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VwGH 17.08.2023, Ra 2023/08/0064

VwGH 17.08.2023, Ra 2023/08/0064

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
Allg PensionsG 2005 §4 Abs2
AlVG 1977 §22 Abs1
RS 1
§ 22 Abs. 1 erster Satz AlVG 1977 normiert allgemein den Ausschluss von Leistungen für Arbeitslose, "die eine Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters" beziehen oder "die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen". Der zweite Satz des § 22 Abs. 1 AlVG 1977 normiert davon unter den dort näher geregelten Voraussetzungen eine Ausnahme, wenn der Arbeitslose die "Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG" erfüllt. Damit soll bewirkt werden, dass eine arbeitslos gewordene Person, die bereits einen Anspruch auf eine Korridorpension erworben hat, unter den genannten Bedingungen zunächst nicht gezwungen ist, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts eine Korridorpension zu beantragen, sondern zeitlich begrenzt weiter Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen und eine Reintegration in den Arbeitsmarkt versuchen kann; nach der Intention des Gesetzgebers soll ein ökonomischer Zwang zur Antragstellung in den Fällen des § 22 Abs. 1 zweiter Satz AlVG 1977 vermieden werden (vgl. , mwN). In jenem Fall hingegen, in welchem der Arbeitslose nicht (bloß) die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, sondern diese Leistung tatsächlich bezieht (hier sohin: sich für den Bezug der Korridorpension entschieden hat), steht dem Anspruch auf das Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bereits der erste Satz des § 22 Abs. 1 AlVG 1977 entgegen, kommt die auf den Fall des bloßen Erfüllens der Anspruchsvoraussetzungen abstellende Ausnahmebestimmung nicht zum Tragen und sind folglich auch deren Anwendungsvoraussetzungen nicht weiter relevant.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des H A D in S, vertreten durch K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , L501 2257493-1/9E, betreffend Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stand bis im Bezug von Notstandshilfe. Mit Bescheid vom stellte das Arbeitsmarktservice Vöcklabruck (AMS) die Notstandshilfe „wegen Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension ... gemäß § 33 in Verbindung mit den §§ 38, 24 Abs. 1 und 22 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG)“ ein. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch das AMS) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab.

2 Nach den - insofern unbestrittenen - Feststellungen dieses Erkenntnisses stand der Revisionswerber - als letzte Beschäftigung - in einem freien Dienstverhältnis zur P. GmbH und kündigte dieses Dienstverhältnis „aufgrund seiner schlechten finanziellen Lage zum  (Dienstnehmerkündigung)“. Danach bezog der Revisionswerber - mit Unterbrechungen durch Krankengeldbezug - Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (ab dem : Notstandshilfe). Der Revisionswerber erfüllte - so das Bundesverwaltungsgericht - „zum Stichtag die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG und steht nunmehr seit diesem Zeitpunkt im Pensionsbezug“ (in der Beweiswürdigung begründete das Bundesverwaltungsgericht dies unter Hinweis auf eine „durchgeführte elektronische Abfrage beim Dachverband der Sozialversicherungsträger“).

3 In rechtlicher Hinsicht begründete das Bundesverwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde unter Hinweis auf § 22 Abs. 1 AlVG zusammengefasst wie folgt: Nach der zitierten Bestimmung stehe die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG dem Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz für den Zeitraum von einem Jahr, längstens bis zur Erreichung der Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, nur dann nicht entgegen, wenn die letzte Beschäftigung durch berechtigten vorzeitigen Austritt beendet worden sei. Dafür, ob im Sinne dieser Regelung eine Beendigung durch berechtigten vorzeitigen Austritt vorliege, sei unter Heranziehung der zur Bestimmung des § 1162 ABGB ergangenen Rechtsprechung (welche auf „freie Arbeitsverhältnisse analog anwendbar“ sei) und der in § 26 AngG enthaltenen „demonstrativen Auflistung“ darauf abzustellen, ob die Beendigung unter Umständen erfolgt sei, angesichts derer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die betreffende Vertragspartei auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist oder den Ablauf der restlichen vereinbarten Vertragszeit unzumutbar sei. Der Revisionswerber habe dazu vorgebracht, dass er keine Möglichkeit mehr gesehen habe, seine schon „desaströse finanzielle Situation“ zu verbessern, weshalb ihm die Fortsetzung des freien Dienstverhältnisses unzumutbar gewesen sei und er dieses beenden habe müssen. Damit werde das Vorliegen eines wichtigen Grunds im Sinne des § 1162 ABGB oder eines gesetzlichen Austrittsgrunds im Sinne des § 26 Z 1 bis 4 AngG nicht aufgezeigt. Mangels Erfüllung einer der Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Z 1 bis 6 AlVG stehe somit die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG ab dem einem Anspruch auf Leistungen nach dem AlVG (hier: Notstandshilfe) entgegen.

4 Die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird als Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebracht, bei der Beurteilung, ob der Revisionswerber seine letzte Beschäftigung durch berechtigten vorzeitigen Austritt beendet habe, sei zu prüfen, „wieweit die durch ein (freies) Dienstverhältnis verursachte prekäre finanzielle Situation [des Revisionswerbers,] weil im Rahmen des freien Dienstverhältnisses, insbesondere wenn kein Fixum vereinbart wurde, keine ausreichenden Vertragsabschlüsse realisiert werden konnten, die ein Einkommen ermöglicht hätten, um zumindest den notwendigen Unterhalt des freien Dienstnehmers bestreiten zu können[,] einen triftigen Grund darstellte, der [ihn] zum vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis berechtigte“. Dabei stelle sich die Frage, ob unter dem Aspekt des Schutzes vor der Gefahr, kein zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichendes Einkommen zu erhalten, ein berechtigter Austrittsgrund im Sinn des § 26 AngG vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Beurteilung dieser Frage eine „grobe Fehlbeurteilung“ vorgenommen.

10 Aus den insofern von der Revision nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses geht nicht nur hervor, dass der Revisionswerber „zum Stichtag die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG“ erfüllt hat, sondern steht auch fest, dass er „seit diesem Zeitpunkt im Pensionsbezug“ steht. Ausgehend vom tatsächlichen Bezug der Pension seit diesem Zeitpunkt kommt es aber gar nicht mehr darauf an, ob die letzte Beschäftigung des Revisionswerbers unter den in § 22 Abs. 1 zweiter Satz AlVG normierten Umständen beendet worden ist. § 22 Abs. 1 erster Satz AlVG normiert allgemein den Ausschluss von Leistungen für Arbeitslose, „die eine Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters“ beziehen oder „die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen“. Der zweite Satz des § 22 Abs. 1 AlVG normiert davon unter den dort näher geregelten Voraussetzungen eine Ausnahme, wenn der Arbeitslose die „Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension gemäß § 4 Abs. 2 APG“ erfüllt. Damit soll bewirkt werden, dass eine arbeitslos gewordene Person, die bereits einen Anspruch auf eine Korridorpension erworben hat, unter den genannten Bedingungen zunächst nicht gezwungen ist, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts eine Korridorpension zu beantragen, sondern zeitlich begrenzt weiter Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen und eine Reintegration in den Arbeitsmarkt versuchen kann; nach der Intention des Gesetzgebers soll ein ökonomischer Zwang zur Antragstellung in den Fällen des § 22 Abs. 1 zweiter Satz AlVG vermieden werden (vgl. , mwN). In jenem Fall hingegen, in welchem der Arbeitslose nicht (bloß) die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, sondern diese Leistung tatsächlich bezieht (hier sohin: sich für den Bezug der Korridorpension entschieden hat), steht dem Anspruch auf das Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bereits der erste Satz des § 22 Abs. 1 AlVG entgegen, kommt die auf den Fall des bloßen Erfüllens der Anspruchsvoraussetzungen abstellende Ausnahmebestimmung nicht zum Tragen und sind folglich auch deren Anwendungsvoraussetzungen (wie die Frage, ob der Austritt berechtigt war) nicht weiter relevant.

11 Da mit dem angefochtenen Erkenntnis somit der Anspruch auf die Notstandshilfe ab jenem Zeitpunkt, ab dem der Revisionswerber eine „Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG) ...“ bezogen hat (im Ergebnis daher nach § 22 Abs. 1 erster Satz AlVG zutreffend), verneint wurde, wird mit dem allein auf die Auslegung des § 22 Abs. 1 zweiter Satz AlVG Bezug nehmenden Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage aufgezeigt, von deren Lösung der Revisionsfall im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG „abhängt“.

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher - nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 

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Normen
Allg PensionsG 2005 §4 Abs2
AlVG 1977 §22 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023080064.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-46236