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VwGH 15.04.2024, Ra 2022/05/0198

VwGH 15.04.2024, Ra 2022/05/0198

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §129 Abs2
BauO Wr §129 Abs4
BauRallg
RS 1
Für die Abgrenzung der Regelungen des § 129 Abs. 4 Wr BauO und des § 129 Abs. 10 Wr BauO ist entscheidend, ob sich der ursprüngliche Zustand der Baulichkeit verschlechtert hat (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 4 Wr BauO gegeben) oder ob schon der durch die Bauführung von vornherein bewirkte, nicht verschlechterte Zustand nicht rechtskonform war (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 10 Wr BauO gegeben). In den Fällen schließlich, in denen eine Verschlechterung des Bauzustandes eingetreten ist, kommt ein Auftrag nach § 129 Abs. 4 Wr BauO auch dann in Betracht, wenn diese Verschlechterung ihre Wurzel in einer schon ursprünglich nicht normgerechten Bauführung hat (vgl. 2259-2260/56, VwSlg 4644 A, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/05/0039 E RS 3 (hier: ohne den letzten Satz)
Normen
BauO Wr §129 Abs10
BauRallg
RS 2
Nach ständiger hg. Judikatur (Hinweis E vom , 2011/05/0128, mwN) ist ein Bau im Sinne des § 129 Abs. 10 Wr BauO vorschriftswidrig, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den aber ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von Bauvorschriften können nach dieser Gesetzesbestimmung Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige als auch für anzeigepflichtige als auch für bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden. Der Grund für die Abweichung von Bauvorschriften ist unerheblich. Ferner ist bei Abweichungen oder vorschriftswidrigen Bauten ein Auftrag stets ohne weitere Voraussetzungen (z.B. Verletzung öffentlicher Interessen) möglich.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2014/05/0036 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, in der Revisionssache der B Z in Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 83-85/18, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-112/078/1799/2020, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerberin als Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) aufgetragen, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft das auf dieser Liegenschaft vorschriftswidrig errichtete Gartenhaus im Ausmaß von ca. 12,5 m x 5,0 m und einer Höhe von ca. 3,20 m zu entfernen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Ortsaugenschein als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht ging dabei zusammengefasst von folgendem Sachverhalt aus:

4 Mit Bescheid vom genehmigte der Magistrat der Stadt Wien dem damaligen Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft die Errichtung eines gemauerten Gartenhauses an der nordwestlichen Grundgrenze. Gemäß dem dem Baubewilligungsbescheid zugrundeliegenden Einreichplan sollte das Gebäude aus einem einzigen Raum mit den Außenmaßen 5,25 m x 6,0 m und einer der Südostfront in ihrer ganzen Länge vorgelagerten überdachten Terrasse mit den Ausmaßen 2,0 m x 6,0 m bestehen. Die Höhe des Gebäudes zwischen dem anschließenden Gelände und der Traufe sollte 2,35 m betragen.

5 Das derzeit auf der Liegenschaft bestehende, im Eigentum der Revisionswerberin stehende Gebäude mit den (ohne Berücksichtigung der Terrasse und des Terrassendachs) Außenmaßen 12,0 m x 5,0 m besteht aus einem zentralen Raum mit einer lichten Weite von 5,74 m und einer Nutzfläche von 25,41 m2, sowie einem Schlafzimmer mit einer Nutzfläche von 15,28 m² und einer Küche mit einer Nutzfläche von 5,19 m² sowie einem Bad mit WC mit einer Nutzfläche von 3,75 m². Schlafzimmer und Küche sind durch Öffnungen mit dem zentralen Raum verbunden. Der oberste Gebäudeabschluss liegt etwa 3,5 m über dem anschließenden Gelände.

6 Das Gebäude wurde zunächst im Wesentlichen (mit Ausnahme einer gemauerten Stütze am rechten Terrassenrand und der Terrasse) konsensmäßig errichtet. In den Jahren zwischen 1997 und 1999 wurden Zubauten errichtet, die ein Schlafzimmer und eine Küche sowie Bad und WC umfassten. Um die Zubauten vom zentralen Raum aus zu erschließen wurden durch Abbruch von Mauerwerk Durchbrüche geschaffen, wobei der Durchbruch zur Küche im Bereich des konsentierten Fensters durchgeführt wurde. Weiters wurde ein neues, höheres und größeres Dach in der derzeit bestehenden Form errichtet. Eine Baubewilligung für die Zubauten und das neue Dach wurde nicht erteilt.

7 Für die Herstellung eines dem bewilligten Einreichplan entsprechenden Zustandes müssten die Zubauten und das derzeit bestehende Dach entfernt werden. Das Dach müsste anschließend in der konsentierten Form errichtet werden. Die Zubauten und das Dach sind vom konsentierten Bestand technisch nicht trennbar.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 2231/2022-5, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob auch in den Fällen des § 129 Abs. 10 BO dem Eigentümer jedenfalls die Möglichkeit offen stehe, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften der Wiener Bauordnung entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum in den Fällen des § 129 Abs. 10 BO strengere Regeln gelten müssten als in den Fällen des § 129 Abs. 4 BO. Eine analoge Anwendung des § 129 Abs. 4 BO, genauer des dort enthaltenen Satzes „In allen Fällen steht dem Eigentümer (Miteigentümer) des Bauwerkes oder der Bauwerksteile die Möglichkeit offen, innerhalb der Erfüllungsfrist den der Baubewilligung und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Zustand wiederherzustellen“, sei auch aus verfassungsgesetzlichen Gründen geboten. Der Eingriff müsse verhältnismäßig sein.

10 Mit diesem Vorbringen vermag die Revision ihre Zulässigkeit nicht darzulegen.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit dem Verhältnis von § 129 Abs. 4 und Abs. 10 BO auseinandergesetzt. In seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/05/0039, hat er ausgesprochen, dass für die Abgrenzung der beiden Regelungen entscheidend ist, ob sich der ursprüngliche Zustand der Baulichkeit verschlechtert hat (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 4 BO gegeben) oder ob schon der durch die Bauführung von vornherein bewirkte, nicht verschlechterte Zustand nicht rechtskonform war (dann ist ein Anwendungsfall des § 129 Abs. 10 BO gegeben).

15 Vorschriftswidrig im Sinne des § 129 Abs. 10 BO ist ein Bau, für den im Zeitpunkt seiner Errichtung ein baubehördlicher Konsens erforderlich war und weiterhin erforderlich ist, für den jedoch ein solcher Konsens nicht vorliegt. Bei Abweichungen von den Bauvorschriften können gemäß § 129 Abs. 10 BO Bauaufträge sowohl für bewilligungspflichtige, anzeigepflichtige als auch bewilligungsfreie Bauvorhaben erteilt werden, wobei der Grund für die Abweichung von den Bauvorschriften unerheblich ist. Bei Abweichungen oder vorschriftswidrigen Bauten ist ein Auftrag stets ohne weitere Voraussetzungen (z.B. Verletzung öffentlicher Interessen) möglich (vgl. , mwN).

16 Ausgehend davon kann die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen einer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht zielführend begründet werden.

17 Soweit in der Revision verfassungsrechtliche Bedenken gegen die anzuwendende Norm geäußert werden, ist darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der Revisionswerberin gegen das gegenständliche Erkenntnis mit dem oben bereits erwähnten Beschluss vom , E 2231/2022-5, abgelehnt hat.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauO Wr §129 Abs10
BauO Wr §129 Abs2
BauO Wr §129 Abs4
BauRallg
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht BauRallg9/3 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022050198.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-45884

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