VwGH 25.05.2022, Ra 2022/15/0001
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BAO §209 Abs1 VwRallg |
RS 1 | Die Verjährung des Bemessungsrechtes wird durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches vorgenommene, nach außen erkennbare Handlung verlängert - auch dann, wenn sich diese Handlung nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet hat (vgl. zB ) oder diese behördlichen Schritte der tatsächlich abgabepflichtigen Person nicht zur Kenntnis gelangt sind (). |
Normen | |
RS 2 | Abgabenbehördliche Prüfungen stellen die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen dar (zB. ). Eine solche Amtshandlung ist auch eine Schlussbesprechung ( bis 0198) und ein Prüfungsbericht (). Die Verjährung wird auch durch an den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln unterbrochen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0055 B RS 1 |
Norm | BAO §188 |
RS 3 | Das Verfahren zur Feststellung nach § 188 BAO zielt auf die Geltendmachung des Einkommensteueranspruches gegenüber den Beteiligten ab (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0021). Der Zweck der Feststellung nach § 188 BAO liegt darin, die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung in einer Weise zu ermitteln, die ein gleichartiges Ergebnis für alle beteiligten Steuersubjekte gewährleistet, und die Durchführung von Parallelverfahren für die einzelnen Beteiligten über die nach § 188 BAO festzustellenden Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1980). Durch die Regelungen des § 188 BAO wird somit ein Ausschnitt der Einkommensteuer-Verfahren der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren gebündelt (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0021). Das Verfahren nach § 188 BAO stellt sich sohin als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar. Solcherart wird die Person, welche im Feststellungsverfahren dem Finanzamt gegenüber für die Personenvereinigung auftritt, für die Gesellschafter der Personenvereinigung (im Hinblick auf diesen Ausschnitt ihres Einkommensteuerverfahrens) tätig. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/15/0153 E VwSlg 8688 F/2011 RS 3 (hier ohne den letzten Satz) |
Normen | |
RS 4 | Nach außen erkennbare Amtshandlungen im Zuge eines Feststellungsverfahrens und insbesondere auch die Erlassung der in Betracht kommenden Feststellungsbescheide haben für die Abgaben, deretwegen die Feststellung zu erfolgen hat, verjährungsfristverlängernde Wirkung. |
Normen | BAO §209 Abs1 VwRallg |
RS 5 | Nicht nur bescheidmäßige Erledigungen stellen Verlängerungshandlungen dar. Vielmehr kommt diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Sogar der Umstand, dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs etwa richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (; zu einer möglichen Verlängerungswirkung von Bescheiden unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung vgl. auch bereits ). |
Normen | BAO §209 Abs1 VwRallg |
RS 6 | Durch das Rechtsinstitut der Verjährung hat der Gesetzgeber in verschiedentlich abgestufter Weise der Forderung nach Rechtssicherheit gegenüber jener nach Rechtsrichtigkeit den Vorzug gegeben. Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, die durch ein der Behörde zuzurechnendes ungenütztes Verstreichenlassen längerer Zeiträume entstehen, sollen vermieden werden. Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn die Behörde bemüht war, den Abgabenanspruch durchzusetzen und dies auch in nach Außen erkennbarer Weise, wenn auch zielverfehlend, getan hat (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 17/2543/80). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2008/17/0164 E VwSlg 8377 F/2008 RS 3 (hier ohne den ersten Satz) |
Normen | |
RS 7 | Die zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2004 (BGBl. I 2004/180) bestehende Rechtsprechungslinie, wonach schriftliche Bescheide nur bei rechtswirksamer Zustellung Amtshandlungen iSd § 209 BAO sind (vgl. insbesondere mwN , AnwBl 1998, 702 f mit Anm Urtz; und ; sowie die Nachweise bei Ellinger ua, BAO3 E 29 ff und Ritz/Koran, BAO7 § 209 Rz 2) hält der VwGH für die neue Rechtslage, in der § 209 BAO von einem bisherigen Unterbrechungs- in einen bloßen Verlängerungstatbestand verwandelt wurde, nicht mehr aufrecht. |
Normen | BAO §209 Abs1 VwRallg |
RS 8 | Eine Verlängerungshandlung entfaltet stets hinsichtlich des gesamten betroffenen Abgabenanspruchs (hier der Einkommensteuer 2005) Rechtswirkung und nicht lediglich hinsichtlich einzelner Einkunftstatbestände. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M, über die Revision der K W in S, vertreten durch die TREUHAND-UNION Salzburg Steuerberatungs GmbH & Co KG in 5020 Salzburg, Felix Dahnstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100291/2013, betreffend Einkommensteuer 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Februar 2005 von Deutschland nach Österreich gezogen. Im Jahr 2005 hatte sie - neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und weiteren inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit - ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen ohne Kapitalertragsteuerabzug) und ausländische Einkünfte aus Gewerbetrieb, die in Österreich dem Progressionsvorbehalt unterlagen.
2 Am reichte die Revisionswerberin ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 beim Finanzamt ein. Im Zuge dessen erklärte sie - neben Einkünften aus selbstständiger Arbeit und Gewerbebetrieb - Einkünfte aus einer Beteiligung an einer Vermietungsgemeinschaft mit ihrem damaligen Ehemann in der Höhe von 745 € sowie „ausländische Kapitalerträge, die mit dem besonderen Steuersatz von 25 % zu versteuern sind“ (Kennziffer 754 des Formulars E1).
3 Mit Bescheid vom wurden die erklärten Einkünfte mit Ausnahme der ausländischen Kapitaleinkünfte veranlagt.
4 Gegen diesen Bescheid brachte die Revisionswerberin am Berufung ein, die vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen wurde. Im Rahmen der Berufung wurde eine Aufstellung der ausländischen Einkünfte der Revisionswerberin im Jahr 2005 vorgelegt (ausländische Kapitaleinkünfte, ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus einer Vermietung in Deutschland).
5 Im Verfahren zur Feststellung der Einkünfte der (inländischen) Vermietungsgemeinschaft für das Jahr 2005 erging am (nach vorherigen, wirksam gewordenen Einkünftefeststellungen, zuletzt vom ) eine als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung, die die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufgrund von Liebhaberei mit 0 € feststellte. Diese Erledigung war an die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehende Miteigentumsgemeinschaft der Revisionswerberin und ihres Ehepartners, zu Handen der Revisionswerberin adressiert und ist ihr auch tatsächlich zugekommen.
6 Auf Grundlage des Feststellungsbescheides vom erließ das Finanzamt am den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid 2005, mit dem der bisherige Einkommensteuerbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO geändert wurde. Dabei wurden die im geänderten Bescheid nicht erfassten ausländischen Kapitalerträge iHv 28.547,05 € und ausländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Progressionsvorbehalt) iHv 7.941 € berücksichtigt.
7 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin mit Schreiben vom Berufung (nunmehr Beschwerde). Daraufhin legte das Finanzamt die Beschwerde am dem unabhängigen Finanzsenat (nunmehr BFG) ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem es eine Revision für unzulässig erklärte, wies das BFG die Beschwerde ab. Begründend führte es insbesondere aus, die 5-jährige Verjährungsfrist beginne im Revisionsfall mit Ablauf des Jahres 2005. Sie ende daher grundsätzlich am . Durch die Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom verlängere sich die Verjährungsfrist um ein Jahr bis zum . Im Jahr 2011 komme als einzige weitere Verlängerungshandlung das als Feststellungsbescheid bezeichnete Dokument vom in Betracht. Während das Finanzamt diese an die Miteigentümerschaft gerichtete Erledigung als Verlängerungshandlung sehe, bestreite dies die Revisionswerberin mit dem Hinweis, dass die Erledigung mangels existierender Bescheidadressatin ins Leere gegangen sei.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müsse eine die Verjährung verlängernde Amtshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein. Nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlungen seien (bei Zutreffen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen) unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung unterbrechungswirksam, wenn sie in ihrer rechtlichen Gestalt - etwa als Bescheidausfertigungen - als Behördenmaßnahmen über den Amtsbereich der Behörde hinausträten und hierfür ein aktenmäßiger Nachweis bestehe (Hinweis auf ; Stoll, BAO 2189). Dass der Amtshandlung eine zutreffende Rechtsansicht zugrunde liegen müsse, werde nicht gefordert. Selbst wenn die Amtshandlungen in der Folge zurückgenommen oder aufgehoben würden oder sonst nicht im Rechtsbestand verblieben, bleibe die Unterbrechung (Verlängerung) der Verjährung durch die Erlassung der nach außen wirksam gewordenen Verwaltungsakte gewahrt (Hinweis auf Stoll, BAO 2191). Wenn also eine Amtshandlung als auf die Erhebung von Abgaben gerichtet in Erscheinung trete, so sei sie unterbrechungswirksam (verlängerungswirksam), auch wenn die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreiche, die Maßnahme ins Leere gehe oder von rechtlich verfehlten Voraussetzungen ausgehe (Hinweis auf Stoll, BAO 2192 sowie ). Nicht nur bescheidmäßige Erledigungen stellten Amtshandlungen iSd § 209 BAO dar, sondern diese Eigenschaft komme jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es komme auch nicht darauf an, ob die Amtshandlung konkret geeignet sei, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genüge vielmehr, dass sie nach außen in Erscheinung trete und erkennbar den Zweck verfolge, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Dass der Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiere und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führe zu keiner anderen Beurteilung (Hinweis auf , zur WAO).
10 Im Revisionsfall sei die Erledigung vom eine Amtshandlung zur Durchsetzung eines konkreten Abgabenanspruches, nämlich der Einkommensteuer 2005 bei den Miteigentümern, somit u.a. der Revisionswerberin. Dass das Verfahren zur Feststellung nach § 188 BAO primär auf die Geltendmachung des Einkommensteueranspruchs gegenüber den Beteiligten abziele, habe der VwGH wiederholt festgestellt (vgl. zB ). Das als Feststellungsbescheid bezeichnete Schriftstück sei nach außen in Erscheinung getreten, da es der Revisionswerberin als Zustellungsvertreterin unstrittig tatsächlich zugekommen sei. Eine rechtswirksame Zustellung sei nicht erforderlich. Der Umstand, dass es sich bei dem Dokument (unstrittig) um einen Nichtbescheid handle, sei unerheblich, weil auch eine ins Leere gehende Amtshandlung die Verjährung verlängere, solange sie nach außen wirksam sei und der Geltendmachung eines Abgabenanspruchs diene. Es sei auch ohne Bedeutung, ob es sich beim Rechtsnachfolger um einen Gesamtrechtsnachfolger handle oder nicht. Im Übrigen sei das BFG nicht an die Richtlinien des BMF gebunden und teile auch die dort vertretene Rechtsansicht nicht, wonach als Feststellungsbescheide gedachte Schriftstücke keine Amtshandlungen im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO seien.
11 Die Erledigung vom stelle daher eine die Verjährung um ein weiteres Jahr (bis ) verlängernde Amtshandlung dar. Im Jahr 2012 seien weitere Verlängerungshandlungen gesetzt worden (zB die Berufungsvorentscheidung vom ), welche die Frist wiederum bis zum Ablauf des Jahres 2013 verlängert hätten. Verjährung sei daher hinsichtlich des am erlassenen Bescheids nicht eingetreten.
12 Sei ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so sei er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten sei, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorlägen, aufzuheben. Bei Änderungen nach § 295 Abs. 1 BAO könne der Bescheid nach jeder Richtung abgeändert werden. Der abgeleitete Bescheid könne daher auch in Belangen abgeändert werden, die über den Änderungsgrund hinausreichten, denn der bisherige abgeleitete Bescheid trete zur Gänze außer Kraft (Hinweis auf ). Dementsprechend sei das Finanzamt grundsätzlich berechtigt gewesen, in seinem Einkommensteuerbescheid vom die im vorangegangenen Bescheid nicht berücksichtigten Einkünfte aus Kapitalvermögen und die ausländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Progressionsvorbehalt) anzusetzen.
13 Dem Einwand der Revisionswerberin, es sei im Revisionsfall jedenfalls Verjährung gemäß § 209a Abs. 3 BAO eingetreten, sei Folgendes entgegen zu halten: § 209a Abs. 3 BAO stelle sicher, dass dann, wenn für eine Abgabe die Verjährung zum Teil eingetreten sei, sie aber wegen der längeren Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zum Teil noch offen sei, bei der Abgabenfestsetzung nur der noch nicht verjährte Teil abgeändert werden dürfe (Hinweis auf Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend StRefG 2005, durch das § 209a BAO Abs. 3 angefügt wurde, ErlRV 451 BlgNR 22. GP, 32). Der bereits verjährte Teil der Abgabe dürfe zwar nochmals festgesetzt werden, aber nur in unveränderter Höhe. § 209a Abs. 3 BAO beziehe sich demnach nur auf zum Teil hinterzogene Abgaben und trage den insoweit unterschiedlichen Verjährungsfristen (§ 207 Abs. 2 BAO) Rechnung. Daher beschränke diese Bestimmung im gegenständlichen Fall die durch § 295 BAO eingeräumte Abänderungsbefugnis des abgeleiteten Bescheides nicht.
14 Weiters bringe die Revisionswerberin vor, dass Feststellungsbescheide (und auch Nichtbescheide) die Verjährungsfrist nur für die von den Feststellungsbescheiden abgeleiteten Abgabenansprüche, somit gegenständlich nicht für die Progressions- und Kapitaleinkünfte, verlängerten. Dem sei entgegenzuhalten, dass das Verfahren zur Feststellung der Einkünfte auf die Geltendmachung des Einkommensteueranspruchs gegenüber den Beteiligten abziele. Der gegenständliche Nichtbescheid sei daher für die Verjährung der (gesamten) Einkommensteuer 2005 bedeutsam. Auch diesbezüglich trete somit keine Teilrechtskraft des abgeleiteten Einkommensteuerbescheides 2005 ein.
15 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es treffe nicht zu, dass das BFG hinsichtlich der Fragen der Verjährung und der Teilrechtskraft des abgeleiteten Bescheides bestehender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs folge. Zum einen vertrete das BFG im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung, dass Erledigungen in Bezug auf die Verjährungsfrist betreffend die Festsetzung von Einkommensteuer auch dann Verlängerungshandlungen iSd § 209 BAO darstellten, wenn sie an rechtlich nicht mehr existente Abgabenschuldner ergingen. Im Revisionsfall sei ein als Feststellungsbescheid bezeichnetes Schriftstück an die nicht mehr existente Miteigentumsgemeinschaft adressiert gewesen. Zum anderen sei das BFG der Auffassung, dass § 209a Abs. 3 BAO sich nur auf zum Teil hinterzogene Abgaben beziehe und den insoweit unterschiedlichen Verjährungsfristen (§ 207 Abs. 2 BAO) Rechnung trage. Daher beschränke diese Bestimmung nicht die durch § 295 BAO eingeräumte Abänderungsbefugnis des abgeleiteten Bescheides. Beide Rechtsansichten, die - soweit ersichtlich - nicht auf bestehender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beruhten, seien verfehlt.
16 Das Finanzamt hat trotz Aufforderung hierzu keine Revisionsbeantwortung erstattet.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zur Klärung der angesprochenen Verjährungsfragen zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
19 Zunächst trägt die Revision vor, der mit Bescheid vom vom Finanzamt verfügten Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2005 gemäß § 295 Abs. 1 BAO stehe im Revisionsfall Verjährung entgegen, weil - entgegen der Annahme des BFG - keine Verlängerung der Verjährung eingetreten sei. Eine die Verjährung verlängernde Amtshandlung müsse erkennbar den Zweck verfolgen, den konkreten Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Dies sei bei einem an eine nicht mehr existente Miteigentümergemeinschaft gerichteten Nichtbescheid in Bezug auf die Einkommensteuer eines Miteigentümers nicht der Fall.
20 Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
21 Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 BAO u. a. bei der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
22 Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
23 Die Verjährung des Bemessungsrechtes wird durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches vorgenommene, nach außen erkennbare Handlung verlängert - auch dann, wenn sich diese Handlung nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet hat (vgl. zB ) oder diese behördlichen Schritte der tatsächlich abgabepflichtigen Person nicht zur Kenntnis gelangt sind ().
24 Die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen stellen beispielsweise abgabenbehördliche Prüfungen (vgl. zB. ), eine Schlussbesprechung ( bis 0198), ein Prüfungsbericht () oder an den Abgabepflichtigen gerichtete Vorhalte, Anfragen und Aufforderungen zur Vorlage von Unterlagen und Beweismitteln (; ).
25 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, stellt sich das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten dar und zielt auf die Geltendmachung des Einkommensteueranspruches gegenüber den Beteiligten ab. Der Zweck der Feststellung nach § 188 BAO liegt darin, die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung in einer Weise zu ermitteln, die ein gleichartiges Ergebnis für alle beteiligten Steuersubjekte gewährleistet, und die Durchführung von Parallelverfahren für die einzelnen Beteiligten über die nach § 188 BAO festzustellenden Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Durch die Regelungen des § 188 BAO wird somit ein Ausschnitt der Einkommensteuer-Verfahren der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren zusammengefasst (vgl. , sowie ).
26 Nach außen erkennbare Amtshandlungen im Zuge eines Feststellungsverfahrens und insbesondere auch die Erlassung der in Betracht kommenden Feststellungsbescheide haben daher für die Abgaben, deretwegen die Feststellung zu erfolgen hat, verjährungsfristverlängernde Wirkung (Ellinger ua, BAO3 § 209 Rz 5).
27 Im Revisionsfall ist eine als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung an die Revisionswerberin als Zustellbevollmächtigte einer bereits (aufgelösten) Personengemeinschaft zwischen ihr und ihrem Ehepartner ergangen. Dass ihr diese Erledigung im Verlängerungsjahr auch tatsächlich zugekommen ist, bestreitet die Revisionswerberin nicht. Sie verneint jedoch eine Verlängerungswirkung der Erledigung mit dem Vorbringen, dass diese mangels existierender Bescheidadressatin ins Leere gegangen sei.
28 Allerdings stellen - wie oben dargestellt - nicht nur bescheidmäßige Erledigungen Verlängerungshandlungen dar. Vielmehr kommt diese Eigenschaft jeder nach außen erkennbaren Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches zu. Es kommt auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlung konkret geeignet ist, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, dass die Amtshandlung nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Sogar der Umstand, dass dieser Abgabenschuldner im Zeitpunkt dieser Amtshandlung nicht mehr existiert und die Geltendmachung des Abgabenanspruchs etwa richtigerweise gegen dessen Rechtsnachfolger erfolgen müsste, führt zu keiner anderen Beurteilung (; zu einer möglichen Verlängerungswirkung von Bescheiden unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung vgl. auch bereits ).
29 Die als Feststellungsbescheid intendierte und der Revisionswerberin tatsächlich zugegangene Erledigung hat daher - vergleichbar einem an die Revisionswerberin gerichteten Vorhalt - die Verjährungsfrist verlängert.
30 Diese Auslegung trägt auch dem Zweck der Regelung des § 209 BAO Rechnung. Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, die durch ein der Behörde zuzurechnendes ungenütztes Verstreichenlassen längerer Zeiträume entstehen, sollen demnach vermieden werden. Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn die Behörde - wie hier - bemüht war, den Abgabenanspruch durchzusetzen und dies auch in nach außen erkennbarer Weise, wenn auch zielverfehlend, getan hat (vgl. bereits ).
31 Die zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2004 (BGBl. I 2004/180) bestehende Rechtsprechungslinie, wonach schriftliche Bescheide nur bei rechtswirksamer Zustellung Amtshandlungen iSd § 209 BAO sind (vgl. insbesondere mwN , AnwBl 1998, 702 f mit Anm Urtz; und ; sowie die Nachweise bei Ellinger ua, BAO3 E 29 ff und Ritz/Koran, BAO7 § 209 Rz 2) hält der Verwaltungsgerichtshof für die neue Rechtslage, in der § 209 BAO von einem bisherigen Unterbrechungs- in einen bloßen Verlängerungstatbestand verwandelt wurde, sohin nicht mehr aufrecht.
32 Zum Zweiten verweist die Revisionswerberin auf § 209a Abs. 3 BAO. Aus diesem ergebe sich, dass, sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden sei, in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden dürfe, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten sei. Selbst, wenn ein an eine nicht mehr existente Miteigentümergemeinschaft gerichteter Nichtbescheid grundsätzlich eine die Verjährungsfrist betreffend Festsetzung der Einkommensteuer eines ehemaligen Miteigentümers verlängernde Amtshandlung darstellen sollte, könne diese Verlängerungswirkung lediglich den auf die aus dem Feststellungsbescheid abgeleiteten Einkünfte entfallenden Abgabenteil betreffen. Hinsichtlich des übrigen Teils der festzusetzenden Abgabe vermöge die Amtshandlung keine Verlängerung zu bewirken.
33 Auch mit diesem Vorbringen kann die Revision eine Verjährung im Revisionsfall nicht dartun, setzt § 209a Abs. 3 BAO doch den Eintritt der Verjährung voraus. Ein solcher Verjährungseintritt ist im Revisionsfall aber - angesichts der Bejahung von Verlängerungshandlungen - nicht erfolgt, wobei eine Verlängerungshandlung stets hinsichtlich des gesamten betroffenen Abgabenanspruchs, hier der Einkommensteuer 2005, Rechtswirkung entfaltet und nicht lediglich hinsichtlich einzelner Einkunftstatbestände.
34 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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Schlagworte | Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150001.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-46051