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VwGH 09.05.2023, Ra 2023/02/0042

VwGH 09.05.2023, Ra 2023/02/0042

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 1
Für die Qualifikation einer behördlichen Handlung als taugliche Verfolgungshandlung iSd. § 32 Abs. 2 VStG kommt es nur darauf an, dass der behördliche Wille innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung tritt, und nicht darauf, dass (auch) eine ordnungsgemäße Zustellung der behördlichen Erledigung innerhalb der Verjährungsfrist stattfindet (vgl. ; , Ra 2019/17/0079).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Oberwartgegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom , 1. E 187/08/2022.002/002 und 2. E 256/08/2022.001/002, betreffend Übertretungen des KFG (mitbeteiligte Partei: B in N, vertreten durch die Dax Wutzlhofer & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20 2. OG/10), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Strafverfügung der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin vom wurde dem Mitbeteiligten als Lenker eines jeweils dem Kennzeichen nach bestimmten Sattelzugfahrzeuges und Sattelanhängers angelastet, am um 15:10 Uhr an einem näher umschriebenen Ort fünf näher konkretisierte Übertretungen des KFG begangen zu haben, weshalb über ihn fünf Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden.

2 In Folge des vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Einspruchs erließ die Bezirkshauptmannschaft Oberwart das im Spruch gleichlautende Straferkenntnis vom und verpflichtete den Mitbeteiligten zudem zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) der gegen das Straferkenntnis vom  erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte sei zur Tatzeit am Tatort einer straßenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden, wobei auch seine Fahrerkarte ausgewertet worden sei. Es seien einige Verstöße im Zusammenhang mit den Lenk- und Ruhezeiten und dem Fahrtenschreiber erkannt und dem Mitbeteiligten in der Strafverfügung vom zur Last gelegt worden. Diese Strafverfügung sei dem Mitbeteiligten in deutscher Sprache in einem Fensterkuvert mit der Post an die Adresse in der Slowakei geschickt worden. Ob der Mitbeteiligte die Strafverfügung tatsächlich erhalten habe, sei für die Entscheidung nicht relevant.

5 Nach Artikel XII Abs. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom und die Erleichterung seiner Anwendung könnten zuzustellende Schriftstücke grundsätzlich durch die Post übermittelt werden. Dies gelte jedoch nicht für Schriftstücke, die dem Beschuldigten zugestellt würden. Im Postweg übermittelte Schriftstücke, die auf diese Art nicht übermittelt hätten werden dürfen, gälten nach dem zweiten Satz des Artikel XII Abs. 3 des Ergänzungsvertrages als dem Empfänger nicht zugekommen. Die Strafverfügung sei dem Mitbeteiligten mit Fensterkuvert übermittelt worden, also unmittelbar durch die Post. Die Strafverfügung sei diesem sohin nicht zugekommen. Die Möglichkeit der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung nach § 7 ZustG verneinte das Verwaltungsgericht für den vorliegenden Fall aus näher dargelegten Gründen. Schließlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass als erste Verfolgungshandlung die Zustellung der Strafverfügung vom in Frage käme, die allerdings mit einem Fensterkuvert durch die Post übermittelt worden sei und somit nicht als Zustellung gelte. Die nächste Verfolgungshandlung sei die Übermittlung der Strafverfügung an den Rechtsvertreter des Mitbeteiligten am . Zu diesem Zeitpunkt sei allerdings die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 1 VStG abgelaufen gewesen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen gewesen sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurück- in eventu die Abweisung der Revision. Er brachte u.a. vor, die von der Amtsrevisionswerberin zitierte Entscheidung habe einen anderen Sachverhalt betroffen; darüber hinaus gebe es keinen Nachweis für das Abfertigen der Strafverfügung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, weil die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung nicht von deren rechtswirksamer Zustellung, sondern von dem Umstand, dass sie die Sphäre der Behörde verlassen habe, abhänge, als zulässig und begründet.

9 § 31 Abs. 1 VStG sieht vor, dass die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Eine Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

10 Mit einer Verfolgungshandlung tritt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lediglich der Wille der Behörde nach außen, eine Person wegen einer bestimmten Verwaltungsübertretung verfolgen zu wollen. Nach außen tritt dieser Wille, sobald das jeweilige Schreiben die Sphäre der Behörde verlassen hat. Dabei ist es zur Wahrung der Verfolgungsverjährung ausreichend, wenn die Behörde eine solche Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist abfertigt (etwa zur Post gibt). Dass die Amtshandlung ihr Ziel erreicht oder der Beschuldigte davon Kenntnis erlangt, ist für die Gültigkeit der Verfolgungshandlung hingegen nicht erforderlich. Wird etwa ein Bescheid zur Post gegeben, erreicht den Beschuldigten aber aus unterschiedlichen Gründen nicht, ändert letzteres nichts an der Gültigkeit der Verfolgungshandlung (vgl. hierzu , sowie , jeweils mwN).

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Qualifikation einer behördlichen Handlung als taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG somit nur darauf an, dass der behördliche Wille innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung tritt, und nicht darauf, dass (auch) eine ordnungsgemäße Zustellung der behördlichen Erledigung innerhalb der Verjährungsfrist stattfindet (vgl. ; , Ra 2019/17/0079, jeweils mwN).

12 Das Verwaltungsgericht stellte - entgegen dem Vorbringen des Mitbeteiligten - fest, dass die Strafverfügung vom (zunächst) dem Mitbeteiligten „mit der Post geschickt“ worden sei und führte rechtlich aus, die erste Verfolgungshandlung - nämlich die Strafverfügung - sei „mit einem Fensterkuvert durch die Post übermittelt worden“, was aus näheren Gründen nicht als Zustellung gelte.

13 Da es nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung jedoch lediglich darauf ankommt, dass diese Strafverfügung den internen Bereich der Behörde innerhalb der einjährigen Frist des § 31 Abs. 1 VStG verlassen hat, hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt; auf die rechtswirksame Zustellung innerhalb dieser Frist kommt es für die Tauglichkeit der Verfolgungshandlung gerade nicht an.

14 Damit erweist sich die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens jedoch als rechtswidrig. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023020042.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-46181