VwGH 20.10.2022, Ra 2022/13/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | EStG 1988 §30 Abs1 Z2 |
RS 1 | Mit dem Begriff der "geschriebenen Option" wird die Funktion des Stillhalters, also jener Person, die das Optionsrecht vertraglich einräumt, angesprochen. |
Normen | ABGB §936 VwRallg |
RS 2 | Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht, durch einseitige Erklärung das schon inhaltlich festgelegte Schuldverhältnis in Geltung zu setzen (vgl. ; , Ro 2019/15/0177). |
Norm | ABGB §908 |
RS 3 | Angeld stellt ein Beweis- und Sicherungsmittel eines verbindlichen Vertrags dar, das bei Vertragsschluss gegeben wird. Erfolgt die Zahlung erst nach Vertragsschluss, besteht die Funktion nur mehr in der Erfüllungssicherung. Die Funktion der Beweissicherung fehlt weiters, wenn der Vertrag schriftlich geschlossen wird. |
Normen | |
RS 4 | Betreffend die Abgrenzung der Anwendbarkeit der Regelungen (Spekulationstatbestand nach § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 idF vor dem BudgetbegleitG 2011; oder Besteuerung nach § 27 Abs. 4 und § 27a Abs. 3 Z 3 EStG 1988 idF BudgetbegleitG 2011) bei einem Stillhalter ist auf das Datum des Abschlusses der Derivatposition abzustellen. |
Normen | |
RS 5 | Ob betreffend § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (idF vor dem BudgetbegleitG 2011) der bloße Verfall einer Option als "Abwicklung" anzusehen war, war in der Literatur strittig (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2012, § 30 Tz 19 ff). Im Rahmen der Übergangsbestimmung (idF AbgÄG 2011) wird auf eine Veräußerung oder "sonstige Abwicklung (beispielsweise Glattstellung oder Differenzausgleich)" verwiesen. § 27 Abs. 4 EStG 1988 (idF BudgetbegleitG 2011) zählt dem gegenüber als Einkünfte aus Derivaten den Differenzausgleich, die Stillhalterprämie, Einkünfte aus der Veräußerung und Einkünfte aus der sonstigen Abwicklung auf. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 116 f) wurde dazu darauf verwiesen, § 27 Abs. 4 wirke nur insoweit, als ein Differenzausgleich, ein Abschluss einer Gegenposition oder eine sonstige Glattstellung, jedenfalls keine tatsächliche Ausübung erfolge. Als sonstige Abwicklung komme insbesondere die Glattstellung in Frage. Es sollten aber auch Stillhalterprämien an sich von § 27 Abs. 4 erfasst werden; dies sei etwa in all jenen Fällen von Bedeutung, in denen es zu keiner Optionsausübung und auch zu keinem Differenzausgleich komme. § 27a Abs. 3 Z 3 EStG 1988 (idF BudgetbegleitG 2011) regelt, welche Beträge bei Derivaten als Einkünfte anzusetzen sind. Dabei wird differenziert danach, ob ein Differenzausgleich (lit. a), ein Verfall der Option (lit. b) oder eine "Veräußerung oder sonstige Abschichtung" bzw. eine "sonstige Abwicklung (Glattstellen)" vorliegt. Es kann davon ausgegangen werden, dass die insoweit umschriebenen Vorgänge - abgesehen von der Optionsausübung - nach der Absicht des Gesetzgebers als Abwicklung der Option (zum Teil bezogen auf den Optionsberechtigten, zum Teil bezogen auf den Optionsverpflichteten) anzusehen sind, wobei jeweils manche Abwicklungsarten gesondert behandelt und die übrigen als "sonstige Abwicklung" bezeichnet wurden. Insbesondere betreffend den Stillhalter ist dabei auf die Abwicklung des Schuldverhältnisses abzustellen, das das Optionsrecht begründet hatte. Dieses Schuldverhältnis ist dann abgewickelt, wenn die Hauptleistungspflichten erloschen sind. Auch der ungenutzte Ablauf der Frist, bis zu deren Ende das Recht hätte ausgeübt werden können, führt zum Erlöschen der Hauptleistungspflichten. Der Verfall der Option ist somit ebenfalls als (sonstige) Abwicklung der Option anzusehen. |
Normen | |
RS 6 | Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften erfolgt eine Annäherung an die Regelung im betrieblichen Bereich. Mit § 30 Abs. 4 EStG 1988 (idF vor dem BudgetbegleitG 2011, insoweit durch dieses aber nicht verändert) wurde das Abflussprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 durchbrochen; alle Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen aus der Anschaffung des Spekulationsobjektes und seiner Erhaltung bis zur Veräußerung erwachsen, waren in einer Art Vermögensvergleich dem Veräußerungserlös gegenüberzustellen und solcherart der Überschuss bzw. Verlust aus dem Spekulationsobjekt zu ermitteln. Hiezu wurde auch ausgesprochen, dass das Zu- und Abflussprinzip nur ausgabenseitig modifiziert worden sei; das Erzielen des Veräußerungserlöses orientiere sich nach Zuflusskriterien (vgl. ). Dies betraf allerdings Spekulationsgeschäfte im Sinne des damaligen § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, also "Veräußerungsgeschäfte". Bei den Optionsgeschäften ist Steuertatbestand aber nicht die "Veräußerung" (innerhalb bestimmter Fristen ab Anschaffung), sondern die "Abwicklung" (innerhalb bestimmter Fristen). Dieser Tatbestand ist sohin mit der Abwicklung erfüllt und unterliegt erst in diesem Zeitpunkt der Besteuerung. Bei diesen Optionsgeschäften hat daher die Ermittlung des Überschusses oder Verlustes (erst) zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen. Betreffend diese Spekulationsgeschäfte (Optionsgeschäfte) wird sohin das Zu- und Abflussprinzip auch einnahmenseitig modifiziert. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100525/2014, betreffend Einkommensteuervorauszahlungen 2013 (mitbeteiligte Partei: M A R in S, vertreten durch DI Heinrich Richter, Steuerberater in 8041 Graz, Liebenauer Hauptstraße 2-6/D/1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom wurde u.a. festgehalten, am sei zwischen der Mitbeteiligten als „Optionsgeberin“ und der P GmbH als „Optionsnehmerin“ vereinbart worden, dass die P GmbH berechtigt sei, eine bestimmte Liegenschaft zum Kaufpreis von 1,387.148,61 € zu kaufen. Das Recht zur Ausübung der Option erlösche am , es sei denn, der Optionsnehmer erlege bis zu diesem Tag ein Angeld in Höhe von 50.000 €; in diesem Fall erlösche das Optionsrecht am . Für den Fall, dass die Option bis zum angenommen werde, werde das Angeld auf den vereinbarten Kaufpreis angerechnet, sonst verfalle das Angeld zugunsten der Optionsgeberin. Die Optionsnehmerin habe am den Betrag von 50.000 € an die Optionsgeberin überwiesen. Mit Nachtrag zum Optionsvertrag vom seien die Voraussetzungen für die Optionsausübung geändert worden; das Recht zur Optionsausübung sollte nunmehr am erlöschen. Mit sei ein neuerlicher Optionsvertrag zum Abschluss eines Kaufvertrages errichtet worden, wobei nunmehr ein Kaufpreis von 1,587.148,61 € vereinbart worden sei. Es sei vereinbart worden, dass das Recht zur Ausübung der Option am erlösche, sofern die Optionsnehmerin ein Angeld in Höhe von gesamt 200.000 € an die Optionsgeberin bis zahle; festgehalten worden sei, dass ein Teilbetrag von 50.000 € bereits gezahlt worden sei. Für den Fall, dass die Option bis angenommen werde, werde das Angeld in Höhe von 200.000 € auf den vereinbarten Kaufpreis angerechnet, ansonsten verfalle das Angeld zugunsten der Optionsgeberin. Am habe die Optionsnehmerin 150.000 € an die Optionsgeberin überwiesen.
2 Es handle sich um die Einräumung einer Option. Der Zufluss der Stillhalterprämie sei nach § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 steuerpflichtig. Der Zufluss sei im Jahr 2013 anzunehmen.
3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Einkommensteuervorauszahlungen für die Monate 1-12/2013 mit 129.197 € fest. In der Begründung wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen.
4 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Sie machte insbesondere geltend, die Einräumung des Optionsrechts sei ausdrücklich unentgeltlich erfolgt; es liege damit keine Stillhalterprämie (Optionsprämie) vor. Bei der erfolgten Zahlung handle es sich um ein Angeld iSd § 908 ABGB.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob den Bescheid des Finanzamts ersatzlos auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und des Inhalts der oben geschilderten Vereinbarungen führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte sei Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft; im Streitzeitraum sei die Liegenschaft an Landwirte verpachtet gewesen. Die P GmbH habe von ihrem Optionsrecht bis zum Ablauf der Optionsfrist am keinen Gebrauch gemacht.
7 Folge man der Auffassung der belangten Behörde, dann handle es sich bei den genannten Zahlungen um Einnahmen iSd § 15 EStG 1988. Gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 seien Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien. Zugeflossen sei eine Einnahme dann, wenn sie auf seinem Bankkonto gutgeschrieben werde. Eine Rückzahlung der hier zu beurteilenden Zahlungen sei nicht erfolgt und sei auch nach der zu Grunde liegenden Vereinbarung ausgeschlossen. Die Mitbeteiligte sei über die an sie bezahlten Beträge voll verfügungsberechtigt. Auch Vorauszahlungen vor Fälligkeit seien zugeflossen. Selbst Änderungen in Folgejahren könnten einen einmal erfolgten Zufluss nicht mehr rückgängig machen. Der Zufluss der Zahlungen sei im Jahr 2011 erfolgt, was einer Besteuerung im Jahr 2013 entgegenstehe. Der angefochtene Bescheid sei daher ersatzlos aufzuheben gewesen, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 4 EStG 1988 nicht vorlägen. Ob es sich bei den Zahlungen um ein Entgelt für eine Optionseinräumung handle, sei demnach nicht maßgeblich.
8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, wie die Übergangsbestimmung des § 124b Z 184 EStG 1988 im Zusammenhang mit im Zeitraum bis eingeräumten Optionsrechten und der Besteuerung aufgrund von Zuflüssen aus Stillhalterprämien auszulegen und anzuwenden sei. Darüber hinaus habe das Bundesfinanzgericht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unberücksichtigt gelassen, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften eine Angleichung an die Regelung im betrieblichen Bereich bestehe. Das Zu- und Abflussprinzip im Bereich der Spekulationseinkünfte sei aufgeweicht, es liege ein „gestreckter Tatbestand“ vor.
9 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig und begründet.
12 Nach § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (idF vor Budgetbegleitgesetz 2011 [BBG 2011], BGBl. I Nr. 111/2010) waren „Termingeschäfte einschließlich Differenzgeschäfte, weiters innerhalb von einem Jahr abgewickelte Optionsgeschäfte einschließlich geschriebene Optionen und Swaphandelsgeschäfte“ Spekulationsgeschäfte. Wurde das Wirtschaftsgut oder die rechtliche Stellung aus einem Geschäft im Sinne der Z 2 unentgeltlich erworben, so war auf den Anschaffungszeitpunkt oder den Eröffnungszeitpunkt des Geschäftes beim Rechtsvorgänger abzustellen.
13 Mit dem Begriff der „geschriebenen Option“ wird die Funktion des Stillhalters, also jener Person, die das Optionsrecht vertraglich einräumt, angesprochen (vgl. Konezny, ÖBA 2000, 392 ff; Tumpel in Doralt-FS, 485 ff [487]).
14 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 erfolgte eine Neuordnung der Besteuerung von Kapitalvermögen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 981 BlgNR 24. GP 115).
15 Nach § 27 Abs. 4 EStG 1988 (idF BBG 2011) gehören zu den Einkünften aus Derivaten der Differenzausgleich (Z 1), die Stillhalterprämie (Z 2), Einkünfte aus der Veräußerung (Z 3) und Einkünfte aus der sonstigen Abwicklung (Z 4) bei Termingeschäften (beispielsweise Optionen) sowie bei sonstigen derivativen Finanzinstrumenten.
16 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 entfiel auch die bisherige Z 2 in § 30 Abs. 1 EStG 1988 (die bisherige Z 3 wurde zur Z 2).
17 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, wurde das Inkrafttreten der Bestimmungen des Budgetbegleitgesetzes 2011 geändert (vgl. dazu auch ).
18 Nach § 124b Z 184 EStG 1988 (idF Abgabenänderungsgesetz 2011) ist § 30 EStG 1988 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 bei anderen (als im ersten Teilstrich aufgezählten, hier nicht vorliegenden) „vor dem entgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 weiter anzuwenden; dabei gilt bei nach dem und vor dem entgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern und Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4 jede Veräußerung oder sonstige Abwicklung (beispielsweise Glattstellung oder Differenzausgleich) als Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 Abs. 1 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010. Auf die Veräußerung oder sonstige Abwicklung nach dem ist bereits der besondere Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 und 2 anzuwenden.“
19 Nach § 124b Z 185 EStG 1988 (idF Abgabenänderungsgesetz 2011) traten u.a. die §§ 27 und 27a mit in Kraft. § 27 Abs. 3 und 4 EStG 1988 waren ab u.a. erstmals anzuwenden auf alle anderen Wirtschaftsgüter und Derivate im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, die nach dem entgeltlich erworben worden waren.
20 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2011 wurde dazu ausgeführt (1212 BlgNR 24. GP 22), aufgrund der Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Kapitalbesteuerungssystems auf den sei eine Anpassung der einzelnen Inkrafttretensbestimmungen notwendig. Darüber hinaus sollten Wirtschaftsgüter und Derivate im Sinne des § 27 Abs. 3 und 4, die nach dem und vor dem entgeltlich erworben worden seien, stets als spekulationsverfangen gelten.
21 Im vorliegenden Fall räumte die Mitbeteiligte zuletzt mit einer als „Optionsvertrag“ bezeichneten Vereinbarung vom der P GmbH das Recht ein, eine im Eigentum der Mitbeteiligten befindliche Liegenschaft bis zum zu einem bestimmten Preis anzukaufen, wobei (so wird die Vereinbarung unbestritten verstanden) für das Weiterbestehen der Berechtigung der P GmbH ein „Angeld“ bis zum (bei sonstigem Erlöschen der Berechtigung) zu zahlen war. Für den Fall, dass die Option „angenommen“ würde, sollte das „Angeld“ auf den Kaufpreis angerechnet werden, ansonsten sollte das „Angeld“ zugunsten der Mitbeteiligten „verfallen“.
22 Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht, durch einseitige Erklärung das schon inhaltlich festgelegte Schuldverhältnis in Geltung zu setzen (vgl. ; , Ro 2019/15/0177).
23 Wenn die Mitbeteiligte auch in der Revisionsbeantwortung geltend macht, es liege ein Angeld iSd § 908 ABGB vor, so ist vorauszuschicken, dass es auf die rechtliche Qualifikation eines Sachverhalts durch die Parteien nicht ankommt (vgl. ). Angeld stellt ein Beweis- und Sicherungsmittel eines verbindlichen Vertrags dar, das bei Vertragsschluss gegeben wird. Erfolgt die Zahlung erst nach Vertragsschluss, besteht die Funktion nur mehr in der Erfüllungssicherung (vgl. Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB5, § 908 Tz 1 und 12 f). Die Funktion der Beweissicherung fehlt weiters, wenn der Vertrag - wie hier - schriftlich geschlossen wird (vgl. Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4, § 908 Tz 3). „Angeld“ betreffend einen Kaufvertrag scheidet hier aus, weil ein Kaufvertrag - mangels Ausübung der Option durch die P GmbH - nicht zustande gekommen ist. Soweit geltend gemacht wird, das Angeld sei im Rahmen des Optionsvertrags zu leisten gewesen, so ist aber zu bemerken, dass die P GmbH zum Ankauf der Liegenschaft lediglich berechtigt, nicht aber verpflichtet war, sodass insoweit der gezahlte Betrag kein Mittel zur Erfüllungssicherung sein konnte. Da die P GmbH nicht zum Ankauf verpflichtet war, scheidet auch ein von der Mitbeteiligten in diesem Zusammenhang behaupteter Schadenersatzanspruch aus.
24 Bei (auch) wirtschaftlicher Betrachtung räumte die Mitbeteiligte (als „Stillhalter“) der P GmbH gegen Entgelt, das unzutreffend als „Angeld“ bezeichnet wurde, ein Optionsrecht auf Ankauf einer Liegenschaft zu einem bestimmten Preis ein.
25 Die Übergangsbestimmungen (§ 124b Z 184 und 185 EStG 1988) beziehen sich auf den „entgeltlichen Erwerb“ eines Wirtschaftsgutes oder Derivats (also z.B. einer Option). Ein entgeltlicher Erwerb eines Wirtschaftsguts oder Derivats liegt hier auf Seiten der Mitbeteiligten nicht vor; sie räumte vielmehr der P GmbH gegen Entgelt ein Gestaltungsrecht ein; nur auf Seiten der P GmbH könnte hier allenfalls ein Wirtschaftsgut vorliegen (vgl. ; , 2013/13/0012). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass betreffend die Abgrenzung der Anwendbarkeit der Regelungen (Spekulationstatbestand nach § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 idF vor dem BBG 2011; oder Besteuerung nach § 27 Abs. 4 und § 27a Abs. 3 Z 3 EStG 1988 idF BBG 2011) bei einem Stillhalter auf das Datum des Abschlusses der Derivatposition abzustellen ist (ebenso Marschner, SWK 2011, S 752 ff).
26 Dass der Abschluss der Derivatposition nach dem und vor dem erfolgte (nämlich am ), ist im Revisionsverfahren nicht strittig. Damit gilt jede „Veräußerung oder sonstige Abwicklung (beispielsweise Glattstellung oder Differenzausgleich)“ als Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung vor dem BBG 2011.
27 Ob betreffend § 30 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 (idF vor BBG 2011) der bloße Verfall einer Option als „Abwicklung“ anzusehen war, war in der Literatur strittig (vgl. Jakom/Kanduth-Kristen EStG 2012, § 30 Tz 19 ff). Im Rahmen der Übergangsbestimmung (idF Abgabenänderungsgesetz 2011) wird auf eine Veräußerung oder „sonstige Abwicklung (beispielsweise Glattstellung oder Differenzausgleich)“ verwiesen. § 27 Abs. 4 EStG 1988 (idF BBG 2011) zählt dem gegenüber als Einkünfte aus Derivaten den Differenzausgleich, die Stillhalterprämie, Einkünfte aus der Veräußerung und Einkünfte aus der sonstigen Abwicklung auf. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 116 f) wurde dazu darauf verwiesen, § 27 Abs. 4 wirke nur insoweit, als ein Differenzausgleich, ein Abschluss einer Gegenposition oder eine sonstige Glattstellung, jedenfalls keine tatsächliche Ausübung erfolge. Als sonstige Abwicklung komme insbesondere die Glattstellung in Frage. Es sollten aber auch Stillhalterprämien an sich von § 27 Abs. 4 erfasst werden; dies sei etwa in all jenen Fällen von Bedeutung, in denen es zu keiner Optionsausübung und auch zu keinem Differenzausgleich komme.
28 § 27a Abs. 3 Z 3 EStG 1988 (idF BBG 2011) regelt, welche Beträge bei Derivaten als Einkünfte anzusetzen sind. Dabei wird differenziert danach, ob ein Differenzausgleich (lit. a), ein Verfall der Option (lit. b) oder eine „Veräußerung oder sonstige Abschichtung“ bzw. eine „sonstige Abwicklung (Glattstellen)“ vorliegt.
29 Es kann davon ausgegangen werden, dass die insoweit umschriebenen Vorgänge - abgesehen von der Optionsausübung - nach der Absicht des Gesetzgebers als Abwicklung der Option (zum Teil bezogen auf den Optionsberechtigten, zum Teil bezogen auf den Optionsverpflichteten) anzusehen sind, wobei jeweils manche Abwicklungsarten gesondert behandelt und die übrigen als „sonstige Abwicklung“ bezeichnet wurden. Insbesondere betreffend den Stillhalter ist dabei auf die Abwicklung des Schuldverhältnisses abzustellen, das das Optionsrecht begründet hatte. Dieses Schuldverhältnis ist dann abgewickelt, wenn die Hauptleistungspflichten erloschen sind (vgl. neuerlich Konezny, ÖBA 2000, 392 ff). Auch der ungenutzte Ablauf der Frist, bis zu deren Ende das Recht hätte ausgeübt werden können, führt zum Erlöschen der Hauptleistungspflichten. Der Verfall der Option ist somit ebenfalls als (sonstige) Abwicklung der Option anzusehen (in diesem Sinne z.B. auch Jakom/Kanduth-Kristen, aaO; Tumpel, aaO [491]).
30 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften eine Annäherung an die Regelung im betrieblichen Bereich. Mit § 30 Abs. 4 EStG 1988 (idF vor dem BBG 2011, insoweit durch dieses aber nicht verändert) wurde das Abflussprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 durchbrochen; alle Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen aus der Anschaffung des Spekulationsobjektes und seiner Erhaltung bis zur Veräußerung erwachsen, waren in einer Art Vermögensvergleich dem Veräußerungserlös gegenüberzustellen und solcherart der Überschuss bzw. Verlust aus dem Spekulationsobjekt zu ermitteln. Hiezu wurde auch ausgesprochen, dass das Zu- und Abflussprinzip nur ausgabenseitig modifiziert worden sei; das Erzielen des Veräußerungserlöses orientiere sich nach Zuflusskriterien (vgl. ). Dies betraf allerdings Spekulationsgeschäfte im Sinne des damaligen § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, also „Veräußerungsgeschäfte“. Bei den hier zu behandelnden Optionsgeschäften ist Steuertatbestand aber nicht die „Veräußerung“ (innerhalb bestimmter Fristen ab Anschaffung), sondern die „Abwicklung“ (innerhalb bestimmter Fristen). Dieser Tatbestand ist sohin mit der Abwicklung erfüllt und unterliegt erst in diesem Zeitpunkt der Besteuerung (vgl. Biegler/Wöber, SWK 2003, S 702 ff). Bei diesen Optionsgeschäften hat daher die Ermittlung des Überschusses oder Verlustes (erst) zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen. Betreffend diese Spekulationsgeschäfte (Optionsgeschäfte) wird sohin das Zu- und Abflussprinzip auch einnahmenseitig modifiziert. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts sind damit die Einnahmen aus diesem Spekulationsgeschäft erst im Jahr der Abwicklung (Verfall der Option), also im Jahr 2013 zu berücksichtigen.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AbgÄG 2011 ABGB §908 ABGB §936 BudgetbegleitG 2011 EStG 1988 §124b Z184 EStG 1988 §124b Z184 idF idF 2011/I/076 EStG 1988 §124b Z185 EStG 1988 §19 Abs2 EStG 1988 §27 Abs4 idF 2010/I/111 EStG 1988 §27a Abs3 Z3 idF idF 2010/I/111 EStG 1988 §27a Abs3 Z3 idF 2010/I/111 EStG 1988 §30 Abs1 Z1 EStG 1988 §30 Abs1 Z2 EStG 1988 §30 Abs4 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130017.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-46002