VwGH 28.12.2023, Ra 2020/22/0028
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Es handelt sich (unter anderem) bei einer E-Mail-Adresse um eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustG (). |
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RS 2 | Durch die Anführung einer E-Mail-Adresse in einem anhängigen Verfahren - was unter anderem dadurch geschehen kann, dass der Rechtsvertreter die E-Mail-Adresse in seiner Kommunikation mit der Behörde selbst verwendet hat - wird eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustG angegeben (; bis 0104). |
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RS 3 | Ist auf der Zustellverfügung ein Zustellungsbevollmächtigter als Empfänger zu bezeichnen, reicht die Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten aus (vgl. , und ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0136 E RS 3 |
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RS 4 | Der Zustellmangel, dass der Zustellungsbevollmächtigte von der Behörde fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird, kann dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt. Bei einer elektronischen Zustellung ist in dem Zusammenhang maßgeblich, dass der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument von diesem Kenntnis erlangt hat ( bis 0104). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der D J, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das am mündlich verkündete und mit schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/082/11377/2019-17, betreffend Wiederaufnahme von Verfahren und Abweisung von Anträgen nach dem NAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1.1. Der Revisionswerberin, einer serbischen Staatsangehörigen, wurde aufgrund ihres Erstantrags vom vom Landeshauptmann von Wien (im Folgenden: Behörde) ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG erteilt. Sie berief sich dabei auf ihre Ehe mit einem über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügenden serbischen Staatsangehörigen (im Folgenden: Zusammenführender). Aufgrund ihrer Anträge vom und wurde jeweils die Verlängerung des Aufenthaltstitels (zuletzt bis ) bewilligt. Am stellte sie (nach zwischenzeitiger Ehescheidung) einen weiteren Verlängerungsantrag.
1.2. Nach Veranlassung fremdenpolizeilicher Ermittlungen (ab November 2017) wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe sprach die Behörde letztlich mit Bescheid vom die amtswegige Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den Erstantrag und die Verlängerungsanträge wegen des nachträglichen Hervorkommens einer Aufenthaltsehe gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG aus und wies unter einem die betreffenden Anträge sowie den weiteren Antrag vom wegen fehlender Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG bzw. mangels Vorliegens eines Aufenthaltstitels gemäß § 24 Abs. 1 NAG ab.
Dieser Bescheid wurde zunächst an die Revisionswerberin persönlich durch Hinterlegung (Beginn der Abholfrist am ) zugestellt. An ihren (auch hier einschreitenden) Rechtsanwalt (im Folgenden: Rechtsvertreter) - der im Zuge der seinerzeitigen fremdenpolizeilichen Ermittlungen gegenüber der Behörde mit E-Mail vom eine Vollmachtsbekanntgabe erstattet hatte - wurde eine Bescheidausfertigung unstrittig am per E-Mail übermittelt.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin (durch ihren Rechtsvertreter) am Beschwerde mit dem Vorbringen, die bekämpfte Entscheidung sei an ihren weiterhin bevollmächtigten Rechtsvertreter nur per E-Mail (und nicht im Original) zugestellt worden, sodass keine rechtswirksame Erlassung des Bescheids vorliege. Was den Vorwurf des Eingehens einer Aufenthaltsehe betreffe, so bestünden diesbezügliche Begründungsmängel und liege eine Aufenthaltsehe jedenfalls nicht vor.
2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen am mündlich verkündeten und mit schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom (mit hier nicht näher zu erörternden Maßgaben) als unbegründet ab.
Das Verwaltungsgericht führte begründend - soweit hier von Bedeutung - aus, die Zustellung des Bescheids sei (offenbar aufgrund der Annahme, dass das Vollmachtsverhältnis zum Rechtsvertreter zuletzt nicht mehr fortbestanden habe) zutreffend an die Revisionswerberin persönlich erfolgt und der Bescheid daher rechtswirksam erlassen worden. In der Hauptsache ging das Verwaltungsgericht vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe aus und kam demnach zum Ergebnis, dass die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG und die Abweisung sämtlicher Anträge wegen fehlender Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG bzw. mangels Vorliegens eines Aufenthaltstitels gemäß § 24 Abs. 1 NAG zu Recht erfolgt sei.
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, zu der - im eingeleiteten Vorverfahren - keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.
4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5.1. In der Revision wird nur geltend gemacht, der Bescheid vom wäre nicht an die Revisionswerberin persönlich, sondern aufgrund des weiterhin aufrechten Vollmachtsverhältnisses an ihren Rechtsvertreter zuzustellen gewesen, wobei dieser auch in der Zustellverfügung als Empfänger anzuführen gewesen wäre. Die Übersendung an den Rechtsvertreter per E-Mail sei keine wirksame Zustellung, sodass der Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Die Beschwerde wäre daher zurückzuweisen gewesen.
5.2. Mit diesem Vorbringen wird jedoch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.
6.1. Vorauszuschicken ist, dass zur Frage, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids vom das Vollmachtsverhältnis der Revisionswerberin zu ihrem Rechtsvertreter noch aufrecht war, das Verwaltungsgericht und die Revisionswerberin jeweils unterschiedliche Rechtsansichten vertraten: Während das Verwaltungsgericht davon ausging, dass das Vollmachtsverhältnis nicht mehr fortbestanden habe und der Bescheid daher an die Revisionswerberin persönlich zuzustellen gewesen sei, vertrat die Revisionswerberin die gegenteilige Auffassung, dass das Vollmachtsverhältnis weiter aufrecht und der Bescheid daher an den Rechtsvertreter zuzustellen gewesen sei.
6.2. Welche der beiden Ansichten letztlich zutreffend ist, kann hier dahingestellt bleiben, ist doch in beiden Alternativen jeweils vom Vorliegen einer wirksamen Zustellung und damit von einer rechtswirksamen Erlassung des Bescheids auszugehen: In der erstgenannten Konstellation wäre der Bescheid an die Revisionswerberin persönlich durch postalische Hinterlegung der übermittelten Bescheidausfertigung (am ) wirksam zugestellt worden. In der zweitgenannten Konstellation wäre die Zustellung - wie im Folgenden näher darzulegen sein wird (vgl. Pkt. 7. bis 10.) - durch Übermittlung per E-Mail an den Rechtsvertreter (am ) ebenso wirksam erfolgt und daher der Bescheid rechtswirksam erlassen worden.
7.1. Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine allgemeine Vertretungsvollmacht iSd § 10 AVG im Allgemeinen eine Zustellungsvollmacht einschließt. Beruft sich ein Rechtsanwalt auf die ihm erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG, so ist - wenn kein gegenteiliger Anhaltspunkt vorliegt - davon auszugehen, dass jedenfalls auch eine Zustellungsvollmacht vorliegt (vgl. etwa , Pkt. II.2., mwN).
7.2. Vorliegend brachte der Rechtsvertreter der Revisionswerberin im Zusammenhang mit den seinerzeitigen fremdenpolizeilichen Ermittlungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unstrittig am per E-Mail eine Vollmachtsbekanntgabe bei der Behörde ein und berief sich auf die ihm in der betreffenden fremdenrechtlichen Angelegenheit erteilte Vollmacht gemäß § 10 Abs. 1 AVG.
Diese Vollmacht umfasste aber nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung - mangels Vorliegens eines gegenteiligen Anhaltspunkts - auch eine Zustellungsvollmacht.
8.1. Gemäß § 2 Z 5 ZustG ist unter einer „elektronischen Zustelladresse“ eine vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren angegebene elektronische Adresse zu verstehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs handelt es sich (unter anderem) bei einer E-Mail-Adresse um eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustG (vgl. etwa , Rn. 19).
Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters in ständiger Rechtsprechung vertritt, wird durch die Anführung einer E-Mail-Adresse in einem anhängigen Verfahren - was unter anderem dadurch geschehen kann, dass der Rechtsvertreter die E-Mail-Adresse in seiner Kommunikation mit der Behörde selbst verwendet hat - eine elektronische Zustelladresse iSd § 2 Z 5 ZustG angegeben (vgl. etwa ; bis 0104, Pkt. 8.4.).
8.2. Gegenständlich hat der Rechtsvertreter der Revisionswerberin die Vollmachtsbekanntgabe am unstrittig per E-Mail bei der Behörde eingebracht. Er hat dadurch nach der oben dargelegten Judikatur eine elektronische Zustelladresse bekannt gegeben. Dass diese Bekanntgabe später eingeschränkt bzw. aufgehoben worden wäre, wurde nicht behauptet und ist auch nicht zu sehen.
Im Hinblick darauf konnte jedoch die Behörde die Zustellung des Bescheids vom ohne Weiteres an den Rechtsvertreter im Wege der bekannt gegebenen elektronischen Zustelladresse gemäß § 37 Abs. 1 ZustG vornehmen.
9.1. Soweit die Revisionswerberin in dem Zusammenhang bemängelt, ihr Rechtsvertreter sei in der Zustellverfügung des Bescheids nicht als Empfänger angeführt worden, ist auch daraus für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist zwar der Zustellungsbevollmächtigte in der Zustellverfügung als Empfänger zu bezeichnen, wobei eine Adressierung an die Partei zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten ausreicht. Ein diesbezüglicher Zustellmangel - wenn also der Zustellungsbevollmächtigte fälschlicherweise nicht als Empfänger bezeichnet wird - kann aber dadurch heilen, dass das zuzustellende Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt. Bei einer elektronischen Zustellung ist in dem Zusammenhang maßgeblich, dass der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument von diesem Kenntnis erlangt hat (vgl. zum Ganzen neuerlich bis 0104, Pkt. 8.2. und 8.4., mwN).
9.2. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die per E-Mail übermittelte Bescheidausfertigung dem Rechtsvertreter tatsächlich im Sinn des Vorgesagten zugekommen ist. Gegenteiliges wurde nicht behauptet und ist auch nicht zu sehen. Am tatsächlichen Zukommen der Sendung (durch tatsächlichen Zugriff und Kenntniserlangung) besteht insbesondere auch deshalb kein Zweifel, weil der Rechtsvertreter in der Folge „dem Zustellinhalt gemäß“ reagiert hat, nämlich eine Verfügung über das Schriftstück insoweit getroffen hat, als er rechtzeitig (am ) Beschwerde gegen diesen Bescheid erhoben hat.
10. Aus den dargelegten Erwägungen ist daher der von der Revisionswerberin behauptete Zustellmangel in Bezug auf den Bescheid vom - auch wenn man von einem im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheids weiterhin aufrechten Vollmachtsverhältnis der Revisionswerberin zu ihrem Rechtsvertreter ausgeht - jedenfalls nicht gegeben.
11. In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020220028.L00 |
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Fundstelle(n):
XAAAF-45396