VwGH 31.03.2023, Ra 2022/06/0237
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Bloß daraus, dass in zwei Verfahren als Grundlage für die Beurteilung jeweils verschiedener Ansprüche derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist, folgt noch nicht, dass mit einem dieser Verfahren bis zur Erledigung des anderen zuzuwarten ist, und zwar auch dann nicht, wenn in dem anderen Verfahren über diese Frage als Hauptfrage zu entscheiden wäre (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0139). Die rechtliche Beurteilung einer Vorfrage erwächst nicht in Rechtskraft. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/06/0161 E RS 2 (hier: ohne den letzten Satz) |
Normen | |
RS 2 | Das VwG hat vor dem Hintergrund des § 17 VwGVG 2014 seine Entscheidung iSd §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG zu begründen (vgl. E , Ro 2014/03/0076). Eine auf § 17 VwGVG 2014 iVm § 38 AVG gestützte Aussetzungsentscheidung stellt eine Ausübung des in § 38 AVG eingeräumten Ermessens dar. Auch Ermessensentscheidungen sind allerdings nach § 60 AVG in der Weise zu begründen, dass in der Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufgezeigt werden, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 133 Abs. 3 B-VG) erforderlich ist; dies erfordert jedenfalls eine die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls voll berücksichtigende Interessenabwägung. Erweist sich die Begründung des Aussetzungsbeschlusses als mangelhaft, so kommt diesem Begründungsmangel auch Relevanz zu, weil ohne entsprechende Darlegungen nicht beurteilt werden kann, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/10/0023 E RS 2 (hier: ohne den ersten Satz) |
Normen | |
RS 3 | Das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen führt jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des VwG (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/05/0112 E RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Die Frage der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit einer Behörde ist eine stets notwendige verfahrensrechtliche Vorfrage eines Sachbegehrens (vgl. , mwN). |
Normen | B-VG Art119 Abs1 B-VG Art119 Abs2 HeizKG 1992 §25 Abs1 Z8 HeizKG 1992 §25 Abs1 Z8a HeizKG 1992 §25 Abs2 MietenG §36 Gemeinden 1979 MRG §39 Abs1 MRG §39 Abs2 |
RS 5 | Bei der Legung bzw. Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten gemäß § 25 Abs. 1 Z 8 und 8a HeizKG 1992 handelt es sich um eine von der Gemeinde Wien im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgende Angelegenheit (vgl. § 25 Abs. 2 HeizKG 1992 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 und 2 MRG und der Kundmachung BGBl. Nr. 299/1979). |
Normen | |
RS 6 | § 79 Abs. 1 erster Satz WStV1968 bestimmt in Entsprechung des Art. 119 Abs. 2 erster Satz B-VG, dass der übertragene Wirkungsbereich (ausgenommen die vom Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde wahrzunehmenden Angelegenheiten) vom Bürgermeister ausgeübt wird. Für die von der Gemeinde Wien zu besorgenden Angelegenheiten des HeizKG 1992 ist somit der Bürgermeister der Stadt Wien und nicht der Magistrat der Stadt Wien zuständig. |
Norm | VwGVG 2014 §27 |
RS 7 | Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Verwaltungsgerichte in jenen Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung bekämpft wird, unzuständig war, allein dafür zuständig sind, diese Unzuständigkeit - unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer dies im Verfahren vorgebracht hat - aufzugreifen und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. ; , Ra 2015/06/0095, mwN und Hinweis auf die insoweit übertragbare Judikatur zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz). Die Unzuständigkeit kann auch darin liegen, dass ein für die verwaltungsbehördliche Entscheidung notwendiger Antrag fehlt (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/08/0234 E RS 7 (hier: ohne den letzten Satz) |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/06/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des Dr. H T und 2. der Mag. I G, vertreten durch Dr. Herbert Tanzler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 1/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , 1. VGW-101/053/1716/2022-3 und 2. VGW-101/V/053/1717/2022, betreffend die Aussetzung eines Verfahrens in einer mietrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von € 240 und der zweitrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der erstrevisionswerbenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Antrag vom begehrten die revisionswerbenden Parteien gemäß § 25 Abs. 1 Z 8 und 8a Heiz- und Kältekostenabrechnungsgesetz (HeizKG) die Legung sowie die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten für die Zeiträume vom bis , vom bis sowie vom bis betreffend eine Anlage, die unter anderem die Eigentumswohnung der revisionswerbenden Parteien mit Wärme und Warmwasser versorge.
2 Mit Bescheid vom setzte der Magistrat der Stadt Wien (MA 50 - Wiener Schlichtungsstelle) dieses Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung eines beim Bezirksgericht Favoriten seit dem anhängigen Verfahrens auf Prüfung der Wärmekostenabrechnung für den Zeitraum vom bis nach § 25 Abs. 1 HeizKG in Verbindung mit § 39 Abs. 3 Mietrechtsgesetz gemäß § 38 AVG aus.
3 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, entscheidungsrelevant für den gegenständlichen Antrag sei die Entscheidung darüber, ob bestimmte, mit der Prüfung der Abrechnung von Heiz- und Warmwasserkosten zusammenhängende Fragen - nämlich „ob die Wärmeabnehmer ihre Zustimmung zum Wärmelieferungsvertrag gegeben haben, ob die Vertragsgrundlagen für das Wärmelieferungsverhältnis gegen zivilrechtliche, konsumentenschutzrechtliche oder Bestimmungen des WEG 2002 verstoßen (weil etwa Investitionskosten Bestandteil der vertraglich vereinbarten Wärmekosten sind) sowie ob die verrechneten Kosten und Preise mit den vertraglichen Vereinbarungen übereinstimmen“ - im Außerstreitverfahren nach dem abschließenden Katalog des § 25 Abs. 1 HeizKG von der Schlichtungsstelle oder im streitigen Rechtsweg durch das Gericht zu klären seien. Dies sei Gegenstand in dem beim Bezirksgericht Favoriten seit anhängigen Verfahren betreffend die Prüfung der Wärmekostenabrechnung der Periode vom bis .
4 In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde brachten die revisionswerbenden Parteien vor, Gegenstand des von einem anderen Wohnungseigentümer offenbar nach vorheriger Anrufung der Schlichtungsstelle eingeleiteten Außerstreitverfahrens vor dem Bezirksgericht Favoriten sei offenbar die Prüfung, ob die Jahresabrechnung 2019 der Antragsgegnerin ordentlich gelegt und richtig sei. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei die Prüfung, ob die Jahresabrechnungen 2019, 2020 und 2021 der Antragsgegnerin ordentlich gelegt und richtig seien. Wenn im vorliegenden Verfahren eine strittige Vorfrage zu entscheiden wäre, könne diese niemals Hauptfrage in dem in Rede stehenden Verfahren vor dem Bezirksgericht Favoriten sein, sondern ebenfalls höchstens eine Vorfrage. Wenn aber eine allfällige Vorfrage des vorliegenden Verfahrens keine Hauptfrage im betreffenden Verfahren vor dem Bezirksgericht Favoriten sein könne, dürfe das Verfahren nicht nur nicht gemäß § 25 Abs. 2 Z 1 Außerstreitgesetz (AußStrG) unterbrochen werden, sondern es dürfe mangels Vorliegens der Voraussetzungen hierfür auch nicht gemäß § 38 AVG ausgesetzt werden. Zudem seien die im angefochtenen Bescheid aufgelisteten Fragen im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungsrelevant, weil die revisionswerbenden Parteien weder den Abschluss von Wärmelieferungsverträgen bestritten noch die Nichtigkeit dieser Verträge behauptet hätten.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 Begründend stellte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges fest, dass die revisionswerbenden Parteien in ihrer Eigenschaft als Wohnungseigentümer Parteien eines Schlichtungsverfahrens bei der belangten Behörde seien, dessen Gegenstand die oben angeführten Fragen zur Heizkostenabrechnung darstellten. Im Hinblick auf ein beim Bezirksgericht Favoriten anhängiges Verfahren habe die belangte Behörde mit der Begründung der Präjudizialität dieses Verfahrens im Verhältnis zum Schlichtungsverfahren dieses Verfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt, wogegen sich die gegenständliche Beschwerde richte. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, dieser Sachverhalt ergebe sich aus der unbedenklichen Aktenlage und den insofern nicht in Widerspruch mit diesen Feststellungen stehenden Ausführungen der revisionswerbenden Parteien.
7 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass sich dessen Zuständigkeit aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergebe, wonach die Möglichkeit einer Beschwerde an die Verwaltungsgerichte gegen Entscheidungen der Schlichtungsstellen nur für selbstständige verfahrensrechtliche Entscheidungen bestehe. Bei der bekämpften Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens handle es sich um eine solche Entscheidung. Soweit die revisionswerbenden Parteien die Unzulässigkeit der bekämpften Aussetzung des Schlichtungsverfahrens damit begründeten, dass sie nicht Parteien des beim Bezirksgericht Favoriten anhängigen Verfahrens seien, sei anzumerken, dass der von der belangten Behörde angewandte § 38 AVG nicht voraussetze, dass die Parteien im ausgesetzten Verfahren und jene im für die Aussetzung Anlass gebenden Verfahren ident seien. Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zu den materiellrechtlichen Gründen, aus denen die im bezirksgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen nicht präjudiziell für das Schlichtungsverfahren seien, beruhe nur auf Vermutungen, da die revisionswerbenden Parteien „zu ihren Ausführungen nur aufgrund von Schlussfolgerungen gelangen, nicht jedoch aufgrund von Ergebnissen einer Einsicht in den bezirksgerichtlichen Akt.“ Da dieses Vorbringen somit nur hypothetischer Natur sei, bestehe seitens des Verwaltungsgerichtes „keine Grundlage für eine Beweisführung dazu, da es sich dabei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis handeln würde.“
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der dessen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die Revision erweist sich angesichts des in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens von der hg. Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des § 38 AVG als zulässig.
10 § 38 AVG sieht vor, dass, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt ist, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
11 Bei einer Vorfrage im Sinn des § 38 AVG handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Frage, zu deren Beantwortung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige, unabdingbare Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Beschlussfassung berücksichtigt werden muss. Bloß daraus, dass in zwei Verfahren als Grundlage für die Beurteilung jeweils verschiedener Ansprüche derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist, folgt noch nicht, dass mit einem dieser Verfahren bis zur Erledigung des anderen zuzuwarten ist, und zwar auch dann nicht, wenn in dem anderen Verfahren über diese Frage als Hauptfrage zu entscheiden wäre (vgl. etwa , mwN).
12 Gemäß § 29 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa , ua., mwN).
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine auf § 38 AVG gestützte Aussetzungsentscheidung eine Ausübung des in § 38 AVG eingeräumten Ermessens dar. Auch Ermessensentscheidungen sind allerdings nach § 60 AVG in der Weise zu begründen, dass in der Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufgezeigt werden, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 133 Abs. 3 B-VG) erforderlich ist; dies erfordert jedenfalls eine die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls voll berücksichtigende Interessenabwägung. Erweist sich die Begründung des Aussetzungsbeschlusses als mangelhaft, so kommt diesem Begründungsmangel auch Relevanz zu, weil ohne entsprechende Darlegungen nicht beurteilt werden kann, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist (vgl. zum Ganzen und 0024, mwN).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes nicht zu ersetzen vermag. Das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen führt jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (vgl. wiederum , ua., mwN).
15 Ein Begründungsmangel führt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. neuerlich , ua., mwN).
16 Diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht. So enthält das angefochtene Erkenntnis schon keinerlei Feststellungen zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Favoriten, welches Anlass für die Aussetzung des dem Revisionsfall zugrundeliegenden Verfahrens war. Die zur gebotenen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens erforderlichen Ermittlungen zum Gegenstand jenes Verfahrens, das Anlass für die Aussetzung ist, stellen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes keinen Erkundungsbeweis dar. Dazu kommt, dass sich im angefochtenen Erkenntnis keine Erwägungen dazu finden, ob bzw. inwiefern überhaupt eine Vorfragensituation besteht, das Verwaltungsgericht sich mit dem von den revisionswerbenden Parteien erstatteten Vorbringen zum Nichtvorliegen einer Vorfrage nicht auseinandergesetzt hat und die Ausübung des in § 38 AVG eingeräumten Ermessens in keiner Weise begründet wurde. Ohne entsprechende Darlegungen kann aber nicht beurteilt werden, ob die Aussetzung zu Recht erfolgt ist, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis schon deshalb als rechtswidrig erweist.
17 Im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde, welche die Aussetzung des Verfahrens mit einem beim Bezirksgericht Favoriten anhängigen Verfahren betreffend die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Wärme- und Warmwasserkosten für den Zeitraum vom bis begründet hat, wird bemerkt, dass auch im Revisionsfall ein Antrag auf Legung bzw. Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten gemäß § 25 Abs. 1 Z 8 und 8a HeizKG (unter anderem) für den Zeitraum vom bis gestellt wurde. Ausgehend davon sowie unter der Prämisse, dass diese beiden Verfahren dieselbe, mehrere Nutzungsobjekte mit Wärme und Warmwasser versorgende Anlage betreffen, hätten beide Verfahren somit die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten (unter anderem) für den Zeitraum vom bis zum Gegenstand (Hauptfrage), wobei in beiden Verfahren die von der belangten Behörde dargestellten Fragen zum Wärmelieferungsvertrag lediglich als Vorfragen zu klären wären. Dass das von der belangten Behörde näher bezeichnete Verfahren vor dem Bezirksgericht Favoriten die Klärung dieser Fragen zum Gegenstand (Hauptfrage) hätte, geht aus der Begründung ihres Bescheides gerade nicht hervor. Auch die Frage der Zuständigkeit zur Klärung der dargestellten Fragen zum Wärmelieferungsvertrag kann nicht Gegenstand (Hauptfrage) des für die Aussetzung Anlass gebenden Verfahrens vor dem Bezirksgericht Favoriten sein (vgl. etwa , mwN, wonach die Frage der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit einer Behörde eine stets notwendige verfahrensrechtliche Vorfrage eines Sachbegehrens ist). Ausgehend davon könnte daher nicht gesagt werden, dass die von der belangten Behörde angeführten Fragen in einem der beiden Verfahren als Hauptfrage zu entscheiden wären, vielmehr würde es der zur Entscheidung berufenen Behörde bzw. dem Gericht obliegen, diese Fragen jeweils auf Grund der eigenen Ermittlungsergebnisse zu klären. Die Voraussetzungen des § 38 AVG wären diesfalls schon mangels Vorliegens eines Verhältnisses Haupt- zu Vorfrage nicht gegeben.
18 Darüber hinaus handelt es sich bei der den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Legung bzw. Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten gemäß § 25 Abs. 1 Z 8 und 8a HeizKG um eine von der Gemeinde Wien im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgende Angelegenheit (vgl. § 25 Abs. 2 HeizKG in Verbindung mit § 39 Abs. 1 und 2 MRG und der Kundmachung BGBl. Nr. 299/1979; s. dazu auch Mayr/Rath-Kathrein, Verfassungsrechtliche Fragen der wohnrechtlichen Schlichtungsstellen, wobl 2013, 67).
19 Mit der Frage, welches Organ der Gemeinde Wien zur Wahrnehmung der von der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgenden Angelegenheiten zuständig ist und mit der Frage der Zurechnung eines in einer solchen Angelegenheit ergangener Bescheides hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , Ra 2022/01/0033, bereits ausführlich auseinandergesetzt. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
20 Demnach bestimmt § 79 Abs. 1 erster Satz WStV in Entsprechung des Art. 119 Abs. 2 erster Satz B-VG, dass der übertragene Wirkungsbereich (ausgenommen die vom Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde wahrzunehmenden Angelegenheiten) vom Bürgermeister ausgeübt wird. Für die von der Gemeinde Wien zu besorgenden Angelegenheiten des HeizKG ist somit vorliegend der Bürgermeister der Stadt Wien und nicht der Magistrat der Stadt Wien zuständig.
21 Der im Akt erliegende Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom führt in seinem Kopf die Bezeichnung „Magistrat der Stadt Wien, MA 50 - Wiener Schlichtungsstelle“ an; die Fertigung erfolgte „Für den Abteilungsleiter:“, weshalb dieser Bescheid aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes nicht dem Bürgermeister der Stadt Wien, sondern dem Magistrat der Stadt Wien zuzurechnen ist.
22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsgerichte in jenen Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung bekämpft wird, unzuständig war, allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit - unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer dies im Verfahren vorgebracht hat - aufzugreifen und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Das Verwaltungsgericht hätte daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien gemäß § 27 VwGVG von Amts wegen wahrnehmen und den Bescheid vom ersatzlos aufheben müssen (vgl. , mwN). Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren der erstrevisionswerbenden Partei auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil die erstrevisionswerbende Partei nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Einem Rechtsanwalt in eigener Sache ist Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen (vgl. , mwN).
Wien, am
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Normen | AVG §1 AVG §38 AVG §58 Abs2 AVG §60 AVG §69 Abs1 Z3 B-VG Art119 Abs1 B-VG Art119 Abs2 B-VG Art133 Abs3 HeizKG 1992 §25 Abs1 Z8 HeizKG 1992 §25 Abs1 Z8a HeizKG 1992 §25 Abs2 MietenG §36 Gemeinden 1979 MRG §39 Abs1 MRG §39 Abs2 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwRallg WStV 1968 §79 Abs1 |
Schlagworte | Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Ermessen VwRallg8 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060237.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-45900