VwGH 27.03.2024, Ra 2021/13/0122
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | EStG 1988 §47 Abs2 |
RS 1 | Bei reproduzierenden Künstlern (zu denen grundsätzlich auch Schauspieler zu zählen sind) macht die Ausübung ihrer künstlerischen Tätigkeit - die grundsätzlich selbständiger Art ist - typischerweise eine verhältnismäßig starke organisatorische Eingliederung erforderlich. Dementsprechend kommt der - in der Natur der Sache liegenden - Bindung der Künstler an Zeit, Ort, Programm usw. der jeweiligen Veranstaltung bzw. Aufführung, sowie an bestimmte Verhaltensvorgaben bei Proben und Aufführungen keine entscheidende Bedeutung zu. Ebenso wenig entscheidend ist die fehlende Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, weil künstlerische Leistungen ihrer Natur grundsätzlich nach als unvertretbar anzusehen sind. Entscheidendes Gewicht für die Abgrenzung selbständiger von unselbständigen Tätigkeiten hat in diesen Fällen daher - in der Regel - das Unternehmerrisiko. Ein solches hat der VwGH bei künstlerischer Betätigung schon dann angenommen, wenn im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt besteht (vgl. zu alldem umfassend , mit Bezugnahme auf die zuvor ergangene Rechtsprechung). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der M Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100902/2016, betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 und Festsetzung des Dienstgeberbeitrags sowie des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2011 bis 2013, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin - einer in der Filmproduktionsbranche tätigen GmbH - fand im Jahr 2015 eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben betreffend die Jahre 2011 bis 2013 statt. Im Bericht über das Ergebnis dieser Außenprüfung wurde u.a. festgehalten, die Revisionswerberin habe an beschränkt steuerpflichtige (ausländische) Künstler (Schauspieler) steuerfreie Spesenersätze (Reise- und Hotelkosten) ausgezahlt. Von diesen Zahlungen sei allerdings gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 „in Anlehnung“ an § 99 EStG 1988 eine Abzugsteuer in Höhe von 20 % einzubehalten.
2 Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen, zog mit Bescheiden vom die Revisionswerberin zur Haftung für die Lohnsteuer für die Jahre 2011 bis 2013 (teilweise samt Säumniszuschlägen) heran und setzte mit Bescheiden vom selben Tag ihr gegenüber den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für diese Jahre fest.
3 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin im Wesentlichen vor, sie habe aus Deutschland und aus der Schweiz stammende Schauspieler beschäftigt, womit sich die Zuteilung der „Steuerpflicht“ nach den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) richte. Nach dem DBA-Deutschland seien die Art. 17 (Künstlertätigkeit) und 12 (Lizenzen) einschlägig, womit es auch zur Anwendbarkeit der DBA-Entlastungsverordnung komme. Nach dem DBA-Schweiz richte sich die Zuteilung nach Art. 12, womit nur der Wohnsitzstaat der Schauspieler (die Schweiz) zur Steuererhebung berechtigt sei. In sämtlichen Fällen sei daher die festgesetzte Steuer zu „stornieren“ bzw., soweit bereits abgeführt, rückzuerstatten.
4 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und führte begründend aus, Schauspieler einer Filmproduktion seien unter den Künstlerbegriff des Art. 17 des OECD-Musterabkommens einzuordnen, womit das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Einkünfte aus ihrer im Inland persönlich ausgeübten Tätigkeit Österreich zustehe. In beiden vorliegend anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen (mit Deutschland und mit der Schweiz) sei der Art. 17 dem OECD-Musterabkommen nachgebildet, womit hinsichtlich der - für die Erbringung der schauspielerischen Darstellungsleistungen als Aktivleistungen - gezahlten Honorare das Besteuerungsrecht Österreich zukomme.
5 Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag und brachte darin ergänzend vor, die Anwendung der Art. 17 beider DBAs setze Auftritte in der Öffentlichkeit (Darbietungen) voraus, die im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen seien. Reine „Studioaufnahmen“ ohne Publikum seien von diesem Artikel nicht erfasst.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, unstrittig sei, dass die - von der Revisionswerberin beschäftigten - Filmschauspieler in Österreich lediglich beschränkt steuerpflichtig gewesen seien, womit vorerst die Zuordnung der von ihnen erzielten Einkünfte zu einer bestimmten Einkunftsart - bzw. das Vorliegen eines Dienstverhältnisses - zu klären sei.
8 Unter Verweis auf das - zur Frage der Dienstnehmereigenschaft von für Theatervorstellungen im Rahmen von „Burgfestspielen“ engagierten Schauspielern ergangene - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/13/0004, hielt das Bundesfinanzgericht fest, die von der Revisionswerberin mit den Filmschauspielern abgeschlossenen Vereinbarungen seien mit jenen vom Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis beurteilten vergleichbar. Die Filmschauspieler hätten zur Kenntnis genommen, dass sie für eine bestimmte (Neben-)Rolle in einem bestimmten Film an bestimmten festgelegten Drehtagen engagiert worden seien, ihnen sei als Vergütung eine Tagespauschale „garantiert“ worden und zusätzlich habe die Revisionswerberin die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Transport getragen.
9 Die Filmschauspieler hätten daher - ebenso wie die Theaterschauspieler im dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegenden Fall - kein Unternehmerwagnis getragen. Da sie sich kein Mitbestimmungsrecht für den Ort, die Zeit und die Art ihrer Leistung ausbedungen hätten, sei auch ihre Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Filmproduktionsbetriebes der Revisionswerberin zu bejahen. Sie hätten ihre Tätigkeit daher im Rahmen eines Dienstverhältnisses gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 ausgeübt, was auch der - näher angeführten - Rechtsprechung des (deutschen) Bundesfinanzhofes entspreche.
10 Mit den vereinbarten Tagesgagen habe die Revisionswerberin nicht nur die darstellende Tätigkeit abgegolten, sondern auch die dabei entstandenen Urheberrechte, die von den Schauspielern an die Revisionswerberin abgetreten worden seien. Auch die auf diese Abgeltung entfallenden Teile der pauschalen Entgelte seien daher den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen, womit insgesamt Arbeitslohn vorliege.
11 In weiterer Folge bejahte das Bundesfinanzgericht mit näherer Begründung die Anwendbarkeit der Art. 17 des DBA-Deutschland und des DBA-Schweiz - mit der Folge der Zuteilung des Besteuerungsrechtes an Österreich - und führte dazu insbesondere aus, das Erfordernis der öffentlichen Darbietung, dessen Vorliegen die Revisionswerberin in Abrede gestellt habe, sei auch dann gegeben, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall bei Filmproduktionen - um einer öffentlichen Darbietung zugängliche künstlerische Werke handle.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit u.a. geltend gemacht wird, die angefochtene Entscheidung weiche von der - näher angeführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Unternehmerwagnisses von Künstlern und deren Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der sie beschäftigenden Institutionen bzw. Organisationen ab.
13 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht. Die Revisionswerberin hat hiezu eine Gegenäußerung erstattet.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist zulässig und begründet.
16 Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis - soweit hier von Bedeutung - vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
17 Dieser Legaldefinition sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die (nicht bloß sachliche, sondern persönliche) Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Nur in Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2003/13/0018, und der daran anknüpfenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 auf weitere Abgrenzungskriterien, wie etwa das Fehlen eines Unternehmerrisikos und der Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich , mwN).
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in diesem Zusammenhang bereits mehrfach mit der Frage der ertragsteuerlichen Beurteilung der Tätigkeit reproduzierender Künstler (zu denen grundsätzlich auch Schauspieler zu zählen sind) beschäftigt und dazu festgehalten, dass bei diesen die Ausübung ihrer künstlerischen Tätigkeit - die grundsätzlich selbständiger Art ist - typischerweise eine verhältnismäßig starke organisatorische Eingliederung erforderlich macht. Dementsprechend kommt der - in der Natur der Sache liegenden - Bindung der Künstler an Zeit, Ort, Programm usw. der jeweiligen Veranstaltung bzw. Aufführung, sowie an bestimmten Verhaltensvorgaben bei Proben und Aufführungen keine entscheidende Bedeutung zu. Ebenso wenig entscheidend ist die fehlende Möglichkeit, sich vertreten zu lassen, weil künstlerische Leistungen ihrer Natur grundsätzlich nach als unvertretbar anzusehen sind. Entscheidendes Gewicht für die Abgrenzung selbständiger von unselbständigen Tätigkeiten hat in diesen Fällen daher - in der Regel - das Unternehmerrisiko. Ein solches hat der Verwaltungsgerichtshof bei künstlerischer Betätigung schon dann angenommen, wenn im Falle unverschuldeter Unmöglichkeit, die Leistung zu erbringen, kein Anspruch auf Entgelt besteht (vgl. zu alldem umfassend , mit Bezugnahme auf die zuvor ergangene Rechtsprechung).
19 Vorliegend hat sich das Bundesfinanzgericht mit dieser Rechtsprechung nicht auseinandergesetzt und sich ausschließlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/13/0004, gestützt. In jenem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen des Unternehmerwagnisses der bei Burgfestspielen engagierten Schauspieler verneint, weil diese einen Anspruch auf Zahlung der pauschalen Gage in jedem Fall hatten, unabhängig davon, aus welchem Grund immer Vorstellungen durchgeführt oder abgesagt wurden. Das Bundesfinanzgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ein Unternehmerwagnis der von der Revisionswerberin beschäftigten Schauspieler ebenfalls verneint, weil diesen eine Tagespauschale „garantiert worden“ sei.
20 Das Bundesfinanzgericht bezieht sich bei seiner Beurteilung zum fehlenden Unternehmerwagnis der Filmschauspieler auf die von diesen mit der Revisionswerberin abgeschlossenen (im Verwaltungsakt einliegenden) Vereinbarungen. Es ist aber nicht erkennbar, auf welcher Grundlage das Bundesfinanzgericht - entgegen dem wiederholten Vorbringen der Revisionswerberin - offenbar annimmt, das Entgelt wäre auch dann zugestanden, wenn die betreffenden Schauspieler unverschuldet (etwa im Krankheitsfall) ihre Leistung nicht hätten erbringen können, oder wenn die festgelegten Drehtage aus von den Schauspielern nicht zu vertretenden Gründen abgesagt worden wären.
21 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
22 Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesfinanzgericht nach Feststellung des Inhalts der über die jeweiligen Vereinbarungen zwischen der Revisionswerberin und den Filmschauspielern errichteten Urkunden mit der Auslegung dieser Vereinbarungen (insbesondere der Regelung über die Tätigkeitsvergütung) - unter Erforschung des Parteiwillens - auseinanderzusetzen und dann auf dieser Grundlage - sowie unter Berücksichtigung der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zu beurteilen haben, ob die Filmschauspieler ein Unternehmerwagnis getragen haben.
23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
24 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | EStG 1988 §47 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021130122.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-45647