VwGH 07.09.2022, Ra 2020/15/0086
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Ein Abgabenbescheid, der auf einem Nichtbescheid aufbaut, ist nicht schon deswegen ebenfalls unwirksam (, mwN). Sollte sich daher eine als Einkünftefeststellung nach § 188 BAO intendierte Erledigung - etwa weil die Zustellung unterblieben ist - als "Nichtbescheid" erweisen, hat dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines auf der Grundlage des § 295 Abs. 1 BAO auf der Basis dieser Erledigung nach § 188 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheides. |
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RS 2 | Handelt es sich bei einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung um einen "Nichtbescheid", ist eine darauf gestützte Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO rechtswidrig. In einer solchen Konstellation wäre der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Bescheid im Falle seiner Bekämpfung mit Beschwerde aufzuheben oder - unter weiteren Voraussetzungen - auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben (; , 2011/13/0061; , 2010/15/0090). |
Norm | BAO §212a |
RS 3 | Aussetzungszinsen sind auch dann nicht als rechtswidrig anzusehen, wenn sich das Beschwerdeverfahren als unangemessen lang erweist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H W in G, vertreten durch Dr. Maria-Lisa Doll-Aidin, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Paracelsusstraße 27, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2101314/2019, betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß § 212a BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Aus dem gegenüber dem Revisionswerber erlassenen, auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 vom ergab sich eine Einkommensteuernachforderung. Am erließ das Finanzamt gegenüber dem Revisionswerber auch einen Anspruchszinsenbescheid iSd § 205 BAO betreffend die Einkommensteuer 2003.
2 Mit Eingabe vom erhob der Revisionswerber (unter anderem) gegen den (geänderten) Einkommensteuerbescheid 2003 und gegen den Anspruchszinsenbescheid das Rechtsmittel der Berufung und beantragte die Aussetzung der Einhebung.
3 Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO betreffend Einkommensteuer 2003 von 98.266,03 € und Anspruchszinsen von 14.706,26 €.
4 Im Feststellungsverfahren betreffend die A-KG nach § 188 BAO, welches zur erwähnten Änderung der Einkommensteuer gemäß § 295 Abs. 1 BAO geführt hatte, erließ das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7100476/2009, eine abweisende Beschwerdeerledigung. Unter Hinweis darauf wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom das Rechtsmittel des Revisionswerbers gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2003 und den Anspruchszinsenbescheid iSd § 205 BAO als unbegründet ab.
5 Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt sodann den Ablauf der Aussetzung der Einhebung hinsichtlich Einkommensteuer 2003 und der Anspruchszinsen. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag setzte das Finanzamt gemäß § 212a Abs. 9 lit. b BAO Aussetzungszinsen für den Zeitraum bis fest.
6 Die gegen den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde, wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Zur Begründung führte es aus, gemäß § 212a Abs. 9 lit. b BAO seien, soweit infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintrete, Aussetzungszinsen festzusetzen. Die vom Finanzamt vorgenommene Festsetzung der Aussetzungszinsen habe sich daher als gesetzeskonform erwiesen. Aussetzungszinsen seien auch bei langer Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht rechtswidrig (Hinweis auf ).
8 Das Bundesfinanzgericht wies aber darauf hin, dass im Falle einer nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld (Einkommensteuer 2003 und Anspruchszinsen iSd § 205 BAO) die Herabsetzung der Aussetzungszinsen auf der Grundlage der Herabsetzung der Abgabenschuld zu erfolgen habe (Hinweis auf ).
9 Zum Beschwerdevorbringen betreffend einen Zustellmangel im Feststellungsverfahren nach § 188 BAO hinsichtlich der A-KG verwies das Bundesfinanzgericht darauf, dass Grundlage für die Aussetzungszinsen der Einkommensteuerbescheid vom und der Anspruchszinsenbescheid vom selben Tag seien; dass diese beiden Bescheide nicht rechtmäßig zugestellt worden seien, sei nicht behauptet worden.
10 Die sachliche Richtigkeit oder die Rechtskraft der dem Verfahren zugrunde liegenden Abgabenbescheide und des diesen zugrunde liegenden Feststellungsbescheids sei im gegenständlichen Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht zu prüfen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Zur Zulässigkeit bringt der Revisionswerber zunächst vor, die „Zustellrechtslage“ bei der A-KG sei auch im gegenständlichen Verfahren betreffend Aussetzungszinsen entscheidend. Sei der Feststellungsbescheid (iSd § 188 BAO) an die A-KG nicht wirksam zugestellt worden, also ein „Nichtbescheid“, seien auch die auf Basis dieser Erledigung erlassenen Entscheidungen als Nichtbescheide zu werten.
16 Dem ist entgegen zu halten, dass ein Abgabenbescheid, der auf einem Nichtbescheid aufbaut, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht schon deswegen ebenfalls unwirksam ist (, mwN). Sollte sich daher eine als Einkünftefeststellung nach § 188 BAO intendierte Erledigung - etwa weil die Zustellung unterblieben ist - als „Nichtbescheid“ erweisen, hat dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines auf der Grundlage des § 295 Abs. 1 BAO auf der Basis dieser Erledigung nach § 188 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheides. Handelt es sich bei einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung um einen „Nichtbescheid“, ist eine darauf gestützte Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO allerdings rechtswidrig. In einer solchen Konstellation wäre der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Bescheid im Falle seiner Bekämpfung mit Beschwerde aufzuheben oder - unter weiteren Voraussetzungen - auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben (; , 2011/13/0061; , 2010/15/0090).
17 Aus dem Revisionsvorbringen hinsichtlich eines Zustellmangels in dem die A-KG betreffenden Feststellungsverfahren nach § 188 BAO ist somit im gegenständlichen Fall in keiner Weise ableitbar, dass der Einkommensteuerbescheid 2003 vom , der Anspruchszinsenbescheid vom oder der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom gegenüber dem Revisionswerber nicht wirksam erlassen worden wären.
18 Soweit das Zulässigkeitsvorbringen der Revision die lange Verfahrensdauer der Rechtsmittelverfahren (betreffend Einkommensteuer 2003 und Anspruchszinsen) anführt, ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Aussetzungszinsen auch dann nicht als rechtswidrig anzusehen sind, wenn sich das Beschwerdeverfahren als unangemessen lang erweise (vgl. die bei Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 32, angeführte Rechtsprechung).
19 Das weitere Zulässigkeitsvorbringen betrifft die Frage, ob das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall eine Beschwerdeverhandlung hätte vertagen müssen und ob das Vorbringen der Vertreterin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung „falsch“ gewesen ist. Soweit das Zulässigkeitsvorbringen einer Revision Verfahrensfehler geltend macht, hat es die Relevanz einer allfälligen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. z.B. , mwN). An einer derartigen Darlegung der Relevanz der gerügten Verfahrensmängel fehlt es im gegenständlichen Fall.
20 Im Übrigen verfangen die in der Revision mehrfach enthaltenen Hinweise auf Verletzungen der Verfahrensgarantien der GRC sowie des Art. 6 EMRK (und damit im Zusammenhang Art. 13 EMRK) nicht, denn weder handelt es sich bei dem in Rede stehenden Abgabenverfahren um die Geltendmachung von „civil rights“ im Sinne der EMRK noch zeigt der Revisionswerber einen Unionsrechtsbezug auf, der zur Anwendung der GRC führen könnte (vgl. ; , 2003/17/0257).
21 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150086.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-45339