VwGH 12.06.2024, Ra 2023/13/0017
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Abgabenbehörde ist nach § 111 Abs. 1 BAO dazu befugt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zu erzwingen. Im Zuge eines Zwangsstrafverfahrens ist daher zu prüfen, ob derartige gesetzliche Befugnisse vorliegen und ob allenfalls Verweigerungsrechte der Anordnung der Behörde entgegenstehen (vgl. z.B. ; , 85/14/0007). Eine gesetzliche Befugnis ergibt sich insbesondere aus § 143 BAO. |
Norm | BAO §143 |
RS 2 | Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO dienen dazu, Informationen darüber zu gewinnen, ob ein Abgabenverfahren einzuleiten, weiterzuführen oder abzuschließen ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 143, 1598). Diese Maßnahmen erfolgen sohin in einem Verfahren zur Prüfung der Frage, ob bescheidförmige Maßnahmen zu setzen sind. Schon damit liegt ein behördliches Verfahren vor, zu dem (an sich) Akteneinsicht zu gewähren ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/13/0062 E RS 5 (hier nur der erste Satz) |
Normen | |
RS 3 | Die Vorlage von Unterlagen kann dazu erforderlich sein, um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Abgabepflicht feststellen zu können. Auch die Feststellung, ob tatsächlich eine Abgabepflicht besteht, erfordert die Mitwirkung des Betroffenen (vgl. ). Dass eine zur Vorlage von Unterlagen aufgeforderte Person die Rechtsansicht vertritt, nicht abgabepflichtig zu sein, steht der Verpflichtung zur Offenlegung nicht entgegen (vgl. ). |
Normen | |
RS 4 | Die Strittigkeit des Bestehens einer Abgabepflicht steht der Verhängung von Zwangsstrafen zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Offenlegung nicht entgegen. |
Norm | BAO §111 Abs1 |
RS 5 | Die Verhängung einer Zwangsstrafe ist nur unzulässig, wenn die Leistung unmöglich, die Erfüllung unzumutbar oder bereits erfolgt wäre (Hinweis E , 88/14/0084). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 90/15/0186 E RS 1 |
Norm | BAO §111 Abs1 |
RS 6 | Der Zweck der Zwangsstrafe liegt nicht in der Bestrafung einer Person (für in der Vergangenheit begangenes Unrecht; vgl. ). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob (kein) Verschulden (im strafrechtlichen Sinn) vorläge. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des V in G, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-477-3/2022-R10, betreffend Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO (Gästetaxe für März 2021 bis Mai 2022) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den revisionswerbenden Verein auf, zum Zweck der Überprüfung der ordnungsgemäßen Selbstbemessung und Abfuhr der Gästetaxe im Zeitraum März 2021 bis Mai 2022 Auflistungen (Namen der Personen, die in diesem Zeitraum beherbergt wurden; Angabe der Daten über Beginn und Beendigung der Beherbergung der jeweiligen Person; Angabe, inwieweit der Aufenthalt der jeweiligen Person ausschließlich ihrer unmittelbaren Berufstätigkeit gedient habe) zu übermitteln. Für den Fall, dass der Aufforderung nicht bis zum nachgekommen werde, wurde die Festsetzung einer Zwangsstrafe von 600 € angedroht.
2 Mit Bescheid vom verhängte die belangte Behörde eine Zwangsstrafe in Höhe von 600 €. In der Begründung wurde insbesondere ausgeführt, der Verein sei der Aufforderung der Abgabenbehörde nicht nachgekommen.
3 Der Verein erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Darin wurde geltend gemacht, der Verein sei Eigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft; das Objekt sei an W verpachtet worden. W habe während der Sommermonate (in der Regel während der Festspiele) bis Ende 2019 eine Gästevermietung betrieben. Danach sei die Tätigkeit coronabedingt aufgegeben und nicht mehr aufgenommen worden. Seit November 2019 vermiete der Verein befristet Wohnungen an Unternehmen, die Mitarbeiter in diesen Wohnungen unterbringen. Der Verein sei Vermieter, es handle sich um eine Raumüberlassung, er vermiete aber nicht „selbständig“ im Sinne des Gesetzes. Der Verein sei deshalb nicht zur Abgabe von Erklärungen nach dem Vorarlberger Tourismusgesetz verpflichtet.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Der Verein beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG unzulässig sei.
6 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, jede Zwangsstrafenfestsetzung setze die vorherige Aufforderung zur Erbringung der verlangten Leistung und die Androhung der Zwangsstrafe voraus; diesem Erfordernis sei die Abgabenbehörde mit Schreiben vom nachgekommen. Zweck der Zwangsstrafe sei es, die Abgabenbehörde bei der Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten zu verhalten. Die Einreichung von Abgabenerklärungen sei eine mittels Zwangsstrafe erzwingbare Leistung.
7 Wer „Verpflichteter“ sei, bestimme sich nach der Pflicht, deren Erfüllung mit Androhung bzw. mit Ausspruch der Zwangsstrafe durchgesetzt werden solle. Eine Zwangsstrafe könne nur gegenüber demjenigen verhängt werden, der zu einem bestimmten Tun oder Dulden verpflichtet sei.
8 Der Verein habe selbst vorgebracht, dass das näher bezeichnete Objekt an W verpachtet worden sei. Seit November 2019 würden Wohnungen an Unternehmen vermietet, die Mitarbeiter in diesen Wohnungen unterbringen würden.
9 Zur Beurteilung des Abgabenschuldners, der Abgabepflicht, der Höhe der allfälligen Abgabe und des Vorliegens eines Befreiungstatbestandes sei es erforderlich gewesen, die von der Abgabenbehörde geforderten Auskünfte vom Verein zu verlangen. Der Verein habe auf die Aufforderung vom gar keine Unterlagen zur Beurteilung der Abgabepflicht vorgelegt. Bereits für vorangegangene Zeiträume habe die Gästetaxe mittels Schätzung ermittelt und festgesetzt werden müssen.
10 Bei der Höhe der Zwangsstrafe habe die Abgabenbehörde zurecht den Umstand mitberücksichtigt, dass der Verein auch in der Vergangenheit bereits seiner Pflicht zur Offenlegung abgabenrelevanter Umstände trotz entsprechender Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Es seien bereits zweimal Zwangsstrafen mit Bescheid festgesetzt worden (Bescheid vom : Zwangsstrafe von 200 €; Bescheid vom : Zwangsstrafe von 400 €).
11 Weil der Verein die erforderlichen Informationen zur Vorschreibung der Gästetaxe für den Zeitraum März 2021 bis Mai 2022 gegenüber der Abgabenbehörde nicht gegeben habe, sei diese berechtigt gewesen, die Zwangsstrafe vorzuschreiben.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, es bestehe keine Rechtsprechung dazu, „wie weit“ Zwangsstrafen verhängt werden dürfen, wenn die Abgabepflicht nicht bestehe und die Verpflichtung zur Abgabe von Erklärungen strittig sei; aus Sicht des Vereins bestehe keine Abgabepflicht, da die Bewohner unfreiwillig beim Verein wohnten, sie für die Dauer ihres Aufenthalts ihren Lebensmittelpunkt und somit ihren Hauptwohnsitz im Haus des Vereins hätten und der Verein kein Beherbergungsbetrieb und kein Privatzimmervermieter sei. Weiters bestehe keine Rechtsprechung zur Anwendung des § 111 BAO im Zusammenhang mit Gemeindeabgaben in Form der Gästetaxe. Insbesondere sei eine Zwangsstrafe dann als rechtswidrig zu qualifizieren, wenn über Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abgabe von Erklärungen Feststellungsanträge anhängig seien; in derartigen Fällen habe der pönalisierende Charakter der Zwangsstrafe zu entfallen, es fehle der Vorsatz.
17 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.
18 Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.
19 Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss nach § 111 Abs. 2 BAO der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist.
20 Gemäß § 114 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.
21 Zur Erfüllung der im § 114 BAO bezeichneten Aufgaben ist die Abgabenbehörde nach § 143 Abs. 1 BAO berechtigt, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen.
22 Nach § 143 Abs. 2 BAO ist die Auskunft wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung schließt die Verbindlichkeit in sich, Urkunden und andere schriftliche Unterlagen, die für die Feststellung von Abgabenansprüchen von Bedeutung sind, vorzulegen oder die Einsichtnahme in diese zu gestatten.
23 Die Bestimmungen der §§ 170 bis 174 BAO finden nach § 143 Abs. 3 BAO auf Auskunftspersonen sinngemäß Anwendung.
24 Die Abgabenbehörde ist nach § 111 Abs. 1 BAO dazu befugt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zu erzwingen. Im Zuge eines Zwangsstrafverfahrens ist daher zu prüfen, ob derartige gesetzliche Befugnisse vorliegen und ob allenfalls Verweigerungsrechte der Anordnung der Behörde entgegenstehen (vgl. z.B. ; , 85/14/0007).
25 Eine gesetzliche Befugnis ergibt sich insbesondere aus § 143 BAO. Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO dienen dazu, Informationen darüber zu gewinnen, ob ein Abgabenverfahren einzuleiten, weiterzuführen oder abzuschließen ist (vgl. , mwN). Die Vorlage von Unterlagen kann dazu erforderlich sein, um das Bestehen oder Nichtbestehen einer Abgabepflicht feststellen zu können. Auch die Feststellung, ob tatsächlich eine Abgabepflicht besteht, erfordert die Mitwirkung des Betroffenen (vgl. ). Dass eine zur Vorlage von Unterlagen aufgeforderte Person die Rechtsansicht vertritt, nicht abgabepflichtig zu sein, steht der Verpflichtung zur Offenlegung nicht entgegen (vgl. ).
26 Entgegen dem Revisionsvorbringen entspricht es daher der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Strittigkeit des Bestehens einer Abgabepflicht der Verhängung von Zwangsstrafen zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Offenlegung nicht entgegensteht. Dass keine Rechtsprechung zur Festsetzung von Zwangsstrafen im Zusammenhang mit der Gästetaxe vorliegt, begründet keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
27 Die Verhängung einer Zwangsstrafe ist dann unzulässig, wenn die Leistung unmöglich, die Erfüllung unzumutbar oder bereits erfolgt wäre (vgl. , mwN). Dass ein derartiger Fall vorläge, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht dargetan.
28 Der Zweck der Zwangsstrafe liegt nicht in der Bestrafung einer Person (für in der Vergangenheit begangenes Unrecht; vgl. ). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob - wie in der Revision geltend gemacht wird - (kein) Verschulden (im strafrechtlichen Sinn) vorläge (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, § 111, 1192).
29 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130017.L00 |
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Fundstelle(n):
VAAAF-46266