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VwGH 09.05.2023, Ra 2023/09/0049

VwGH 09.05.2023, Ra 2023/09/0049

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §7 Abs4
VwRallg
RS 1
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist unzulässig, wenn keine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt ist, weil diesfalls keine Fristversäumnis vorliegt (vgl. ; , 2000/08/0046).
Normen
ZustG §16 Abs1
ZustG §16 Abs5
RS 2
Ein "regelmäßiger Aufenthalt" liegt dann vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen - auch periodischen - Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Allein aus dem Umstand der Abwesenheit während eines Tages ist noch nicht der Schluss auf das Fehlen eines "regelmäßigen Aufenthaltes" an der Abgabestelle zu ziehen. Nur wenn der Empfänger längere Zeit von der Abgabestelle abwesend ist, darf auch eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen (vgl. E , 2000/04/0170, 0171). Damit wird im Zustellgesetz dem Umstand ausreichend Rechnung getragen, dass sich eine Person - etwa aufgrund der Ableistung des Präsenzdienstes - allenfalls über einen längeren Zeitraum nicht in ihrer Wohnung aufhält, da in einem derartigen Fall eine (Ersatz-) Zustellung an ihre Wohnung unter Umständen nicht in Betracht kommt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/02/0085 E RS 2
Norm
ZustG §16 Abs1
RS 3
Ob ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle vorliegt, hat das VwG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (vgl. , mwH).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/03/0125 E RS 2
Normen
ZustG §16 Abs1
ZustG §16 Abs2
RS 4
Eine Ersatzzustellung ist nur unter den in § 16 Abs. 2 des ZustG normierten Voraussetzungen zulässig (vgl. , mwH). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob (objektiv gesehen fälschlich) die Eigenschaft des Ersatzempfängers auf dem Rückschein angegeben wird, sondern darauf, ob die in § 16 Abs. 2 des ZustG normierten Voraussetzungen für den Ersatzempfänger tatsächlich gegeben sind (vgl. idS , VwSlg. 15.053 A).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/03/0125 E RS 3
Normen
AVG §37
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z3 lita
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §38
ZustG §16 Abs1
ZustG §16 Abs2
ZustG §7
RS 5
Wenn der Empfänger die Voraussetzungen der Ersatzzustellung ausdrücklich bestritten hat, bedarf es freilich zur Klärung der Frage der rechtswirksamen Zustellung eines Bescheides nach entsprechender Ergänzung des Ermittlungsverfahrens konkreter Feststellungen darüber, wer diesen Bescheid übernommen hat und ob dabei die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 des ZustG für den Ersatzempfänger erfüllt wurden. Sollte eine Ersatzzustellung unzulässiger Weise erfolgt sein, bedarf es auch ergänzender Erhebungen darüber, ob und bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Empfänger dieser Bescheid tatsächlich zugekommen ist, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung der Zustellmängel gemäß § 7 des ZustG eingetreten ist (vgl. , mwH).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/03/0125 E RS 4
Normen
AVG §37
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z3 lita
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §38
ZustG §16 Abs1
ZustG §16 Abs2
RS 6
Stellte das VwG nicht fest, dass eine bestimmte Person Arbeitgeber oder Arbeitnehmer des Empfängers gewesen sei und ergibt sich aus der bekämpften Entscheidung ebenso wenig, dass diese Person an derselben Abgabestelle wie der Revisionswerber wohne, ist schon deshalb im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar, ob für die in Rede stehende Ersatzzustellung die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 ZustG für den Ersatzempfänger vorgelegen haben. Eine allfällige Annahmebereitschaft eines Übernehmers (wie sie vorliegend offenbar bestand) vermag die genannten (alternativen) Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 zweiter Halbsatz des ZustG für einen Ersatzempfänger nicht zu ersetzen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/03/0125 E RS 5 (hier nur der letzte Satz)

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/09/0063 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4320 Perg, Herrenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2022/28/1670-9, betreffend I. Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie II. Zurückweisung einer Beschwerde iA Bestrafung nach dem AuslBG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. des Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber als „gemäß § 9 VStG Verantwortliche/r“ einer namentlich genannten Gesellschaft einer näher umschriebenen Übertretung des „§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a i.V.m. § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz und § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991“ für schuldig erkannt, weshalb über ihn eine Geldstrafe (im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben wurde.

2 Mit Eingabe vom stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist, beantragte weiters, diesem die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, und erhob unter einem Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom .

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG nicht bewilligt und diesem keine aufschiebende Wirkung zuerkannt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers „gegen die Abweisung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und die Beschwerde [gegen das Straferkenntnis vom ] als verspätet zurück (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision erklärte es jeweils für nicht zulässig.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht Folgendes aus: Der Revisionswerber sei handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Tirol. Er befinde sich immer sporadisch alle 14 Tage oder drei Wochen im Betrieb; sein Hauptwohnsitz sei in Oberösterreich. Das Straferkenntnis sei dem Revisionswerber am Betriebssitz zugestellt worden, es sei von einem Arbeitnehmer des Revisionswerbers übernommen worden. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass es ein Arbeitnehmer des Revisionswerbers gewesen sei, weil dieser das Straferkenntnis übernommen habe und dies auf dem Rückschein so angekreuzt sei. Das Straferkenntnis an die GmbH sei ebenfalls am Vortag von diesem Arbeitnehmer übernommen worden, die GmbH habe keine Beschwerde erhoben. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass es sich nicht um einen Arbeitnehmer gehandelt habe, im Antrag gebe es keine Behauptungs- und Bescheinigungsmittel, die dies glaubhaft machten. Der Revisionswerber sei nicht ortsabwesend gewesen und müsse dafür Sorge tragen, dass ihm Schriftstücke am Betriebssitz zugestellt werden könnten. Der Antrag auf Einvernahme des Ersatzempfängers sei verfristet, weil er nicht im Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt worden sei.

6 Das Verwaltungsgericht erläuterte seine Beweiswürdigung und führte rechtlich unter Angabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, der Revisionswerber hätte bereits in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung alles Relevante vorbringen müssen. Die Einvernahme des Ersatzempfängers sei im Wiedereinsetzungsantrag nicht begehrt worden; eine Betriebsstätte sei eine Abgabestelle. Ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis habe nicht dargelegt werden können. Es fehlten auch Ausführungen dazu, warum der Revisionswerber sich nicht regelmäßig um den Betrieb gekümmert habe. Da der Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet abzuweisen sei, sei die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte unter Zuspruch von Aufwandersatz die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision.

8 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses (Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Beschwerdefrist) als unzulässig:

9 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Erforschung der materiellen Wahrheit (Unterlassen der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen) durch die unterbliebene Aufnahme von beantragten Beweisen, eine mangelhafte Begründung des Erkenntnisses infolge vorgreifender Beweiswürdigung sowie ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt infolge fehlender Feststellungen vor: Der Ersatzempfänger habe das Schriftstück ohne Wissen und Willen des Revisionswerbers entgegengenommen; dieser stehe in keinerlei Beziehung zu ihm und sei nicht sein Arbeitnehmer. Der Revisionswerber habe die Einvernahme des Ersatzempfängers in seiner Beschwerde zu einem konkreten Beweisthema beantragt, das Verwaltungsgericht habe aber die Rechtzeitigkeit der Beschwerde als Rechtsfrage auch von Amts wegen zu prüfen. Zur Beurteilung des Zustellvorganges gebe es keine ausreichenden Feststellungen, beantragte Zeugen seien nicht einvernommen worden. Sofern der Geschäftsadresse der GmbH für ihn als Abgabestelle überhaupt in Betracht komme, sei er überdies im fraglichen Zeitraum ortsabwesend gewesen und habe er dies in seiner Aussage vor dem Verwaltungsgericht auch dargestellt. Das Verwaltungsgericht setze sich mit bestimmten Aussagen überhaupt nicht auseinander und weiche mit seiner gesamten Vorgangsweise von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

12 Mit diesem Vorbringen macht der Revisionswerber jedoch lediglich Rechtsfragen im Zusammenhang mit von ihm behaupteten Zustellmängeln geltend; ein Antrag auf Wiedereinsetzung setzt jedoch eine ordnungsgemäße Zustellung voraus. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn keine ordnungsgemäße Zustellung erfolgt ist, weil diesfalls keine Fristversäumnis vorliegt (vgl. ; , 2000/08/0046). Ausgehend davon wird mit dem dargestellten Vorbringen hinsichtlich Spruchpunkt I. des Erkenntnisses keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Spruchpunkt II. des Erkenntnisses (Zurückweisung der Beschwerde gegen das Straferkenntnis) erwogen:

14 Im Hinblick auf Spruchpunkt II. des Erkenntnisses erweist sich die Revision mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe eine antizipierende Beweiswürdigung durchgeführt und einen in der Beschwerde zu einem näher bezeichneten Beweisthema beantragten Zeugen nicht vernommen als zulässig. In diesem Umfang ist die Revision auch berechtigt:

§ 16 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 5/2008, lautet:

„Ersatzzustellung

§ 16. (1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.“

15 Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf gemäß § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes an diesen zugestellt werden, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

16 Ein „regelmäßiger Aufenthalt“ liegt dann vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen - auch periodischen - Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Allein aus dem Umstand der Abwesenheit während eines Tages ist noch nicht der Schluss auf das Fehlen eines „regelmäßigen Aufenthaltes“ an der Abgabestelle zu ziehen. Nur wenn der Empfänger längere Zeit von der Abgabestelle abwesend ist, darf auch eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger nicht erfolgen (vgl. , VwSlg. 15559 A, mwH). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich eine Person (etwa aufgrund der Ableistung des Präsenzdienstes oder eines Urlaubes) allenfalls über einen längeren Zeitraum nicht in ihrer Wohnung aufhält, weil in einem derartigen Fall eine (Ersatz-)Zustellung an ihre Wohnung unter Umständen nicht in Betracht kommt. Ob ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle vorliegt, hat das Verwaltungsgericht anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen (vgl. , mwH).

17 Eine Ersatzzustellung ist ferner nur unter den in § 16 Abs. 2 Zustellgesetz normierten Voraussetzungen zulässig (vgl. , mwH). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob (objektiv gesehen fälschlich) die Eigenschaft des Ersatzempfängers auf dem Rückschein angegeben wird, sondern darauf, ob die in § 16 Abs. 2 Zustellgesetz normierten Voraussetzungen für den Ersatzempfänger tatsächlich gegeben sind (vgl. idS , VwSlg. 15053 A).

18 Bei dem vorliegend vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rückschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen; als öffentliche Urkunde begründet aber nur ein unbedenklicher - d.h. die gehörige äußere Form aufweisender - Zustellnachweis die Vermutungen der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorganges (vgl. , mwH).

19 Wenn der Empfänger die Voraussetzungen der Ersatzzustellung ausdrücklich bestritten hat, bedarf es zur Klärung der Frage der rechtswirksamen Zustellung des Straferkenntnisses nach entsprechender Ergänzung des Ermittlungsverfahrens konkrete Feststellungen darüber, wer diesen Bescheid übernommen hat und ob dabei die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 des Zustellgesetzes für den Ersatzempfänger erfüllt wurden (vgl. , mwH). Sollte eine Ersatzzustellung unzulässiger Weise erfolgt sein, bedarf es auch ergänzender Erhebungen darüber, ob und bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Empfänger dieser Bescheid tatsächlich zugekommen ist, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung der Zustellmängel gemäß § 7 des Zustellgesetzes eingetreten ist (vgl. nochmals , mwH).

20 Da der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer an der Geschäftsanschrift der GmbH einen Arbeitsplatz und somit eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz hat, war zunächst vom Verwaltungsgericht zu klären, ob der Revisionswerber dort einen regelmäßigen Aufenthalt hatte.

21 Aus den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis lässt sich ableiten, dass der Revisionswerber grundsätzlich alle zwei bis drei Wochen an die Abgabestelle zurückkehrte; in der mündlichen Verhandlung sagte er jedoch laut Protokoll aus, im März und April nicht an dieser Abgabestelle, sondern vielmehr an seinem Hauptwohnsitz gewesen zu sein. Mit dieser Aussage hat sich das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung des regelmäßigen Aufenthalts jedoch - wie der Revisionswerber in der Revision zu Recht vorbringt - überhaupt nicht auseinandergesetzt. Damit ist dem Verwaltungsgericht ein relevanter Verfahrensmangel unterlaufen.

22 Nur wenn nämlich ein regelmäßiger Aufenthalt des Revisionswerbers als Empfänger des Bescheides der belangten Behörde an der in Rede stehenden Abgabestelle vorlag, durfte grundsätzlich eine Ersatzzustellung an einen Ersatzempfänger erfolgen.

23 Ferner wird in der bekämpften Entscheidung festgestellt, dass es sich bei dem Ersatzempfänger um einen Arbeitnehmer des Revisionswerbers gehandelt habe (vgl. hingegen , zur Unmöglichkeit der Ersatzzustellung an einen Dienstnehmer einer GmbH im Hinblick auf den Geschäftsführer der GmbH).

24 Der Revisionswerber hat allerdings im gesamten Verfahren darauf hingewiesen, dass die Zustellung dieses Straferkenntnisses nicht an einen Ersatzempfänger erfolgt sei, weil diese Person kein Arbeitnehmer - und zwar weder der GmbH noch von ihm selbst - sei.

25 Auf Grund der damit unklaren Übernahmebestätigung kann der vorliegende Rückschein (der nach den vorgelegten Akten eine Person als „Arbeitnehmer“ ausweist) nicht als unbedenklicher Zustellnachweis qualifiziert werden (vgl. hiezu z.B. , mwH). Dies hat das Verwaltungsgericht insofern nicht erkannt, als es jene Person, die das Straferkenntnis übernommen hat, nicht zu den Vorkommnissen der Zustellung befragt hat, obwohl die Einvernahme dieser Person vom Revisionswerber sogar mit dem entsprechenden Beweisthema beantragt worden war. Damit hat es auch seiner Verpflichtung bei dieser Konstellation nicht entsprochen, ein hinreichendes Ermittlungsverfahren über den Zustellvorgang betreffend die in Rede stehende Ersatzzustellung vorzunehmen.

26 Schon deshalb ist im vorliegenden Fall insgesamt nicht nachvollziehbar, ob für die in Rede stehende Ersatzzustellung die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Zustellgesetz für den Ersatzempfänger vorgelegen haben. Eine allfällige Annahmebereitschaft eines Übernehmers (wie sie vorliegend offenbar bestand) vermag die genannten (alternativen) Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 zweiter Halbsatz des Zustellgesetzes für einen Ersatzempfänger nicht zu ersetzen.

27 Ausgehend von diesen Verfahrensmängeln kann schließlich insgesamt nicht beurteilt werden, ob die Beschwerdefrist zum Zeitpunkt der Einbringung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bereits abgelaufen war, sodass die Verfahrensmängel für das Verfahren auch relevant waren.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Spruchpunktes II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a bis c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

29 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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AVG §37
VStG §24
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 lita
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §7 Abs4
VwRallg
ZustG §16 Abs1
ZustG §16 Abs2
ZustG §16 Abs5
ZustG §7
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023090049.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-46248