VwGH 03.02.2022, Ra 2021/09/0230
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Eine Auslegung von § 27 VwGVG 2014 dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist nicht zutreffend. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte, weil dann ein für den Beschwerdeführer über den Bescheidabspruch hinausgehender nachteiliger Verfahrensausgang vor dem Verwaltungsgericht wohl ausgeschlossen wäre, obgleich ein Verbot der "reformatio in peius" im VwGVG 2014 - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen - nicht vorgesehen ist. Im Übrigen ist auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG als ein bei den Verwaltungsgerichten maßgebliches Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten. Das VwG war daher bei der Prüfung der vorliegenden Sache auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung an das Beschwerdevorbringen nicht gebunden, und es durfte und musste seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zugrunde legen (Hinweis E vom , Ro 2014/03/0066). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/03/0019 E RS 5 (hier ohne den letzten Satz) |
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RS 2 | Das Verwaltungsgericht hat zwar grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und damit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. insbesondere § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG). Diese Prüfbefugnis ist jedoch keine unbegrenzte, vielmehr ist ihr äußerster Rahmen die "Sache" des bekämpften Bescheids; dieser Rahmen wird in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn in der Beschwerde von mehreren trennbaren Absprüchen nur ein Teil bekämpft wird (vgl. ; mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/08/0032 E RS 1 |
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RS 3 | Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. etwa ). In Fällen jedoch, in denen ein Abspruch notwendige Grundlage ("Vorstufe") für die weiteren in der Entscheidung enthaltenen Aussprüche darstellt, liegt eine Trennbarkeit der Spruchpunkte nicht vor (vgl. ; , 2012/10/0184; , 99/10/0019). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/19/0006 E RS 18 |
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RS 4 | Wird im Fall, dass eine die "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht fixierende behördliche Entscheidung nicht aus trennbaren Absprüchen besteht, vor dem Verwaltungsgericht (wenn auch ausdrücklich bzw in beharrender Weise) lediglich ein Teil - etwa eine im Abspruch enthaltene Nebenbestimmung (eine Befristung, Bedingung, Auflage) - in Beschwerde gezogen (bekämpft bzw angefochten), ist das Verwaltungsgericht trotzdem befugt, auch zu prüfen, ob die anderen davon nicht trennbaren, aber ausdrücklich unbekämpft gelassenen Teile des verwaltungsbehördlichen Abspruches rechtskonform sind. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2015/03/0032 E VwSlg 19189 A/2015 RS 5 |
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RS 5 | Eine Trennbarkeit von Absprüchen über Leistungen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist, also die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist, sodass jeder Punkt als Hauptfrage für sich entschieden werden und bestehen könnte (vgl. ). |
Normen | ASVG §44 ASVG §49 ASVG §51 ASVG §54 AVG §59 Abs1 EFZG EpidemieG 1950 §32 EpidemieG 1950 §32 Abs3 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §27 |
RS 6 | Nach § 32 Abs. 3 erster Satz EpidemieG 1950 ist die Bemessung des für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütungsbetrages nach dem regelmäßigen Entgelt iSd EFZG vorzunehmen. Das regelmäßige Entgelt kann dabei neben dem Grundlohn noch weitere Bestandteile - wie etwa (anteilige) Sonderzahlungen - umfassen (vgl. ). Bei dem nach § 32 Abs. 3 vierter Satz zu ersetzenden "Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung" handelt es sich um einen bestimmten Prozentsatz des "Entgelts" bzw. der Sonderzahlungen (vgl. etwa §§ 44, 49, 51 und 54 ASVG), sodass dieser untrennbar mit der Ermittlung des regelmäßigen Entgelts verknüpft ist. Dementsprechend stellt die Bemessung des Vergütungsanspruches nach § 32 legcit. einen untrennbaren Abspruch dar, worüber eine einheitliche Entscheidung zu ergehen hat. Eine gesonderte, der Rechtskraft zugängliche Entscheidung über einzelne Teile des Anspruches ist vielmehr unzulässig. Trennbare Absprüche könnten nur hinsichtlich verschiedener (Absonderungs-)Zeiträume oder verschiedener Dienstnehmer vorliegen (vgl. ). Somit beschränkte sich die Sache des Beschwerdeverfahrens nicht bloß auf die Frage, ob das Mehrbegehren zu Unrecht abgewiesen wurde, und war das VwG trotz des auf die Abweisung des Mehrbegehrens eingeschränkten Anfechtungsantrages befugt, auch im Hinblick auf den von der belangten Behörde bereits zugesprochenen Betrag eine Überprüfung der Bemessung des Vergütungsanspruches nach § 32 EpidemieG 1950 vorzunehmen. |
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RS 7 | Der Verdienstentgang nach § 32 EpidemieG 1950 fällt zweifellos unter den Begriff der "civil rights" im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/09/0214 E RS 4 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-751351/3/ER/NiF, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für die Absonderung des bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers X.Y. für einen näher genannten Absonderungszeitraum - unter Abweisung des Mehrbegehrens der revisionswerbenden Partei - im Betrag von (insgesamt) € 572,40 stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) berücksichtigt worden seien, „soweit sie im betroffenen Zeitraum angefallen sind“.
2 In der dagegen von der revisionswerbenden Partei erhobenen Beschwerde wurde geltend gemacht, die Behörde habe § 32 Abs. 2 EpiG unrichtig ausgelegt und (unter anderem) Sonderzahlungen bei der Bemessung der Vergütung unberücksichtigt gelassen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom wurde diese Beschwerde mit den Maßgaben als unbegründet abgewiesen, dass ein kürzerer als der von der belangten Behörde zugrunde gelegte „Absonderungszeitraum“ angenommen und ein Vergütungsbetrag von (insgesamt) € 527,94 zugesprochen wurde. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht ging bei der Berechnung des Vergütungsbetrages davon aus, dass „die Berechnung monatsweise und auf Basis des im jeweiligen Monat ausbezahlten (Brutto-)Monatsgehalts“ zu erfolgen habe, sodass sich aufgrund einer näher dargestellten Berechnungsweise und unter Berücksichtigung des Zeitraumes, für den eine Vergütung von der revisionswerbenden Partei in ihrer „Eingabe vom “ geltend gemacht worden sei, ein gegenüber dem behördlichen Zuspruch niedrigerer Betrag ergebe. Sonderzahlungen seien nicht zu berücksichtigen gewesen, weil im betroffenen Zeitraum keine Sonderzahlungen ausbezahlt worden seien.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berücksichtigung von (anteiligen) Sonderzahlungen bei der Vergütung nach § 32 EpiG ab (Verweis auf ).
8 Die Revision erweist sich mit diesem Vorbringen als zulässig.
9 In den Revisionsgründen wird darüber hinaus auch eine - vom Verwaltungsgerichtshof für den Fall des Vorliegens primär wahrzunehmende (vgl. ) - Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der von der belangten Behörde zugesprochenen Vergütung geltend gemacht, weil sich die Beschwerde nur gegen die Abweisung des Mehrbegehrens gerichtet habe und nach Ansicht der revisionswerbenden Partei hinsichtlich der Teilbeträge (zugesprochene Vergütung und der Differenz zur beantragten Vergütung) „trennbare Spruchpunkte“ vorlägen.
10 Eine solche vom Verwaltungsgerichtshof vorrangig wahrzunehmende Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes liegt jedoch nicht vor:
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits erkannt, dass eine Auslegung von § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, nicht zutreffend ist. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfumfang ausschließlich an das Vorbringen des jeweiligen Beschwerdeführers binden wollte, weil dann ein für den Beschwerdeführer über den Bescheidabspruch hinausgehender nachteiliger Verfahrensausgang vor dem Verwaltungsgericht wohl ausgeschlossen wäre, obgleich ein Verbot der „reformatio in peius“ im VwGVG - mit Ausnahme von Verwaltungsstrafsachen - nicht vorgesehen ist (vgl. ).
12 Im Übrigen ist auch das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG als ein bei den Verwaltungsgerichten maßgebliches Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht nämlich grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und damit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. insbesondere § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG). Diese Prüfbefugnis ist jedoch keine unbegrenzte, vielmehr ist ihr äußerster Rahmen die „Sache“ des bekämpften Bescheids; dieser Rahmen wird in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn in der Beschwerde von mehreren trennbaren Absprüchen nur ein Teil bekämpft wird. Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. , mwN).
14 In Fällen jedoch, in denen ein Abspruch notwendige Grundlage („Vorstufe“) für die weiteren in der Entscheidung enthaltenen Aussprüche darstellt, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Trennbarkeit der Spruchpunkte nicht vor (vgl. , mwN).
15 Wird im Fall, dass eine die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht fixierende behördliche Entscheidung nicht aus trennbaren Absprüchen besteht, vor dem Verwaltungsgericht (wenn auch ausdrücklich bzw. in beharrender Weise) lediglich ein Teil - etwa eine im Abspruch enthaltene Nebenbestimmung (eine Befristung, Bedingung, Auflage) - in Beschwerde gezogen, ist das Verwaltungsgericht trotzdem befugt, auch zu prüfen, ob die anderen davon nicht trennbaren, aber ausdrücklich unbekämpft gelassenen Teile des verwaltungsbehördlichen Abspruches rechtskonform sind (vgl. , mwN).
16 Eine Trennbarkeit von Absprüchen über Leistungen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist, also die Entscheidung über jeden dieser Punkte ohne Einfluss auf die Entscheidung über alle anderen Punkte ist, sodass jeder Punkt als Hauptfrage für sich entschieden werden und bestehen könnte (vgl. ).
17 „Sache“ im genannten Sinn ist im vorliegenden Fall die Entscheidung über den von der revisionswerbenden Partei gestellten Antrag auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 32 EpiG für die Absonderung des bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers X.Y. für einen jeweils näher beantragten Zeitraum.
18 Das Verwaltungsgericht war dabei bei der Prüfung der vorliegenden Sache (nämlich der Zuerkennung einer Entschädigung gemäß § 32 EpiG) auf Grund der Beschwerde in seiner rechtlichen Beurteilung an das Beschwerdevorbringen des Mitbeteiligten nicht gebunden und es durfte und musste seiner Entscheidung sämtliche aktenkundigen bzw. im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Sachverhaltselemente zur Durchführung der konkreten Berechnung zugrunde legen (vgl. z.B. ).
19 Nach § 32 Abs. 3 erster Satz EpiG ist die Bemessung des für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütungsbetrages nach dem regelmäßigen Entgelt iSd EFZG vorzunehmen. Das regelmäßige Entgelt kann dabei neben dem Grundlohn noch weitere Bestandteile - wie etwa (anteilige) Sonderzahlungen - umfassen (vgl. ). Bei dem nach § 32 Abs. 3 vierter Satz zu ersetzenden „Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung“ handelt es sich um einen bestimmten Prozentsatz des „Entgelts“ bzw. der Sonderzahlungen (vgl. etwa §§ 44, 49, 51 und 54 ASVG), sodass dieser untrennbar mit der Ermittlung des regelmäßigen Entgelts verknüpft ist. Dementsprechend stellt die Bemessung des Vergütungsanspruches nach § 32 EpiG einen untrennbaren Abspruch dar, worüber eine einheitliche Entscheidung zu ergehen hat. Eine gesonderte, der Rechtskraft zugängliche Entscheidung über einzelne Teile des Anspruches ist vielmehr unzulässig. Trennbare Absprüche könnten nur hinsichtlich verschiedener (Absonderungs-)Zeiträume oder verschiedener Dienstnehmer vorliegen (vgl. erneut , hinsichtlich der Trennbarkeit einer zeitraumbezogenen Leistung der Behindertenhilfe nach einzelnen Zeiträumen).
20 Somit beschränkte sich die Sache des Beschwerdeverfahrens entgegen dem Vorbringen in der Revision nicht bloß auf die Frage, ob das Mehrbegehren zu Unrecht abgewiesen wurde, und war das Verwaltungsgericht trotz des auf die Abweisung des Mehrbegehrens eingeschränkten Anfechtungsantrages befugt, auch im Hinblick auf den von der belangten Behörde bereits zugesprochenen Betrag eine Überprüfung der Bemessung des Vergütungsanspruches nach § 32 EpiG vorzunehmen. Eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes lag daher nicht vor.
21 Hinsichtlich der Berechnung des regelmäßigen Entgelts in Bezug auf die Sonderzahlungen ist die Revision mit ihrem Vorbringen jedoch im Recht:
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2021/09/0094, ausgeführt, dass bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung zu leistenden Vergütung (im Regelfall) auch jenes Entgelt zu berücksichtigen ist, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht offenbar vertretenen Ansicht lässt sich dem EpiG eine Norm des Inhalts, dass Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem Sonderzahlungen ausbezahlt werden, nicht entnehmen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
23 Da die dem angefochtenen Erkenntnis insofern zugrunde gelegte Ansicht des Verwaltungsgerichtes daher von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
24 Hinsichtlich des Revisionsvorbringens, das Verwaltungsgericht habe den Zeitraum der zugesprochenen Vergütung zu Unrecht um einen Tag verkürzt, weil es der Meinung gewesen sei, die revisionswerbende Partei habe für diesen Tag keinen Antrag gestellt, wird auf Folgendes hingewiesen:
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat jüngst festgehalten, dass der Verdienstentgang nach § 32 EpiG zweifellos unter den Begriff der „civil rights“ im Verständnis des Art. 6 Abs. 1 EMRK fällt (vgl. , mwN).
26 Das Verwaltungsgericht hat daher im fortzusetzenden Verfahren eine mündliche Verhandlung durchzuführen und in dieser angesichts der Widersprüche zwischen dem ursprünglichen Antrag der revisionswerbenden Partei und dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde nähere Ermittlungen zu tätigen, für welchen Zeitraum die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Vergütung gestellt hat.
27 Eine Einschränkung des vorliegenden Verfahrens dahingehend, dass der Zuspruch der Vergütung für den mit dem Bescheid der belangten Behörde bereits rechtskräftig geworden wäre, liegt nicht vor: Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde den Bescheid auch für diesen Tag im Hinblick auf den Zuspruch einer höheren Vergütung bekämpft.
28 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.
29 Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | ASVG §44 ASVG §49 ASVG §51 ASVG §54 AVG §39 Abs2 AVG §59 Abs1 EFZG EpidemieG 1950 §32 EpidemieG 1950 §32 Abs3 MRK Art6 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §24 Abs4 VwGVG 2014 §27 VwGVG 2014 §28 Abs2 VwGVG 2014 §28 Abs3 VwRallg |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4 Trennbarkeit gesonderter Abspruch |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090230.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-45568