VwGH 01.06.2023, Ra 2023/02/0029
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | TierschutzG 2005 §39 Abs3 TierschutzG 2005 §40 VStG §17 VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Nichtstattgebung - Verfall nach dem Tierschutzgesetz - Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden wurden insgesamt 92 Straußenvögel, die dem Revisionswerber im Rahmen von Amtshandlungen am , , , , und abgenommen worden waren, gemäß "§§ 39 Abs. 3 iVm 40 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004 idgF" für verfallen erklärt. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung verbunden wurde. Das angefochtene Erkenntnis wurde bereits in die Wirklichkeit umgesetzt. In einem solchen Fall kommt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr in Betracht (vgl. ; , Ro 2020/10/0024, jeweils mwN). Ein Beschluss auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kann bereits gesetzte Vollstreckungshandlungen nicht rückgängig machen (vgl. , mwN); eine allfällige Vorschreibung von Kosten im Zusammenhang mit Vollstreckungshandlungen ist nicht Gegenstand des vorliegend angefochtenen Erkenntnisses (vgl. ). Da eine Sistierung des angefochtenen Erkenntnisses somit nicht mehr in Betracht kommt, scheidet die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bereits aus diesem Grund aus, weshalb dem Antrag nicht Folge zu geben war. |
Normen | |
RS 1 | Ist der Verfall in einer Verwaltungsvorschrift entsprechend § 17 VStG als Strafe vorgesehen, dann sind vom Begriff "Verwaltungsstrafsachen" auch Bescheide betreffend die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen und deren Ausfolgung iSd. § 39 VStG erfasst (vgl. ). Auch das Verfahren betreffend einen Antrag auf Rückgabe von für verfallen erklärter Tiere ist als Verfahren wegen einer Verwaltungsübertretung und somit als Verwaltungsstrafsache zu betrachten, wenn der Verfallsausspruch Strafcharakter hatte (vgl. ; , wonach der Begriff "Verwaltungsstrafsachen" selbst den objektiven Verfall nach § 17 Abs. 3 VStG umfasst). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/02/0179 E RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Ob es sich beim Verfall um eine reine Sicherungsmaßnahme handelt, sodass der Verfallsausspruch im Administrativverfahren unter Anwendung des AVG zu erfolgen hat (vgl. ; , 99/07/0083), oder diesem (auch) Strafcharakter zukommt, ist anhand der jeweiligen Verwaltungsvorschrift zu ermitteln. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/02/0179 E RS 2 |
Normen | |
RS 3 | Dass es sich bei dem Verfall gemäß § 39 Abs. 3 TierschutzG 2005 sowie § 40 Abs. 1 TierschutzG 2005 um keine reine Sicherungsmaßnahme handelt, sondern diesem jedenfalls auch Strafcharakter zukommt, ergibt sich bereits aus dem jeweiligen Verweis auf § 17 VStG, zumal § 17 VStG erst dann zum Tragen kommen kann, wenn eine Verwaltungsvorschrift den Verfall als Strafe vorsieht. Dies gilt auch für den in § 17 Abs. 3 VStG vorgesehenen objektiven Verfall, der keine Strafe, sondern eine Sicherungsmaßnahme darstellt (vgl. ). Bereits aus dem gesetzlichen Verweis auf § 17 VStG folgt somit, dass ein Verfallsausspruch nach § 39 Abs. 3 bzw. § 40 Abs. 1 TierschutzG 2005 (auch) als Strafe zu qualifizieren ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/02/0179 E RS 3 |
Normen | |
RS 4 | Sowohl der Ausspruch des Verfalles nach § 39 Abs. 3 TierschutzG 2005 als auch jener nach § 40 Abs. 1 TierschutzG 2005 knüpft unmittelbar an das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung ("Wird ein Tier entgegen einem Verbot nach Abs. 1 gehalten [...]" sowie "[...] Gegenstände, die zur Übertretung dieses Bundesgesetzes oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung verwendet wurden, und Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat [...]") an, sodass sich der Verfall aus diesem Grund als Sanktion für die Übertretung und damit als Folge einer strafbaren Handlung darstellt, weshalb der Verfall nach § 39 Abs. 3 und § 40 Abs. 1 TierschutzG 2005 keine bloße Sicherungsmaßnahme ohne Strafcharakter ist (vgl. ; vgl. hingegen ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/02/0179 E RS 4 |
Normen | BVG Nachhaltigkeit Tierschutz Umweltschutz idF 2019/I/082 TierschutzG 2005 §1 TierschutzG 2005 §39 Abs3 TierschutzG 2005 §40 Abs1 VStG §17 VwGVG 2014 §38 |
RS 5 | Es kann bei der Beurteilung des Verfalls gemäß § 39 bzw. 40 TierschutzG 2005 nicht gesagt werden, dass dieser jeweils ausschließlichen Strafcharakter aufweist. Dem Verfall nach dem TierschutzG 2005 kommt nämlich auch die Funktion einer Sicherungsmaßnahme zu (vgl. ; , Ra 2015/09/0103; , Ro 2014/17/0031) und dient nicht nur der Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen bzw. der Fortsetzung der Begehung einer Verwaltungsübertretung, sondern auch dem Schutz der Tiere (vgl. ). Zielsetzung des TierschutzG 2005 ist gemäß dessen § 1 nämlich der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf (vgl. VfSlg. 18.150/2007; 19.568/2011 sowie § 2 des BVG über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2019). |
Normen | TierschutzG 2005 §39 Abs3 TierschutzG 2005 §40 Abs1 VStG §17 VStG §31 VStG §31 Abs2 VwGVG 2014 §38 VwRallg |
RS 6 | Sicherungsmaßnahmen dürfen auch ungeachtet einer eingetretenen Verjährung nach § 31 VStG vorgenommen werden (vgl. ; , 93/01/0517; , 94/03/0263). Dies trifft auch für den Verfall nach § 39 und § 40 TierschutzG 2005 zu; der Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG führt daher nicht dazu, dass der Verfall der beschlagnahmten Tiere nicht mehr hätte ausgesprochen werden dürfen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des E, vertreten durch Mag. Maximilian Schneditz-Bolfras, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Brunnenweg 2/1, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-050223/21/BL, betreffend Verfall nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsfrau OÖ), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragnicht stattgegeben.
Begründung
1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom wurden insgesamt 92 Straußenvögel, die dem Revisionswerber im Rahmen von Amtshandlungen am , , , , und abgenommen worden waren, gemäß „§§ 39 Abs. 3 iVm 40 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004 idgF“ für verfallen erklärt.
2 2. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom wurde die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.
3 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die mit dem Antrag auf aufschiebende Wirkung verbunden wurde. Der Revisionswerber bringt zu diesem Antrag Folgendes vor:
„Zwingende öffentliche Interessen stehen einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
Sollte der Revision keine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wären die Tiere rechtskräftig als verfallen erklärt. Diese Folge wäre irreversibel und wäre auch bei einem Obsiegen des Revisionswerbers dieser Umstand nicht mehr veränderbar. Durch das angefochtene Erkenntnis sind nur die Interessen des Revisionswerbers betroffen und die verfahrensgegenständlichen Tiere. Aufgrund der Tatsache, dass es im vorliegenden Fall um lebende Tiere geht, ist eine aufschiebende Wirkung mit Hinsicht darauf, dass die Tiere andernfalls ‚fachgerecht entsorgt‘ werden jedenfalls geboten. Das Interesse des Revisionswerbers wiegt jedenfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Durchführung des Verfalls der Straußenvögel und am Vollzug des Bescheides vom [...].
Es sind jedoch nur die Interessen des Revisionswerbers betroffen. Falls die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden würde, würden die Tiere unverzüglich entsorgt werden und wäre die Behandlung der Revision nur noch von wissenschaftlichem Interesse.
Es ist auf die Entscheidung des , zu verweisen: Mit dem (dortigen) angefochtenen Erkenntnis wurde demRevisionswerber gemäß § 30 TSchG der Ersatz der für die Rahmen der vorgenommenen veterinärmedizinischen Versorgung und Unterbringen der am beschlagnahmten Tiere entstandenen Kosten in Höhe von € 32.028,82 auferlegt.
Der Revisionswerber war ebenfalls bereits in zahlreichen einschlägigen und rechtskräftig entschiedenen Straf- und Verwaltungsstrafverfahren nach dem TSchG belangt worden.
Im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geht es nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses. Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessensabwägung ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden.
Es ist nach der Lage des Falles vorliegenden Fall kein öffentliches Interesse ersichtlich, welches als zwingend anzusehen wäre.
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung steht weder den öffentlichen noch den tierschutzrechtlichen Interessen entgegen.“
4 4.1. Die belangte Behörde führt in ihrer Stellungnahme zur aufschiebenden Wirkung aus, dass die Tiere „bereits wie gesetzlich vorgesehen“ an andere Personen abgegeben worden seien und nicht mehr in der Verfügungsgewalt der Behörde stünden.
5 4.2. Die Mitbeteiligte sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus.
6 5.1. Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
7 5.2. Wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, wurden die vom Verfall betroffenen Tiere bereits an andere Personen abgegeben. Damit wurde das angefochtene Erkenntnis aber bereits in die Wirklichkeit umgesetzt.
8 5.3. Nach der hg. Judikatur kommt in einem solchen Fall die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr in Betracht (vgl. ; , Ro 2020/10/0024, jeweils mwN). Ein Beschluss auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kann bereits gesetzte Vollstreckungshandlungen nicht rückgängig machen (vgl. , mwN); eine allfällige Vorschreibung von Kosten im Zusammenhang mit Vollstreckungshandlungen ist nicht Gegenstand des vorliegend angefochtenen Erkenntnisses (vgl. ).
9 6. Da eine Sistierung des angefochtenen Erkenntnisses somit nicht mehr in Betracht kommt, scheidet die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bereits aus diesem Grund aus, weshalb dem Antrag nicht Folge zu geben war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des K in R, vertreten durch Mag. Maximilian Schneditz-Bolfras, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Brunnenweg 2/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-050223/21/BL, betreffend Verfall nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden; mitbeteiligte Partei: Dr. Cornelia Rouha-Mülleder, Tierschutzombudsfrau OÖ in 4021 Linz, p.A. Tierschutzombudsstelle Bahnhofplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom wurden insgesamt 92 Straußenvögel, die dem Revisionswerber im Rahmen von Amtshandlungen am , , , , und abgenommen worden waren, gemäß „§§ 39 Abs. 3 iVm 40 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl. I Nr. 118/2004 idgF“ für verfallen erklärt.
2 2.1. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) zunächst mit Erkenntnis vom ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
3 Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2022/02/0179, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
4 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof u.a. aus, aufgrund der Qualifikation des Verfallverfahrens nach dem TSchG als Verwaltungsstrafverfahren sei das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsgericht nicht gemäß § 24 VwGVG, sondern gemäß § 44 VwGVG, der die Verhandlungspflicht in Verwaltungsstrafsachen regelt, zu beurteilen. Da der Revisionswerber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seiner Beschwerde beantragt gehabt habe, sei das Verwaltungsgericht jedenfalls zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen, zumal aus jeweils näher dargestellten Gründen keine der in § 44 Abs. 2 bis 5 leg. cit. festgelegten Ausnahmen von der Verhandlungspflicht zur Anwendung gelangt sei.
5 2.2. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom wurde die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.
6 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom wegen des Vergehens der Tierquälerei rechtkräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Es lägen mehrere rechtskräftige Verwaltungsstraferkenntnisse gegen den Revisionswerber wegen Verstößen gegen § 5 TSchG vor. Dem Revisionswerber sei mit Bescheid der belangten Behörde vom die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere sowie von Tieren zu landwirtschaftlichen Zwecken auf Dauer verboten worden. Anlässlich der dagegen erhobenen Berufung habe der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich mit Bescheid vom die Haltung von Straußenvögeln zu landwirtschaftlichen Zwecken auf Dauer untersagt. Im Rahmen einer tierschutzrechtlichen Überprüfung im September 2018 sei festgestellt worden, dass trotz des rechtskräftigen Verbots mehr als 100 Strauße gehalten worden seien. Am seien dem Revisionswerber durch die belangte Behörde 16 Strauße abgenommen und in weiterer Folge mit Bescheid vom für verfallen erklärt worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgericht abgewiesen, die außerordentliche Revision vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden. In der Folge seien die nunmehr zu beurteilenden Strauße (insgesamt 92 Tiere) bei Amtshandlungen am , , , , und an einer näher genannten Adresse abgenommen worden. Der Revisionswerber sei Halter und Eigentümer der abgenommenen Straußenvögel. Er habe die Tiere überwiegend betreut, gefüttert, versorgt und an dieser Adresse untergebracht. Durch einen näher bezeichneten Vertrag sei weder die Haltereigenschaft noch das Eigentum an den Straußen übertragen worden.
7 2.3. Das Verwaltungsgericht erläuterte in der Folge seine Beweiswürdigung und führte rechtlich zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei „betreffend der abgenommenen Strauße bei den Amtshandlungen [...] Halter an seinem Betrieb an der Adresse [...]“ gewesen, obwohl ihm rechtskräftig die Haltung von Straußenvögeln zu landwirtschaftlichen Zwecken auf Dauer verboten worden sei. Aus näher genannten Gründen sei der Revisionswerber der Halter der Strauße gewesen, die Haltereigenschaft sei nicht übertragen gewesen. Zumal der Revisionswerber entgegen einem rechtskräftigen Verbot gemäß § 39 Abs. 1 TSchG Tiere gehalten habe, sei die belangte Behörde verpflichtet gewesen, diesem die Tiere gemäß § 39 Abs. 3 erster Satz TSchG ohne vorausgegangenes Verfahren unverzüglich abzunehmen. Gemäß § 39 Abs. 3 zweiter Satz TSchG unterlägen diese Tiere dem Verfall iSd § 17 VStG. Gemäß § 17 Abs. 1 VStG dürften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stünden oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden seien, obwohl dieser hätte erkennen müssen, dass die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde. Die Haltereigenschaft bzw. das Eigentum an den Tieren habe weder durch den (in einem vorangegangenen Verfahren) vorgelegten „Treuhandvertrag“ noch durch die „Nutzungsüberlassungsvereinbarung“ mit einem näher genannten Verein übertragen werden können. Bei der Haltereigenschaft iSd § 4 Z 1 TSchG gehe es um eine Nahebeziehung zum Tier. Der Revisionswerber habe die Straußenvögel überwiegend betreut, gefüttert und untergebracht, sodass die Haltereigenschaft jedenfalls gegeben sei. Auch an der Eigentümereigenschaft des Revisionswerbers bestehe kein Zweifel. Als „Verstoß“, der einen Verfall zur Folge habe, sei iSd § 39 Abs. 3 TSchG das Halten von Tieren entgegen einem Verbot gemäß § 39 Abs. 1 TSchG tatbildlich. Der Revisionswerber habe entgegen einem rechtskräftigen Verbot gemäß § 39 Abs. 1 TSchG Straußenvögel gehalten, was die Rechtsfolgen des § 39 Abs. 3 TSchG zur Konsequenz gehabt habe. Die Verfallserklärung sei daher rechtmäßig erfolgt. Es gebe keine zeitliche Frist für die Verfallserklärung. Da es sich beim Verfall um keine reine Sicherungsmaßnahme handle, sondern diesem „jedenfalls auch Strafcharakter“ zukomme, ergebe sich daraus, dass der Verfall keinen ausschließlichen Strafcharakter aufweise, weshalb die Strafbarkeitsverjährung keine Anwendung finde.
8 3.1. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu ihre Abweisung als unbegründet sowie den Zuspruch von Aufwandersatz. Zusammengefasst bringt die belangte Behörde vor, es bestehe ein Bedürfnis an Klarstellung, ob hinsichtlich des Verfalls nach § 39 Abs. 3 iVm. § 40 Abs. 1 TSchG die Verjährungsbestimmungen anwendbar seien. Tierschutz liege nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sehr wohl im öffentlichen Interesse bzw. werde durch die Nichteinhaltung von Tierschutzbestimmungen ein öffentliches Interesse beeinträchtigt. Im Übrigen habe das strafbare Verhalten bis zur letzten Abnahme nicht aufgehört, sodass die - allenfalls zu beachtende - Verjährungsfrist erst dann zu laufen beginne.
9 3.2. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte ebenfalls die Zurück- bzw. die Abweisung der Revision.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 4.1. Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob hinsichtlich des Verfalls gemäß § 39 Abs. 3 bzw. § 40 Abs. 1 TSchG die Verjährungsbestimmungen des § 31 VStG anwendbar seien, als zulässig. Sie ist aber nicht begründet:
12 4.2.1. § 39 und § 40 TSchG, BGBl. I Nr. 118/2004 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 61/2017, lauten auszugsweise wie folgt:
„Verbot der Tierhaltung
§ 39. (1) Die Behörde kann einer Person, die vom Gericht wegen Tierquälerei wenigstens einmal oder von der Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 mehr als einmal rechtskräftig bestraft wurde, die Haltung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer verbieten, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit eine Tierquälerei oder ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 in Zukunft voraussichtlich verhindert wird. [...]
[...]
(3) Wird ein Tier entgegen einem Verbot nach Abs. 1 gehalten, so hat es die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren unverzüglich abzunehmen und für seine vorläufige Verwahrung und Betreuung zu sorgen. Diese Tiere unterliegen dem Verfall im Sinne des § 17 VStG.
[...]
Verfall
§ 40. (1) Unbeschadet der §§ 37 Abs. 3 letzter Satz und § 39 Abs. 3 unterliegen Gegenstände, die zur Übertretung dieses Bundesgesetzes oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung verwendet wurden, und Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, dem Verfall im Sinne des § 17 VStG, wenn zu erwarten ist, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen wird.
[...]“
13 4.2.2. § 39 und § 40 TSchG, BGBl. I Nr. 118/2004 jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2022, lauten auszugsweise wie folgt:
„Verbot der Tierhaltung
§ 39. (1) Die Behörde kann einer Person, die vom Gericht wegen Tierquälerei wenigstens einmal oder von der Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 mehr als einmal rechtskräftig bestraft wurde, die Haltung und Betreuung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer verbieten, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit eine Tierquälerei oder ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 in Zukunft voraussichtlich verhindert wird. [...]
(2) [...]
(3) Wird ein Tier entgegen einem Verbot nach Abs. 1 oder § 25 Abs. 3 Z 2 gehalten oder betreut, so hat es die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren unverzüglich abzunehmen und für seine vorläufige Verwahrung und Betreuung zu sorgen. Diese Tiere unterliegen dem Verfall im Sinne des § 17 VStG.
[...]
Verfall
§ 40.
(1) Unbeschadet der §§ 37 Abs. 3 letzter Satz und § 39 Abs. 3 unterliegen Gegenstände, die zur Übertretung der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Union oder dieses Bundesgesetzes oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung verwendet wurden, und Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat, dem Verfall im Sinne des § 17 VStG, wenn zu erwarten ist, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen wird.
[...]“
14 4.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff „Verwaltungsstrafsachen“ umfassend zu verstehen und erstreckt sich auf alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen (vgl. ; , 96/02/0076; jeweils mwN). Ist der Verfall in einer Verwaltungsvorschrift entsprechend § 17 VStG als Strafe vorgesehen, dann sind von diesem Begriff etwa auch Bescheide betreffend die Beschlagnahme von Verfallsgegenständen und deren Ausfolgung im Sinne des § 39 VStG erfasst (vgl. ). Auch das Verfahren betreffend einen Antrag auf Rückgabe von für verfallen erklärten Tieren ist als Verfahren wegen einer Verwaltungsübertretung und somit als Verwaltungsstrafsache zu betrachten, wenn der Verfallsausspruch Strafcharakter hatte (vgl. ; vgl. hierzu auch , wonach der Begriff „Verwaltungsstrafsachen“ selbst den objektiven Verfall nach § 17 Abs. 3 VStG umfasst).
15 Ob es sich beim Verfall um eine reine Sicherungsmaßnahme handelt, sodass der Verfallsausspruch im Administrativverfahren unter Anwendung des AVG zu erfolgen hat (vgl. hierzu Wessely in Raschauer/Wessely, VStG² (2016) § 17 Rz 5; sowie ; , 99/07/0083; jeweils mwN), oder diesem (auch) Strafcharakter zukommt, ist anhand der jeweiligen Verwaltungsvorschrift zu ermitteln (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² (2017) § 17 Rz 1).
16 Zum Strafcharakter des Verfalls gemäß § 39 Abs. 3 TSchG sowie § 40 Abs. 1 TSchG hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2022/02/0179, Folgendes festgehalten:
„Dass es sich bei dem Verfall gemäß § 39 Abs. 3 TSchG sowie § 40 Abs. 1 TSchG um keine reine Sicherungsmaßnahme handelt, sondern diesem jedenfalls auch Strafcharakter zukommt, ergibt sich bereits aus dem jeweiligen Verweis auf § 17 VStG, zumal § 17 VStG erst dann zum Tragen kommen kann, wenn eine Verwaltungsvorschrift den Verfall als Strafe vorsieht. Dies gilt auch für den in § 17 Abs. 3 VStG vorgesehenen objektiven Verfall, der keine Strafe, sondern eine Sicherungsmaßnahme darstellt (vgl. erneut ). Bereits aus dem gesetzlichen Verweis auf § 17 VStG folgt somit, dass ein Verfallsausspruch nach § 39 Abs. 3 bzw. § 40 Abs. 1 TSchG (auch) als Strafe zu qualifizieren ist.
Darüber hinaus knüpft sowohl der Ausspruch des Verfalles nach § 39 Abs. 3 TSchG als auch jener nach § 40 Abs. 1 TSchG unmittelbar an das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung (‚Wird ein Tier entgegen einem Verbot nach Abs. 1 gehalten [...]‘ sowie ‚[...] Gegenstände, die zur Übertretung dieses Bundesgesetzes oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung verwendet wurden, und Tiere, auf die sich das strafbare Verhalten bezogen hat [...]‘) an, sodass sich der Verfall auch aus diesem Grund als Sanktion für die Übertretung und damit als Folge einer strafbaren Handlung darstellt, weshalb der Verfall nach § 39 Abs. 3 und § 40 Abs. 1 TSchG keine bloße Sicherungsmaßnahme ohne Strafcharakter ist (vgl. zum Wr. Wettengesetz: ; vgl. hingegen der in § 76b Abs. 9 Arzneimittelgesetz vorgesehene Verfall, der ausschließlich auf das Vorliegen einer Gefahrenlage abstellt, weshalb er als Sicherungsmaßnahme ohne Strafcharakter zu werten ist: ).“
17 Es kann jedoch bei der Beurteilung des Verfalls gemäß § 39 bzw. 40 TSchG nicht gesagt werden, dass dieser jeweils ausschließlichen Strafcharakter aufweist. Dem Verfall nach dem TSchG kommt nämlich auch die Funktion einer Sicherungsmaßnahme zu (vgl. etwa zur Qualifikation der Einziehung gemäß § 54 GSpG: ; , Ra 2015/09/0103; , Ro 2014/17/0031) und dient nicht nur der Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen bzw. der Fortsetzung der Begehung einer Verwaltungsübertretung, sondern auch dem Schutz der Tiere (vgl. ). Zielsetzung des TSchG ist gemäß dessen § 1 nämlich der Schutz des Lebens und des Wohlbefindens der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf (vgl. zum Tierschutz als öffentliches Interesse auch z.B. VfSlg. 18.150/2007; 19.568/2011 sowie § 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl. I Nr. 111/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2019).
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat nun aber im Zusammenhang mit Sicherungsmaßnahmen bereits mehrfach ausgesprochen, dass solche auch ungeachtet einer eingetretenen Verjährung nach § 31 VStG vorgenommen werden dürfen (vgl. etwa ; , 93/01/0517; , 94/03/0263, jeweils mwN).
19 Dies trifft auch für den Verfall nach § 39 und § 40 TSchG zu; der Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG führt daher nicht dazu, dass der Verfall der beschlagnahmten Tiere nicht mehr hätte ausgesprochen werden dürfen; nähere Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, wann welche Strauße beschlagnahmt worden sind, waren daher entbehrlich.
20 Ebenso bedurfte es im vorliegenden Fall keiner Feststellungen zum öffentlichen Interesse an der Abnahme der Straußenvögel oder einer Prüfung gemäß § 40 Abs. 1 TSchG, ob zu erwarten ist, dass der Täter sein strafbares Verhalten fortsetzen oder wiederholen werde: wie bereits oben ausgeführt, dient § 39 Abs. 3 TSchG u.a. auch dem öffentlichen Interesse des Tierschutzes bei Vorliegen eines Tierhalteverbotes. Da hinsichtlich des Revisionswerbers ein Tierhalteverbot vorliegt, erübrigte sich aus diesem Grund auch eine nähere Prüfung gemäß § 40 Abs. 1 TSchG, weil der Revisionswerber die Straußenvögel nicht halten durfte.
21 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 47 Abs. 2 Z 2 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
23 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Art. 47 GRC wurde schon durch die Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | TierschutzG 2005 §39 Abs3 TierschutzG 2005 §40 VStG §17 VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023020029.L07 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-46178