VwGH 28.08.2023, Ra 2022/15/0082
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Eine gewerbliche Tätigkeit liegt ganz allgemein bereits in der Vorbereitungsphase vor, wenn sich der innere Entschluss des Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiert und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeitet, weshalb die nach außen in Erscheinung getretene Vorgangsweise des Steuerpflichtigen daraufhin zu untersuchen ist, ob sie auf die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet ist (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des G H in E, vertreten durch die Emsenhuber & Partner Wirtschaftstreuhand GmbH Steuerberatungsgesellschaft in 3390 Melk, Babenbergerstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100937/2017, betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2012 bis 2015, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber führte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Streitzeitraum 2012 bis 2015 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit Geflügelmast im Vollerwerb. Er war nicht buchführungspflichtig, führte aber freiwillig Bücher. Die gesamten Futtermittel für die Geflügelmast wurden zugekauft, während die produzierten pflanzlichen Produkte ihrerseits verkauft wurden. Vor dem revisionsgegenständlichen Zeitraum befand sich der Revisionswerber wegen psychischer Überlastung in stationärer Behandlung und wurde im Streitzeitraum medikamentös behandelt. Diese Behandlung war ausreichend, um die Land- und Forstwirtschaft ohne Einschränkungen zu betreiben. Aufgrund eines Erschöpfungszustandes hatte sich der Revisionswerber dazu entschieden, im Streitzeitraum einen Umtrieb (Aufzuchtzyklus) auszusetzen, was eine Pause von ca. 2 Monaten bewirkte.
2 Im Jahr 2012 hatte der Revisionswerber 15,57 ha Grund in Eigenbewirtschaftung. Zwischen April und Oktober 2012 wurde eine neue Stallung für die Geflügelmast errichtet und damit die Kapazität mehr als verdoppelt. Der alte Stall wurde seitdem als Lager- und Abstellfläche genutzt. Ebenfalls 2012 wurde eine neue Rahmenvereinbarung mit dem Auftraggeber für die Geflügelmast geschlossen, wobei der Rahmen der einzustellenden und abzunehmenden Masthühner auf 28.000 Stück je Umtrieb erhöht wurde. Diese Lohnmastvereinbarung war im Jahr 2022 noch in Geltung. Bei der in dieser Vereinbarung angeführten Stückzahl sowie bei den vereinbarten Umtrieben handelt es sich um unverbindliche Orientierungsgrößen, die ohne vertragliche Konsequenzen vom Revisionswerber über- oder unterschritten werden können. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 7,26 ha an landwirtschaftlicher Nutzfläche zugepachtet, um den produzierten Hühnermist auf eigenbewirtschafteten Flächen ausbringen zu können. Erst nach dem Streitzeitraum wurde die Mistausbringung auf eigenbewirtschaftetem Grund aufgegeben und ein Fremdunternehmen mit der Entsorgung des Mistes beauftragt. In der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswertes und Festsetzung des Grundsteuermessbetrages land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zum (datiert mit ) wurde vom Revisionswerber als Anzahl der Jahresproduktion für Jungmasthühner 118.500 eingetragen. Die von ihm zugrunde gelegte Berechnung der Produktionszahl konnte er nicht mehr erläutern; sie entspricht aber den produzierten Vieheinheiten im Jahr 2015. Die Arbeitsleistung in der Geflügelmast wurde vom Revisionswerber, seiner Gattin und seinem Sohn erbracht. Der Sohn betreibt eine eigene Land- und Forstwirtschaft. Die beiden Landwirte unterstützen sich wechselseitig bei der Bewirtschaftung. Die Anstellung zusätzlicher Arbeitskräfte war bisher nicht notwendig und ist auch künftig nicht geplant. 2017 hat der Revisionswerber 13,2475 ha zugepachtet, diesen Pachtvertrag aber 2018 wieder aufgelassen, weil die Gesamtkonditionen für diese Fläche nicht entsprochen haben.
3 Laut vorliegenden Mastabrechnungen ergaben sich in den revisionsgegenständlichen Jahren und in den Folgejahren folgende produzierte Vieheinheiten (bei Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten für Jungmasthühner nach dem Schlüssel „Tieranzahl x 0,001“):
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | |||||
VE | 73,292 | 168,505 | 141,496 | 118,53 | |||||
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |||
VE | 192,716 | 165,471 | 197.231 | 198,010 | 196,729 | 190,920 | |||
4 Am erklärte der Revisionswerber für die Jahre 2012 bis 2015 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und übermittelte für diesen Zeitraum Umsatzsteuererklärungen.
5 Nach erfolgter Außenprüfung im Jahr 2016 setzte das Finanzamt für die Jahre 2012 bis 2015 die Einkommensteuer mit Bescheiden vom fest und erließ hinsichtlich der Umsatzsteuer Nichtfestsetzungsbescheide.
6 Das Finanzamt gab der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin der Revisionswerber deren Vorlage an das BFG beantragte.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision nicht zugelassen wurde, wies das BFG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde ab. Begründend führte es aus, der Revisionswerber habe mit seinen 2012 gesetzten Maßnahmen ursprünglich nicht beabsichtigt, einen Geflügelmastbetrieb außerhalb des seit jeher bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zu gründen. Vielmehr sei es aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation notwendig gewesen, die Produktion in der Geflügelmast zu erhöhen, um weiterhin als Land- und Forstwirt im Vollerwerb tätig sein zu können. Im Streitzeitraum habe weder ein sofortiger noch ein nachhaltiger Strukturwandel im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Revisionswerbers stattgefunden.
8 Dem Revisionswerber sei zwar insoweit zuzustimmen, dass - neben dem nachhaltigen (allmählichen) Strukturwandel - auch ein sofortiger Strukturwandel vorliegen könne, der eine ursprünglich im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft betriebene Geflügelmast zu einem Gewerbebetrieb außerhalb der Land- und Forstwirtschaft machen könne. Ob ein solcher Strukturwandel vorliege und ob dieser allmählich oder sofort eingetreten sei, sei daher vom BFG zu untersuchen. Dabei sei zu prüfen, ob die 2012 vom Revisionswerber gesetzten Maßnahmen einen sofortigen Strukturwandel bewirkt hätten und bereits ab diesem Zeitpunkt ein Gewerbebetrieb vorliege. Der Revisionswerber habe erstmals durch seinen steuerlichen Vertreter im Jahr 2016 Steuererklärungen betreffend die streitgegenständlichen Jahre beim Finanzamt eingereicht. Dies habe er im Zuge seiner Befragung damit begründet, dass ihm 2016 durch Zeitungslektüre und Hinweis eines Berufskollegen bewusst geworden sei, dass seine Tätigkeit nicht mehr als Land- und Forstwirtschaft anzusehen sein könnte. Daher habe er vier Jahre nach der Errichtung des neuen Stalls Kontakt mit dem vom Berufskollegen empfohlenen steuerlichen Vertreter aufgenommen. Eine Änderung der Struktur seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei sohin vom Revisionswerber nicht beabsichtigt gewesen. Vielmehr habe er den neuen Stall errichtet, ohne die damit verbundenen steuerrechtlichen Konsequenzen zu bedenken oder diese bewirken zu wollen. Nach Errichtung des Stalls sei der Betrieb, wie der Revisionswerber selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt habe, wie bisher fortgeführt worden. Die Errichtung sei u.a. aus Praktikabilitätsgründen erfolgt, um einen ebenerdigen Stall zu haben.
9 Aber auch wenn der Revisionswerber keinen Strukturwandel der Geflügelmast bewusst habe herbeiführen wollen, könne es objektiv trotzdem dazu gekommen sein. Demzufolge sei zu untersuchen, welche Maßnahmen vom Revisionswerber im Jahr 2012 tatsächlich gesetzt worden seien. Die Errichtung eines neuen Stalles und die damit verbundene Verdoppelung der Produktionskapazität sei eine Maßnahme, die dazu geeignet sei, einen sofortigen Strukturwandel zu bewirken, wenn diese Produktionskapazität auch tatsächlich genutzt werde. Dies sei hier nicht der Fall. Auch wenn 2013 eine deutlich erhöhte Produktion erfolgt sei, seien 2014 und 2015 die produzierten Vieheinheiten im Verhältnis zur genutzten Fläche wieder stark zurückgegangen. Die neu geschaffenen Produktionskapazitäten seien zu einem erheblichen Teil ungenutzt geblieben. Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, komme dem neu abgeschlossenen Rahmenvertrag für die Beurteilung eines Strukturwandels keine Bedeutung zu, weil die darin vereinbarten Stückzahlen nur unverbindliche Orientierungsgrößen und mit keiner tatsächlichen Erfüllungsverpflichtung verbunden seien. Demzufolge sei dem Rahmenvertrag zwar zu entnehmen, dass der Revisionswerber beabsichtige, künftig mehr Geflügel zu mästen, jedoch nicht im Sinne eines sofortigen Strukturwandels, sondern im Sinne einer allmählichen wirtschaftlich notwendigen Produktionssteigerung. Im Streitzeitraum hätten - neben der Errichtung eines neuen Stalls - keine Maßnahmen festgestellt werden können, die zu einem sofortigen Strukturwandel hätten führen können. So bleibe beispielsweise die Bewirtschaftung durch den Revisionswerber und seine Gattin mit Unterstützung des Sohnes unverändert. Eine Änderung sei nicht geplant. Auch die Entsorgung des Mists durch Ausbringung auf eigenen Flächen sei im Streitzeitraum unverändert geblieben. Erst danach sei der Mist durch ein Fremdunternehmen entsorgt worden. Der Revisionswerber habe 2012 nach Ansicht des BFG weder einen sofortigen Strukturwandel gewollt, noch einen solchen objektiv bewirkt. Auch den Umstand, dass er im Juli 2014 bei der Erstellung der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswertes und Festsetzung des Grundsteuermessbetrages land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zum als Anzahl der Jahresproduktion für Jungmasthühner 118.500 angeführt habe, deren Berechnung er nicht mehr nachvollziehen könne, diese Zahl aber exakt dem Wert für 2015 entspreche, könne nach Ansicht des BFG nur so gewürdigt werden, dass dem Revisionswerber die geplante Jahresproduktion für 2015 bereits im Juli 2014 bekannt gewesen und in der Folge auch umgesetzt worden sei. Auch daraus sei zu schließen, dass im Streitzeitraum kein Strukturwandel stattgefunden habe. Im Beschwerdevorbringen sei eingewandt worden, dass der 2014 und 2015 eingetretene Rückgang der Produktion krankheitsbedingt erfolgt sei und die Nichtausnutzung der Produktionskapazität als außerordentlich angesehen werden könne. Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung dazu angegeben, dass er vor Errichtung des neuen Stalles in medizinischer Behandlung im Krankenhaus gewesen und daraufhin medikamentös eingestellt worden sei. Als Begründung für den Rückgang 2014 und 2015 habe er ausgeführt, er habe einen Umtrieb ausgelassen, weil es ihm zu viel geworden sei. Es hätten jedoch keine (außerordentlichen) krankheitsbedingten Ereignisse festgestellt werden können, die den eingetretenen Produktionsrückgang in den Jahren 2014 und 2015 erklärten. In der mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber bestätigt, dass die nach seinem stationären Krankenhausaufenthalt erfolgte medikamentöse Behandlung ausreichend sei und er sich in der Bewirtschaftung seines Betriebes seither nicht eingeschränkt sehe. Ein nachhaltiger Strukturwandel liege schon deshalb nicht vor, weil im Streitzeitraum nur 2013 die Grenzen des § 30 Abs. 5 Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) überschritten worden und in den anderen Jahren keine außerordentlichen Gründe für das Nichtüberschreiten vorgelegen seien.
10 Gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 seien Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieben iSd § 30 Abs. 3 bis 7 BewG. Die primäre Bestimmung für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes bei Tierhaltung und Tierzucht sei § 30 Abs. 3 BewG. Ein landwirtschaftlicher Hauptbetrieb liege demnach vor, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet würden, die im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gewonnen würden, was im Revisionsfall nicht gegeben sei. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, in denen zur Zucht oder Haltung der Tiere überwiegend zugekaufte Futtermittel verwendet würden, gälten aber noch als landwirtschaftliche Betriebe, wenn die in § 30 Abs. 5 bis 7 BewG angeführten Voraussetzungen vorlägen. Sei die Verwendung von eigenen Futtermitteln anhand der dortigen Berechnung theoretisch möglich, liege unabhängig vom tatsächlichen Futtermitteleinsatz ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Gemäß § 30 Abs. 5 BewG 1955 gelte die Zucht oder das Halten der in Abs. 7 genannten Tiere als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn bezogen auf die reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche dieses Betriebes (Abs. 6), für die ersten 10 ha nicht mehr als 8, für die nächsten 10 ha nicht mehr als 6, für die nächsten 10 ha nicht mehr als 4, für die nächsten 10 ha nicht mehr als 3, für die nächsten 10 ha nicht mehr als 2 Vieheinheiten (Abs. 7) und für die restliche reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche nicht mehr als 1,5 Vieheinheiten je Hektar im Wirtschaftsjahr durchschnittlich erzeugt oder gehalten würden. Werde jedoch dieser Höchstbestand nachhaltig überschritten, so sei hinsichtlich des gesamten Tierbestandes das Vorliegen eines gewerblichen Betriebes anzunehmen. Für die Anzahl der zulässigen Vieheinheiten und für die Ermittlung der reduzierten landwirtschaftlichen Nutzfläche sei das Gesamtausmaß der vom Betrieb aus bewirtschafteten Flächen maßgebend; gepachtete Flächen seien miteinzubeziehen, verpachtete auszuschließen. Gemäß § 30 Abs. 7 BewG würden die Vieheinheiten nach dem zur Erreichung des Produktionszieles erforderlichen Futterbedarf bestimmt. Für die Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten gelte für Jungmasthühner folgender Schlüssel: 0,001 VE. Um das Vorliegen eines Gewerbebetriebes anzunehmen, müssten die gesetzlich vorgesehenen Vieheinheiten nachhaltig überschritten werden. Nach den im Eigentum befindlichen und gepachteten Flächen des Revisionswerbers ergäben sich bezogen auf die reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche gemäß § 30 Abs. 5 BewG folgende gesetzliche Höchstgrenzen für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | ||||
VE | 113 | 113 (120) | 150 | 150 | ||||
Jahr | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | ||
VE | 150 | 199 | 116 | 116 | 116 | 116 | ||
11 Der gesetzlich bestimmte Höchstbestand sei in den Streitjahren 2012 bis 2015 allerdings nur einmal - nämlich im Jahr 2013 - überschritten worden; von einem dem Gesetz nach geforderten, nachhaltigen Überschreiten könne demzufolge nicht gesprochen werden. Auch der im Beschwerdevorbringen angeführte sofortige Strukturwandel, der aufgrund des Stallbaus eingetreten sein solle und demzufolge beim Revisionswerber bereits ab dem Jahr 2012 gewerbliche Einkünfte vorliegen sollten, habe nicht stattgefunden. Zwar sei dem Revisionswerber zuzustimmen, dass er mit dem Bau des Stalls eine Maßnahme gesetzt habe, die grundsätzlich zu einem sofortigen Strukturwandel hätte führen können. Aus der Zusammenschau seines Vorbringens, seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung und seines Verhaltens in den Streitjahren sei jedoch ersichtlich, dass der Revisionswerber weiterhin eine Landwirtschaft geführt habe und kein sofortiger Strukturwandel eingetreten sei. Es sei vielmehr zunächst die Beibehaltung des landwirtschaftlichen Betriebes vorgesehen gewesen, der erst in den Folgejahren aufgrund der langjährigen Entwicklung und Steigerung der Produktion in einen Gewerbebetrieb übergehen könne. Auch dem Vorbringen, dass es sich im Revisionsfall um einen Strukturwandel handle, der nach der deutschen Judikatur des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen würde, werde nicht gefolgt. Die zitierten Entscheidungen des BFH seien alle unter dem Aspekt eines (nachhaltigen) Überschreitens der Tierbestände getroffen worden, denn auch bei den entscheidungsrelevanten Sachverhalten in der deutschen Rechtsprechung sei die Vieheinheitsgrenze (wenn auch nur unwesentlich) mehrmals überschritten worden. Erst aufgrund dieses Überschreitens sei in einem weiteren Schritt das Vorliegen eines Gewerbebetriebes geprüft worden. Auch § 30 BewG bestimme, dass erst wenn der Höchstbestand (überhaupt) nachhaltig überschritten werde, das Vorliegen eines Gewerbebetriebes zu prüfen sei. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre zu klären, ob die Tätigkeit in weiterer Folge nachhaltig ausgeübt werde und Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorlägen. Da im konkreten Fall in den streitgegenständlichen Jahren der Höchstbestand lediglich einmal und somit nicht nachhaltig überschritten worden sei und der Bau des Stalles in Zusammenschau mit dem sonstigen Verhalten des Revisionswerbers keinen sofortigen Strukturwandel darstelle, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
12 Zur Umsatzsteuer führte das BFG aus, gemäß § 22 Abs. 1 UStG 1994 werde bei nichtbuchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführten, die Steuer für diese Umsätze mit 10 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Soweit diese Umsätze an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht würden, werde die Steuer für diese Umsätze mit 12 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge würden jeweils in gleicher Höhe festgesetzt. Die Buchführungspflicht richte sich nach §§ 124 und 125 BAO. Soweit sich eine Verpflichtung zur Buchführung nicht schon aus § 124 BAO ergebe, seien gemäß § 125 BAO (in den streitgegenständlichen Jahren) Unternehmer für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31), dessen Umsatz in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren jeweils 400.000 € oder dessen Wert zum 1. Jänner eines Jahres 150.000 € überstiegen habe, verpflichtet, für Zwecke der Erhebung der Abgaben vom Einkommen Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb sei gemäß § 22 Abs. 3 UStG 1994 ein Betrieb anzusehen, dessen Hauptzweck auf die Land- und Forstwirtschaft gerichtet sei. Als Landwirtschaft gälten insbesondere der Acker-, Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Wanderschäferei, die Fischzucht einschließlich der Teichwirtschaft und die Binnenfischerei, die Imkerei sowie Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe iSd § 30 BewG 1955. Gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 könne der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass seine Umsätze vom Beginn dieses Kalenderjahres an nicht nach § 22 Abs. 1 bis 5 UStG 1994, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesgesetzes besteuert werden sollen. Diese Erklärung binde den Unternehmer für mindestens fünf Kalenderjahre. Sie könne nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf sei spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Bestehe keine Buchführungspflicht, würden aber Bücher freiwillig geführt, sei die Pauschalierung nach § 22 UStG 1994 anzuwenden, sofern der Unternehmer nicht für die Regelbesteuerung optiere.
13 Beim Revisionswerber handle es sich um einen nichtbuchführungspflichtigen Unternehmer, der Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführe und freiwillig Bücher führe. Ein fristgerechter Antrag gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 sei nicht gestellt worden. Die steuerliche Vertretung habe für die Jahre 2012 bis 2015 erstmals am Umsatzsteuererklärungen übermittelt. Gemäß § 92 BAO seien Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen Rechte oder Pflichten begründeten, abänderten oder aufhöben, oder abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellten oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprächen. Eine Veranlagung sei in § 22 UStG 1994 nicht vorgesehen, weshalb die Abgabenbehörde zu Recht Bescheide gemäß § 92 BAO erlassen habe.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Revision hänge primär von der Frage ab, wonach sich bei einer Neuinvestition die steuerliche Qualifikation der Einkunftsart richte. Während nach Ansicht des Revisionswerbers eine Neuqualifikation bereits mit Beginn der Errichtung der Neuinvestition vorzunehmen sei, sei „laut der belangten Behörde“ die Einordnung als Gewerbebetrieb bei einer Neuinvestition erst zu sehen, wenn nachhaltig die Vieheinheitengrenzen laut Bewertungsgesetz überschritten würden. Dies würde jedoch dazu führen, dass zunächst die Einkünfte bei einem neuen Stallbau als Landwirtschaft gesehen würden und es erst in späterer Folge zu einer Umqualifikation komme. Durch die Aufbauzeit für die Erreichung der Vollkapazität lägen jedoch von Baubeginn bis zur Erreichung der Vollkapazität bzw. Überschreitung der Vieheinheiten laut Bewertungsgesetz Jahre. Die Steuerpflichtigen hätten somit völlige Rechtsunsicherheit, wie die Einkünfte in der Investitionsphase bzw. Aufbauphase zu qualifizieren seien. Der deutschen Rechtsprechung folgend könne nur der Zeitpunkt des Beginns der Investition und die darauf abgestellte Kapazität der richtige Zeitpunkt sein. Kurzfristige Kapazitätsschwankungen könnten nicht zu einer Umqualifikation der Einkunftsart führen. Dies sei erst bei einem allmählichen Strukturwandel möglich. Dieser könne sich in beide Richtungen vollziehen - allmählicher Aufbau der Kapazität bzw. allmählicher Abbau der Kapazität, dies jedoch über einen längeren Zeitraum. Hätte das BFG die oben aufgeworfenen Rechtsfragen richtig beurteilt und ein mängelfreies Verfahren durchgeführt, so hätte es zum Schluss gelangen müssen, dass bei einem Neubau eines Geflügelmaststalles mit einer Verdoppelung der Kapazität und klarer Überschreitung der Vieheinheiten laut Bewertungsgesetz die Beurteilung, ob ein Gewerbe- oder ein Landwirtschaftsbetrieb vorliege, mit Beginn der Errichtung des Stallgebäudes zu erfolgen habe und nicht - wie „von der belangten Behörde“ vorgenommen - erst in einer Nachbetrachtung der folgenden Jahre.
15 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Entgegen den Ausführungen der Revision hat das BFG im angefochtenen Erkenntnis nicht in Zweifel gezogen, dass - neben einem nachhaltigen (allmählichen) Strukturwandel - auch ein sofortiger Strukturwandel vorliegen könne, der eine ursprünglich im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft betriebene Geflügelmast bereits im Investitionsjahr zu einem Gewerbebetrieb außerhalb der Land- und Forstwirtschaft machen könne.
20 Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Aufnahme gewerblicher Tätigkeit, wonach ganz allgemein eine gewerbliche Tätigkeit bereits in der Vorbereitungsphase vorliegt, wenn sich der innere Entschluss des Steuerpflichtigen zur Aufnahme der werbenden Betätigung durch entsprechende Handlungen dokumentiert und der Steuerpflichtige zielstrebig auf die Betriebseröffnung hinarbeitet, weshalb die nach außen in Erscheinung getretene Vorgangsweise des Steuerpflichtigen daraufhin zu untersuchen ist, ob sie auf die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gerichtet ist (vgl. , mwN).
21 Ob der Stallbau des Revisionswerbers bereits auf die Aufnahme einer solchen gewerblichen Tätigkeit, also hier auf eine nachhaltige Überschreitung des Höchstbestands an Vieheinheiten iSd § 30 Abs. 5 BewG, gerichtet war, hat das BFG im angefochtenen Erkenntnis im Rahmen einer ausführlichen Beweiswürdigung erörtert, in der es sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, den Aussagen zu seinen (Aufbau)Plänen, der (unveränderten) Organisation seines wirtschaftlichen Auftretens und Verhaltens sowie der Frage einer relevanten Beeinträchtigung durch seine Erkrankung auseinander gesetzt und dies den tatsächlich erreichten Vieheinheiten in den Streitjahren gegenüber gestellt hat.
22 Dabei ist es zur Überzeugung gelangt, dass im Investitionsjahr und den nachfolgenden Streitjahren keine hinreichend konkrete Absicht zur nachhaltigen Überschreitung der Grenze des gewerblichen Umfangs gegeben gewesen sei. Es sei kein Strukturwandel in der bisherigen Tätigkeit eingetreten, und der ebenerdige Stallneubau stelle sich daher vorerst als bloße künftige Entwicklungsmöglichkeit innerhalb der Grenzen landwirtschaftlicher Einkünfte dar und diene Praktikabilitätserwägungen.
23 Soweit sich die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen auch (implizit) gegen diese Beweiswürdigung des BFG wendet, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet, und setzt einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze voraus (vgl. etwa ).
24 Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit in der Beurteilung durch das BFG hat die Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht erkennbar.
25 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150082.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-46104