VwGH 23.05.2023, Ra 2020/16/0147
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | KFG 1967 §82 Abs8 61999CJ0451 Cura Anlagen VORAB |
RS 1 | Der EuGH hat sich bereits mehrfach mit der Zulässigkeit der Erhebung einer Zulassungssteuer - unter anderem auch vor dem Hintergrund der Zulassungspflicht des § 82 Abs. 8 KFG 1967 (vgl. , Cura Anlagen GmbH) - beschäftigt und diese für den Fall der dauerhaften Verwendung des betreffenden Kfz im Mitgliedstaat, in welchem die Zulassungssteuer erhoben werden soll, dem Grunde nach bejaht (vgl. dazu , mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch ; , 2006/16/0003; , 2011/16/0221; , Ra 2017/02/0100, jeweils mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision der E M in G, vertreten durch die EHC WT GmbH, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7106050/2019, betreffend Festsetzung von Normverbrauchsabgabe und Verspätungszuschlag für 05/2014 sowie von Kraftfahrzeugsteuer und Verspätungszuschlag für 04/2014 bis 09/2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheiden vom setzte das (damalige) Finanzamt Gänserndorf Mistelbach (nunmehr Finanzamt Österreich) gegenüber der Revisionswerberin Normverbrauchsabgabe für Mai 2014 und Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume April 2014 bis September 2018 - jeweils samt Verspätungszuschlag - fest, weil - so die Begründung - die Revisionswerberin Zulassungsbesitzerin eines Kraftfahrzeuges mit deutschem Kennzeichen sei und dieses Kraftfahrzeug hauptsächlich in Österreich verwendet werde, wofür u.a. der Hauptwohnsitz und die Vollzeitbeschäftigung der Revisionswerberin in Österreich sprechen würden.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde betreffend die Festsetzung von Normverbrauchsabgabe samt Verspätungszuschlag für Mai 2014 sowie von Kraftfahrzeugsteuer samt Verspätungszuschlag für die Zeiträume April 2014 bis Dezember 2017 mit der Maßgabe Folge, dass der festgesetzte Verspätungszuschlag herabgesetzt wurde. Hinsichtlich der Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer samt Verspätungszuschlag für die Monate Jänner bis September 2018 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid insoweit ersatzlos auf. Es sprach weiters aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das Bundesfinanzgericht stellte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen fest, die Revisionswerberin sei seit dem im Inland - an einer näher bezeichneten Adresse - „hauptwohnsitzgemeldet“ gewesen und habe in einem gemieteten Reihenhaus gemeinsam mit ihrem Ehegatten gewohnt. Im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum sei sie im Inland auf Vollzeitbasis als Bilanzbuchhalterin unselbständig tätig gewesen.
5 Im Zuge ihres Umzuges nach Österreich habe die Revisionswerberin das verfahrensgegenständliche, in Deutschland auf sie zugelassene Kfz ins Inland eingebracht. Nach dem Umzug sei sie mit diesem Kfz, das sich regelmäßig im Inland befunden habe, etwa alles sechs bis acht Wochen nach Deutschland gefahren. Sie habe mit diesem Kfz sowohl beruflich als auch privat pro Jahr im In- und Ausland etwa 40.000 km zurückgelegt, davon etwa 10.000 km für Wege vom Ort ihres inländischen Wohnsitzes nach Deutschland und zurück.
6 In Deutschland habe die Revisionswerberin über eine Wohnung, in der sie ebenfalls „hauptwohnsitzgemeldet“ gewesen sei, verfügt. Diese Wohnung sei von ihrer Schwiegermutter bewohnt gewesen. Ihr erwachsener Sohn habe ebenfalls in Deutschland gelebt, ebenso wie ihre sonstigen Verwandten und Freunde.
7 Die Revisionswerberin habe in Deutschland ein Einzelunternehmen als Bilanzbuchhalterin betrieben und etwa zehn bis zwölf Kunden betreut. Die erforderlichen Unterlagen seien vor Ort gewesen, die Gespräche mit den Kunden hätten auch dort stattgefunden.
8 Beweiswürdigend führte das Bundesfinanzgericht aus, die Feststellung, wonach sich das verfahrensgegenständliche Kfz regelmäßig im Inland befunden habe, gründe sich auf die Erhebungen der Finanzpolizei und auf die aktenkundigen eigenen Aussagen der Revisionswerberin. Das zuletzt von ihr erstattete Vorbringen, wonach sie sämtliche inländische Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte und sonstige Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. zu Fuß absolviert hätte, könne nicht als erwiesen angenommen werden. Das Vorliegen von Fahrtenbüchern sei nicht behauptet worden.
9 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG aus, in der Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen der Revisionswerberin sei ein überwiegendes Naheverhältnis zum inländischen Wohnsitz anzunehmen, der somit als Hauptwohnsitz zu betrachten sei. Aufgrund der Verwendung des verfahrensgegenständlichen Kfz im Inland greife ungeachtet der Tätigkeit der Revisionswerberin als Einzelunternehmerin in Deutschland die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG. Der nach dieser Bestimmung mögliche Gegenbeweis sei durch die Revisionswerberin nicht erbracht worden.
10 Hinsichtlich der von der Revisionswerberin vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken gegen die Verpflichtung zur Anmeldung von Kfz mit ausländischen Kennzeichen verwies das Bundesfinanzgericht auf die bereits ergangene - näher angeführte - Rechtsprechung der EuGH zur Zulässigkeit der Erhebung einer Zulassungssteuer und hielt ergänzend fest, dass weder die Normverbrauchsabgabe noch die Kraftfahrzeugsteuer diskriminierend seien.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde.
12 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die Revisionswerberin beantragt u.a. die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses-zur Gänze - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.
17 Dadurch dass das Bundesfinanzgericht den bekämpften Bescheid betreffend Kraftfahrzeugsteuer samt Verspätungszuschlag für die Monate Jänner bis September 2018 ersatzlos aufgehoben hat, konnte die Revisionswerberin jedoch nicht beschwert sein, womit die Revision in diesem Umfang bereits aus diesem Grund - mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war (vgl. ).
18 Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der Revision zunächst mit - allgemein gehaltenen - unionsrechtlichen Bedenken gegen die Besteuerung von im Eigentum eines ausländischen Unionsbürgers befindlichen Kfz mit Normverbrauchsabgabe und Kraftfahrzeugsteuer.
19 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich der EuGH bereits mehrfach mit der Zulässigkeit der Erhebung einer Zulassungssteuer - unter anderem auch vor dem konkreten Hintergrund der Zulassungspflicht des § 82 Abs. 8 KFG (vgl. , Cura Anlagen GmbH) - beschäftigt und diese für den Fall der dauerhaften Verwendung des betreffenden Kfz im Mitgliedstaat, in welchem die Zulassungssteuer erhoben werden soll, dem Grunde nach bejaht hat (vgl. dazu , mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch ; , 2006/16/0003; , 2011/16/0221; , Ra 2017/02/0100, jeweils mwN).
20 Im Übrigen wird in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht substantiiert dargelegt, inwiefern die Revisionswerberin durch die Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG bei der Ausübung der Grundfreiheiten eingeschränkt wird. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision gehen daher ins Leere.
21 Die Revisionswerberin wendet sich weiters gegen die Anwendung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG und bringt dazu vor, sie habe ihren Hauptwohnsitz - entgegen der Auffassung des Bundesfinanzgerichtes - in Deutschland gehabt. Es sei nicht zur Verlagerung ihres Hauptwohnsitzes nach Österreich gekommen, im Inland hätte sie nur einen „Wohnort“, jedoch keinen „Wohnsitz“ gehabt. Mit diesen Ausführungen richtet sich die Revisionswerberin im Ergebnis gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes.
22 Das Bundesfinanzgericht hat in der angefochtenen Entscheidung in freier Beweiswürdigung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände - insbesondere der Vollzeitbeschäftigung der Revisionswerberin im Inland, der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen und der Frequenz der Fahrten nach Deutschland - angenommen, die Revisionswerberin habe ein überwiegendes Naheverhältnis zum inländischen Wohnsitz gehabt, womit dieser als Hauptwohnsitz im Sinne des § 82 Abs. 8 KFG zu betrachten sei. Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Beweiswürdigung ist nur insofern der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofs zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. , mwN). Ein derartiger Beweiswürdigungsmangel - in der Form einer Unschlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen zu den Sachverhaltsannahmen oder einer unvertretbare Gesamtwürdigung - wird durch das allgemein gehaltene Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzeigt. Dass die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes, wonach der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 KFG - die Widerlegung der Standortvermutung (vgl. dazu etwa ; , Ra 2019/16/0152, jeweils mwN) - nicht erbracht worden sei, behauptet die Revisionswerberin nicht.
23 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung erstmalig vorgebracht wird, die Bemessungsgrundlage der Normverbrauchsabgabe sei - der Höhe nach - unrichtig ermittelt worden, steht dem schon das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen.
24 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
25 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG aufgrund der (möglichen) Versäumung der Revisionsfrist.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | KFG 1967 §82 Abs8 61999CJ0451 Cura Anlagen VORAB |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020160147.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-45373