VwGH 22.02.2024, Ra 2022/13/0094
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug kann im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden (vgl. , mwN; vgl. auch § 83 Abs. 2 Z 4 EStG 1988). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/15/0050 B RS 5 |
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RS 2 | Bei einem zu Unrecht unterbliebenen Lohnsteuerabzug kommt es zu einer so genannten Nachholwirkung im Veranlagungsverfahren, wobei es auch bedeutungslos ist, ob der Arbeitgeber zur Haftung nach § 82 EStG 1988 herangezogen wurde oder nicht (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , 86/13/0178, und vom , 90/14/0150). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2008/13/0252 E RS 2 |
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RS 3 | Wird der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt, entspricht es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Verfahrensökonomie, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug nicht gegenüber dem Arbeitgeber (also über einen Umweg) geltend zu machen, sondern im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers zu korrigieren (vgl. B2/96, VfSlg 14.919, wobei das Erkenntnis auch Ausführungen zur amtswegigen Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens enthält). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/15/0134 B RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103252/2013, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2005 (mitbeteiligte Partei: H in L, vertreten durch die Centurion Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8/14), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte war in den Jahren 1999 bis 2007 (bis zum Jahr 2001 alleiniger) nicht (unmittelbar) als Gesellschafter beteiligter Geschäftsführer der in der Logistikbranche tätigen T GmbH und bezog als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für die verfahrensgegenständlichen Jahre reichte er, wie sich aus den Verfahrensakten ergibt, - für das Jahr 2003 unter Verwendung des Formulars E1 und für die Jahre 2004 und 2005 elektronisch - Einkommensteuererklärungen ein. Für die Jahre 2003 und 2004 wurde er erklärungsgemäß veranlagt, für das Jahr 2005 wurde die zunächst ebenfalls erklärungsgemäß erfolgte Veranlagung nach Erhebung einer Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgeändert und die zunächst berücksichtigten ausländischen negativen Einkünfte gestrichen (wodurch sich anstatt der ursprünglichen Gutschrift eine geringfügige Nachzahlung ergab).
2 Infolge einer beim Mitbeteiligten durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 2001 bis 2006 - aufgrund einer im Jahr 2007 eingereichten Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG der T GmbH - wurden mit Bescheiden vom die Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2003 bis 2005 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen. Im Zuge der Außenprüfung sei hervorgekommen, dass auf Veranlassung des Mitbeteiligten Scheinrechnungen bzw. überhöhte Rechnungen an die T GmbH ausgestellt worden seien und die aufgrund dessen geleisteten Zahlungen dem Mitbeteiligten zu- bzw. rückgeflossen seien. Diese Zuflüsse seien vom Mitbeteiligten nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erklärt worden.
3 In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Mitbeteiligte die angenommenen Zuflüsse und wandte auch ein, allfällige steuerliche Konsequenzen wären ausschließlich im Rahmen der Lohnsteuerprüfung zu ziehen gewesen, somit durch Haftungsinanspruchnahme der T GmbH als Dienstgeberin des Mitbeteiligten.
4 Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem (damaligen) unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide folge und hob diese Bescheide auf.
6 Das Bundesfinanzgericht führte nach umfangreicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und unter Verweis auf den Außenprüfungsbericht vom sowie auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom (mit dem der Mitbeteiligten vom Vorwurf der Untreue gemäß § 153 StGB freigesprochen wurde) - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, der Mitbeteiligte habe in den Jahren 2003 und 2004 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der T GmbH und im Jahr 2005 neben diesen Einkünften auch Bezüge (in geringfügiger Höhe) von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft bezogen.
7 Der Mitbeteiligte sei seit dem Jahr 1993 Geschäftsführer einer Gesellschaft gewesen, die - nach mehreren Umgründungsvorgängen - im Jahr 1999 von der T GmbH übernommen worden sei. Im Zuge der Übernahme habe der Mitbeteiligte gegenüber den damaligen Entscheidungsträgern der T GmbH offengelegt, dass die in der Vergangenheit erzielten guten Umsätze im „Ostgeschäft“ maßgeblich auf Schmiergeldzahlungen an dortige Entscheidungsträger zurückzuführen gewesen seien. Ihm sei zu verstehen gegeben worden, dass dies (zwar) nicht der Firmenpolitik entsprechen würde und offiziell nicht toleriert werde, zugleich jedoch ein unveränderter Geschäftsgang erwartet werde. Dies habe den Mitbeteiligten ermutigt, die Vorgangsweise iZm Schmiergeldzahlungen beizubehalten, was er auch in der Folge getan habe.
8 Im Rahmen der Abwicklung der Geschäfte der T GmbH habe der Mitbeteiligte auch die Ausstellung fingierter Rechnungen veranlasst, die von der T GmbH bezahlt worden seien, die Zahlungen seien jedoch letztendlich auf dem Mitbeteiligten zuzurechnende Konten in der Schweiz bzw. in Ungarn weitergeleitet worden.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht nach Auseinandersetzung mit der Frage - und Verneinung des Eintritts - der Festsetzungsverjährung aus, im Rahmen der Außenprüfung seien neue Tatsachen - das Vorliegen der nicht erklärten Einkünfte des Mitbeteiligten - hervorgekommen, die grundsätzlich eine Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren der Jahre 2003 bis 2005 gemäß § 303 BAO ermöglichen würden. Die Wiederaufnahme sei allerdings dennoch unzulässig, weil die Kenntnis dieser Umstände nicht zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätte.
10 Entscheidend sei nämlich, ob die - auf die nicht erklärten Einkünfte des Mitbeteiligten entfallende - Einkommensteuer im Veranlagungsweg beim Mitbeteiligten oder bei der T GmbH als Dienstgeber im Wege der Lohnsteuerhaftung nachzufordern sei.
11 In den verfahrensgegenständlichen Jahren sei der Mitbeteiligte nicht wesentlich an der T GmbH beteiligt gewesen, weshalb er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Geschäftsführertätigkeit bezogen habe. Im Jahr 2003 habe er auch nichtendbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen von weniger als 730 € erzielt. Im Jahr 2004 habe er ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Für beide Jahre liege somit kein Pflichtveranlagungstatbestand gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 vor. Im Jahr 2005 liege ein Pflichtveranlagungstatbestand vor, weil der Mitbeteiligte Einkünfte von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erzielt habe.
12 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien nur ausnahmsweise im Veranlagungsweg zu erfassen, so zum Beispiel, wenn Entgelte von dritter Seite vorlägen. Streitgegenständlich liege kein Entgelt von dritter Seite vor, weil die Beträge aus Rechnungen der T GmbH stammen würden. Diese Beträge seien auch nicht gegen den Willen des Dienstgebers geflossen, weil der Mitbeteiligte als Geschäftsführer den Willen der T GmbH repräsentiert habe.
13 Die auf die verfahrensgegenständlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer wäre somit nicht im Veranlagungsweg festzusetzen, sondern mit einem Haftungsbescheid beim Arbeitgeber einzufordern gewesen, und zwar - entgegen den Ausführungen des Finanzamts, wonach gemäß § 41 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 zumindest für das Jahr 2005 ein Pflichtveranlagungstatbestand vorgelegen wäre - auch für das Jahr 2005. Selbst bei einer Pflichtveranlagung seien diese Beträge nicht im Veranlagungsweg zu erfassen, sondern dem Arbeitgeber im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung vorzuschreiben.
14 Im Ergebnis seien daher die Wiederaufnahmebescheide aufzuheben, weil die neuen Tatsachen bzw. Beweismittel nicht zu im Spruch anderslautenden Einkommensteuerbescheiden geführt hätten.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die ein Abweichen von der - näher angeführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Möglichkeit der Korrektur eines fehlerhaften Lohnsteuerabzuges im Rahmen einer Veranlagung geltend macht.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:
17 Die Revision ist zulässig und begründet.
18 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
19 Im Revisionsfall kam das Bundesfinanzgericht zu dem Ergebnis, eine Wiederaufnahme scheitere daran, dass die neuen Tatsachen bzw. Beweismittel zu keinem im Spruch anderslautenden Bescheid führen würden, wobei es die sonstigen Voraussetzungen - im Revisionsverfahren unstrittig - dem Grunde nach als gegeben erachtete.
20 Konkret führte es aus, dass die festgestellten - als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eingestuften - Zahlungsrückflüsse ausschließlich im Rahmen des Lohnsteuerabzuges zu berücksichtigen seien und die Wiederaufnahme des Verfahrens somit zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte.
21 Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, erfolgt gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 EStG 1988 vorliegen. Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige nur in den in § 41 Abs. 1 EStG 1988 genannten Fällen zu veranlagen. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, so erfolgt gemäß Abs. 2 eine Veranlagung nur auf Antrag des Steuerpflichtigen.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug grundsätzlich im Rahmen der Veranlagung korrigiert werden kann (vgl. etwa zuletzt , mwN). Bei einem zu Unrecht unterbliebenen Lohnsteuerabzug kommt es zu einer so genannten Nachholwirkung im Veranlagungsverfahren, wobei es auch bedeutungslos ist, ob der Arbeitgeber zur Haftung nach § 82 EStG 1988 herangezogen wurde oder nicht (vgl. , mwN).
23 Nach der Rechtsprechung entspricht es überdies der Verfahrensökonomie, einen fehlerhaften Lohnsteuerabzug nicht gegenüber dem Arbeitgeber (also über einen Umweg) geltend zu machen, sondern im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers zu korrigieren (vgl. , mit Verweis auf B 2/96, VfSlg 14.919).
24 Aus der angefochtenen Entscheidung bzw. den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich unzweifelhaft, dass für die Jahre 2003 und 2004 jeweils eine Einkommensteuererklärung eingereicht wurde - womit der Mitbeteiligte eine Veranlagung gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 beantragt hat - und im Jahr 2005 ein Pflichtveranlagungstatbestand nach § 41 Abs. 1 EStG 1988 vorlag. Entgegen der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes war daher die Erfassung der verfahrensgegenständlichen, als Einkünfte des Mitbeteiligten aus nichtselbständiger Arbeit eingestuften, Zahlungsrückflüsse im Rahmen der Veranlagungen der Jahre 2003 bis 2005 zulässig (vgl. , mwN).
25 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022130094.L00 |
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Fundstelle(n):
AAAAF-46033