VwGH 08.11.2023, Ra 2022/16/0041
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Gegenleistung im Sinne der §§ 4 und 5 GrEStG ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/16/0077). Er ist vielmehr im wirtschaftlichen Sinn (§ 21 BAO) zu verstehen. Für die Beurteilung der Gegenleistung kommt es nicht auf die äußere Form der Verträge, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Unter einer Gegenleistung ist daher jede geldwerte entgeltliche Leistung zu verstehen, die für den Erwerb des Grundstückes zu zahlen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/16/0104, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/16/0246 E RS 2 |
Norm | GrEStG 1987 §5 Abs1 |
RS 2 | Im Sinne des § 5 Abs. 1 GrEStG ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in erster Linie die Gegenleistung, d.h. jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss, um das Grundstück zu erhalten (vgl. ). Es ist somit auf denjenigen abzustellen, der die Leistung erbringt, also auf den Erwerber des Grundstücks, der die Gegenleistung (für das Grundstück) erbringt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2020/16/0024 E RS 2 |
Norm | GrEStG 1987 §5 Abs1 Z1 |
RS 3 | Die Kosten der Errichtung der Vertragsurkunde zählen nur dann zur Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage, wenn der Veräußerer den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt und der Erwerber sich verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Beauftragt nämlich der Veräußerer allein die Verfassung der Vertragsurkunde, dann entstehen nur ihm als Auftraggeber dafür Kosten. Verpflichtet sich der Käufer, diese für den Veräußerer entstandenen Kosten zur Gänze durch Zahlung an den Vertragsverfasser zu übernehmen, dann erbringt er in diesem Umfang eine sonstige Leistung, die er aufwenden musste, um das Grundstück zu erhalten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/16/0353 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der D G in W, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100323/2022, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Kaufvertrag vom erwarb die Revisionswerberin als Käuferin von der U GmbH 96/3053 Anteile im Wohnungseigentum an der Liegenschaft X zu einem Kaufpreis iHv 314.000 €.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich (im Folgenden: Finanzamt) gegenüber der Revisionswerberin 3,5% Grunderwerbsteuer iHv 11.130,28 € fest. Als Bemessungsgrundlage zog das Finanzamt den Kaufpreis zuzüglich Vertragserrichtungskosten iHv 4.008 € heran.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den Bescheid vom insoweit ab, aber die Grunderwerbsteuer mit 11.121,88 € festsetzte. Als Bemessungsgrundlage zog das Finanzamt Vertragserrichtungskosten iHv 1% des Kaufpreises zuzüglich der Umsatzsteuer, sohin 3.768 €, sowie den Kaufpreis, insgesamt somit einen Betrag iHv 317.768 € heran.
4 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde der Revisionswerberin teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid - gleichlautend mit der Beschwerdevorentscheidung - dahingehend ab, dass die Grunderwerbsteuer ausgehend von der Bemessungsgrundlage von 317.768 € unter Anwendung des Steuersatzes von 3,5% mit 11.121,88 € festgesetzt werde. Die Revision erklärte das Bundesfinanzgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, die U GmbH als Verkäuferin habe die Vertragserrichtung beauftragt und die Revisionswerberin habe die Kosten für die Errichtung (Individualisierung des Vertrages, Anpassungen), die Verbücherung und die steuerliche Selbstberechnung samt Durchführung und treuhändiger Abwicklung des Kaufvertrages getragen. Die Vertragserrichtungskosten hätten 1% vom Kaufpreis betragen, zuzüglich Umsatzsteuer.
6 Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht, es werde von der Revisionswerberin nicht bestritten, dass die Verkäuferin die Errichtung des Vertrages beauftragt und die Revisionswerberin sich unter Punkt VII. „Kosten“ des Kaufvertrages zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet habe. Diese Klausel hätte nicht aufgenommen werden müssen, wenn die Vertragserrichtung ohnehin von der Revisionswerberin veranlasst worden wäre. Es mache keinen Unterschied, wenn im Pauschalbetrag auch Kosten für die Individualisierung, Verbücherung, steuerliche Selbstberechnung und treuhändische Abwicklung des Vertrages enthalten seien, da diese trotzdem aus der Beauftragung durch die Verkäuferin resultierten und insgesamt als Vertragserrichtungskosten zu werten seien. Die von der Revisionswerberin vertraglich übernommene Bezahlung der 1%igen „Vertragsverfassungsgebühr“ sei somit eine sonstige Leistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987 (GrEStG 1987). Der Bescheid des Finanzamtes sei daher in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen.
7 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
8 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die mit einem Prozent des Kaufpreises pauschalierten Kosten der Individualisierung eines Mustervertrages, dessen Errichtungskosten von der Verkäuferin getragen würden, sowie die Kosten der Verbücherung, der steuerlichen Selbstberechnung sowie der treuhändischen Abwicklung eines Kaufvertrages als Gegenleistung iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG - auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Bauträgervertragsgesetzes (BVTG) - anzusehen seien. Die Revisionswerberin habe nicht die Kosten der Vertragserrichtung getragen, sondern nur jene, die durch die Individualisierung des auf Kosten der Verkäuferin erstellten Mustervertrages entstanden seien. Zudem habe das Bundesfinanzgericht amtswegige Ermittlungen, Feststellungen und Begründungen zu den näheren Umständen und Hintergründen zu der Auftragserteilung und Vertragserrichtung im Hinblick auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlage unterlassen.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Gegenleistung im Sinne der §§ 4 und 5 GrEStG 1987 ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Er ist vielmehr im wirtschaftlichen Sinn (§ 21 BAO) zu verstehen. Für die Beurteilung der Gegenleistung kommt es nicht auf die äußere Form der Verträge, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Unter einer Gegenleistung ist daher jede geldwerte entgeltliche Leistung zu verstehen, die für den Erwerb des Grundstückes zu zahlen ist (vgl. , mwN).
14 Im Sinne des § 5 Abs. 1 GrEStG 1987 ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in erster Linie die Gegenleistung d.h. jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss, um das Grundstück zu erhalten. Es ist somit auf denjenigen abzustellen, der die Leistung erbringt, also auf den Erwerber des Grundstücks, der die Gegenleistung (für das Grundstück) erbringt (vgl. ; , Ro 2020/16/0024, mwN).
15 Die Kosten der Errichtung der Vertragsurkunde zählen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann zur Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage, wenn der Veräußerer den Auftrag zur Vertragserrichtung erteilt und der Erwerber sich verpflichtet, diese Kosten zu tragen. Beauftragt nämlich der Veräußerer allein die Verfassung der Vertragsurkunde, dann entstehen nur ihm als Auftraggeber dafür Kosten. Verpflichtet sich der Käufer, diese für den Veräußerer entstandenen Kosten zur Gänze durch Zahlung an den Vertragsverfasser zu übernehmen, dann erbringt er in diesem Umfang eine sonstige Leistung, die er aufwenden musste, um das Grundstück zu erhalten (vgl. ; , Ra 2019/16/0190).
16 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen kann, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. nochmals ; sowie , jeweils mwN).
17 Das Bundesfinanzgericht hat nachvollziehbar und schlüssig begründet, dass die Veräußerin die Errichtung des Kaufvertrages beauftragt und die Revisionswerberin sich vertraglich verpflichtet habe, die Kosten der Errichtung des Kaufvertrages zur Gänze zu tragen. Dass diese Kosten aufgrund der Vereinbarung der Vertragsparteien mit einem Prozentbetrag des Kaufpreises pauschaliert wurden und weitere Leistungen des Vertragserrichters zur Abwicklung des Erwerbsvorganges umfassten, ändert nichts daran, dass in diesem Umfang eine sonstige Leistung vorlag, die die Revisionswerberin aufwenden musste, um das Grundstück zu erhalten.
18 Damit ist das Bundesfinanzgericht nicht von der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Revision zeigt in diesem Zusammenhang auch mit ihrem allgemeinen Verweis auf die Nichtanwendbarkeit des Bauträgervertragsgesetzes auf den gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
19 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zudem gerügt wird, das Bundesfinanzgericht habe amtswegige Ermittlungen unterlassen und keine ausreichenden Feststellungen getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass weder ausreichend konkret dargelegt wird, welche Annahmen unrichtig seien und welche konkreten Feststellungen zu treffen gewesen wären, noch die Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel dargestellt wird.
20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
21 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022160041.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-46136