VwGH 04.05.2023, Ra 2020/16/0157
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | GebG 1957 §17 Abs2 VwRallg |
RS 1 | Die Bestimmung des § 17 Abs. 2 GebG 1957 dient nur dazu, bei Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit des Inhaltes der Urkunde der Behörde den wahren Willen der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien bekanntzugeben (vgl. schon ). Voraussetzung ist demnach eine unklare Textierung der Urkunde oder eine Textierung, die mehrere Deutungen zulässt (vgl. ; , 92/16/0159, jeweils mwN). |
Norm | GebG 1957 §26 |
RS 2 | Nach der getroffenen Vereinbarung im Zessionsvertrag ist nur dann ein Entgelt für die Abtretung der Schadenersatzforderungen zu leisten, wenn diese Forderungen durch die Zessionarin erfolgreich geltend gemacht werden; somit, wenn tatsächlich ein Geldbetrag - im Wege eines Gerichtsverfahrens oder eines Vergleiches - zuerkannt wird. Diese Vereinbarung stellt zweifelsohne eine Bedingung im Sinne des § 26 GebG 1957 dar und ist daher nach dieser Bestimmung als unbedingt zu behandeln. In dieser Hinsicht liegt grundsätzlich - unter Ausblendung der Eintrittswahrscheinlichkeiten im jeweiligen Fall - kein Unterschied zur Vereinbarung eines umsatzabhängigen Entgeltes - etwa einer Miete oder Pacht - vor, weil in einem derartigen Fall das Entgelt auch dadurch bedingt ist, dass überhaupt ein Umsatz erzielt wird. |
Norm | BewG 1955 §14 |
RS 3 | Kapitalforderungen sind alle Forderungen, die auf Zahlung von Geld gerichtet sind (vgl. ). |
Normen | |
RS 4 | Mit dem Hinweis auf den "höheren oder geringeren Wert" - der im Fall des Vorliegens besonderer Umstände anzusetzen ist - nimmt die Bestimmung des § 14 Abs. 1 BewG 1955 auf den gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG 1955 Bezug (vgl. ). |
Normen | |
RS 5 | Da die Höhe des Zessionsentgelts im Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld noch ungewiss war, hätte das BFG - selbst wenn der im Zessionsvertrag vereinbarte Höchstbetrag als "Nennwert" im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG 1955 anzusehen sein sollte - den gemeinen Wert des Zessionsentgelts ermitteln - bzw. allenfalls schätzen (vgl. zur Zulässigkeit der Schätzung ; ebenso schon ) - und diesen Wert sodann der Gebührenbemessung zugrunde legen müssen. Im Übrigen besteht bei ungewisser Höhe der Gegenleistung auch die Möglichkeit einer vorläufigen Gebührenfestsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO (vgl. ; , 96/16/0239). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des Dr. M S in W, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100381/2014, betreffend Rechtsgeschäftsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Gebührenanzeige gemäß § 31 GebG vom beantragte der Revisionswerber die vorläufige Festsetzung (gemäß § 200 Abs. 1 BAO) der Hundertsatzgebühr gemäß § 33 TP 21 GebG für einen abgeschlossenen Zessionsvertrag - mit dem der Revisionswerber (Zedent) ungewisse Schadenersatzforderungen an eine AG (Zessionarin) abgetreten hat - mit dem Betrag von Null. Begründend wurde mit Verweis auf den beigelegten Zessionsvertrag ausgeführt, der - für die mit dem Vertrag abgetretenen Forderungen vereinbarte - Kauf- und Abtretungspreis sei mit einem Höchstbetrag begrenzt und bestimmbar, aber der Höhe nach vorläufig ungewiss, womit eine endgültige Festsetzung nicht erfolgen könne.
2 Mit Gebührenbescheid vom setzte das Finanzamt - mit Verweis auf § 26 GebG - die Gebühr ausgehend vom im Zessionsvertrag vereinbarten Höchstbetrag des Abtretungspreises (endgültig) fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) legte das Finanzamt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht stellte - auf das Wesentliche zusammengefasst - fest, der „wahre Wert“ der abgetretenen Forderungen könne im Zeitpunkt der Unterfertigung des Zessionsvertrages nicht eruiert werden. Solange es mangels Geltendmachung durch die Zessionarin keinen Erlös gäbe, sei das Entgelt nicht ermittelbar - ebenso wenig wie eine Gegenleistung (für die Forderungsabtretung). Im Zessionsvertrag würden folgende Berechnungen bzw. Angaben zum „Nettoerlös“ gemacht:
„§ 3 Kauf- und Abtretungspreis
(2) Berechnungsbasis für die prozentuelle Beteiligung [des Zedenten] ist der Nettoerlös, den [die Zessionarin] tatsächlich im Wege eines Gerichtsverfahrens oder auch Vergleiches bzw jeglicher bereinigenden Lösung basierend auf der vertragsgegenständlichen Forderung einbringlich macht.
(3) Nettoerlös ist der zuerkannte bzw zugesprochene Betrag abzüglich Prozesskosten, Anwaltskosten bzw. sonstiger Kosten, insbesondere Prozessfinanzierungskosten, allfällig zu tragende Kosten der Gegenseite sowie abzüglich der Rechtsgeschäftsgebühr für den vorliegenden Zessionsvertrag (im Folgenden der ‚Nettoerlös‘).
(4) Die prozentuelle Beteiligung [des Zedenten] am Nettoerlös (Berechnungsbasis) stellt sich wie folgt dar:
bei einem Nettoerlös von EUR 0 bis EUR 5 Mio. werden von diesem 15% an [den Zedenten] überwiesen;
für die weiteren bis zu EUR 5 Mio. (das heißt gesamt 10 Mio.) werden von jenem die erste Stufe übersteigenden Betrag (EUR 5 Mio.) 8,75% an [den Zedenten] bezahlt;
von dem Nettoerlös von EUR 10 Mio. bis EUR 20 Mio. werden 5% an [den Zedenten] bezahlt;
von dem EUR 20 Mio. übersteigenden Betrag bis maximal EUR 40 Mio. werden 2,5% an [den Zedenten] bezahlt.
(5) Die gemäß § 3 Abs (4) errechnete Beteiligung [des Zedenten] am Nettoerlös ist mit Gutschrift des Nettoerlöses auf dem Konto [der Zessionarin], sowie nach erfolgtem Abzug aller Kosten und Abgaben (§ 3 Abs 3) fällig und binnen 5 Werktagen auf das bekanntzugebende Konto [des Zedenten] zu überweisen.“
6 Das Auskunftsersuchen des Bundesfinanzgerichtes betreffend allfälliger Forderungserlöse, Bewertungsgutachten und Zivilverfahren sei vom Revisionswerber zwar beantwortet worden, jedoch habe er diese Auskünfte nicht erteilt, sondern lediglich ausgeführt, es sei nicht bekannt, dass die Zessionarin tatsächlich die gegenständlichen Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht hätte; sie sei dazu auch nicht verpflichtet.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Argumentation des Revisionswerbers, wonach § 26 GebG nicht anwendbar sei, weil die Leistung selbst nicht bedingt sei, sondern nur deren Höhe von bestimmten Umständen abhänge, könne nicht gefolgt werden. Im Zessionsvertrag sei vereinbart, die Zessionarin sei nicht verpflichtet, die abgetretene Forderung geltend zu machen, womit eine Bedingung vorliege. Es sei sogar ausdrücklich festgelegt, dass in diesem Fall dem Zedenten keinerlei Ansprüche gegenüber der Zessionarin erwachsen würden. Eine Vergleichbarkeit mit umsatzabhängigen Mieten sei daher nicht gegeben, da nicht die Mieteinnahme an sich ungewiss sei, sondern nur die Höhe derselben. Dies bedeute, dass die gestaffelten Prozentsätze nur unter der Bedingung zum Tragen kommen würden, dass die vertragsgegenständlichen Forderungen auch tatsächlich geltend gemacht würden, womit § 26 GebG für den gegenständlichen Fall einschlägig sei.
8 Unter Wiedergabe der wesentlichen Entscheidungsgründe des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , G 1/06, führte das Bundesfinanzgericht aus, die Argumentation des Revisionswerbers, dass eine Vergleichbarkeit in der Anwendung des § 26 GebG betreffend die Festsetzung der Gebühr auf Grundlage des Höchstbetrags gemäß § 22 GebG gegeben sei, sei zwar nachvollziehbar, aber auf den gegenständlichen Fall nicht zutreffend, da dieser sich deutlich anders darstelle. Es sei durchaus möglich, § 26 GebG verfassungskonform auszulegen, besonders vor dem Hintergrund, dass der Verfassungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis bei ungewissen Leistungen bezüglich der Bemessung zwar nicht den Höchstbetrag, wohl aber den voraussichtlich erzielbaren Betrag als maßgeblich und eine Bemessung nach Maßgabe der geschätzten wahrscheinlichen Leistung als gegeben erachtet habe.
9 Der Verfassungsgerichtshof stelle als Konsequenz der Aufhebung der Bestimmungen zur Bemessung nach dem Höchstbetrag in § 22 GebG klar, dass in diesen Fällen die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach jenen Regeln zu erfolgen habe, die für Urkunden mit unbestimmtem Leistungsinhalt angewendet werden, wenn diese kein Höchstausmaß enthalten; wörtlich werde die „Ermittlung der tatsächlichen Leistung“ genannt. Daraus folge, dass eine (vorläufige) Festsetzung der Gebühr mit null nicht in Betracht gekommen sei.
10 Unter Zugrundelegung der Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes, dass die „pro fisco Klausel“ des § 17 Abs. 2 GebG nur zur Verschiebung der Beweislast und nicht zu einer endgültigen Gebührenbelastung führe und es dem Gebührenschuldner frei stehe, den Gegenbeweis zu erbringen oder dies zu unterlassen, sei der Revisionswerber vom Bundesfinanzgericht aufgefordert worden, den erzielten Nettoerlös bekanntzugeben.
11 Dieser Aufforderung sei er mit der Begründung nicht nachgekommen, es sei nicht bekannt, dass der Zessionar tatsächlich gegenständliche Ansprüche auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht hätte und er dazu auch nicht verpflichtet wäre. Die Annahme liege daher nahe, dass die Forderungen (noch) nicht geltend gemacht worden seien. Da die Erlöserzielung aber nach dem Zessionsvertrag mit der Geltendmachung der Forderungen bedingt gewesen sei, sei eine solche wohl möglich, aber nicht zwingend zu erwarten gewesen.
12 Da die Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes keine Erlöshöhe ergeben hätten, sei der Bescheid des Finanzamtes rechtmäßig ergangen.
13 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 1852/2019-5, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
14 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht; der Revisionswerber erstattete hiezu eine Replik.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, zur relevanten Rechtsfrage iZm der Anwendbarkeit des § 26 GebG bei „umsatzabhängigen“ Entgelten sei keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden. Zudem habe das Bundesfinanzgericht der Bestimmung des § 26 GebG einen Inhalt wie jenen des aufgehobenen § 22 GebG unterstellt.
17 Die Revision ist zulässig und begründet.
18 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis die Zessionsgebühr gemäß § 33 TP 21 GebG mit 0,8 vH vom im Zessionsvertrag vereinbarten maximalen Abtretungsentgelt festgesetzt und sich dabei auf die Bestimmungen des § 17 Abs. 2 GebG sowie des § 26 GebG - jeweils, so die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes, verfassungskonform interpretiert - gestützt.
19 Anders als das Bundesfinanzgericht vermeint, bieten die genannten Bestimmungen im vorliegenden Revisionsfall allerdings keine Rechtsgrundlage für die Heranziehung des vereinbarten Höchstbetrages als Bemessungsgrundlage für die Zessionsgebühr.
20 Die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 2 GebG scheitert bereits daran, dass im Revisionsfall - schon nach dem Gesetzeswortlaut - keiner der in dieser Bestimmung geregelten Fälle vorliegt: Die (widerlegbare) Vermutung des § 17 Abs. 2 GebG kommt nur dann zur Anwendung, wenn „aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind“. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient diese Bestimmung nur dazu, bei Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit des Inhaltes der Urkunde der Behörde den wahren Willen der am Rechtsgeschäft beteiligten Parteien bekanntzugeben (vgl. schon ). Voraussetzung ist demnach eine unklare Textierung der Urkunde oder eine Textierung, die mehrere Deutungen zulässt (vgl. ; , 92/16/0159, jeweils mwN).
21 Die für die Bemessung der Gebühr relevante Regelung über den Kauf- und Abtretungspreis im revisionsgegenständlichen Zessionsvertrag ist weder unklar noch mehrdeutig. Die Vereinbarung einer von anderen - klar definierten - Faktoren abhängigen und der Höhe nach gestaffelten Gegenleistung ist eindeutig, weil der Parteiwille klar hervorkommt. Dass die Höhe dieser Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch ungewiss ist, macht die Vereinbarung nicht unklar. Dem angefochtenen Erkenntnis ist im Übrigen auch nicht zu entnehmen, dass das Bundesfinanzgericht - trotz Heranziehung des § 17 Abs. 2 GebG - von einer Undeutlichkeit oder Mehrdeutigkeit der Vereinbarung ausgeht.
22 Die Bestimmung des § 26 GebG sieht vor, dass für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, gelten; dies allerdings u.a. mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind.
23 Im vorliegenden Revisionsfall ist nach der getroffenen Vereinbarung im Zessionsvertrag nur dann ein Entgelt für die Abtretung der Schadenersatzforderungen zu leisten, wenn diese Forderungen durch die Zessionarin erfolgreich geltend gemacht werden; somit, wenn tatsächlich ein Geldbetrag - im Wege eines Gerichtsverfahrens oder eines Vergleiches - zuerkannt wird. Diese Vereinbarung stellt zweifelsohne eine Bedingung im Sinne des § 26 GebG dar und ist daher nach dieser Bestimmung als unbedingt zu behandeln. In dieser Hinsicht liegt grundsätzlich - unter Ausblendung der Eintrittswahrscheinlichkeiten im jeweiligen Fall - kein Unterschied zur Vereinbarung eines umsatzabhängigen Entgeltes - etwa einer Miete oder Pacht - vor, weil in einem derartigen Fall das Entgelt auch dadurch bedingt ist, dass überhaupt ein Umsatz erzielt wird.
24 Ob auch in der Vereinbarung eines prozentuell gestaffelten, erfolgsabhängigen und mit einem Höchstbetrag gedeckelten Entgelts als unbedingt zu behandelnde Bedingungen im Sinne des § 26 GebG erblickt werden können (vgl. dazu Arnold, SWK 2006, S 642, der in derartigen Fällen das Vorliegen einer Bedingung dem Grunde nach verneint), oder lediglich von einer der Höhe nach ungewissen Leistung auszugehen ist (vgl. dazu , in dem aufgrund der Ungewissheit eine vorläufige Festsetzung als zulässig angesehen wurde), kann dahingestellt bleiben, weil auch bei einer derartigen Vereinbarung die Bemessung der Gebühr vom höchstmöglichen Betrag jedenfalls nicht zulässig ist (in diesem Sinne Glega/Marschner, RdW 2006, 664).
25 Der Verfassungsgerichtshof hat die frühere Regelung des § 22 GebG, wonach in jenen Fällen, in denen keine Leistung mit einem bestimmten Betrag, „wohl aber deren höchstes Ausmaß“ vereinbart wurde, die Gebühr zwingend nach dem Höchstbetrag zu entrichten war, als verfassungswidrig angesehen und die darauf Bezug nehmenden Wortfolgen aufgehoben ( G 1/06).
26 Den Kern der Verfassungswidrigkeit sah der Verfassungsgerichtshof in der unsachlichen Differenzierung der Gebührenbemessung in Fällen mit unbestimmten und unbestimmbaren Leistungen, weil bei Vereinbarung eines Höchstbetrages die Gebühr nach § 22 GebG zwingend von diesem zu bemessen war, während bei Fehlen einer derartigen Vereinbarung die Bemessung „nach Maßgabe der (geschätzten) wahrscheinlichen Leistung“ zu erfolgen gehabt hätte. Der Verfassungsgerichtshof sah es trotz Anerkennung der Besonderheiten von Höchstbetragsvereinbarungen nicht als gerechtfertigt an, in derartigen Fällen die Gebühr stets vom Höchstbetrag zu bemessen und damit „Verträge über unbestimmte Leistungen mit Leistungsbegrenzung vielfach einer höheren Gebühr zu unterwerfen als solche ohne Leistungsbegrenzung, bei denen der mögliche Leistungsumfang ein weiterer ist“.
27 Vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisses - und der zugrundeliegenden Unsachlichkeit - ist der Revisionswerber mit seinem Vorbringen im Recht, dass bei Einstufung der Gegenleistungsvereinbarung im verfahrensgegenständlichen Zessionsvertrag als von Bedingungen - zu denen u.a. die erfolgreiche Geltendmachung der abgetretenen Forderungen bis (mindestens) zur Höhe des festgelegten Höchstbetrages gehört - abhängig, die nach § 26 GebG als unbedingt anzusehen seien, dieser Bestimmung derselbe verfassungswidrige Inhalt unterstellt werden würde, wie jenen des insoweit aufgehobenen § 22 GebG (ebenso Schneider, taxlex 2007, 313 [317]). Dies deshalb, weil nach dieser Lesart wiederum zwischen solchen unbestimmten Vereinbarungen, bei denen die Gegenleistung mit einem Höchstbetrag begrenzt ist und solchen, bei denen der mögliche Leistungsumfang keiner Begrenzung unterliegt, unterschieden werden würde; im ersten Fall wäre die Gebühr stets und zwingend - ein Nachweis der „tatsächlichen“ Leistung gemäß § 17 Abs. 2 GebG wäre wie bereits ausgeführt nur bei unklaren Vereinbarungen möglich - vom Höchstbetrag zu bemessen, während im zweiten Fall die Bewertung der Gegenleistung gemäß § 26 GebG nach den allgemeinen Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 zu erfolgen hätte.
28 Aus diesen Gründen ist auch im vorliegenden Revisionsfall die Zessionsgebühr nicht vom vereinbarten höchstmöglichen Betrag festzusetzen, sondern von der nach den allgemeinen Bestimmungen des Bewertungsgesetzes 1955 ermittelten Gegenleistung (in diesem Sinne wohl auch , wonach - anders als die als verfassungswidrig erkannte Vorschrift des § 22 GebG - die Bestimmung des § 26 GebG nicht ausschließe, die Gebühr nach jener Leistung zu bemessen, die bei Eintritt der Bedingung „tatsächlich“ zu erbringen ist).
29 Gemäß § 14 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen, ausgenommen Wertpapiere und Anteile an Gesellschaften gemäß § 13 BewG, und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (vgl. ). Gemäß § 14 Abs. 2 BewG bleiben Forderungen, die uneinbringlich sind, außer Ansatz. Kapitalforderungen sind alle Forderungen, die - wie die Forderung des Zedenten im vorliegenden Revisionsfall - auf Zahlung von Geld gerichtet sind (vgl. ).
30 Mit dem Hinweis auf den „höheren oder geringeren Wert“ - der im Fall des Vorliegens besonderer Umstände anzusetzen ist - nimmt die Bestimmung des § 14 Abs. 1 BewG auf den gemeinen Wert im Sinne des § 10 BewG Bezug (vgl. ). Als „besondere Umstände“ sind solche anzusehen, die vom Normalfall - gemessen an den im Wirtschaftsleben durchschnittlich geltenden Konditionen - erheblich abweichen (vgl. , mwN; vgl. dazu Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz, 28. Lfg., § 14 Rz 13 ff).
31 Da im vorliegenden Revisionsfall die Höhe des Zessionsentgelts im Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenschuld noch ungewiss war, hätte das Bundesfinanzgericht - selbst wenn der vereinbarte Höchstbetrag als „Nennwert“ im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG anzusehen sein sollte - den gemeinen Wert des Zessionsentgelts ermitteln - bzw. allenfalls schätzen (vgl. zur Zulässigkeit der Schätzung ; ebenso schon ; ebenso Glega/Marschner, RdW 2006, 664; Bavenek-Weber in Bavenek-Weber/Petritz/Petritz-Klar, Gebührengesetz6, § 22 GebG Rz 9) - und diesen Wert sodann der Gebührenbemessung zugrunde legen müssen. Im Übrigen wird angemerkt, dass bei ungewisser Höhe der Gegenleistung auch die Möglichkeit einer vorläufigen Gebührenfestsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO besteht (vgl. ; , 96/16/0239).
32 Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
33 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
34 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020160157.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-45375