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VwGH 28.06.2022, Ra 2020/13/0053

VwGH 28.06.2022, Ra 2020/13/0053

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BAO §92 Abs1 litb
VwRallg
RS 1
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Feststellungsbescheid ergehen kann, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und es sich um ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung handelt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt; dies jeweils unter der Voraussetzung, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2015/15/0023 E RS 1

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

Besprechung in: SWI 10/2022, S. 494-500;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes für Großbetriebe, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100950/2019, betreffend Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. C W und 2. Dr. N W, beide in K (Schweiz), beide vertreten durch die Göbel & Hummer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Weihburggasse 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligten Parteien sind ein Ehepaar und in der Schweiz ansässig. Sie waren im Jahr 2016 in Österreich mit inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen beschränkt steuerpflichtig. Die Einkommensteuer wurde durch Kapitalertragsteuerabzug erhoben. Die mitbeteiligten Parteien hatten die betreffenden Wertpapiere auf einem gemeinsamen Depot bei einer österreichischen Bank.

2 Im Jahr 2018 stellten sie beim Finanzamt einen Antrag auf Rückzahlung österreichischer Abzugsteuer. Unter Punkt 2. „Angaben zur Person des Antragstellers“ waren im Formular als Antragsteller die beiden mitbeteiligten Parteien (jeweils unter Angabe des Geburtsdatums) eingetragen. Die Steuerverwaltung des Kantons G bestätigte, dass die Mitbeteiligten im Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Österreich in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ansässig waren. Das Formular und auch das Beiblatt wurden am von beiden Ehegatten eigenhändig unterschrieben.

3 Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, dass die Antragstellung mehrerer Personen auf einem Formular nicht zulässig sei, da im Bereich der Einkommensteuer in Österreich Individualbesteuerung gelte. Außerdem stehe einem Antrag, auf dem mehrere Personen als Antragsteller angeführt seien, die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht im Sinne des § 48a BAO entgegen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass für jeden Antragsberechtigten ein eigener Antrag, im Original, bestätigt von der ausländischen Steuerverwaltung, auf Erstattung der Kapitalertragsteuer beim Finanzamt eingebracht werden könne. Der Antrag sei mittels geeigneter Unterlagen einzubringen. Dem kamen die Mitbeteiligten nach und reichten einzeln gesonderte Rückzahlungsanträge für jeweils die Hälfte des Betrages ein. Im Begleitschreiben wurde festgehalten, dass die gesonderte Antragstellung eine Vorsichtsmaßnahme zur Fristwahrung darstelle. Das Finanzamt entsprach den Anträgen und zahlte die beantragten Beträge auf das Gemeinschaftskonto der Mitbeteiligten aus.

4 Gegen den Abweisungsbescheid erhoben die Mitbeteiligten gemeinsam Beschwerde. Diese wurde auch nach der erfolgten Auszahlung aus Grundsatzüberlegungen, um für die Zukunft Rechtssicherheit zu schaffen, aufrechterhalten. In der Beschwerde wurde vorgebracht, die Frage nach der Zulässigkeit einer gemeinsamen Antragstellung sei unabhängig von der in Österreich geltenden Individualbesteuerung zu beantworten. Die gemeinsame Antragstellung sei rechtlich nicht nur möglich, sondern auch geboten.

5 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellten die mitbeteiligten Parteien einen Vorlageantrag.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und stellte fest, dass die Mitbeteiligten gemeinsam berechtigt gewesen seien, den Antrag auf Rückzahlung österreichischer Abzugsteuer für 2016 zu stellen. Begründend führte es aus, die von den Mitbeteiligten bezogenen Kapitaleinkünfte unterlägen in Österreich unbestritten dem Kapitalertragsteuerabzug. Die im Abzugswege (an der Quelle) einbehaltenen Steuern seien nach dem Doppelbesteuerungsabkommen jedenfalls zu erstatten. Das Bundesfinanzgericht teile die Meinung der Mitbeteiligten, dass diesen der Erstattungsanspruch gemeinsam zukomme. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarung zwischen Österreich und der Schweiz über die Durchführung der Entlastung bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, BGBl. Nr. 65/1975. Nach deren Artikel 2 habe der Empfänger von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren Anspruch auf Steuerentlastung, sofern ihm das Recht zur Nutzung der den besteuerten Ertrag abwerfenden Kapitalanlagen oder Rechte zustehe. Das Recht zur Nutzung der revisionsgegenständlichen Kapitalanlagen sei jedenfalls den Mitbeteiligten gemeinsam zugekommen (siehe Depotauszüge, gemeinsames Konto bei der Bank), was letztlich auch durch die gemeinsame Antragstellung zum Ausdruck gebracht worden sei. Als Folge dessen seien die Mitbeteiligten auch gemeinsam Empfänger der Kapitalerträge und könne ihnen daher der Erstattungsanspruch auch nur gemeinsam zukommen. Daran vermöge auch die innerstaatliche Rechtslage nichts zu ändern.

7 In Bezug auf Anträge beschränkt Steuerpflichtiger auf Rückzahlung oder Erstattung der von Abfuhrpflichtigen einbehaltenen Kapitalertragsteuer lege zum einen § 240a BAO in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 105/2014 lediglich fest, dass solche erst nach Ablauf des Jahres der Einbehaltung zulässig seien, wenn ihre Rechtsgrundlage § 240 Abs. 3, § 94 Z 2 EStG 1988, § 21 Abs. 1 Z 1a KStG 1988 oder eine Bestimmung eines Doppelbesteuerungsabkommens sei. Zudem sei die Frage der Rückzahlung von Abgaben den Beschwerdeausführungen folgend losgelöst von einer in Österreich in Bezug auf Ehegatten vorzunehmenden Individualbesteuerung zu beantworten; eine gesonderte Veranlagung (Individualbesteuerung) beider Mitbeteiligten im Inland mit den streitgegenständlichen Kapitaleinkünften sei nämlich im gegenständlichen Fall mangels Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen gar nicht vorzunehmen gewesen. Bereits bedingt durch die gemeinsame Antragstellung könne auch die abgabenrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung nicht verletzt werden.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage bestehe, ob eine gemeinsame Antragstellung zweier Personen (Ehegatten) auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer zulässig sei. Nach innerstaatlichem Abgabenrecht gebe es keine gemeinsame Abgabenschuldnerschaft hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (Einkommensteuer als Personensteuer), weshalb die Vorschriften für die Rückerstattung die Stellung von Einzelanträgen, die die jeweiligen Voraussetzungen nachweisen müssten, vorsähen. Eine Personenmehrheit oder Personengemeinschaft käme dafür nicht in Betracht, weil sie weder beschränkt noch unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein könne. Zur gemeinsamen Antragslegitimation liege noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

10 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

11 Das Bundesfinanzgericht hat im Spruch die Feststellung getroffen, dass die Revisionswerber gemeinsam berechtigt waren, den Antrag vom auf Rückzahlung österreichischer Abzugsteuer für 2016 zu stellen.

12 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Feststellungsbescheid ergehen kann, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat und es sich um ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung handelt oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt; dies jeweils unter der Voraussetzung, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen. Ein im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gegründeter Anlass zur Erlassung eines Feststellungsbescheides liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist. Ist die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich, so ist die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides infolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden überhaupt zu verneinen (vgl. , mwN).

13 Ein solcher Fall liegt hier vor, weil über die Antragsberechtigung im Wege eines Erstattungsverfahrens abgesprochen wird. Damit ist aber im Hinblick auf die Subsidiarität eines Feststellungsausspruchs eine Feststellung über die Antragsberechtigung unzulässig. Für die Feststellung des Bundesfinanzgerichts fehlte daher die rechtliche Grundlage.

14 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich schon aus diesem Grund als rechtswidrig und ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Im Übrigen hat das Bundesfinanzgericht auch nicht festgestellt, dass die Ehegattengemeinschaft als solche in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig ist, was nach Art. 4 des DBA-Schweiz Voraussetzung für die Abkommensberechtigung wäre. Es liegt daher kein Anhaltspunkt dafür vor, dass ein Antrag auf Erstattung der im Abzugswege erhobenen Kapitalertragsteuer durch die Ehegattengemeinschaft - die jedenfalls nach österreichischem Recht keine Steuersubjektivität besitzt und nicht Abgabenschuldnerin ist - zulässig wäre.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §92 Abs1 litb
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130053.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-45274