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VwGH 24.08.2023, Ra 2023/13/0026

VwGH 24.08.2023, Ra 2023/13/0026

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BAO §173 Abs1
BAO §269 Abs1
VwRallg
RS 1
Es steht im Ermessen des BFG, ob eine Aussage des Zeugen schriftlich eingeholt wird. Kommt es im Hinblick auf die Klärung einer strittigen Sachfrage auf den persönlichen Eindruck vom Zeugen an, wird eine persönliche Befragung des Zeugen erforderlich sein; soll hingegen der Zeuge seine Angaben insbesondere aus ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen schöpfen, wird eine schriftliche Befragung in Frage kommen (vgl. z.B. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2022/13/0070 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des L in M, vertreten durch Dr. Gerald Zauner, Mag. Albrecht Zauner, Mag. Barbara Schachermayr und Dr. Christoph Koller, Rechtsanwälte Partnerschaft in 4020 Linz, Graben 21, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100155/2020, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Revisionswerber als Geschäftsführer der A GmbH für deren aushaftende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 18.178,43 € zur Haftung heran.

2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, er sei zwar im angegebenen Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der A GmbH gewesen, dies aber nur „auf dem Papier“. V habe alle Geschäfte geführt. Der Revisionswerber selbst sei nur als „einfacher Arbeiter“ tätig gewesen. Er sei nur einmal am Anfang der Gründung des Unternehmens zur Unterzeichnung beim Notar sowie einmal auf der Bank zur Kontoeröffnung sowie zum Schluss beim Verkauf des Unternehmens gewesen. Alle weiteren Schritte seien ihm nicht bekannt gegeben und auch nicht von ihm getätigt worden; insbesondere habe er keine Zahlungen getätigt. Auch sei ihm vom Steuerberater mitgeteilt worden, dass V mit der Unterschrift des Revisionswerbers Dokumente unterzeichnet habe.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

4 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Er sei kroatischer Staatsbürger, er verfüge über keine Deutschkenntnisse. Die A GmbH sei über Initiative des V errichtet worden. Der Revisionswerber habe keine, zumindest keine vollständige Kenntnis davon gehabt, dass er zum Geschäftsführer bestellt worden sei. Der Revisionswerber sei nur als Bauarbeiter für die A GmbH tätig gewesen. Er habe über keine Zeichnungsberechtigung auf Bankkonten der Gesellschaft verfügt. Er habe für seine Arbeitsleistungen als Bauarbeiter lediglich Lohn bezogen, der von V zumeist in bar übergeben worden sei. Den Revisionswerber treffe kein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Abgabenverbindlichkeiten. Dem Revisionswerber sei zur Kenntnis gelangt, dass V einen Steuerberater mit der Buchführung und steuerlichen Vertretung für die A GmbH beauftragt habe. Der Revisionswerber habe daher darauf vertrauen dürfen, dass durch den Steuerberater alle Meldepflichten und Erklärungspflichten ordnungsgemäß erfüllt würden. Ein Anlass, die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu überprüfen, habe nicht bestanden. Zwischenzeitig sei dem Revisionswerber auch bekannt geworden, dass V offenbar in der Vergangenheit diverse Urkunden mit dem (gefälschten) Namen des Revisionswerbers unterfertigt habe. Um welche Urkunden es sich dabei genau handle, sei dem Revisionswerber nicht bekannt. Mit einer ergänzenden Eingabe beantragte der Revisionswerber die Vernehmung von drei Zeugen (V, Notar B und Bankmitarbeiter Z) insbesondere zum Beweis seiner fehlenden Sprachkenntnisse; es werde beantragt, die Zeugen zur mündlichen Verhandlung zu laden.

5 Das Bundesfinanzgericht forderte die Zeugen jeweils zur schriftlichen Zeugenaussage auf. Der Zeuge Z beantwortete die an ihn gestellten Fragen schriftlich. Für den Zeugen B gab dessen Ehefrau an, dieser sei nicht mehr „handlungsfähig“ (nach der vorgelegten ärztlichen Bestätigung: nicht mehr in der Lage, eine zuverlässige schriftliche Aussage abzugeben). Der Zeuge V legte per E-Mail eine nicht unterfertigte Stellungnahme vor. Das Bundesfinanzgericht übermittelte diese Beweisergebnisse dem Revisionswerber zur Stellungnahme. Der Revisionswerber erklärte, es sei unverständlich, warum die Aussagen der Zeugen, insbesondere des V, nur schriftlich eingeholt worden seien. Insbesondere bei V erscheine es für die Glaubwürdigkeit unausweichlich, auch einen persönlichen Eindruck zu gewinnen. Betreffend den Zeugen Z seien weitere, in der Eingabe genannte Fragen abzuklären. Es werde dazu eine mündliche Beschwerdeverhandlung, insbesondere unter persönlicher Ladung der Zeugen V und Z beantragt.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, unbestritten sei, dass der Revisionswerber von bis als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen gewesen sei. Die Abgabenschulden seien bei der Primärschuldnerin infolge Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens uneinbringlich. Dass die Haftungsschulden zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht entrichtet worden seien, werde ebenfalls nicht in Abrede gestellt.

8 Der Revisionswerber habe am Unterschriften in Anwesenheit eines Notars geleistet. Weiters habe er einen Antrag an das Firmenbuchgericht unterzeichnet, die Geschäftsanschrift der Gesellschaft zu ändern. Schließlich habe er auch die beim Firmenbuchgericht eingereichten Jahresabschlüsse 2015 und 2016 unterzeichnet. Er könne sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm seine Geschäftsführerbestellung verborgen geblieben sei. Auffällig sei auch, dass der - zum damaligen Zeitpunkt noch unvertretene - Revisionswerber in der Beschwerde noch mit keinem Wort erwähnt habe, seine Geschäftsführerbestellung nicht erkannt zu haben. Die ersten Angaben würden aber erfahrungsgemäß den tatsächlichen Gegebenheiten am nächsten kommen.

9 Zu den Beweisanträgen des Revisionswerbers sei auszuführen, dass ein Beweisantrag „zum Beweis seines Vorbringens“ betreffend das Beweisthema zu ungenau sei. Zu den fehlenden Sprachkenntnissen habe der Zeuge Z angegeben, dass die Sprachkenntnisse des Revisionswerbers jedenfalls eingeschränkt gewesen seien. In welchem Umfang der Revisionswerber der Unterhaltung in deutscher Sprache habe folgen können, könne er nicht beurteilen. Der Revisionswerber sei im Beisein des Prokuristen der Primärschuldnerin (V) vorstellig geworden. Dieser habe vermutlich in die Muttersprache des Revisionswerbers übersetzt. V habe angegeben, dass der Revisionswerber über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge und um die Bedeutung der Geschäftsführerbestellung Bescheid gewusst habe. Dem Einwand des Revisionswerbers, die „schriftliche“ Aussage des V sei nicht einmal handschriftlich unterfertigt, sei zu entgegnen, dass § 166 BAO den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel enthalte und somit auch die Berücksichtigung von Aussagen per E-Mail erlaube. Dem Einwand, es sei unverständlich, warum die Aussage von V schriftlich eingeholt worden sei, sei zu erwidern, dass die Entscheidung, ob ein Zeuge zwecks Einvernahme vorgeladen oder seine Aussage schriftlich eingeholt werde, eine Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde bzw. des Bundesfinanzgerichts sei. Aufgrund welcher Überlegungen V die beiden Fragen, wären sie persönlich an ihn gerichtet worden, abweichend beantwortet hätte, sei nicht nachvollziehbar. Die im Schreiben vom gestellten weiteren Beweisanträge (ergänzende Befragung des Zeugen Z) seien unerheblich, weil die dort genannten Themen nicht entscheidend seien.

10 Im Rahmen der freien Beweiswürdigung sei daher davon auszugehen, dass der Revisionswerber zwar nur über mangelhafte Deutschkenntnisse verfügt habe, ihm aber die Übernahme der Geschäftsführerfunktion dennoch bewusst gewesen sei. Dass er die Funktion übernommen habe, obwohl er die für deren Ausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht besessen habe, vermöge ihn nicht zu entschuldigen.

11 Habe daher V sämtliche Befugnisse eines Geschäftsführers ausgeübt und sei der Revisionswerber, obwohl er an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert gewesen sei, dennoch nicht als Geschäftsführer ausgeschieden, so sei ihm dieser Umstand als schuldhafte Pflichtverletzung vorwerfbar.

12 Selbst wenn V den Revisionswerber dazu überredet hätte, sich als Geschäftsführer „auf dem Papier“ zur Verfügung zu stellen, könnte ihn dieser Umstand nicht entschuldigen.

13 Da weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag eine mündliche Verhandlung beantragt worden sei, sei kein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung entstanden.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

15 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt mitgeteilt, von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand zu nehmen.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, von einer schriftlichen Zeugenaussage könne nur dort die Rede sein, wo das Schriftformerfordernis (insbesondere Unterschrift) erfüllt sei. Liege keine handgeschriebene Unterschrift vor, handle es sich um keine schriftlich abgelegte Zeugenaussage. Dazu, ob für die Einvernahme eines Zeugen ein nicht handschriftlich unterschriebener Text ausreiche, liege bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Auch bestehe keine Rechtsprechung dazu, ob ein per E-Mail übermittelter Text als schriftlich abgelegte Zeugenaussage verwertet werden könne. Das Bundesfinanzgericht habe auch sein Ermessen darüber, ob eine schriftliche Aussage genüge, unrichtig ausgeübt. Dabei seien insbesondere die vom Zeugen letztlich getätigten wie auch die bei pflichtgemäßer Verfahrensführung zu erhebenden Angaben zu bedenken. Informationen darüber, wer etwa die Gespräche mit Z oder auch mit dem Notar (B) geführt habe, ob der Revisionswerber auch selbst in Deutsch mit einem dieser Gesprächspartner kommuniziert habe oder ob all die Informationen ihm nur durch V übersetzt worden seien, seien dem E-Mail nicht zu entnehmen. Bei all den Angaben von V handle es sich um bloße Werturteile, nicht aber um Tatsachen. Bei pflichtgemäßem Ermessen wäre eine persönliche Zeugenaussage vorzunehmen gewesen. Dazu, ob eine bloß schriftliche Zeugenaussage, der nur Werturteile, aber keine Tatsachenbehauptungen entnommen werden können, eine rechtmäßige Ausübung des Ermessens darstelle und ob eine an sich zulässige schriftliche Zeugeneinvernahme per E-Mail erfolgen könne, habe grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

20 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.

21 Zutreffend ist, dass es im Ermessen des Bundesfinanzgerichtes steht, ob eine Aussage eines Zeugen schriftlich eingeholt wird. Kommt es im Hinblick auf die Klärung einer strittigen Sachfrage auf den persönlichen Eindruck vom Zeugen an, wird eine persönliche Befragung des Zeugen erforderlich sein; soll hingegen der Zeuge seine Angaben insbesondere aus ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen schöpfen, wird eine schriftliche Befragung in Frage kommen (vgl. ).

22 Macht die Revision aber - wie hier - als Zulassungsgründe Verfahrensmängel geltend, muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. z.B. ; , Ra 2020/13/0007). Derartige Ausführungen enthält aber das Vorbringen zur Zulässigkeit nicht. Die Revision zeigt damit nicht auf, dass ein relevanter Verfahrensmangel vorläge.

23 Im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §173 Abs1
BAO §269 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023130026.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-46270