VwGH 24.08.2023, Ra 2023/22/0099
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | § 25 ZustG ist infolge seiner Subsidiarität zu § 8 ZustG nicht anzuwenden, wenn ein Fall des § 8 ZustG vorliegt (). |
Normen | |
RS 2 | Ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG kommt - mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über eine Änderung der Abgabestelle - dann nicht in Betracht, wenn eine Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte (Hinweis E vom , 2011/21/0244). Dass eine Partei allenfalls ihren nach dem AsylG 2005 bestehenden Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist, ist dabei nicht relevant, weil es für die Zustellung nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG nur auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 8 Abs. 1 ZustG ankommt. Davon zu unterscheiden ist jene Sachverhaltskonstellation, in der eine Partei die unverzügliche Mitteilung der Änderung ihrer Abgabestelle unterlassen hat, wobei auch die Aufgabe einer Abgabestelle (selbst bei anschließender Obdachlosigkeit) eine solche Änderung darstellt (Hinweis E vom , 2001/01/0559). Im gegenständlichen Fall stellte der Revisionswerber während seiner Schubhaft im Polizeianhaltezentrum einen (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz, er war dort auch laut eingeholter Melderegister-Auskunft bis zu seiner Haftentlassung gemeldet und verfügte über eine Abgabestelle (Hinweis E vom , 2006/20/0035). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2014/20/0184 B RS 1 (hier nur der erste Satz) |
Normen | VwGG §42 Abs2 Z1 ZustG §25 Abs1 |
RS 3 | Da mit der Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, verbunden sind, ist die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten. Es ist bei dieser Zustellungsform als "ultima ratio" ein eher strenger Maßstab anzulegen (Hinweis E , 97/08/0564). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/11/0056 E RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung setzt voraus, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (Hinweis E , Zl. 95/04/0201, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/05/0295 E RS 4 |
Normen | |
RS 5 | Für die Erfüllung der Verpflichtung der Behörde iSd § 25 Abs 1 ZustG, die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits aber auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen - etwa Angehörige, Nachbarn, etc. -, in Betracht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2003/11/0056 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des L, geboren 1980, vertreten durch Dr. Astrid Zakarias, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Canovagasse 7/10a, der gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom , I415 2257879-1/3E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung und Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragstattgegeben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom wurde der Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Mit der angefochtenen Entscheidung wurden der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen und die Beschwerde gegen den genannten Bescheid gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
2 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
3 Der Revisionswerber legte in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dar, aus welchen Gründen für ihn mit einem Vollzug der angefochtenen Entscheidung ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die belangte Behörde hat dazu nicht Stellung genommen. Dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden, ist nicht ersichtlich, sodass dem Antrag stattzugeben war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision des L J D, vertreten durch Dr. Astrid Zakarias, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Canovagasse 7/10a, gegen die Entscheidung (Erkenntnis und Beschluss) des Bundesverwaltungsgerichtes vom , I415 2257879-1/3E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem FPG als verspätet (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtene Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) vom wurde der Revisionswerber, ein polnischer Staatsangehöriger, gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt.
2 Die belangte Behörde ordnete am in ihrer Zustellverfügung die Zustellung dieses Bescheids an den Revisionswerber mittels RSb-Brief an der im Zentralen Melderegister (ZMR) aufscheinenden Adresse (einer Obdachloseneinrichtung) an und verfügte gleichzeitig die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG).
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom Beschwerde und beantragte die Feststellung ihrer Rechtzeitigkeit. Dies wurde damit begründet, dass ihm der Bescheid vom erst am ausgehändigt worden und damit zugekommen sei. In eventu stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
4 Mit der angefochtenen Entscheidung vom wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis ab und die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG mit Beschluss als verspätet zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es jeweils für unzulässig.
5 Das BVwG stellte - soweit für die vorliegende Revisionssache maßgeblich - fest, der Revisionswerber sei am von Beamten einer Landespolizeidirektion einer Personenkontrolle unterzogen worden. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom selben Tag sei er darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet gemäß § 66 FPG beabsichtigt werde, weil ihm kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme. Die „Zustellbestätigung“ dieses Schriftsatzes sei vom Revisionswerber verweigert worden. Mit Bescheid vom sei er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Die belangte Behörde habe einen Zustellversuch mittels RSb-Brief an der beim Revisionswerber im Auszug aus dem ZMR aufscheinenden Adresse einer Obdachloseneinrichtung unternommen, das Schreiben sei jedoch mangels Abholung mit dem Vermerk „Retour, nicht behoben“ an die belangte Behörde zurückgesendet worden. Gleichzeitig habe die belangte Behörde jedoch die öffentliche Bekanntmachung des Bescheids gemäß § 25 ZustG veranlasst, weshalb die vierwöchige Rechtsmittelfrist mit Ablauf des geendet habe. Das BVwG stellte weiters fest, der Revisionswerber sei von bis als obdachlos gemeldet gewesen und habe ab in Österreich seinen Hauptwohnsitz im Chancenhaus H. angemeldet.
6 Rechtlich folgerte das BVwG, der Revisionswerber sei bereits zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung als obdachlos gemeldet gewesen und habe über keine Abgabestelle verfügt, weshalb er der belangten Behörde im Verfahren auch keine Änderung der Abgabestelle im Sinn des § 8 ZustG mitteilen hätte können. Die belangte Behörde habe - ohne Erfolg - versucht, dem Revisionswerber den Bescheid vom per RSb-Brief an der im ZMR aufscheinenden Adresse einer Obdachloseneinrichtung zuzustellen. Der Revisionswerber sei unbekannten Aufenthalts gewesen, weshalb ihn die belangte Behörde auch nicht zu einer allfällig vorhandenen Abgabestelle befragen habe können. Zudem seien sonstige Personen, die für gewöhnlich seinen Aufenthaltsort kennen würden, nicht bekannt gewesen. Die belangte Behörde habe demnach alle ihr zumutbaren Ermittlungen unternommen und die Zustellung des Bescheids sodann zu Recht auf § 25 ZustG gestützt. Da die Zustellung zwei Wochen nach der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde, somit am , als bewirkt gelte, habe die vierwöchige Beschwerdefrist am geendet. Die Beschwerde vom sei somit außerhalb der Beschwerdefrist bei der belangten Behörde eingelangt und daher als verspätet zurückzuweisen gewesen. In der Folge hielt das BVwG zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit näherer Begründung fest, den Revisionswerber habe an der Versäumung der Beschwerdefrist nicht nur ein minderer Grad des Versehens getroffen.
7 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
9 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe zumutbare Nachforschungen - wie etwa die telefonische oder persönliche Nachfrage bei der entsprechenden Servicestelle für Obdachlose, bei der der Revisionswerber als obdachlos gemeldet gewesen sei - unterlassen und damit nicht alle ihr zu Gebote stehenden Mittel ausgeschöpft, um seine Abgabestelle zu ermitteln. Jedenfalls hätte es - wenn man zur Auffassung gelange, der Aufenthalt des Revisionswerbers sei unbekannt - aufgrund der Wichtigkeit der Sache zu einer Bestellung eines Abwesenheitskurators im Sinn des § 11 AVG kommen müssen. Das BVwG wäre somit bei richtiger rechtlicher Beurteilung zum Ergebnis gelangt, dass die Zustellung des Bescheids durch öffentliche Bekanntmachung nicht rechtswirksam erfolgt sei. Da ihm der Bescheid vom erst am ausgehändigt worden sei und daher mit diesem Tag als zugestellt gelte, sei die Beschwerde fristgerecht eingebracht worden. Zudem hätte das BVwG angesichts der vorliegenden Ermittlungsmängel nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.
10 Die Revision erweist sich im Hinblick darauf unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig und auch als berechtigt.
11 Unbestritten geblieben ist im vorliegenden Fall, dass keine rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung nach § 17 ZustG erfolgt ist.
12 Nach § 25 Abs. 1 ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 ZustG vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments (§ 24 ZustG) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
13 § 25 ZustG ist infolge seiner Subsidiarität zu § 8 ZustG somit nicht anzuwenden, wenn ein Fall des § 8 ZustG vorliegt (vgl. , mwN).
14 Nach § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
15 Ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 23 ZustG kommt somit - mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über eine Änderung der Abgabestelle - dann nicht in Betracht, wenn eine Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte (vgl. etwa , mwN).
16 Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG war der Revisionswerber bereits seit dem (bis zum ) und somit auch zum Zeitpunkt der - den Ausgangspunkt für das verfahrensgegenständliche Ausweisungsverfahren der belangten Behörde bildenden - Personenkontrolle samt Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme am als obdachlos gemeldet. Ebenso unbestritten ist, dass der Revisionswerber der belangten Behörde auch sonst keine Abgabestelle bekannt gegeben hat. Es ist daher dem BVwG zunächst nicht entgegenzutreten, wenn es im Einklang mit der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen ist, der Revisionswerber habe von Anfang an über keine Abgabestelle verfügt, weshalb ein Vorgehen der belangten Behörde nach § 8 Abs. 2iVm § 23 ZustG nicht in Betracht gekommen sei (vgl. im Übrigen dazu, dass auch eine Kontaktstelle gemäß § 19a MeldeG nach § 11 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG in Verfahren vor dem BFA keine Abgabestelle im Sinn des ZustG darstellt, , Rn. 14).
17 Zu der - wie hier betreffend den Bescheid vom durch die belangte Behörde erfolgten und vom BVwG nicht beanstandeten - Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass an diese als ultima ratio ein strenger Maßstab anzulegen ist, weil mit der Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, verbunden ist. Die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ist daher als Ausnahmefall zu betrachten (vgl. etwa , Rn. 9, mwN).
18 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraussetzt, dass die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat. Für die Erfüllung ihrer Verpflichtung, die Abgabestelle einer Person festzustellen, kommen für die Behörde einerseits eine Anfrage an die Meldebehörden, andererseits aber auch Auskünfte von Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie die Abgabestelle des Empfängers kennen (etwa Angehörige, Nachbarn, etc.), in Betracht (vgl. etwa , Rn. 23, mwN).
19 Diesen Anforderungen wurde im vorliegenden Fall nicht entsprochen: Weder der angefochtenen Entscheidung noch dem vorliegenden Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde alle ihr im Sinn der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle des Revisionswerbers ausgeschöpft hat. Vielmehr hat die belangte Behörde gleichzeitig mit dem Versuch der Zustellung mittels RSb-Brief an der im ZMR aufscheinenden Adresse einer Servicestelle für Wohnungslose angeordnet, den verfahrensgegenständlichen Bescheid mittels öffentlicher Bekanntmachung zuzustellen, ohne überhaupt das Ergebnis der Zustellung mittels RSb-Brief abzuwarten und ohne nach dem Einlangen des mit dem Vermerk „Retour, nicht behoben“ zurückgesendeten RSb-Briefs weitere Ermittlungen betreffend die Abgabestelle des Revisionswerbers anzustellen. Insbesondere wäre es in diesem Zusammenhang für die belangte Behörde zumutbar gewesen, nach dem Einlangen des zurückgesendeten RSb-Briefs bei der im ZMR-Auszug des Revisionswerbers aufscheinenden Adresse einer Servicestelle für Wohnungslose - etwa telefonisch oder per E-Mail - hinsichtlich des Aufenthaltsorts des Revisionswerbers nachzufragen (vgl. etwa zur Befragung eines Unterkunftgebers ). Mangels Vorliegen der Voraussetzungen ist eine rechtswirksame Zustellung des Bescheids vom durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 Abs. 1 ZustG somit nicht erfolgt (vgl. erneut VwGH Ra 2020/10/0036, Rn. 11, mwN).
20 Indem das BVwG die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als rechtswirksam erachtete und deshalb die Beschwerde mit Beschluss als verspätet zurückwies, verkannte es somit die Rechtslage. Damit kann aber auch die Abweisung des in eventu gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Bestand haben, weil ein Eventualantrag unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt, und die Erledigung eines Eventualantrages vor dem Eintritt des Eventualfalles diese mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. etwa , Rn. 9, mwN).
21 Die angefochtene Entscheidung war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG zur Gänze wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.
22 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023220099.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-46408