VwGH 03.01.2024, Ra 2021/15/0014
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | UStG 1994 §12 Abs1 62017CJ0459 SGI VORAB |
RS 1 | Wurden die verrechneten Leistungen nicht bewirkt, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug, wobei es auf eine Gut- oder Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nicht ankommt (vgl. , SGI und C-460/17, SNC) |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0050 B RS 1 |
Normen | UStG 1994 §12 Abs1 62017CJ0712 EN.SA. VORAB 62022CJ0114 Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie VORAB |
RS 2 | Ein fiktiver Umsatz berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. , EN.SA., Rn. 22 bis 24; , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie, Rn. 31 und 32). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Mag. Novak und die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der H GesmbH, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger, Mag. Hans Peherstorfer und Dr. Bernd Langoth, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 27, Top 2.05, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100600/2015, betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2013, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Zuge einer bei der revisionswerbenden Gesellschaft durchgeführten Außenprüfung u.a. betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011 sowie einer Nachschau betreffend den Zeitraum April 2011 bis Mai 2014 wurde festgestellt, dass aufgrund von manipulativen Buchungen eines - mittlerweile strafgerichtlich verurteilten - Mitarbeiters des steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin in den Jahren 2011 bis 2013 zu hohe Vorsteuerabzüge für die Revisionswerberin geltend gemacht und zu den daraus entstandenen Guthaben Rückzahlungen auf ein dem Mitarbeiter der Steuerberatungskanzlei zuzurechnendes Bankkonto veranlasst wurden.
2 Das Finanzamt folgte den Feststellungen im Prüfbericht, nahm mit Bescheid vom das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2011 wieder auf und erließ gleichzeitig einen neuen Jahresbescheid betreffend Umsatzsteuer 2011, in dem es der Revisionswerberin u.a. die Anerkennung der im Revisionsverfahren strittigen Vorsteuern versagte.
3 Die dagegen sowie gegen die Festsetzungsbescheide für 9/2011, 3/2012, 9/2012 und 3/2013 gerichtete Beschwerde vom , die gemäß § 253 BAO auch gegen die an Stelle der Festsetzungsbescheide getretenen Jahresbescheide Umsatzsteuer 2012 und 2013 als erhoben gilt, wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen vom ab, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.
4 Das Bundesfinanzgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte nach Wiedergabe des Verfahrensganges und eines durchgeführten Vorhalteverfahrens aus, von der Revisionswerberin seien aufgrund von Manipulationen eines Mitarbeiters ihres steuerlichen Vertreters nicht zustehende Vorsteuerabzüge vorgenommen und auch gutgeschrieben worden. Die auf diesem Weg erfolgten Auszahlungen durch das Finanzamt seien auf ein Konto dieses Mitarbeiters erfolgt. Die Revisionswerberin habe zu diesen Vorsteuerbeträgen jedoch keine Leistungen bezogen und die abgezogenen Vorsteuerbeträge auch an keinen Leistungserbringer bezahlt, sodass - so folgerte das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht - kein Recht auf Vorsteuerabzug entstanden sei. Selbst eine nur aufgrund einer Rechnung geschuldete Umsatzsteuer dürfe nicht als Vorsteuer abgezogen werden, was umso mehr für Umsatzsteuerbeträge gelte, die nur aufgrund einer buchhalterischen Manipulation entstanden seien. Die bescheidmäßige Rückforderung der zu Unrecht ausbezahlten Vorsteuerbeträge sei auch nicht gegenüber dem Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters vorzunehmen gewesen. Der Ersatz eines allfälligen Schadens sei von der Revisionswerberin auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
5 Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 2281/2019-12, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage der Gesetzwidrigkeit des § 1 Abs. 4 FinanzOnline-Verordnung 2006 nicht anzustellen, zumal es lediglich darum gehe, ob eine offenbar missbräuchliche Verwendung von Finanz-Online dem Teilnehmer zuzurechnen sei.
6 In der Folge wurde fristgerecht eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
7 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat sich die belangte Behörde am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesfinanzgericht sei in Verkennung der Rechtslage, ohne nähere Begründung und auf der Basis unzureichender Feststellungen von der Zurechnung der „Manipulationen“ durch den Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin ausgegangen, obwohl die Revisionswerberin in Bezug auf diese Beträge gar nicht geltend gemacht habe, es stehe ihr ein Vorsteuerabzug zu. Die Revisionswerberin führt mit näherer Begründung aus, sie müsse sich die Buchhaltungsmanipulationen und darauf aufbauende vorsätzlich missbräuchliche Eingaben und Anträge über FinanzOnline durch den Kanzleimitarbeiter des Steuerberaters stellvertretungsrechtlich nicht zurechnen lassen.
12 Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass das Bundesfinanzgericht den Vorsteuerabzug nicht deshalb versagt hat, weil es die manipulativen Handlungen des Mitarbeiters des steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin zurechnete, sondern weil nach dem unstrittigen Sachverhalt, die in den Rechnungen ausgewiesenen Lieferungen bzw. Leistungen nicht erbracht wurden. Die Revisionswerberin behauptet auch gar nicht, dass die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung der strittigen Vorsteuerbeträge im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen seien. Vielmehr bringt sie in der Revision ausdrücklich vor, dass die strittigen Vorsteuerguthaben mittels fingierter Eingangsrechnungen in der Buchhaltung missbräuchlich erzeugt worden seien, und diesen fingierten Vorsteuerguthaben keine tatsächlich erbrachten Lieferungen/Leistungen eines Unternehmers an die Revisionswerberin zugrunde gelegen seien. Wurden die verrechneten Leistungen aber tatsächlich nicht bewirkt, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug, wobei es auf eine Gut- oder Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nicht ankommt (vgl. , mit dem Hinweis u.a. auf , SGI und C-460/17, Valériane SNC). Ein fiktiver Umsatz berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug (vgl. , EN.SA., Rn. 22 bis 24; , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie, Rn. 31 und 32).
13 Vor diesem Hintergrund kommt es auf eine Zurechnung der „missbräuchlichen Eingaben und Anträge“ über FinanzOnline an die Revisionswerberin nicht an, weil ein Recht auf Vorsteuerabzug für die hier strittigen Beträge nie entstanden ist. Somit fehlt aber auch den in der Revision gerügten unzureichenden Feststellungen zum Hergang der „Manipulationen“ durch den Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters der Revisionswerberin die Entscheidungsrelevanz (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung von Verfahrensmängeln im Rahmen der Zulassungsgründe z.B. ; , Ra 2020/13/0007, mwN).
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | UStG 1994 §12 Abs1 62017CJ0459 SGI VORAB 62017CJ0712 EN.SA. VORAB 62022CJ0114 Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie VORAB |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021150014.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-45683