VwGH 11.07.2024, Ra 2023/16/0139
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Mit einem Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen (hier des Doppelbestrafungsverbotes gemäß Art. 4 7. ZPMRK) kann eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht begründet werden (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/05/0043 B RS 1 (hier ohne den fallspezifischen Zusatz) |
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RS 2 | Die vom Geschäftsverteilungsausschuss des VwG beschlossene Geschäftsverteilung ist als gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG zu qualifizierender Akt der Gerichtsbarkeit der Überprüfung durch den VwGH entzogen (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/21/0321 B RS 1 |
Normen | |
RS 3 | Entscheidet ein nach der Geschäftsverteilung des BVwG nicht zuständiger (Einzel-)Richter, so führt dies im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH zur Aufhebung der Entscheidung wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Revisionsverfahren vor dem VwGH zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BVwG (Hinweis E , 2011/16/0052; E , Ra 2014/18/0161; E , Ra 2016/19/0221; E , VfSlg. 19514). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/21/0032 E RS 2 (hier: BFG) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des M H in W, vertreten durch die Dr. Dr. Josef Wieser Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 10, EG links, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7200049/2021, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom stellte das damalige Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien (nunmehr und im Folgenden: Zollamt) fest, für den Revisionswerber sei durch die Nichterfüllung einer der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union die Eingangsabgabenschuld für näher genannte Armbanduhren iHv insgesamt 16.838,50 € (darin enthalten Zoll iHv 1,60 €, Einfuhrumsatzsteuer iHv 16.292,17 € und Zinsen iHv 544,73 €) entstanden. Unter einem forderte das Zollamt den Revisionswerber zur Entrichtung der Abgabenschuld innerhalb einer Frist von zehn Tagen auf.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesfinanzgericht - nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung des Zollamts und infolge eines Vorlageantrags des Revisionswerbers - mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
3 Dagegen richtet sich die Revision, die das Bundesfinanzgericht dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der verwaltungsgerichtlichen Akten vorlegte.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision zunächst vor, die Geschäftsverteilung des Bundesfinanzgerichts 2021 (GV BFG 2021) widerspreche dem Art. 87 B-VG, wonach die Geschäfte für die Richter des Gerichts im Voraus zu verteilen seien, sodass es für einen Rechtsfall einen zuständigen Richter gebe. Aus der GV BFG 2021 sei nicht ersichtlich, welcher der fünf für Angelegenheiten, in denen das Zollamt als Abgabenbehörde belangte Behörde sei, zuständigen Richter konkret für einen Beschwerdefall zuständig sei.
8 Diesem Zulässigkeitsvorbringen ist zunächst zu entgegnen, dass ein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Bestimmungen keine vom Verwaltungsgerichtshof zu beantwortende grundsätzliche Rechtsfrage bewirken kann (vgl. ; , Ra 2021/05/0027, mwN). Die Geschäftsverteilung als gemäß Art. 87 Abs. 2 B-VG zu qualifizierender Akt der Gerichtsbarkeit ist überdies der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen (vgl. , mwN, , mwN). Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision somit nicht dargelegt.
9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision des Weiteren vor, dass das Bundesfinanzgericht nach den Regelungen der GV BFG 2021 nicht zuständig gewesen sei. Der regionale Anknüpfungspunkt für die Beschwerdesache sei Wien und nicht die Steiermark gewesen.
10 Der dem (für die „ordentliche“ Gerichtsbarkeit geltenden) Art. 87 Abs. 3 B-VG nachgebildete Art. 135 Abs. 3 B-VG statuiert auch für die Verwaltungsgerichte den „Grundsatz der festen Geschäftsverteilung“. Diese Einrichtung steht (unter anderem) auch im engen Zusammenhang mit dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter im Sinn des Art. 83 Abs. 2 B-VG. Im Geltungsbereich des verfassungsgesetzlich geregelten Prinzips der festen Geschäftsverteilung bedeutet diese Garantie auch das Recht auf eine Entscheidung durch den gemäß der Geschäftsverteilung zuständigen Organwalter; in diesem Sinn handelt es sich bei der Geschäftsverteilung um eine zuständigkeitsbegründende Rechtsvorschrift.
11 Entscheidet daher ein nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts nicht zuständiger (Einzel-)Richter, so führt dies im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Aufhebung der Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts (vgl. iZm dem BVwG , sowie zuletzt etwa , jeweils mwN).
12 Gemäß § 9 Abs. 9 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) kann der Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Diese einfachgesetzliche Regelung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 3 B-VG (vgl. zu der weitgehend gleichlautenden Regelung des § 17 Abs. 3 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz ; , Ra 2018/01/0184, jeweils mwN).
13 Aus dem vorgelegten Verwaltungsgerichtsakt ergibt sich, dass die Rechtssache neu zugeteilt wurde. Infolge der Versetzung der zuständigen Leiterin der Gerichtsabteilung 1019 in den Ruhestand lag eine Verhinderung im Sinne des § 9 Abs. 9 BFGG vor. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurden die in der Gerichtsabteilung 1019 zum Stichtag anhängigen Rechtssachen den Gerichtsabteilungen 1068 und 3011 im Wege des automationsunterstützen Aktenverteilungsprogramms jeweils neu zugeteilt. In Folge dieser Neuzuteilung erkannte der Leiter der Gerichtsabteilung 3011 über die Beschwerde des Revisionswerbers. Eine Rechtswidrigkeit dieser Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses und damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Revision nicht auf (vgl. erneut etwa , mwN).
14 Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, in der Beschwerdeverhandlung sei (für den in der Beschwerdeverhandlung anwaltlich vertretenen Revisionswerber) kein gerichtlich beeideter Dolmetscher hinzugezogen worden, wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht (vgl. etwa ). Bei Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe ist auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzutun. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Derartige Ausführungen enthält das Revisionsvorbringen nicht (vgl. , mwN). Dies gilt ebenso für das Zulässigkeitsvorbringen, die Niederschrift über die mündliche Beschwerdeverhandlung sei erst sechs Tage nach Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an den Revisionswerber übermittelt worden.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BFGG 2014 §13 BFGG 2014 §9 Abs9 B-VG Art133 Abs4 B-VG Art135 Abs2 B-VG Art135 Abs3 B-VG Art83 Abs2 B-VG Art87 Abs2 VwGG §34 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023160139.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-46404