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VwGH 13.03.2023, Ra 2020/13/0057

VwGH 13.03.2023, Ra 2020/13/0057

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3
RS 1
Tatsächliche Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 2012/15/0117, vom , 2012/15/0136, und vom , 2007/13/0051).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/13/0064 E RS 1
Normen
EStG 1988 §34 Abs1
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3
RS 2
Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (vgl. , mwN). Zum Nachweis der Notwendigkeit ist ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich (vgl. , mwN). Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0062 E RS 4
Normen
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3
RS 3
Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa ). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. etwa , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des G in W, vertreten durch Mag. Johannes Frank, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104146/2019, betreffend Einkommensteuer 2016 und 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber machte in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 u.a. Werbungskosten (Arbeitsmittel, Fachliteratur) iHv 715 € und in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 u.a. außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt (Krankheitskosten) iHv 18.000 € geltend.

2 Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 berücksichtigte das Finanzamt lediglich den Pauschbetrag für Werbungskosten iHv 132 €. In der Begründung führte das Finanzamt aus, die vom Revisionswerber geltend gemachten Aufwendungen seien unter Wahrung des Parteiengehörs hinterfragt worden. Da die benötigten Unterlagen nicht beigebracht worden seien, habe eine Berücksichtigung der Aufwendungen nicht erfolgen können.

3 Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 berücksichtigte das Finanzamt die geltend gemachten Krankheitskosten nicht als außergewöhnliche Belastungen. Begründend führte das Finanzamt aus, der Revisionswerber sei seiner Mitwirkungspflicht (§ 138 BAO) durch die bloße Übermittlung eines Konvoluts an Belegen nicht nachgekommen. Im Ergänzungsersuchen sei der Revisionswerber aufgefordert worden, zur Nachvollziehbarkeit der beantragten Summen und zur Beurteilung der Absetzbarkeit den Belegen auch eine Aufstellung mit entsprechenden Angaben beizulegen. Weiters sei der Revisionswerber im Ergänzungsersuchen aufgefordert worden, Vergütungen durch die Krankenkasse oder eine private Versicherung anzuführen und in Abzug zu bringen. Hingewiesen werde darauf, dass die Zwangsläufigkeit der Kosten durch eine vor Antritt der Behandlungen ausgestellte Verordnung nachzuweisen sei, wenn die Krankenkasse keine Vergütungen leiste. Erfolge die Behandlung in einer Privatklinik, sei die Zwangsläufigkeit der Kosten durch eine ärztliche Stellungnahme, ob und gegebenenfalls aus welchen triftigen medizinischen Gründen die Behandlung nicht in einem öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse erfolgen könne, nachzuweisen.

4 Die gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Begründend führte das Finanzamt aus, der Revisionswerber sei der Aufforderung vom , die noch benötigten Unterlagen u.a. betreffend die beantragten Kosten für Arbeitsmittel und Fachliteratur beizubringen, nicht nachgekommen. Der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 gab das Finanzamt in einem nicht revisionsgegenständlichen Punkt Folge und änderte den Erstbescheid ab. Die Nichtanerkennung der geltend gemachten Krankheitskosten begründete das Finanzamt ebenfalls mit der Nichtvorlage der im Vorhalt vom angeforderten Unterlagen.

5 Nach Stellung von Vorlageanträgen wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2016 ab. Der Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2017 gab das Bundesfinanzgericht teilweise Folge und änderte den Erstbescheid im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

6 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht u.a. aus, der Revisionswerber habe für das Jahr 2016 Arbeitsmittel und Fachliteratur als Werbungskosten geltend gemacht, dem Finanzamt jedoch trotz entsprechender Aufforderung weder Belege als Nachweis vorgelegt, noch angegeben, welche konkreten Arbeitsmittel und welche Fachliteratur er angeschafft habe. Das Finanzamt habe daher zu Recht keine den Pauschbetrag von 132 € übersteigenden Werbungskosten anerkannt.

7 Hinsichtlich der als außergewöhnliche Belastungen für das Jahr 2017 geltend gemachten Krankheitskosten habe der Revisionswerber Rechnungen von Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und Apotheken vorgelegt. Das Finanzamt habe im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 darauf hingewiesen, dass Ersatzleistungen durch die Krankenkasse oder durch eine Versicherung bekannt zu geben seien. Auch sei der Hinweis erfolgt, dass triftige medizinische Gründe nachzuweisen seien, warum die Behandlung nicht in einem öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse habe erfolgen können. Im Vorhalt vom sei der Revisionswerber nochmals zur Vorlage entsprechender Nachweise aufgefordert worden. Eine Stellungnahme des Revisionswerbers bzw. die Nachreichung diesbezüglicher Unterlagen sei nicht erfolgt. Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichts habe die Österreichische Gesundheitskasse bekannt gegeben, dass für zwei Arztrechnungen Kostenersätze in näher genannter Höhe geleistet worden seien.

8 Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 seien bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung müsse außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung erwachse dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Aufwendungen, die durch eine Krankheit des Steuerpflichtigen verursacht würden, seien außergewöhnlich und erwüchsen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Liege eine Krankheit vor, seien Aufwendungen für Medikamente, Arzthonorare und Krankenhausgebühren abzugsfähig. Rechtsprechung und Literatur hätten zur Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten darüber hinaus folgende Grundsätze entwickelt: Der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung jener Umstände, die zur Minderung der Abgabenbelastung führten, obliege in erster Linie dem Steuerpflichtigen. Bloße Wünsche, Befürchtungen oder Standesrücksichten der Betroffenen reichten nicht, um die Zwangsläufigkeit zu rechtfertigen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählten nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig seien. Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen würden, könnten dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten seien. So könne sich etwa die Unterbringung in der Sonderklasse eines öffentlichen Krankenhauses oder in einer Privatklinik aus medizinischen Gründen als notwendig erweisen, weil z.B. im Einzelfall eine Behandlung durch einen bestimmten Arzt erforderlich sei. Der Revisionswerber habe weder Nachweise für die medizinische Notwendigkeit der Behandlung in der Sonderklasse eines öffentlichen Krankenhauses oder in einer Privatklinik erbracht, noch habe er eine Begründung dafür angegeben, warum eine Behandlung in der allgemeinen Gebührenklasse nicht möglich gewesen sei. Auch die von ihm übermittelten Rechnungen böten diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Die Kosten der Krankenhausaufenthalte seien daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Da die übrigen Krankheitskosten den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 nicht überstiegen und daher ein Abzug als außergewöhnliche Belastung schon aus diesem Grund nicht in Betracht komme, sei nicht weiter darauf einzugehen, ob die Aufwendungen für Medikamente und Arzthonorare die übrigen Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastungen erfüllten.

9 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision wendet sich nach ihrer Anfechtungserklärung auch gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2016. Da die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen zu den vom Bundesfinanzgericht nicht berücksichtigten Werbungskosten enthält, war die Revision insoweit schon aus diesem Grund wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

14 Betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2017 wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, es liege keine gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Abzugsfähigkeit außergewöhnlicher Belastungen im Zusammenhang mit der Behandlung von Steuerpflichtigen in Privatspitälern vor. Insbesondere zur Frage, ob eine Behandlung in Privatspitälern nach mehrmaliger Abweisung von schwer kranken Patienten durch öffentliche Spitäler als zwingend iSd § 34 EStG 1988 qualifiziert werden könne, finde sich keine eindeutige Rechtsprechung. Vielmehr könne - was vom Bundesfinanzgericht unberücksichtigt geblieben sei - auch aus triftigen Gründen eine Unterbringung und Behandlung in einer Privatklinik erforderlich sein, etwa weil ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen einem Patienten und dem behandelnden Arzt bestehe oder aus medizinischen Gründen eine Behandlung durch einen bestimmten Arzt erforderlich sei.

15  § 34 Abs. 3 EStG 1988 macht den Anspruch auf Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung davon abhängig, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst. Dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwands stets nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen. Solche tatsächlichen Gründe, die die Zwangsläufigkeit der Belastung zu begründen vermögen, können insbesondere in der Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit des Steuerpflichtigen gelegen sein (vgl. etwa , mwN).

16 Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählen nur Aufwendungen für solche Maßnahmen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich. Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen wird (vgl. etwa , mwN). Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl. etwa ). Die Beweislast dafür trägt der Steuerpflichtige, der selbst alle Umstände darzulegen hat, auf welche die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung gestützt werden kann (vgl. etwa , mwN).

17 Im revisionsgegenständlichen Fall hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, dass der Revisionswerber zwar Rechnungen von Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und Apotheken für das Jahr 2017 vorgelegt hat. Der Revisionswerber sei jedoch der Aufforderung des Finanzamts, triftige medizinische Gründe vorzubringen und durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachzuweisen, warum die Behandlung nicht in einem öffentlichen Krankenhaus bzw. in der allgemeinen Gebührenklasse habe erfolgen können, nicht nachgekommen.

18 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung nun erstmals vorgebracht wird, die Behandlung des Revisionswerbers in den Privatspitälern sei nach mehrmaliger Abweisung durch öffentliche Spitäler medizinisch notwendig gewesen, steht dem schon das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

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EStG 1988 §34 Abs1
EStG 1988 §34 Abs1 Z2
EStG 1988 §34 Abs3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130057.L00
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NAAAF-45275