VwGH 01.03.2023, Ra 2022/13/0108
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | TourismusG Tir 2006 §31 Abs4 |
RS 1 | Nach § 31 Abs. 4 Tir TourismusG 2006 kommt es nicht darauf an, ob der die Lieferung vornehmende Unternehmer ("Unternehmen") ein Handelsunternehmen oder ein Produktionsunternehmen führt. |
Normen | FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1969 FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1976 FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1991 §1 Abs2 FremdenverkehrsG Tir 1976 §32 Abs11a FremdenverkehrsG Tir 1979 §32 Abs11a TourismusG Tir 2006 §31 Abs4 VwRallg |
RS 2 | Die Vorgängerregelungen der Tir BeitragsgruppenV 1991 (Tir BeitragsgruppenV 1976, LGBl. Nr. 52; Tir BeitragsgruppenV 1969, LGBl. Nr. 57) enthielten keine generelle Regelung betreffend eine unterschiedliche Einordnung in Beitragsgruppen von Großhandelsbetrieben gegenüber Einzelhandelsbetrieben (nunmehr § 1 Abs. 2 Tir BeitragsgruppenV 1991). Sie sahen vielmehr bezogen auf die jeweilige Berufsgruppe eine gesonderte Einreihung in Beitragsgruppen vor (vgl. etwa - nach der Tir BeitragsgruppenV 1976 - "15 Ansichtskartenhändler - Einzelhandel"; "16 Ansichtskartenhändler - Großhandel"; in der Tir BeitragsgruppenV 1969 insoweit als eine Berufsgruppe mit Gliederung in lit. a und lit. b). Eine derartige Aufgliederung war dabei u.a. auch für Apotheker vorgesehen ("19 Apotheker - Einzelhandel"; "20 Apotheker - Großhandel"). Mit der Tir BeitragsgruppenV 1991 entfiel die berufsgruppenbezogene Aufgliederung, stattdessen wurde die generelle Regelung des § 1 Abs. 2 Tir BeitragsgruppenV 1991 aufgenommen. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich insoweit an der Beurteilung der Berufsgruppe der Apotheker als eine solche des Einzel- oder Großhandels etwas ändern sollte. Bei - auch gesetzeskonformer - Auslegung der Tir BeitragsgruppenV 1991 ist die Tätigkeit der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft, die eine Apotheke betreibt, daher als "Handelsbetrieb" zu beurteilen. Im Übrigen kommt es für die Zuordnung nicht darauf an, ob insgesamt (überwiegend) ein Einzelhandels- oder Großhandelsbetrieb vorliegt. Es sind vielmehr - wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Gesetz vom , LGBl. Nr. 28, zum damals neu eingefügten § 32 Abs. 11a Tir FremdenverkehrsG 1976 (worauf - in der Fassung der Wiederverlautbarung als Tir FremdenverkehrsG 1979 - § 1 Abs. 2 Tir BeitragsgruppenV 1991 in der Stammfassung verwies), Seite 7, dargelegt - die Großhandels- und Einzelhandelsumsätze getrennt nachzuweisen; die Berechnung der Beiträge erfolgt auf Grund dieses gesonderten Nachweises. |
Normen | |
RS 3 | Es entspricht der Rechtsprechung des VwGH zum Umsatzsteuerrecht (auf Basis der Regelungen des Sozialversicherungsrechts; vgl. insbesondere § 133 Abs. 2 ASVG, § 136 Abs. 2 ASVG, § 338 Abs. 1 ASVG, § 350 Abs. 1 ASVG), dass die Abgabe von Medikamenten von einem Apotheker an einen Versicherten einerseits als Lieferung des Apothekers an den Sozialversicherungsträger und anderseits als Lieferung des Sozialversicherungsträgers an den Versicherten zu beurteilen ist (vgl. , VwSlg. 5850/F; , 88/14/0010). Das Tir TourismusG 2006 knüpft betreffend die beitragspflichtigen Umsätze an die steuerbaren Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 an, also an Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Abgabe von Medikamenten durch einen Apotheker ist daher auch nach dem Tir TourismusG 2006 als Lieferung des Apothekers an den Sozialversicherungsträger (und sodann als weitere Lieferung des Sozialversicherungsträgers an den Versicherten) zu beurteilen. |
Normen | |
RS 4 | § 2 Abs. 1 Tir TourismusG 2006 verweist betreffend Pflichtmitglieder (nur) auf § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1994, nicht hingegen auf die weiteren Absätze des § 2 UStG 1994. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 (und 2) UStG 1994 erfasst aber auch Tätigkeiten der - erst in § 2 Abs. 3 und 4 UStG 1994 genannten - Körperschaften öffentlichen Rechts, auf die die Merkmale des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zutreffen (vgl. - auch zur Entwicklung des § 2 Abs. 1 Tir TourismusG [damals 1991] - ). Es entsprach auch der Absicht des Gesetzgebers, im Zuge der Neufassung der Bestimmungen über die Pflichtmitgliedschaft mit dem Gesetz vom , LGBl. Nr. 16/1991, alle Körperschaften des öffentlichen Rechts zu erfassen, die im Sinne des - damals - § 2 Abs. 1 UStG 1972 unternehmerisch tätig waren (und unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus Nutzen zogen; vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 313/90, L-389/90, Seite 23 f; nicht übernommen werden sollte hingegen die im UStG vorgesehene Einschränkung betreffend Liebhaberei). Auf einen Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 wurde dabei nicht abgestellt. Dass die Tätigkeit der Träger der Sozialversicherung - entgegen der auch damals bestehenden Regelung in § 2 Abs. 4 UStG 1972 - im Tir TourismusG nicht als unternehmerisch (gewerblich) angesehen werden sollte, ergibt sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht. Insbesondere ist auch darauf zu verweisen, dass nach § 31 Abs. 1 lit. a Tir TourismusG 2006 u.a. Umsätze im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 ausdrücklich von der Beitragspflicht ausgenommen sind. Würden Sozialversicherungsträger nicht als Unternehmer iSd § 2 Abs. 1 Tir TourismusG 2006 in Frage kommen, wäre diese Ausnahmebestimmung aber ohne Anwendungsbereich, was im Zweifel nicht anzunehmen ist. |
Norm | TourismusG Tir 2006 §31 Abs4 |
RS 5 | Sozialversicherungsträger sind als "anderes" (Empfänger der Lieferung) "Unternehmen" im Sinne des § 31 Abs. 4 Tir TourismusG 2006 zu beurteilen. |
Normen | TourismusG Tir 2006 §31 Abs4 UStG 1994 §2 Abs1 |
RS 6 | § 31 Abs. 4 Tir TourismusG 2006 verlangt eine Verwendung des überlassenen Gegenstandes u.a. durch "gewerbliche Weiterveräußerung". "Gewerblich" ist erkennbar im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu verstehen. |
Normen | |
RS 7 | Der Gesetzgeber des Tir TourismusG 2006 hat die Tätigkeit der Sozialversicherungsträger als "unternehmerisch" (gewerblich; vgl. dazu auch ) beurteilt. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/13/0109 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der A KG in I, vertreten durch die Rubatscher Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2022/20/1331-1, betreffend Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz für 2020 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom setzte die Tiroler Landesregierung gegenüber der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft, die eine Apotheke betreibt, Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 für das Jahr 2020 vorläufig fest. Die beitragspflichtigen Umsätze wurden dabei zum Teil als Umsätze im Einzelhandel, zum Teil als Umsätze im Großhandel ausgewiesen.
2 Mit Bescheid vom setzte die Tiroler Landesregierung die Beiträge für das Jahr 2020 endgültig fest. Entgegen der Abgabenerklärung und entgegen dem Bescheid vom wurden die beitragspflichtigen Umsätze nunmehr zur Gänze als solche des Einzelhandels ausgewiesen.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, die Umsätze gegenüber den Krankenversicherungsträgern seien dem Großhandelsumsatz zuzuordnen.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Tiroler Landesregierung die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin betreibe in Innsbruck eine Apotheke und erziele daraus näher genannte Umsätze. Apotheken gäben entsprechend einem Gesamtvertrag oder anderer individueller vertraglicher Beziehungen Heilmittel auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers zu Gunsten von Versicherten ab, wenn ein für einen Krankenversicherungsträger gültiges Rezept (Kassenrezept) vorgelegt werde. Die Revisionswerberin erziele aufgrund einer derartigen Vertragssituation näher genannte Umsätze (etwa zwei Drittel der gesamten Umsätze).
8 Strittig sei, ob die Umsätze, die die Revisionswerberin durch Abgabe von Heilmitteln auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers erzielt habe, als Großhandelsumsätze iSd § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 anzusehen seien. Die Großhandelsbegünstigung komme nur dann zum Tragen, wenn die Gegenstände in der Unternehmenssphäre verblieben und vom Empfänger der Lieferung gewerblich weiterveräußert, weiterverarbeitet oder zur Erbringung sonstiger Leistungen verwendet würden. Die in Rede stehenden Heilmittel seien zur Verwendung durch die Versicherten bestimmt. Die Apotheke wende sich daher in Bezug auf Heilmittel an Endverbraucher. Die Abgabe der Heilmittel erfolge lediglich auf Rechnung der Krankenversicherungsträger. Bei der Abgabe von Heilmitteln an Versicherte handle es sich demnach um Lieferungen im Einzelhandel und nicht im Großhandel (Hinweis auf ).
9 Wenn die Revisionswerberin einwende, dass die Versagung der Großhandelsbegünstigung durch den hohen Anteil des Verkaufs von Hochpreispräparaten mit geringem Aufschlag zu einer exzessiven und nicht gewollten Besteuerung führe, sei darauf zu verweisen, dass der Wortlaut des § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 keine andere Beurteilung zulasse. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber habe bei der Einordnung in eine bestimmte Berufsgruppe und dem aus dem Tourismus gezogenen Nutzen in zulässiger Weise eine typisierende Betrachtungsweise angelegt.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zum Revisionspunkt führt die Revisionswerberin u.a. aus, das Erkenntnis werde angefochten, weil das Verwaltungsgericht die gegenüber den Sozialversicherungsträgern erbrachten Umsätze als Einzelhandelsumsätze eingestuft habe, obwohl diese Umsätze nach § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz dem Großhandel zuzuordnen seien. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, auf welches das Verwaltungsgericht verweise, betreffe Lieferungen im Rahmen des Versandhandels an (fast ausschließlich) Endverbraucher. Zur Behandlung von Umsätzen von Apotheken an Sozialversicherungsträger liege aber keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Das Verwaltungsgericht wie auch die belangte Behörde hätten es außerdem verabsäumt, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie die Rechtsbeziehungen zwischen Apotheke und den Krankenversicherungsträgern einerseits sowie den Versicherten anderseits ausgestaltet seien. Das Verwaltungsgericht und die belangte Behörde seien fälschlicherweise und entgegen der jahrzehntelangen Praxis zu der Beurteilung gekommen, dass Umsätze mit den Sozialversicherungsträgern als Einzelhandelsumsätze einzureihen seien.
11 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung zulässig. Auch der Revisionspunkt wurde - entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbeantwortung - ausreichend deutlich bezeichnet.
14 Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
15 § 2 Abs. 2 UStG 1994 normiert, unter welchen Voraussetzungen eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt wird.
16 Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art gewerblich oder beruflich tätig.
17 Gemäß § 2 Abs. 4 UStG l994 gilt auch die Tätigkeit u.a. der Träger der Sozialversicherung als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit.
18 Nicht als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit gilt nach § 2 Abs. 5 UStG 1994 u.a. eine Tätigkeit, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten lässt (Liebhaberei).
19 Nach § 2 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz 2006 sind jene Unternehmer im Sinn des § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1994, die unmittelbar oder mittelbar einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Tourismus in Tirol erzielen und im Gebiet des Tourismusverbandes ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, Pflichtmitglieder eines Tourismusverbandes.
20 Gemäß § 31 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz 2006 ist - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Summe der steuerbaren Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 der beitragspflichtige Umsatz. Ausgenommen sind nach § 31 Abs. 1 lit. a leg. cit. etwa Umsätze im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 (also z.B. Umsätze der Träger der Sozialversicherung untereinander und an die Versicherten).
21 Gehört ein Pflichtmitglied mehreren Beitragsgruppen an, so ist nach § 31 Abs. 3 Tiroler Tourismusgesetz 2006 der Beitrag nach Beitragsgruppen getrennt zu berechnen und in einem Gesamtbetrag vorzuschreiben.
22 Nach § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 liegt eine Lieferung im Großhandel vor, wenn ein Unternehmen einen Gegenstand einem anderen Unternehmen zur Verwendung in dessen Unternehmen, sei es zur gewerblichen Weiterveräußerung, zur gewerblichen Herstellung anderer Gegenstände oder zur Erbringung gewerblicher oder beruflicher Leistungen überlässt. Alle übrigen Lieferungen gelten als Lieferungen im Einzelhandel.
23 Nach § 33 Abs. 2 Tiroler Tourismusgesetz 2006 werden die Berufsgruppen der Pflichtmitglieder durch Verordnung der Landesregierung zur Berechnung der Beiträge in die Beitragsgruppen I bis VII eingereiht.
24 Nach § 1 Abs. 1 der - (damals) auf die entsprechende Vorgängerbestimmung (§ 32 Abs. 1 Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1979) gestützten - Beitragsgruppenverordnung 1991, LGBl. Nr. 84/1990 idF LGBl. Nr. 179/2014, ist die Berufsgruppe der Apotheker (019) in der hier vorliegenden Ortsklasse in die Beitragsgruppe V eingereiht. Nach § 1 Abs. 2 dieser Verordnung gilt die Einreihung von Handelsbetrieben in die Beitragsgruppen nach Abs. 1 für Einzelhandelsbetriebe. Großhandelsbetriebe sind in die Beitragsgruppe mit dem nächstniedrigeren Prozentsatz einzureihen.
25 Dass die Revisionswerberin Pflichtmitglied eines Tourismusverbandes ist und sie beitragspflichtige Umsätze erzielt, ist im vorliegenden Verfahren unbestritten. Strittig ist, ob ein Teil dieser Umsätze, nämlich jene, die „auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers zu Gunsten von Versicherten“ erfolgen, als „Großhandelsumsätze“ zu beurteilen sind und daher einer höheren Beitragsgruppe mit einem niedrigeren Beitragssatz („Prozentsatz“) unterliegen.
26 Voraussetzung für eine Lieferung im „Großhandel“ ist nach § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 u.a., dass ein „Unternehmen“ einen Gegenstand einem anderen „Unternehmen“ zur (näher bestimmten) Verwendung in dessen Unternehmen überlässt.
27 In der Revisionsbeantwortung wird hiezu zunächst geltend gemacht, diese Regelung könne - wie auch aus § 1 Abs. 2 Beitragsgruppenverordnung hervorgeht - nur für „Handelsunternehmen“ zur Anwendung gelangen; bei einer Apotheke handle es sich um kein Handelsunternehmen.
28 Hiezu ist zu bemerken, dass nach der Vorgängerregelung (§ 32 Abs. 11a Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1979, LGBl. Nr. 39/1979) eine Lieferung im Großhandel dann vorlag, wenn ein „Handelsunternehmen“ einen Gegenstand einem anderen Unternehmen zur (näher bestimmten) Verwendung in dessen Unternehmen lieferte. Eine Lieferung an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war jedenfalls eine Lieferung im Großhandel. Alle übrigen Lieferungen galten als Lieferungen im Einzelhandel.
29 Mit dem Gesetz vom , LGBl. Nr. 16/1991, wurde diese Bestimmung - nunmehr § 31a Abs. 3 - aber dahin abgeändert, dass eine Lieferung im Großhandel vorliegt, wenn ein „Unternehmen“ einen Gegenstand einem anderen Unternehmen zur Verwendung in dessen Unternehmen überlässt. Alle übrigen Lieferungen gelten als Lieferungen im Einzelhandel.
30 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (313/90, L-389/90, Seite 50) wurde dazu ausgeführt, der Begriff einer Lieferung im Großhandel werde neu umschrieben. Dies führe in einigen Fällen zu einer für die Pflichtmitglieder günstigeren Bemessungsgrundlage, weil nicht nur Handelsunternehmen, sondern auch Erzeuger nunmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen die Begünstigung in Anspruch nehmen könnten.
31 Die mit dem Gesetz vom neu gefasste Regelung betreffend Lieferungen im Großhandel entspricht auch der hier zu beurteilenden Bestimmung. Nach dem Gesetz kommt es demnach nicht darauf an, ob der die Lieferung vornehmende Unternehmer („Unternehmen“) ein Handelsunternehmen oder ein Produktionsunternehmen führt.
32 § 1 Abs. 2 der Beitragsgruppenverordnung wurde zwar mit Verordnung vom , LGBl. Nr. 134/1993, geändert, womit insbesondere der früher enthaltene Verweis auf § 32 Abs. 11a Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1979 entfiel. Diese Bestimmung verweist aber weiterhin (nur) auf „Handelsbetriebe“.
33 Dabei ist aber zu beachten, dass die Beitragsgruppenverordnung - anders als etwa die Vorarlberger Abgabegruppenverordnung (vgl. zu dieser z.B. ) - keine Gliederung nach Erwerbszweigen des Handels einerseits und Erwerbszweigen mit Ausnahme des Handels aufweist. Eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeit der Apotheker zu einem Erwerbszweig des Handels oder zu einem anderen Erwerbszweig enthält die Beitragsgruppenverordnung damit nicht. Die Vorgängerregelungen der Beitragsgruppenverordnung 1991 (Beitragsgruppenverordnung 1976, LGBl. Nr. 52; Beitragsgruppenverordnung 1969, LGBl. Nr. 57) enthielten keine generelle Regelung betreffend eine unterschiedliche Einordnung in Beitragsgruppen von Großhandelsbetrieben gegenüber Einzelhandelsbetrieben (nunmehr § 1 Abs. 2 Beitragsgruppenverordnung 1991). Sie sahen vielmehr bezogen auf die jeweilige Berufsgruppe eine gesonderte Einreihung in Beitragsgruppen vor (vgl. etwa - nach der Beitragsgruppenverordnung 1976 - „15 Ansichtskartenhändler - Einzelhandel“; „16 Ansichtskartenhändler - Großhandel“; in der Beitragsgruppenverordnung 1969 insoweit als eine Berufsgruppe mit Gliederung in lit. a und lit. b). Eine derartige Aufgliederung war dabei u.a. auch für Apotheker vorgesehen („19 Apotheker - Einzelhandel“; „20 Apotheker - Großhandel“). Mit der Beitragsgruppenverordnung 1991 entfiel diese berufsgruppenbezogene Aufgliederung (vgl. nunmehr etwa „15 Ansichtskartenhändler“), stattdessen wurde die bereits erwähnte generelle Regelung des § 1 Abs. 2 Beitragsgruppenverordnung 1991 aufgenommen. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich insoweit an der Beurteilung der Berufsgruppe der Apotheker als eine solche des Einzel- oder Großhandels etwas ändern sollte. Bei - auch gesetzeskonformer - Auslegung der Beitragsgruppenverordnung ist die Tätigkeit der Revisionswerberin daher als „Handelsbetrieb“ zu beurteilen.
34 Im Übrigen kommt es für die Zuordnung nicht darauf an, ob insgesamt (überwiegend) ein Einzelhandels- oder Großhandelsbetrieb vorliegt. Es sind vielmehr - wie bereits in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Gesetz vom , LGBl. Nr. 28, zum damals neu eingefügten § 32 Abs. 11a Tiroler Fremdenverkehrsgesetz 1976 (worauf - in der Fassung der Wiederverlautbarung als Fremdenverkehrsgesetz 1979 - § 1 Abs. 2 Beitragsgruppenverordnung 1991 in der Stammfassung verwies), Seite 7, dargelegt - die Großhandels- und Einzelhandelsumsätze getrennt nachzuweisen; die Berechnung der Beiträge erfolgt auf Grund dieses gesonderten Nachweisen.
35 Weiters wird in der Revisionsbeantwortung geltend gemacht, es liege keine Lieferung an einen anderen Unternehmer vor; die Waren (Medikamente) würden an Privatpersonen (Endverbraucher) abgegeben.
36 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umsatzsteuerrecht (auf Basis der Regelungen des Sozialversicherungsrechts; vgl. insbesondere § 133 Abs. 2 ASVG, § 136 Abs. 2 ASVG, § 338 Abs. 1 ASVG, § 350 Abs. 1 ASVG), dass die Abgabe von Medikamenten von einem Apotheker an einen Versicherten einerseits als Lieferung des Apothekers an den Sozialversicherungsträger und anderseits als Lieferung des Sozialversicherungsträgers an den Versicherten zu beurteilen ist (vgl. , VwSlg. 5850/F; , 88/14/0010; vgl. auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 277). Das Tiroler Tourismusgesetz 2006 knüpft betreffend die beitragspflichtigen Umsätze an die steuerbaren Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 an, also an Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Abgabe von Medikamenten durch einen Apotheker ist daher auch nach dem Tiroler Tourismusgesetz 2006 als Lieferung des Apothekers an den Sozialversicherungsträger (und sodann als weitere Lieferung des Sozialversicherungsträgers an den Versicherten) zu beurteilen.
37 Schließlich wird in der Revisionsbeantwortung geltend gemacht, eine Lieferung im Großhandel liege auch deswegen nicht vor, weil keine Lieferung an einen Unternehmer im Sinne des eingeschränkten Unternehmerbegriffes des Tiroler Tourismusgesetzes 2006 erfolge.
38 Zunächst ist darauf zu verweisen, dass § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 keine entsprechende Einschränkung wie § 2 Abs. 1 leg. cit. enthält und auch nicht auf diese Bestimmung verweist; es ist daher schon zweifelhaft, ob mit den in § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 angesprochenen „Unternehmen“ (nur) die „Unternehmer“ gemäß § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1994 gemeint sind.
39 § 2 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz 2006 verweist aber betreffend Pflichtmitglieder (nur) auf § 2 Abs. 1 und 2 UStG 1994, nicht hingegen auf die weiteren Absätze des § 2 UStG 1994. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 (und 2) UStG 1994 erfasst aber auch Tätigkeiten der - erst in § 2 Abs. 3 und 4 UStG 1994 genannten - Körperschaften öffentlichen Rechts, auf die die Merkmale des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zutreffen (vgl. - auch zur Entwicklung des § 2 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz [damals 1991] - ). Es entsprach auch der Absicht des Gesetzgebers, im Zuge der Neufassung der Bestimmungen über die Pflichtmitgliedschaft mit dem Gesetz vom , LGBl. Nr. 16/1991, alle Körperschaften des öffentlichen Rechts zu erfassen, die im Sinne des - damals - § 2 Abs. 1 UStG 1972 unternehmerisch tätig waren (und unmittelbar oder mittelbar aus dem Tourismus Nutzen zogen; vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, aaO Seite 23 f; nicht übernommen werden sollte hingegen die im Umsatzsteuergesetz vorgesehene Einschränkung betreffend Liebhaberei). Auf einen Betrieb gewerblicher Art iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 wurde dabei nicht abgestellt. Dass die Tätigkeit der Träger der Sozialversicherung - entgegen der auch damals bestehenden Regelung in § 2 Abs. 4 UStG 1972 - im Tourismusgesetz nicht als unternehmerisch (gewerblich) angesehen werden sollte, ergibt sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage nicht. Insbesondere ist auch darauf zu verweisen, dass nach § 31 Abs. 1 lit. a Tiroler Tourismusgesetz 2006 u.a. Umsätze im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 ausdrücklich von der Beitragspflicht ausgenommen sind. Würden Sozialversicherungsträger nicht als Unternehmer iSd § 2 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz 2006 in Frage kommen, wäre diese Ausnahmebestimmung aber ohne Anwendungsbereich, was im Zweifel nicht anzunehmen ist.
40 Es sind daher auch Sozialversicherungsträger als „anderes“ (Empfänger der Lieferung) „Unternehmen“ im Sinne des § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 zu beurteilen.
41 § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 verlangt weiters eine Verwendung des überlassenen Gegenstandes u.a. durch „gewerbliche Weiterveräußerung“. „Gewerblich“ ist erkennbar im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu verstehen. Da - wie bereits ausgeführt - der Gesetzgeber des Tiroler Tourismusgesetzes 2006 die Tätigkeit der Sozialversicherungsträger als „unternehmerisch“ (gewerblich; vgl. dazu auch ) beurteilt hat, ist auch diese Voraussetzung erfüllt.
42 Damit sind diese Lieferungen der Revisionswerberin als Lieferungen im Großhandel iSd § 31 Abs. 4 Tiroler Tourismusgesetz 2006 und § 1 Abs. 2 Beitragsgruppenverordnung 1991 zu beurteilen.
43 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
44 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | ASVG §133 Abs2 ASVG §136 Abs2 ASVG §338 Abs1 ASVG §350 Abs1 FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1969 FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1976 FremdenverkehrsG BeitragsgruppenV Tir 1991 §1 Abs2 FremdenverkehrsG Tir 1976 §32 Abs11a FremdenverkehrsG Tir 1979 §32 Abs11a TourismusG Tir 1979 idF 1991/016 TourismusG Tir 2006 §2 Abs1 TourismusG Tir 2006 §31 Abs1 TourismusG Tir 2006 §31 Abs1 lita TourismusG Tir 2006 §31 Abs4 UStG 1972 §2 Abs1 UStG 1972 §2 Abs4 UStG 1994 §1 Abs1 Z1 UStG 1994 §2 Abs1 UStG 1994 §2 Abs2 UStG 1994 §2 Abs3 UStG 1994 §2 Abs4 UStG 1994 §6 Abs1 Z7 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022130108.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-46040