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VwGH 08.03.2021, Ra 2020/11/0140

VwGH 08.03.2021, Ra 2020/11/0140

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Bei Bedenken gegen ein (ärztliches) Gutachten liegt es an der Partei, diesem - auf gleichem fachlichen Niveau - entgegenzutreten, es sei denn, das Gutachten ist mit Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten behaftet oder unvollständig.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/11/0071 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Stadtgemeinde G, vertreten durch die Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W133 2176752-1/22E, betreffend Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung eines begünstigten Behinderten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Behindertenausschuss beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) Landesstelle Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: W H in G), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom versagte die belangte Behörde die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten. Sie stellte zusammengefasst fest, der Mitbeteiligte gehöre seit mit einem Grad der Behinderung von 50% dem Kreis der begünstigten Behinderten an. Er arbeite seit 1995 für die revisionswerbende Stadtgemeinde als Klärwärter, sei aber für die weitere Ausübung dieses Berufs körperlich nicht mehr geeignet. Vor dem Hintergrund des gutachterlich erhobenen und unbestrittenen medizinischen Leistungskalküls und des berufskundlichen Gutachtens stehe im Bau- und Wirtschaftshof der Revisionswerberin, wo der Mitbeteiligte bereits seit Jänner 2017 arbeite, ein Ersatzarbeitsplatz für ihn zur Verfügung. Bei einer Interessenabwägung sei der Dienstgeberin die Weiterbeschäftigung des Mitbeteiligten eher zumutbar als jenem der Verlust des Arbeitsplatzes.

2 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Stadtgemeinde ab und sprach gleichzeitig gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

3 Seiner Begründung legte das Verwaltungsgericht den von der belangten Behörde ermittelten Sachverhalt zugrunde und stellte darüber hinaus fest, der Mitbeteiligte sei verheiratet und habe zwei volljährige Kinder, für welche er noch unterhaltspflichtig sei, da sie beide studierten. Aufgrund einer schweren Meniskusverletzung sei der Mitbeteiligte vom 27. August bis im Krankenstand gewesen. In der Folge sei es aufgrund einer Erschöpfungsdepression zu einem fast einjährigen Krankenstand von bis gekommen. Am habe die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten gestellt. Mit Schreiben vom selben Tag habe sie ihm mitgeteilt, dass er ab sofort dem Wirtschaftshof (Bauhof) zugeteilt werde. Dort sei er seit beschäftigt. Der Mitbeteiligte könne die ursprünglich im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit als Facharbeiter im Bereich der Kläranlage aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen nicht mehr ausüben, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit für diese Tätigkeit sei nicht absehbar. Gestützt auf das Leistungskalkül des arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens und auf eine durchgeführte Arbeitsplatzerhebung komme der berufskundliche Sachverständige zum Schluss, dass für den Dienstnehmer im Bereich des Bau- bzw. Wirtschaftshofes der Revisionswerberin eine kalkülentsprechende hauptberufliche Verwendungsmöglichkeit durch Ausübung einer Mischtätigkeit, welche lediglich organisatorische Adaptierungen im Rahmen der Fürsorgepflicht der Revisionswerberin erfordere, bestehe. Sie habe als Dienstgeberin nicht nachweisen können, dass der Mitbeteiligte trotz seiner Zustimmung nicht an einem Ersatzarbeitsplatz im Bereich des Bau- und Wirtschaftshofes ohne erheblichen Schaden weiterbeschäftigt werden könnte. Seit seien auch mehrfach Stellen im Bereich des Wirtschaftshofes ausgeschrieben worden - zuletzt mit Aufnahmedatum . Vor Bescheiderlassung sei der Mitbeteiligte 2014 für 31 Tage, 2015 für 106 Tage und 2016 für 345 Tage im Krankenstand gewesen. Nach Bescheiderlassung sei er 2017 drei Wochen im Krankenstand gewesen, 2018 rund 18 Wochen (wovon sechs Wochen auf einen Kuraufenthalt entfallen seien), 2019 sei er rund 17 Wochen im Krankenstand gewesen (davon 10 Wochen ab durch eine Schulterverletzung verursacht), 2020 rund fünf Monate (ausschließlich durch die Folgen der zuvor genannten Schulterverletzung verursacht). Der Mitbeteiligte habe während des Krankenstandes alle notwendigen Maßnahmen zur Genesung gesetzt, diese sei auch erfolgt. Im Hinblick auf zukünftige Krankenstände liege somit keine ungünstige Prognose vor.

4 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Feststellungen zur Identität, zur Begünstigteneigenschaft und zur wirtschaftlichen und sozialen Lage des Mitbeteiligten auf dem Akteninhalt sowie auf den Angaben des Mitbeteiligten vor der belangten Behörde und insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beruhten. Die Feststellungen zum medizinischen Leistungskalkül stützten sich auf das vollständige, widerspruchsfreie und schlüssige arbeitsmedizinische Gutachten vom , welches nach einer persönlichen Untersuchung des Mitbeteiligten unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde erstellt worden sei. Die seit Verfassung dieses Gutachtens erfolgten Verletzungen bzw. Erkrankungen würden das Leistungskalkül nicht verändern, zumal der Mitbeteiligte laut den vorliegenden umfangreichen medizinischen Unterlagen (zuletzt vom ) jeweils alle nötigen medizinischen Behandlungen, auch Operationen, habe durchführen lassen, um seine Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen. Dies sei ihm - wie sich aus diesen Unterlagen ergebe - auch gelungen. Die Feststellungen zu Ausmaß und Ursachen der aufgetretenen Krankenstände würden auf den vorliegenden Fehlzeittabellen der Revisionswerberin, der Stellungnahme des Mitbeteiligten vom , den im Akt einliegenden medizinischen Befunden und Unterlagen sowie für die Zeit vor Bescheiderlassung auch auf dem Einschätzungsgutachten vom und dem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom beruhen.

5 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass der Mitbeteiligte nicht mehr in der Lage sei, die ursprünglich im Dienstvertrag vereinbarte Tätigkeit (Klärwärter) auszuführen. Es sei jedoch der Revisionswerberin nicht gelungen nachzuweisen, dass es unmöglich sei, den Mitbeteiligten trotz dessen Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden für die Revisionswerberin weiter zu beschäftigen. Letztere rüge in der Beschwerde das berufskundliche Sachverständigengutachten als nicht ausreichend schlüssig. Der Sachverständige gehe jedoch im Gutachten von einer möglichen Mischverwendung im Bereich des Bau- und Wirtschaftshofes aus, die der Mitbeteiligte bereits seit drei Jahren ausübe. Auch das Verwaltungsgericht gehe von einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ebendort aus. Es sei keine vollständige Änderung in der gesamten Organisation der Gemeinde erforderlich, sondern lediglich eine Adaptierung des konkreten Tätigkeitsbereiches, was der Revisionswerberin bei einer Mitarbeiterzahl von 150, davon rund 29 im Bereich des Bau- und Wirtschaftshofes, ohne erheblichen Schaden möglich und zumutbar sei. Weiters stehe es ihr offen, näher angeführte Förderungen in Anspruch zu nehmen, um etwaige Nachteile (Übernahme von Bereitschaftsdiensten durch andere Mitarbeiter) finanziell ausgleichen zu können. Sie habe nicht einmal versucht, einen Arbeitscoach beizuziehen, um die Arbeitsabläufe bzw. den Tätigkeitsbereich des Mitbeteiligten entsprechend zu adaptieren. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass sich die ohnehin schwierige Arbeitsmarktsituation des 55-jährigen körperlich eingeschränkten Mitbeteiligten durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie weiter verschlechtert habe.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Dem Erfordernis einer (gesonderten) Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse , und , jeweils mwN).

10 In der somit für die Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird eingangs vorgebracht, dass nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher Beweisergebnisse das Verwaltungsgericht zu den Sorgepflichten des Mitbeteiligten gelangte. Dem ist entgegen zu halten, dass die persönlichen Umstände des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden, worauf sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung auch stützt.

12 Mit dem Vorbringen, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Bundesverwaltungsgericht zu den Feststellungen, dass der Revisionswerber alle erforderlichen Maßnahmen für die Genesung gesetzt hätte, gekommen sei, wird lediglich die Beweiswürdigung bekämpft. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge somit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung , mwN), wovon gegenständlich schon im Hinblick auf die zahlreichen herangezogenen medizinischen Befunde und Stellungnahmen, welche nach dem arbeitsmedizinischen Gutachten erstattet wurden (zuletzt am ) und im Akt einliegen, nicht auszugehen ist.

13 Soweit sich die revisionswerbende Partei im Zulässigkeitsvorbringen gegen das arbeitsmedizinische Gutachten und damit dessen Ergebnis betreffend die gegebene Arbeitsfähigkeit des Mitbeteiligten wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass es bei Bedenken gegen ein (ärztliches) Gutachten an der Partei liegt, diesem - auf gleichem fachlichen Niveau - entgegenzutreten, es sei denn, das Gutachten ist mit Widersprüchen bzw. Ungereimtheiten behaftet oder unvollständig (vgl. , mwN). Die (im Übrigen bereits im Verfahren wortgleich erstatteten) Vorbringen betreffend dieses Gutachten treten diesem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Die behaupteten Widersprüche bzw. Ungereimtheiten beziehen sich weder auf die im Gutachten festgestellte Arbeitsfähigkeit noch auf das Leistungskalkül, sondern lediglich auf organisatorische Aspekte. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Gutachten unvollständig sein sollte.

14 Dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, der Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt, bestimmte Gutachten nicht eingeholt, Zeugeneinvernahmen unterlassen und Parteienvorbringen nicht berücksichtigt worden, ist entgegenzuhalten, dass damit Verfahrensmängel behauptet werden, ohne dass deren Relevanz für den Ausgang des Verfahrens dargelegt würde (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung , mwN).

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110140.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-45250