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VwGH 26.06.2024, Ra 2023/15/0011

VwGH 26.06.2024, Ra 2023/15/0011

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
RS 1
Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seiner Ehegattin bzw. Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. , mwN) und ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2023/15/0087 E RS 1
Normen
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
RS 2
Eine unzumutbare Verlegung des Familienwohnsitzes zum Dienstort liegt u.a. dann vor, wenn steuerlich relevante Einkünfte des Ehepartners bei der Verlegung des Familienwohnsitzes verloren gingen, wobei das Gewicht des Beitrags der vom Ehepartner erzielten Einkünfte zum Familieneinkommen zu berücksichtigen ist (vgl. bereits ; , 2003/13/0154).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Klagenfurt, St. Veit, Wolfsberg in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100363/2022, betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018 (mitbeteiligte Partei: S K in K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Familienwohnsitz der Mitbeteiligten befand sich - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Streitzeitraum (2017 und 2018) in 1120 Wien, wo sie seit 2010 mit ihrem Ehepartner wohnte. In Wien hatte die Mitbeteiligte in diesen Jahren ihre wichtigste familiäre Bindung, nämlich die Bindung zu ihrem Ehepartner, mit dem sie idR zwischen Donnerstag und Sonntag in Wien zusammen war. Die Mitbeteiligte war zunächst in Wien, ab jedoch in Klagenfurt nichtselbstständig berufstätig, wo sie im September 2016 eine Eigentumswohnung erwarb. Klagenfurt war im Streitzeitraum (und darüber hinaus) nur die Stadt, in der sie ihrer Berufstätigkeit nachging, und in welcher sie deshalb alleine wohnte. IdR fuhr sie mit dem PKW oder mit der Bahn am Donnerstag nach Wien und kehrte am Montag an den Arbeitsplatz in Klagenfurt zurück.

2 Der Ehepartner der Mitbeteiligten arbeitete im Zeitraum 2016 bis 2019 in Linz, wobei er Einkünfte in Höhe von 134.000 € im Jahr erzielte. Es gelang ihm in den Jahren 2018 und 2019 nicht, in Kärnten einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. An den Arbeitstagen wohnte er überwiegend in T./OÖ (10 km von Linz entfernt), später G./OÖ (98 km westlich von Linz). Die Wochenenden von Donnerstag bis Sonntag verbrachte er idR mit seiner Frau in ihrer gemeinsamen Wiener Wohnung.

3 In ihren Einkommensteuererklärungen 2018 und 2019 beantragte die Mitbeteiligte den Ansatz von Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von jeweils 3.672 € sowie von Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 9.675,26 € bzw. 9.593,06 €.

4 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt - nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - die Einkommensteuer fest, ohne Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten zu berücksichtigen.

5 Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde und stellte nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen Vorlageanträge.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision nicht zugelassen wurde, gab das BFG den Beschwerden der Mitbeteiligten teilweise Folge und änderte die Steuerfestsetzungen zu ihren Gunsten ab. Begründend führte es aus, die Eheleute seien im Streitzeitraum an verschiedenen Orten (Klagenfurt bzw. Linz) berufstätig gewesen und eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz in Wien sei sowohl der Mitbeteiligten als auch ihrem Ehepartner nicht zumutbar gewesen, weil die Distanz zwischen ihrem Beschäftigungsort in Klagenfurt und dem Familienwohnsitz in Wien über 300 km bzw. die Distanz zwischen seinem Beschäftigungsort in Linz und dem Familienwohnsitz in Wien über 170 km betragen habe.

7 Eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Klagenfurt sei der Mitbeteiligten - bedingt durch den Arbeitsplatz des Ehemanns in Linz - nicht zumutbar gewesen, weil sich dadurch die Wegstrecke von dessen Arbeitsplatz in Linz nach Klagenfurt (257 km) - verglichen mit der Wegstrecke von Linz nach Wien (174 km) - beträchtlich verlängert hätte. Es sei nachvollziehbar, dass die Mitbeteiligte auf die Bedürfnisse ihres Ehepartners Rücksicht nehme. Es wäre ihr aber umgekehrt auch nicht zumutbar gewesen, den Familienwohnsitz von Wien in den Nahbereich des Arbeitsplatzes ihres Ehemanns nach Linz zu verlegen, weil sich dadurch ihre Fahrtzeit am Wochenende (Donnerstag bis Sonntag) bei Fahrten mit der Eisenbahn (48 bis 51% aller Fahrten der Mitbeteiligten zum/vom Familienwohnsitz hätten mit der Eisenbahn stattgefunden) wesentlich verlängert hätte (4 h 25 Minuten Fahrtzeit mit der Eisenbahn Klagenfurt-Linz, verglichen mit 3 h 49 Minuten Fahrtzeit mit der Eisenbahn Klagenfurt - Wien Meidling), wobei sich auch die Fahrtkosten am Wochenende etwas erhöht hätten. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, dass es der Mitbeteiligten und ihrem Ehemann zumutbar gewesen wäre, in den Jahren 2018 und 2019 den Familienwohnsitz nach Linz oder in den Nahbereich von Linz zu verlegen, hätten sich dadurch die Kosten der doppelten Haushaltsführung der Mitbeteiligten in Klagenfurt nicht geändert, weil ihr Arbeitsplatz in Klagenfurt und ein Familienwohnsitz in Linz davon ebenfalls weit entfernt gelegen wäre. Zudem hätten sich bei einer Verlegung des Familienwohnsitzes von Wien nach Linz auch die Fahrtkosten der Mitbeteiligten für Familienheimfahrten nicht reduziert, sondern sogar etwas erhöht. Die Mitbeteiligte habe daher das Recht, die Kosten der doppelten Haushaltsführung (Kosten der Wohnung in Klagenfurt) und die Kosten der Familienheimfahrten von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.

8 Der Höhe nach seien die Kosten der doppelten Haushaltsführung allerdings zu reduzieren, weil die von der Mitbeteiligten erworbene Wohnung eine Größe von 73,96 m² ohne Berücksichtigung der Fläche des Balkons aufweise. Um die unvermeidlichen Kosten der Unterbringung abzudecken, wäre jedoch die Anschaffung einer ebenso zweckentsprechenden 50 bis 53 m² großen, aber wesentlich preisgünstigeren 2-Zimmer-Wohnung ausreichend gewesen. Auch eine solche Wohnung hätte ihren Zweck erfüllt und der Mitbeteiligten eine für sie alleine ausreichende Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort ermöglicht. Nach Auswertung von Vergleichspreisen für 50-53 m² große 2-Zimmer-Wohnungen in derselben Wohnanlage und Ausscheidung des entsprechenden Anteils für Grund und Boden reduzierte das BFG - nach Vorhalt an die Mitbeteiligte - die anzuerkennende AfA.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, es fehle insbesondere Rechtsprechung zur Frage, ob es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes des Steuerpflichtigen darauf ankommen könne, dass dem (Ehe)Partner, der am Familienwohnsitz selbst keine steuerlich relevanten Einkünfte beziehe, eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zugemutet werden könne, weil sich dessen Wegstrecke von seinem eigenen Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz durch die Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich des Beschäftigungsortes des Steuerpflichtigen verlängern würde.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt von Steuerpflichtigen und für den Unterhalt ihrer Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen und Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung von Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit der Steuerpflichtigen erfolgen.

15 Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen und gilt somit vorerst als privat veranlasst. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass sie am Beschäftigungsort wohnen müssen und ihnen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl. , mwN; , 2006/15/0047, mwN).

16 Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit seiner (Ehe-)Partnerin einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft und ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. , mwN).

17 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach ausgesprochen hat, liegt eine unzumutbare Verlegung des Familienwohnsitzes zum Dienstort u.a. dann vor, wenn steuerlich relevante Einkünfte des Ehepartners bei der Verlegung des Familienwohnsitzes verloren gingen, wobei das Gewicht des Beitrags der vom Ehepartner erzielten Einkünfte zum Familieneinkommen zu berücksichtigen ist (vgl. bereits ; , 2003/13/0154).

18 Das BFG hat vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im angefochtenen Erkenntnis Feststellungen zu den Einkünften des Ehemanns sowie zu den Entfernungen (und Fahrtzeiten mit PKW und Zug) zwischen Klagenfurt (Dienstort der mitbeteiligten Ehefrau) einerseits und Linz (Dienstort des Ehemanns) andererseits sowie zwischen den Dienstorten der Eheleute und dem seit 10 Jahren (und damit bereits vor den Dienstantritten an den auswärtigen Dienstorten der Eheleute) bestehenden Familienwohnsitz getroffen, die beträchtliche Unterschiede aufwiesen. Zudem hat es festgestellt, dass es dem Ehemann in den Streitjahren 2018 und 2019 nicht gelungen sei, in Kärnten einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden (und somit seine festgestellten Einkünfte aufrecht zu erhalten).

19 Im Lichte dieser Feststellungen ist das BFG fallbezogen zu dem Schluss gelangt, dass der Mitbeteiligten im Streitzeitraum eine Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich ihres Dienstortes nicht zumutbar war und folglich ihre (Mehr)Aufwendungen für „Familienheimfahrten“ bzw. „doppelte Haushaltsführung“ in den Streitjahren steuerlich noch anzuerkennen waren.

20 Dass das BFG insoweit von der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur doppelten Haushaltsführung bei Erwerbstätigkeit des Ehepartners abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf.

21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150011.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-46329