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VwGH 27.02.2024, Ra 2022/15/0027

VwGH 27.02.2024, Ra 2022/15/0027

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
BAO §27
RS 1
Wird das Unternehmen von einer Körperschaft im Inland betrieben, so ist zur Erhebung der Umsatzsteuer in der Regel jenes Finanzamt als zuständig zu betrachten, in dessen Bereich sich die Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Der Ort der Geschäftsleitung einer GmbH ergibt sich aus der jeweiligen tatsächlichen Gestaltung der Dinge. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung entscheidende Wille gebildet wird, somit die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen getroffen werden. Das wird sich vielfach aus der Organisation der Gesellschaft, den entsprechenden verwaltungstechnischen Vorkehrungen, den entsprechenden Räumlichkeiten (Büroräumlichkeiten) sowie dem hiefür vorgesehenen Apparat ergeben (vgl. Stoll, BAO, S 350). Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer Hinsicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0169, mit weiteren Nachweisen). Nicht ausschlaggebend ist, wo - abstrakt, allein nach den rechtlichen Vorgaben betrachtet - die Befugnis zur Geschäftsführung liegt. Entscheidend ist vielmehr, wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Welche Anordnungen die maßgebenden sind, wird insbesondere davon abhängen, welche Art der Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend ist die laufende Geschäftsführung. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören ("Tagesgeschäfte") (vgl. mit weiteren Hinweisen Ritz, BAO4, § 27 Tz. 4).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/15/0211 E RS 1 (hier ohne ersten, vierten und sechsten Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Braunau Ried Schärding in 4780 Schärding, Gerichtsplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100912/2018, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2006 bis 2013 (mitbeteiligte Partei: J S in P), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) war der Mitbeteiligte im Streitzeitraum in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und Gesellschafter (mehr als 25 %) sowie Geschäftsführer der in Deutschland ansässigen X GmbH. Zudem war er Angestellter der Y AG, einer Domizilgesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Die Aktien der Y AG wurden von der in Deutschland ansässigen Z GmbH gehalten, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer wiederum der Mitbeteiligte war. Zwischen der Y AG (als Beraterin) und der X GmbH wurde am ein Beratervertrag abgeschlossen. Die in diesem Vertrag vereinbarten Leistungen wurden vom Mitbeteiligten erbracht, wofür die Y AG der X GmbH ein monatliches Beraterhonorar und ab Februar 2009 zudem eine monatliche Reisekostenpauschale in Rechnung stellte. Die der X GmbH in Rechnung gestellten Beträge wurden an die Y AG überwiesen, die ihrerseits Gehaltszahlungen an den Mitbeteiligten tätigte.

2 Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat der Prüfer den Standpunkt, die in der Schweiz domizilierte Y AG übe keine Tätigkeit aus und sei nur gegründet worden, um Ertragsteuern zu minimieren. Die über die Y AG abgerechneten Leistungen seien vom Mitbeteiligten, der Geschäftsführer der X GmbH gewesen sei und diese Gesellschaft zudem beraten habe, erbracht worden. Die Zahlungen der X GmbH stellten einerseits die Entlohnung des Mitbeteiligten für die Geschäftsführertätigkeit und andererseits das Entgelt des Mitbeteiligten für die Beratungstätigkeit dar. Nach dem DBA Österreich-Deutschland sei das Geschäftsführerentgelt in Deutschland zu besteuern. Das Beratungsentgelt unterliege hingegen der Besteuerung in Österreich, weil der Mitbeteiligte die X GmbH von seinem Büro in Österreich aus beraten habe.

3 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ - nachdem es bereits bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2006 Einkünfte des Mitbeteiligten aus einer in Österreich ausgeübten Beratungstätigkeit in Ansatz gebracht hatte - entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2013.

4 Beschwerden des Mitbeteiligten gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2013 gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen keine Folge, worauf der Mitbeteiligte die Vorlagen der Beschwerden an das BFG beantragte.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG den Beschwerden statt und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Zur Begründung führte es aus, der Sitz der X GmbH befinde sich in Deutschland und der Mitbeteiligte sei unstrittig Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH gewesen. Gemäß den vorliegenden Unterlagen sei er am Beginn der Woche zu seinem Arbeitsplatz nach Deutschland und Mitte bis Ende der Woche wieder zurück zu seinem Wohnort nach Österreich geflogen. Er habe sich demnach regelmäßig drei bis vier Tage pro Woche in Deutschland aufgehalten. Die X GmbH habe mit der Y AG einen Beratervertrag abgeschlossen. Bei den laut diesem Vertrag zu erbringenden Beratungsleistungen handle es sich um solche, die regelmäßig mit der Funktion eines fachkundigen Geschäftsführers verbunden seien. Die Leistungen seien zur Gänze vom Mitbeteiligten erbracht worden. Die unter Zwischenschaltung der Y AG abgerechneten Beträge stellten daher de facto Vergütungen der X GmbH für die Tätigkeit des Mitbeteiligten dar. Eine Aufteilung der vom Mitbeteiligten erbrachten Leistungen in einen von Montag bis Mittwoch oder Donnerstag in Deutschland erbrachten „geschäftsführenden Teil“ und einen in der übrigen Zeit (somit überwiegend am Wochenende) vom inländischen Wohnsitz aus erbrachten „beratenden Teil“ sei lebensfremd. Der Mitbeteiligte sei im Revisionszeitraum Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH gewesen und habe diese Funktion durch seine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft nach außen erkennbar ausgeübt. Die dafür erhaltenen Vergütungen stellten Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Arbeit iSd § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 dar. Das Besteuerungsrecht an diesen Einkünften stehe gemäß Art. 16 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland zu.

6 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision des Finanzamts wird zur Zulässigkeit vorgebracht, die Entscheidung des BFG leide an Begründungsmängeln, weil keine Feststellungen dahingehend getroffen worden seien, welche Tätigkeiten der Mitbeteiligte am Sitz der X GmbH in Deutschland und welche Tätigkeiten er in seinem Büro in Österreich ausgeübt habe. Das Finanzamt habe in der Annahme, die Tätigkeit des Mitbeteiligten sei teilbar, die Frage der Ansässigkeit nicht näher behandelt. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Einkünften als Geschäftsführer setze aber voraus, dass die Ansässigkeit der X GmbH geklärt sei. Nach Art. 16 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland sei der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung für das Besteuerungsrecht maßgeblich, wozu es an nachvollziehbaren Feststellungen fehle. Zudem sei das Erkenntnis mit einer Aktenwidrigkeit belastet, weil das BFG davon ausgegangen sei, dass der Mitbeteiligte seine Tätigkeit am Sitz der X GmbH in Deutschland ausgeübt habe. Dies stehe im Widerspruch zu den Ausführungen in Tz. 3 des Berichtes über das Ergebnis der Außenprüfung vom , wonach „die überwiegende Tätigkeit [...] laut Niederschrift allerdings von Österreich aus erbracht“ worden sei. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung sei für die Beurteilung der Frage, wo die X GmbH ansässig iSd Art. 4 Abs. 3 DBA Österreich-Deutschland gewesen sei, von entscheidender Bedeutung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes befinde sich der Ort der Geschäftsleitung in der Regel an dem Ort, wo sich das Büro des „Oberleiters“ befinde, weil die wesentlichen Willenserklärungen grundsätzlich in den Büroräumen der leitenden Person abgegeben würden (Hinweis auf ). Das BFG sei von dieser Judikatur abgewichen. Auch insoweit liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

7 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der kein Kostenersatz angesprochen wird.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich der Ort der Geschäftsleitung aus der jeweiligen tatsächlichen Gestaltung der Dinge. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung ist dort, wo der für die Geschäftsführung entscheidende Wille gebildet wird, somit die für die Führung des Unternehmens notwendigen und wichtigen Maßnahmen getroffen werden. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer Hinsicht (vgl. , mwN).

12 Ausschlaggebend ist, wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Welche Anordnungen die maßgebenden sind, wird insbesondere davon abhängen, welche Art der Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend ist die laufende Geschäftsführung. Zu ihr gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, und solche organisatorische Maßnahmen, die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft gehören („Tagesgeschäfte“) (vgl. ).

13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, die Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Einkünften als Geschäftsführer setze voraus, dass die Ansässigkeit der X GmbH geklärt sei und rügt, das BFG habe keine nachvollziehbaren Feststellungen hierzu getroffen. Unter Hinweis auf den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wird weiters gerügt, die Feststellung des BFG, wonach der Mitbeteiligte seine Tätigkeit am Sitz der X GmbH in Deutschland ausgeübt habe, sei aktenwidrig.

14 Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel sowie Aktenwidrigkeiten - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. , mwN). Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. , mwN).

15 Das BFG stellte fest, der Sitz der X GmbH befinde sich in Deutschland und der Mitbeteiligte sei im Revisionszeitraum am Beginn der Woche zu seinem Arbeitsplatz nach Deutschland und Mitte bis Ende der Woche wieder zurück zu seinem Wohnort nach Österreich geflogen. Es ging - wie zuvor der Prüfer und das Finanzamt - davon aus, dass die X GmbH im hier relevanten Zeitraum in Deutschland ansässig war, weshalb Deutschland das Besteuerungsrecht an den Geschäftsführerbezügen des Revisionswerbers zusteht.

16 Aufgrund welcher Umstände das BFG davon hätte ausgehen müssen, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung der X GmbH im gegenständlich relevanten Zeitraum in Österreich befunden habe, legt die Revision in ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit nicht dar. Auch die vom Finanzamt vermissten Ermittlungsschritte des BFG werden nicht angeführt. Das nur allgemein gehaltene Zulässigkeitsvorbringen ist insgesamt nicht geeignet, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang aufzuzeigen.

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
BAO §27
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022150027.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-46065