachforderungen als erschwert an. In den im Prüfungszeitraum vorgenommenen Veräußerungen von Liegenschaften liege auch ein Grund, dass von einer Gefährdung oder Erschwernis der Einbringung ausgegangen werden müsse. Weiters seien auch rund 5.000 Anleger mit ihren Schadenersatzansprüchen mit dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Das Jahresnettoeinkommen des Revisionswerbers lasse eine Abstattung der Nachforderungen an Einkommensteuer und Anspruchszinsen in absehbarer Zeit nicht erwarten. Dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Einkommensteuer sei hier gegenüber den Interessen des Abgabepflichtigen der Vorrang einzuräumen, sodass der Sicherstellungsauftrag zu erlassen gewesen sei.

2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die dem Sicherstellungsauftrag zu Grunde liegenden Abgaben seien am - also vor der Erlassung des Sicherstellungsauftrages - in der im Sicherstellungsauftrag genannten Höhe festgesetzt worden. Zum Abgabenanspruch sowie zur Berechnung und Höhe der Abgabennachforderungen werde auf den Bericht der Betriebsprüfung samt Beilagen sowie auf die Bescheide betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen für die Jahre 2005 bis 2007 verwiesen. Da diese Abgaben bereits vor der Erlassung des Sicherstellungsauftrages vorgeschrieben worden seien, könne an der Entstehung der Abgabenansprüche kein Zweifel bestehen. Ob die Abgabenschuldigkeiten zu Recht oder Unrecht vorgeschrieben worden seien, sei nicht im Sicherstellungsverfahren zu prüfen; dies sei den Beschwerdeverfahren gegen die Abgabenbescheide vorbehalten. Aufgrund des Ergebnisses der Außenprüfung sowie aufgrund der in diesem Zusammenhang ergangenen Bescheide zur Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2006 lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass die Abgabenansprüche dem Grunde und der Höhe nach entstanden seien.

6 Die Gefährdung der Einbringlichkeit der Nachforderungen beruhe darauf, dass Nachforderungen in Höhe von ca. 8,6 Mio. € bestünden. Weiters bestehe nach dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom April 2013 eine Haftung des Revisionswerbers zur ungeteilten Hand für Schadenersatzansprüche in Höhe von rund 11,4 Mio. €. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Sicherstellungsauftrages seien gegen den Revisionswerber Klagen mit einem Streitwert von ca. 23 Mio. € anhängig gewesen. Zum Zeitpunkt des Sicherstellungsauftrages habe der Revisionswerber über ein Gesamtvermögen von ca. 15 Mio. € verfügt.

7 Wenn der Revisionswerber die Ansicht vertrete, dass eine noch nicht rechtskräftige gerichtliche Verurteilung noch als (bloß) abstrakte Möglichkeit einer Vermögensminderung anzusehen sei, werde auf § 9 EStG 1988 (Rückstellungen) verwiesen. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung sei der Nachweis konkreter Umstände, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen sei. Bei einem durch Klage geltend gemachten Anspruch liege jedenfalls eine Inanspruchnahme vor. Betreffend Sicherstellung könne insoweit nichts anders gelten, weshalb im Falle der Anhängigkeit von Schadenersatzklagen vom Vorliegen der konkreten Möglichkeit einer Vermögensminderung auszugehen sei. Zweck einer Sicherstellung sei es, einer möglichen Exekution durch andere Gläubiger zuvorzukommen. Müsste das Finanzamt zuwarten, bis in anhängigen Schadenersatzverfahren ein Urteil vorliege, laufe es Gefahr, dass in diesem Fall der obsiegende Gläubiger einer Exekution des Finanzamtes zuvorkomme, da das Ende des Prozesses von der Behörde nicht derart überwacht werden könne, dass ihr dies derart zeitnah bekannt werde, dass sie noch rechtzeitig vor anderen Gläubigern Einbringungsmaßnahmen setzen könnte.

8 Die Haftung des Revisionswerbers für Schadenersatzansprüche in Höhe von ca. 11,4 Mio. € sei mittlerweile (im Oktober 2015) vom Obersten Gerichtshof bestätigt worden. Aber auch wenn diese Haftung im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages noch nicht rechtskräftig festgestellt gewesen sei, so habe bereits aufgrund des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Falle des Eintrittes der Rechtskraft die Gefahr bestanden, dass von den Anspruchsberechtigten Exekutionsschritte zur Eintreibung ihrer Forderungen unternommen würden.

9 Im Falle einer Gesamtschuld sei jeder Schuldner verpflichtet, die gesamte Leistung zu erbringen, falls der Gläubiger sie von ihm fordere. Von welchem Schuldner sich der Gläubiger befriedigen lasse, stehe in seinem Belieben. Dass der Revisionswerber im Fall seiner Inanspruchnahme für die gesamte Summe Regressansprüche gegen den Mitschuldner S geltend machen könne, stehe außer Zweifel. Betreffend G, dessen Strafverfahren ausgeschieden worden sei, bestehe hingegen keine Schadenersatzpflicht, sodass sich daraus der vom Revisionswerber zu tragende Schadenersatz nicht vermindere.

10 Dass Regressansprüche kein sofort verwertbares Vermögen darstellten und die Einbringung der Abgabenansprüche in diesem Fall (sollte der Mitschuldner nicht solvent sein oder der Revisionswerber auf den Regress verzichten) gefährdet seien oder, weil die Einforderung der Regressansprüche neuerliche Gerichtsverfahren nach sich ziehen könnte, zumindest erschwert wäre, sei offensichtlich. Die Regressansprüche könnten daher bei der Bewertung der Vermögenslage des Revisionswerbers nicht berücksichtigt werden.

11 Zum Zeitpunkt des Ergehens des Sicherstellungsauftrages seien gegen den Revisionswerber Klagen mit einem Streitwert von ca. 23 Mio. € anhängig gewesen.

12 Zum Zeitpunkt des Sicherstellungsauftrages habe der Revisionswerber über ein Gesamtvermögen von ca. 15 Mio. € verfügt. Dies sei unbestritten geblieben und sei daher der Entscheidung zu Grunde zu legen.

13 Die Gegenansprüche des Revisionswerbers (Klage mit einem Streitwert von ca. 9,6 Mio. €) könnten nicht berücksichtigt werden, da diese kein sofort verwertbares Vermögen darstellten; der Klageerfolg sei keinesfalls gewiss. Bei der Sicherstellung sei vom „worst case“, somit vom Misserfolg der Klage auszugehen.

14 Die Gefährdung der Einbringlichkeit im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages über ca. 8,6 Mio. € sei sohin darin zu erblicken, dass dem Vermögen des Revisionswerbers in Höhe von ca. 15 Mio. € Beträge von insgesamt mehr als 34 Mio. € (noch nicht rechtskräftige Haftung des Revisionswerbers zur ungeteilten Hand in Höhe von ca. 11,4 Mio. €; weitere anhängige Klagen in Höhe von mehr als 23 Mio. €), bei denen die konkrete Möglichkeit einer Inanspruchnahme bestanden habe, gegenübergestanden seien.

15 Aus der wirtschaftlichen Lage des Revisionswerbers und den besonderen Umständen des Einzelfalles habe zwingend geschlossen werden müssen, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheine.

16 Da dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben nur durch die Sofortmaßnahme der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages habe Rechnung getragen werden können, hätten die berechtigten Interessen des Revisionswerbers in den Hintergrund zu treten.

17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

21 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Bei Prüfung der Gefährdung der Einbringlichkeit seien die tatsächlich bestehenden Verpflichtungen zu berücksichtigen (Hinweis auf ). Das Bundefinanzgericht beziehe sich hingegen auf Umstände, die zu einer Bildung von Rückstellungen führen könnten. Die Bildung einer Rückstellung setze aber gerade nicht das Bestehen einer tatsächlichen Verbindlichkeit voraus; hiefür sei bereits die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Schuld ausreichend. Selbst wenn der Argumentation des Bundesfinanzgerichts gefolgt werde, werde diese vom Bundesfinanzgericht inkonsistent angewendet. Eine Rückstellungsbildung habe nämlich zu unterbleiben, soweit ein Regressanspruch bestehe und dieser Regressanspruch werthaltig sei (Hinweis auf ). Das Bundesfinanzgericht führe hingegen aus, eine Berücksichtigung der Regressansprüche könne nicht erfolgen.

22 Ergänzend macht der Revisionswerber dazu geltend, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob im Zeitpunkt der Sicherstellung anhängige Schadenersatzklagen gegen den Abgabepflichtigen unter Anwendung von § 9 EStG 1988 bei der Beurteilung der Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben zu berücksichtigen seien. Auch liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, ob bei der Beurteilung der Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben sämtliche Umstände, die zu Lasten des Abgabepflichtigen gingen, in vollem Ausmaß zu berücksichtigen seien, Umstände, die aber für den Abgabepflichtigen sprächen, nicht zu berücksichtigen seien, weil bei einer Sicherstellung - wie vom Bundesfinanzgericht ausgeführt - vom „worst case“ auszugehen sei.

23 Weiters macht die Revision geltend, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege eine wesentliche Erschwerung bzw. Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben nicht schon dann vor, wenn zur Einbringung Exekutionsmaßnahmen nicht nur fallweise, sondern in einem wesentlich vermehrten Umfang notwendig seien; ein gesetzlich vorgesehener Weg für die Eintreibung von Geldforderungen könne nicht als Erschwerung der Einbringung angesehen werden. Die Annahme einer wesentlichen Erschwerung setze vielmehr voraus, dass der normale Verlauf eines zur Einbringung erforderlichen Exekutionsverfahrens durch in der Sphäre des Schuldners liegende Umstände in irgendeiner Weise behindert werde, sodass ein objektives sachliches Bedürfnis nach rechtzeitiger Deckung des Anspruchs bestehe (Hinweis auf ). Das Bundesfinanzgericht habe im angefochtenen Erkenntnis keine Anhaltspunkte angeführt, nach denen in der Sphäre des Revisionswerbers liegende Umstände den normalen Verlauf eines Exekutionsverfahrens hätten behindern können. Dass es der Behörde nicht zumutbar sei, den Ausgang eines Prozesses derart zu überwachen, dass sie rechtzeitig vor anderen Gläubigern Einbringungsmaßnahmen setzen könne, stelle keinen Umstand dar, der in der Sphäre des Revisionswerbers liege. Zur Beurteilung, wie wahrscheinlich Einbringungsmaßnamen anderer Gläubiger überhaupt gewesen seien, habe das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen getroffen.

24 Schließlich macht der Revisionswerber geltend, es lägen grobe Begründungs- und Verfahrensmängel vor. Das Bundesfinanzgericht habe sich nicht ausreichend mit den Vermögensverhältnissen des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Die Übernahme der Angaben des Revisionswerbers aus einem Strafverfahren in das Sicherstellungsverfahren, ohne sich mit den Angaben in weiterer Folge in detaillierter Weise auseinander zu setzen, stelle keine ausreichende Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Revisionswerbers im Zeitpunkt der Sicherstellung dar. Das Urteil des Strafgerichtes stamme vom April 2013, die Sicherstellung sei mit Bescheid vom angeordnet worden. Weder das Bundesfinanzgericht noch die Abgabenbehörde hätten sich mit dem Gesamtvermögen des Revisionswerbers im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages hinreichend auseinandergesetzt. Wenn das Bundesfinanzgericht anführe, dass das Gesamtvermögen unbestritten geblieben sei, sei das unrichtig, weil der Revisionswerber den Sicherstellungsauftrag bekämpft habe. Das Bundesfinanzgericht sei seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Dass der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren keine Angaben zum Gesamtvermögen gemacht habe, vermöge nichts daran zu ändern, dass die Abgabenbehörde bei Erlassung des Sicherstellungsauftrages bzw. das Bundesfinanzgericht im Beschwerdeverfahren die erforderlichen Erhebungen dazu hätten machen müssen. Das Bundesfinanzgericht habe auch keine ausreichenden Ermittlungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit möglicher Schadenersatzleistungen getätigt. Das Bundesfinanzgericht sei von einem „worst case“-Szenario ausgegangen. Dass ein derartiges Szenario den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspreche, zeige sich an dem im Jahr 2017 durch den Revisionswerber abgeschlossenen Generalvergleich. Im Rahmen dieses Generalvergleichs habe der Revisionswerber Privatbeteiligtenansprüche in Höhe von ca. 6,6 Mio. € geleistet; die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht seien insoweit von Ansprüchen in Höhe von ca. 11,4 Mio. € ausgegangen.

25 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.

26 Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

27 Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende „Sofortmaßnahme“, die dazu dient, selbst vor Feststellung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind (vgl. ; , Ra 2021/13/0118).

28 Im Revisionsverfahren ist nur strittig, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgaben vorgelegen sind.

29 Eine Gefährdung oder Erschwerung iSd § 232 Abs. 1 BAO liegt vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (vgl. , mwN). Für eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung sprechen etwa drohende Insolvenzverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht, Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte (vgl. z.B. ; vgl. weiters ). Es reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich (vgl. ).

30 Das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag hat sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des (erstinstanzlichen) Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. , mwN). Auf im Beschwerdeverfahren dem Verwaltungsgericht zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise (§ 270 BAO), welche sich allerdings auf die Überprüfung der Frage zu beschränken haben, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages die dafür erforderlichen Voraussetzungen objektiv gegeben waren, ist Bedacht zu nehmen (vgl. ; , 2012/15/0036, mwN).

31 Zunächst ist dem Vorbringen des Revisionswerbers zu erwidern, dass das Bundesfinanzgericht die Sicherstellung (anders als nach dem zu , zu beurteilenden Sachverhalt) nicht darauf gestützt hat, dass eine wesentliche Erschwerung der Einbringung deswegen vorläge, weil zur Einbringung der Abgabenschuld Exekutionsmaßnahmen zu setzen seien. Mit dem darauf gestützten Vorbringen kann sohin keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden.

32 Dem Revisionswerber ist hingegen zuzugestehen, dass im Rahmen der Prüfung eines Sicherstellungsauftrages nicht ohne weiteres von einem „worst case“-Szenario ausgegangen werden kann. Der Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld müssen entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrunde liegen (vgl. ). Auch ist es zutreffend, dass im Rahmen einer vom Bundesfinanzgericht als möglich erörterten Rückstellungsbildung auch zu prognostizierende Vorteile (etwa Regressforderungen) bei hinreichender Sicherheit dieser Vorteile in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verlustkompensierend zu berücksichtigen wären (vgl. , mwN).

33 Im vorliegenden Revisionsverfahren ist die Höhe der (drohenden) Abgabenschuld von ca. 8,6 Mio. € unbestritten. Bestritten werden die Annahmen des Bundesfinanzgerichts zu weiteren Verbindlichkeiten des Revisionswerbers sowie zu dessen Vermögen.

34 Zur Höhe des Vermögens des Revisionswerbers stützte sich das Bundesfinanzgericht auf Angaben des Revisionswerbers im Rahmen des Strafverfahrens. Die Revision macht hiezu geltend, es lägen Verfahrensmängel (insbesondere fehlende Ermittlungen) vor. Es wird aber schon nicht dargelegt, welche Ermittlungen hätten vorgenommen werden sollen. Es wird überdies nicht konkret behauptet, dass dem Revisionswerber weiteres Vermögen (das den Abgabenbehörden und dem Bundesfinanzgericht bisher unbekannt geblieben sei) zur Verfügung gestanden wäre, welches sohin durch weitere Ermittlungen hätte aufgefunden werden können. Damit wird die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels zu diesem Thema nicht dargetan.

35 Zu den weiteren Verbindlichkeiten des Revisionswerbers war zunächst zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber vom Strafgericht (wenn auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages noch nicht rechtskräftig) zu einer Schadenersatzleistung von ca. 11,4 Mio. € verurteilt worden war. Wenn auch diese Verurteilung zur ungeteilten Hand mit einem weiteren Täter erfolgte, so wird aber auch in der Revision nicht aufgezeigt, dass ein allfälliger Regressanspruch gegen den Mitschuldner in einer Höhe durchsetzbar gewesen wäre, der eine Gefährdung oder auch nur wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe hätte hintanhalten können. Aus den in den vorgelegten Verfahrensakten befindlichen Urkunden geht hervor, dass in einer „Zahlungsvereinbarung“ vom März 2016 darauf verwiesen wurde, betreffend den auf den Mitschuldner entfallenden Anteil bestehe das Risiko, dass zumindest ein Restbetrag nicht im Exekutionsweg eingetrieben werden könne. In der Vereinbarung vom April 2017 verpflichtete sich der Revisionswerber gegenüber den Privatbeteiligten auch zur Zahlung eines Teilbetrags, der (anteilige) Ansprüche der Privatbeteiligten gegenüber dem Mitschuldner abgelten sollte. Wie auch aus der Stellungnahme des Revisionswerbers vom hervorgeht, hatte sich der Revisionswerber in der Vereinbarung vom April 2017 („Generalvergleich“) zur Bereinigung der Verbindlichkeiten aus dem Strafurteil sowie der Verbindlichkeiten aus den zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsantrags anhängigen Zivilverfahren zu einer Zahlung von insgesamt 10 Mio. € verpflichtet.

36 Vor diesem Hintergrund kann die Revision aber nicht aufzeigen, dass betreffend die weiteren Verbindlichkeiten des Revisionswerbers ein relevanter Verfahrensmangel darin bestünde, dass das Bundesfinanzgericht die für den Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrags im Februar 2014 anzustellende Prognose betreffend die Eintrittswahrscheinlichkeit möglicher Schadenersatzleistungen (samt dabei zu berücksichtigender Regressansprüche) in einer für die Entscheidung relevanten Weise mangelhaft vorgenommen hätte: Bei einem dem Revisionswerber zur Abstattung der Verbindlichkeiten zur Verfügung stehenden Vermögen von 15 Mio. € und einer Belastung mit sonstigen Verbindlichkeiten (unter Berücksichtigung des Vorbringens des Revisionswerbers zur zu prognostizierenden Eintrittswahrscheinlichkeit der Schadenersatzverpflichtung samt dabei bestehender Regressmöglichkeiten) von 10 Mio. € ist der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, die Einbringlichkeit einer Abgabenforderung von ca. 8,6 Mio. € sei nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde voraussichtlich gesichert, im Ergebnis nicht entgegenzutreten.

37 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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BAO §232 Abs1
BAO §243
BAO §270
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §9
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130027.L00
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AAAAF-46435