VwGH 26.09.2022, Ra 2022/13/0005
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Nichtstattgebung - Umsatzsteuer 2008 bis 2010 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen Dezember 2011 und August 2012 - Die aufschiebende Wirkung ist dann nicht zuzuerkennen, wenn zwingende öffentliche Interessen dem Aufschub entgegenstehen. Bei einer Abgabenschuld ist dies der Fall, wenn der Aufschub des Vollzuges bewirkt, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld gefährdet wird (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 283 ff). Aus dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft über ihre äußerst angespannte Liquiditätslage ergibt sich, dass die Einbringlichkeit der (unbesicherten) Abgabenschuld gefährdet ist, weswegen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könnte die Abgabenbehörde weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf neu auftauchendes Vermögen der Revisionswerberin greifen. Dies kann zu endgültigen Forderungsverlusten des Bundes führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht (vgl. für viele den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , AW 2000/13/0014). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/15/0075 B RS 1 (hier: Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer 2007 bis 2016; ohne den dritten Satz) |
Norm | BAO §90 Abs1 |
RS 1 | Die Initiative zur Akteneinsicht hat nicht von der Behörde (oder dem Verwaltungsgericht) auszugehen. Die Partei ist zur Akteneinsicht also nicht aufzufordern, ihr ist die Einsicht in die Akten lediglich zu gestatten (§ 90 Abs. 1 BAO; vgl. , mwN). Die Gestattung ist ein Realakt, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf (vgl. auch Ritz, BAO6, § 90 Tz 9: kein Bescheid). Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, der nicht abgewiesen wird, dann liegt es bei der Partei, diese Möglichkeit zu nützen (vgl. , VwSlg 7572 F/2001). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/13/0006 E RS 1 (hier nur die letzten beiden Sätze) |
Norm | BAO §303 Abs1 |
RS 2 | Die Frage der Uneinbringlichkeit stellt kein Kriterium für die Wiederaufnahme des Verfahrens dar (vgl. etwa ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der B GmbH iL, vertreten durch Dr. Gregor Holzknecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104360/2019, betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 2007 bis 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Wien 2/20/21/22), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
3 Dem im Revisionsschriftsatz gestellten Antrag der Revisionswerberin, ihrer außerordentlichen Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, hat das gemäß § 30 Abs. 2 VwGG dafür zuständige Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom nicht stattgegeben, weil die Einbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Revisionswerberin gefährdet sei, weshalb zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden.
4 Mit Schriftsatz vom stellte die Revisionswerberin neuerlich einen Antrag, ihrer Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
5 Eine wesentliche Änderung der Voraussetzungen, die für den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom maßgebend waren, behauptet die Revisionswerberin nicht. Eine Änderung des genannten Beschlusses gemäß § 30 Abs. 3 VwGG beantragt die Revisionswerberin nicht. Der neuerliche Antrag war daher zurückzuweisen.
6 Zu einer Abänderung des erwähnten Beschlusses des Bundesfinanzgerichtes vom von Amts wegen (§ 30 Abs. 3 zweiter Fall VwGG) sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen nicht veranlasst. Die aufschiebende Wirkung ist dann nicht zuzuerkennen, wenn zwingende öffentliche Interessen dem Aufschub entgegenstehen. Bei einer Abgabenschuld ist dies der Fall, wenn der Aufschub des Vollzuges bewirkt, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld gefährdet wird. Bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung könnte die Abgabenbehörde weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf neu auftauchendes Vermögen der Revisionswerberin greifen. Dies kann zu endgültigen Forderungsverlusten des Bundes führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht (vgl. ; , AW 2012/13/0036; , AW 2011/16/0080).
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der B GmbH iL in E, vertreten durch Dr. Gregor Holzknecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104360/2019, betreffend u.a. Wiederaufnahme (Umsatz- und Körperschaftsteuer 2007) sowie Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer 2007 bis 2016, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Betrieb der revisionswerbenden Gesellschaft umfasste mehrere unterschiedliche Teilbereiche, unter anderem die Verpachtung von Gastronomielokalen, eines „Clubschiffs“ und die Erzielung von Sponsorerlösen. Im Juli 2016 wurde über die Revisionswerberin der Konkurs eröffnet und dieser mangels Kostendeckung im November 2016 aufgehoben. Als Liquidator wurde der Alleingesellschafter und Geschäftsführer W, eingesetzt.
2 Nach einer durchgeführten Hausdurchsuchung bei W wurde die Revisionswerberin für die Jahren 2007 bis 2016 einer Betriebsprüfung unterzogen. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde ausgeführt, dass die Revisionswerberin seit 2009 keine Steuererklärungen abgegeben habe und das Betriebsergebnis der gegenständlichen Jahre geschätzt werden müsse, weil keine Unterlagen vorgelegt worden bzw. vorgelegte Unterlagen nicht nachvollziehbar seien.
3 Aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Buchhaltung wurden die Umsätze und Ausgaben im Rahmen der Betriebsprüfung nach dem Zu- und Abflussprinzip ermittelt. Die Betriebsprüfer setzte beispielsweise nur tatsächliche Einnahmen und Ausgaben an, erkannte diverse Forderungsabschreibungen mangels Nachweisbarkeit sowie die Abschreibung von Mietrechten - aufgrund von Wertlosigkeit - nicht an. Umsätze wurden entweder aufgrund von Belegen und Erhebungen, andernfalls anhand der Pachtverträge, festgestellt. Die Umsatzsteuerschuld ergab sich aufgrund der Rechnungslegung. Die Vorsteuern schätzte die Betriebsprüfung im Verhältnis zur Umsatzsteuer mit 40 %.
4 Das Finanzamt erließ in der Folge Bescheide zur Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer für das Jahr 2007 und Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2016.
5 Dagegen brachte die Revisionswerberin Beschwerden und mehrere Beschwerdeergänzungen ein. Mittels Beschwerdevorentscheidung änderte das Finanzamt die Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 ab; die Beschwerden gegen die übrigen Bescheide wurden als unbegründet abgewiesen.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, änderte das Bundesfinanzgericht die Körperschaft- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2016 ab; die Beschwerde hinsichtlich Wiederaufnahme wurde als unbegründet abgewiesen.
7 In seinen Erwägungen führte das Bundesfinanzgericht erkennbar zunächst aus, dass die Schätzung durch das Finanzamt nachvollziehbar begründet worden sei. Hinsichtlich der Festsetzung der Umsatzsteuer folgte das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt, indem es ausführte, dass Rechnungen im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 vorlägen. Die Rechnungslegung mit Steuerausweis bilde unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 12 oder 14 UStG 1994 einen eigenen Steuertatbestand. Der Ausweis von Umsatzsteuer, die nicht auf Grund eines Umsatzes geschuldet werde, in einer Rechnung lasse eine Steuerschuld auf Grund der Rechnung entstehen. Wenn der Liquidator der Meinung sei, dass die Vorsteuerschätzung zu seinem Nachteil ausgefallen sei, wäre es am Liquidator gelegen, die tatsächliche Höhe darzutun.
8 Hinsichtlich der Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren führte das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Forderungsanmeldung anlässlich des Insolvenzverfahrens alleine nicht gleichzusetzen sei mit dem Bestehen von Verbindlichkeiten bzw. Aufwendungen, die Bemessungsgrundlagen der Steuerbescheide vermindern würden. Konkret auf Forderungen der Stadt L bezogen verwies das Bundesfinanzgericht auf die Entscheidung des Bezirksgerichts L, wonach die Revisionswerberin nicht Eigentümerin des entsprechenden Betriebes gewesen sei, sondern W. Somit seien die geltend gemachten Betriebsausgaben (Liegegebühren und sonstige Ausgaben) nicht anzuerkennen gewesen. Hinsichtlich der DHK werde festgehalten, dass Belege zu diesem Bestandverhältnis im Zuge der Außenprüfung nicht vorgelegt worden seien und in den beschlagnahmten Unterlagen nicht enthalten gewesen seien. Weiters seien mit dem Objekt nie Umsätze erzielt/erklärt worden und der Pachtvertrag mit der DHK bereits 2009 beendet worden. Betreffend die Kosten für die Pachtflächen seien mit der Vermieterin der Pachtflächen derart viele Prozesse geführt worden, dass eine Rechtsunsicherheit in erheblichem Ausmaß bestanden habe.
9 Hinsichtlich der strittigen Abschreibung des Mietrechts führte das Bundesfinanzgericht aus, dass die Abschreibung dieses Mietrechts nicht anzuerkennen sei. Dabei stützte es sich, wie bereits das Finanzamt, unter anderem darauf, dass die zugrundeliegende Rechnung eine Scheinrechnung darstelle und nie die Absicht bestanden habe, diese tatsächlich umzusetzen. Die Abschreibung des Clubschiffes habe, anders als von der Revisionswerberin gefordert, 2014 zu erfolgen, weil erst in diesem Jahr ein Zustand erreicht worden sei, mit dem eine weitere Verwendbarkeit und damit auch eine Einnahmenerzielung nicht gegeben sei. Somit sei nicht nur die jährliche Abschreibung, sondern auch der Restbuchwert zu berücksichtigen gewesen.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, es sei ein derartiger Fall noch nie entschieden worden. Im einschlägigen verwaltungsrechtlichen Bereich herrsche ein starkes Rechtsschutzbedürfnis. Es bestehe ein großes und offenkundiges Bedürfnis der Rechtspraxis zur Schaffung von Rechtssicherheit durch eine einheitliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu näher bezeichneten Bestimmungen der BAO, des UStG und des EStG. Sämtliche Tatsachen, Beweise und Anträge bis zur Entscheidung über die Beschwerde seien zu berücksichtigen; dies sei nicht erfolgt. Konkret beziehe sich die Revision dabei auf einen Antrag vom , welcher nur unter Verzicht auf die mündliche Verhandlung zugelassen worden sei. Damit habe die revisionswerbende Gesellschaft ihr wesentliches Verteidigungsmittel aufgegeben. Umso mehr hätte das Bundesfinanzgericht die in diesem Antrag enthaltenen Ausführungen und Beweismittel berücksichtigen müssen. In diesem Antrag habe die revisionswerbende Gesellschaft ausgeführt, dass von einer Umsatzsteueroption gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 kein Gebrauch gemacht worden sei, weshalb Mängel in der Berechnung der Abgaben entstanden seien; die nachfolgende Berechnung des Bundesfinanzgerichts sei somit unrichtig. Es seien auch die Passivposten im Rahmen der Schätzung nicht berücksichtigt worden. Es sei eine tabellarische Auflistung der Passivposten in diesem Antrag eingearbeitet gewesen, welche nachgewiesenermaßen im Rahmen des Insolvenzverfahrens als Forderungen angemeldet worden seien. Die Passivposten wären mindernd einzustellen gewesen und werde besonders auf die Forderung der Stadt L hingewiesen.
11 Des Weiteren sei die Abschreibung des Mietrechts unrichtigerweise nicht vorgenommen worden. Es wäre der gemeine Wert festzustellen und anzusetzen gewesen. Auch sei die Abschreibung des Clubschiffs im Jahr 2012 nicht berücksichtigt worden. Wenn die Vorsteuer ab dem Jahr 2012 geschätzt worden sei, werde darauf verwiesen, dass dies nicht notwendig gewesen wäre, zumal die Buchhaltung und alle Belege dem Finanzamt vorgelegen seien. Die Anwendung des Zu- und Abflussprinzips sei für die Rechtsform der GmbH verfehlt (keine freiberufliche GmbH). Insbesondere für die Bestimmung eines strafbestimmenden Wertbetrags sei dies völlig unpassend, da gebuchte, aber unbezahlte Rechnungen hiermit als finanzstrafrechtliche Verfehlung gesehen werden würden. Immerhin sei eine Korrektur der Vorsteuern notwendig, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden könnten. Der Wechsel zur Ist-Besteuerung als Basis für den strafbestimmenden Wertbetrag führe somit zu strafbestimmenden Wertbeträgen bei Vorsteuern aus unbezahlten Rechnungen. Das entspreche nicht der Rechtslage - und könne somit auch keine finanzstrafrechtliche Verfehlung darstellen. Auch habe das Bundesfinanzgericht über den Antrag auf Akteneinsicht nicht entschieden und damit die Verteidigung wesentlich beeinträchtigt.
12 Unter der Überschrift „§ 184 BAO (Schätzung der Grundlagen der Abgabenerhebung)“ sieht die Revision ihre Zulässigkeit darin, dass amtsbekannte Verfahren und damit einhergehende Kosten, welche zur Insolvenz und Vermögenslosigkeit geführt hätten, nicht berücksichtigt worden seien. Das Bundesfinanzgericht habe im Verfahren das fehlende Parteiengehör vor der belangten Behörde nicht berücksichtigt. Letztlich sei eine willkürliche Umstellung der Gewinnermittlungsart auf „Einnahmen-Ausgaben-Rechnung“ erfolgt und habe die Revisionswerberin dieser Umstellung nicht zugestimmt. Die entscheidende Rechtsfrage sei, ob die belangte Behörde berechtigt sei, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen auf eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung umzustellen, obwohl die revisionswerbende Gesellschaft zur Bilanzierung verpflichtet sei.
13 Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren bringt die Revision vor, dass diese gegen den Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung verstoße, weil die steuerlichen Auswirkungen lediglich geringfügig seien. Zudem seien die Abgabenforderungen auch nicht einbringlich, wodurch ebenso gegen den Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung verstoßen werde. Über Anträge nach §§ 235 bis 237 BAO sei nicht entschieden worden und hätte das Bundesfinanzgericht die Bescheide beheben und den Anträgen stattgeben müssen. Die Revision moniert ferner, dass der revisionswerbenden Gesellschaft keine Verfahrenshilfe gewährt worden und der abweisende verfahrensleitende Beschluss nicht gesondert anfechtbar gewesen sei. Zuletzt wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung und bringt konkret vor, dass Zeugen nicht einvernommen worden seien, weshalb der Sachverhalt nicht grundlegend erschöpfend erörtert und erforscht worden sei, sodass ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt vorliege.
Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der kein Aufwandersatz beantragt wurde.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Vorweg ist festzuhalten, dass die Behauptung der Revision, der Antrag vom habe nur unter Verzicht auf die mündliche Verhandlung erstattet werden dürfen, nicht zutrifft. Aus den Verwaltungsakten, konkret aus der Niederschrift über den Verlauf der Besprechung vom , ergibt sich, dass die Einräumung einer einmonatigen Stellungnahmefrist unter Verzicht auf die mündliche Verhandlung vom Liquidator der revisionswerbenden Gesellschaft beantragt wurde. Es ist auch nicht richtig, dass das Bundesfinanzgericht die Stellungnahme nicht berücksichtigt hat; das Erkenntnis enthält zahlreiche Bezugnahmen auf dieses Schriftstück.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht gelöst hat (vgl. etwa , mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, welche mehrfach bloß ein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, ohne anzugeben, von welcher Rechtsprechung eine Abweichung besteht, nicht gerecht.
19 Die Revision wendet sich im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts und gegen die darauf gründenden Tatsachenannahmen. Dazu wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. (vgl. , mwN). Dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts mit einem derartige Fehler behaftet wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
20 Wenn die Revision im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerpflicht vorbringt, dass von der Umsatzsteueroption gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 kein Gebrauch gemacht worden sei, übersieht sie, dass das Bundesfinanzgericht festgestellt hat, dass die an die Pächter gerichteten Rechnungen unter Ausweis der Umsatzsteuer erstellt worden sind und somit die Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung geschuldet werde. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
21 Soweit sich die Revision gegen die Schätzung der Vorsteuern mit 40 % der Umsatzsteuer wendet, ist darauf zu verweisen, dass das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass nicht sämtliche Unterlagen beschlagnahmt bzw. auch nicht vorgelegt worden seien und deshalb eine Schätzung zu Recht erfolgt sei. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Sofern die Revision die Schätzung der Vorsteuern aus einem finanzstrafrechtlichen Blickpunkt betrachtet und rügt, wird darauf hingewiesen, dass es sich gegenständlich um kein Finanzstrafverfahren handelt.
22 Soweit die Revision die Nichtberücksichtigung der Passivposten, welche im Insolvenzverfahren als Forderungen angemeldet worden seien, für ihre Zulässigkeit ins Treffen führt, ist dem entgegenzuhalten, dass mit einer Anmeldung im Insolvenzverfahren noch nicht dargelegt ist, dass diese Forderungen zu Recht bestehen und vom Masseverwalter auch tatsächlich anzuerkennen gewesen wären. So hat das Bundesfinanzgericht etwa zu der Nichtberücksichtigung der Forderung der Stadt L festgestellt, dass die Forderung nicht gegenüber der revisionswerbenden Gesellschaft, sondern gegenüber W bestehe und somit keine Betriebsausgaben darstelle. Die Stadt L habe das Verfahren gegen die Revisionswerberin eingestellt und in weiterer Folge gegen W betrieben. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ebenso wenig geht die Revision auf die Feststellungen des Bundesfinanzgerichts zu der DHK und der Stadt W ein. Die Aufwendungen betreffend die Stadt W waren zwischen der Stadt und der Revisionswerberin strittig, weshalb eine Reihe von Prozessen darüber geführt wurde. Eine Rückstellungsbildung hat das Bundesfinanzgericht wegen massiver Rechtsunsicherheiten verneint. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
23 Die Revision sieht ihre Zulässigkeit in der Streichung der Abschreibung von Mietrechten begründet, welche W der Revisionswerberin übertragen hätte, und bringt dahingehend vor, dass es sich um eine Einlage handle, welche der Tauschbesteuerung zu unterziehen sei. Hierfür sei der gemeine Wert des übertragenen Rechts festzustellen und anzusetzen. Dabei übersieht die Revision, dass das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass die für die Bewertung ausschlaggebende Rechnung als Scheinrechnung zu qualifizieren ist und deshalb eine Abschreibung verweigerte. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
24 Wenn die Revision das Fehlen eines Abspruches über die Akteneinsicht releviert, wird darauf verwiesen, dass die Gestattung einer Akteneinsicht nach § 90 BAO ein „Realakt“ ist, der nicht einer besonderen Genehmigung bedarf. Wird ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt, der nicht abgewiesen wird, dann liegt es bei der Partei, diese Möglichkeit zu nützen (vgl. , mwN). Eine abweisende Entscheidung wird nicht behauptet; der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass im Beschwerdeverfahren - neben zahlreichen Besprechungen - 19 Termine für Akteneinsicht stattgefunden haben.
25 Im Zusammenhang mit der durchgeführten Schätzung moniert die Revision die Nichtberücksichtigung von amtsbekannten Verfahren und damit einhergehenden Kosten, ebenso wie das fehlende Parteiengehör im Verfahren vor dem Finanzamt als auch die Nichtberücksichtigung von fehlendem Vermögenzuwachs. Damit macht die Revisionswerberin einen Verfahrensmangel geltend. Bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln als Zulassungsgründe ist auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzutun. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. , mwN). Dies enthält die Revision, die unterlässt, konkrete Aufwendungen zu benennen, die nicht berücksichtigt wurden und nachgewiesenermaßen angefallen sind, nicht. Inwieweit die Behörde das Parteiengehör verletzt hat, wird ebenso wenig erläutert wie, welcher fehlende Vermögenszuwachs hätte berücksichtigt werden müssen.
26 Schließlich releviert die Revision zu ihrer Zulässigkeit die Schätzungsmethode und die Anwendung der „Einnahmen-Ausgaben-Rechnung“ nach § 4 Abs. 3 EStG 1988. Dabei übersieht die Revision jedoch, dass die Wahl der Schätzungsmethode der Abgabenbehörde grundsätzlich freisteht, wobei jene Methode zu wählen ist, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. , mwN). Dass die Wahl der Schätzungsmethode im vorliegenden Fall insoweit mangelhaft gewesen wäre, vermag das Zulässigkeitsvorbringen mit seinen unkonkreten Ausführungen nicht aufzuzeigen.
27 Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren stützt die Revision ihre Zulässigkeit auf die Geringfügigkeit der steuerlichen Auswirkungen im Falle einer Wiederaufnahme und den Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung, konkret stellt sie darauf ab, dass die Steuerschuld nicht einbringlich sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Revision selbst angibt, dass es zu einer Zahllast von über 500.000 € gekommen ist, was nicht als geringfügig bezeichnet werden kann. Zum Vorbringen der Uneinbringlichkeit wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Frage der Uneinbringlichkeit kein Kriterium für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellt (vgl. etwa ).
28 Im Hinblick auf das Vorbringen der Revision, das Bundesfinanzgericht hätte die Bescheide beheben und gleichzeitig den Anträgen nach §§ 235 ff BAO stattgeben müssen, übersieht sie, dass revisionsgegenständlich das Verfahren zur Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer ist und nicht ein Antrag gemäß §§ 235 ff BAO.
29 Wenn die Revision ferner vermeint, das Bundesfinanzgericht hätte die Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe bewilligen müssen und die Ausführungen damit beginnt, dass ein Beschluss, mit welchem der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe abgewiesen werde, ein verfahrensleitender Beschluss und deshalb nicht gesondert anfechtbar sei, wird darauf verwiesen, dass ein solcher Beschluss einem Rechtsmittel zugänglich ist (vgl. etwa ; , Ra 2019/13/0107, jeweils mwN). Die Versagung der Verfahrenshilfe ist aber nicht Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses.
30 Zuletzt bringt die Revision vor, dass beantragte Zeugeneinvernahmen nicht durchgeführt worden seien, und macht damit einen Verfahrensmangel geltend. Die Revision legt aber weder dar, welche Zeugeneinvernahmen mit welchem Beweisthema konkret beantragt worden waren, noch inwieweit die Aufnahme dieser Beweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. erneut , mwN).
31 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130005.L00 |
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Fundstelle(n):
ZAAAF-45994