VwGH 29.08.2022, Ra 2020/08/0192
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Jede Zahlung an den Dienstnehmer, die auf Grund eines Dienstverhältnisses aus welchen Gründen immer (auch ohne Rechtsanspruch) tatsächlich geleistet wird, stellt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG beitragspflichtiges Entgelt dar, sofern nicht eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 49 Abs. 3 ASVG vorliegt. Um eine solche Zahlung handelt es sich auch dann, wenn sie unter der Bezeichnung "Abfertigung" erfolgt, es sei denn, sie wäre aus Anlass der tatsächlichen Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/08/0218 E RS 1 (hier ohne den letzten Satz) |
Norm | ASVG §49 Abs1 |
RS 2 | Leistungen auf Grund eines Dienstverhältnisses liegen dann vor, wenn sie in einem Kausalzusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, was dann der Fall ist, wenn sie Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die auch die betriebsbezogenen Eigeninteressen des Dienstgebers fördert (vgl. ; , 90/08/0004). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Falle einer Geldleistung - an Dienstnehmer - nicht zweifelhaft (vgl. , mwN). Der Kausalzusammenhang wird auch nicht durchbrochen, wenn Leistungen nicht nur an aktive, sondern auch an ehemalige (etwa pensionierte) Dienstnehmer - oder allenfalls an Angehörige der Dienstnehmer - erbracht werden, weil sich auch in diesem Fall die Leistungserbringung einzig aus dem ehemaligen Dienstverhältnis ableitet (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der U GmbH in L, vertreten durch Mag. Andreas Jeidler, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , G302 2204888-1/6E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom verpflichtete die (damalige) Steiermärkische Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse - ÖGK) die Revisionswerberin aufgrund der im Zuge einer durchgeführten gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) betreffend die Jahre 2011 bis 2015 festgestellten Meldedifferenzen, näher angeführte Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge sowie Verzugszinsen nachzuentrichten. Im Rahmen der GPLA sei festgestellt worden, dass sämtliche Dienstnehmer der Revisionswerberin einmal jährlich Ausschüttungen aus einer Privatstiftung, deren vorrangiger Zweck die Unterstützung der Arbeitnehmer der Revisionswerberin sei, erhalten. Diese Zuwendungen seien als Sonderzahlungen der Revisionswerberin einzustufen und daher beitragspflichtig.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Bundesverwaltungsgericht stellte - soweit wesentlich - fest, die Privatstiftung habe ihren Standort am Betriebsstandort der Revisionswerberin und habe in der Vergangenheit Anteile an der Revisionswerberin gehalten. Nach Veräußerung dieser Anteile sei das dadurch entstandene Vermögen veranlagt und aus den Erträgnissen seien jährliche Zuwendungen an den Begünstigtenkreis geleistet worden. Laut Stiftungsurkunde sei vorrangiger Zweck der Privatstiftung die Förderung und Unterstützung von Arbeitnehmern der Revisionswerberin, Begünstigte der Privatstiftung seien - seit einer Änderung der Stiftungsurkunde im Jahr 2012 - alle zum Stichtag in einem aufrechten Dienstverhältnis mit der Revisionswerberin stehenden Personen. Die in den Jahren 2011 bis 2015 an die Begünstigten getätigten Zuwendungen seien durch die Revisionswerberin ausgezahlt worden, die im Anschluss die entsprechenden Beträge - samt einer Vergütung für die Tätigkeit der Auszahlung - von der Privatstiftung erhalten habe.
4 Aufgrund der gemeinsamen Geschäftsanschrift, der Entstehungsgeschichte der Privatstiftung, der Tatsache, dass Personen sowohl für die Revisionswerberin als auch für die Privatstiftung tätig gewesen seien, sowie weil die Zuwendungen der Privatstiftung von der Revisionswerberin „vorgestreckt“ worden seien, lasse sich ein Naheverhältnis zwischen der Privatstiftung und der Revisionswerberin ableiten. Ein Großteil der Zuwendungen sei an aktive Dienstnehmer der Revisionswerberin erfolgt und seien somit im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei dieser zu sehen.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - aus, die Zuwendungen der Privatstiftung an die aktiven Mitarbeiter der Revisionswerberin lägen jedenfalls in deren Interesse (bezogen auf den Betrieb ihres Unternehmens), sie seien somit unmittelbar aufgrund des Dienstverhältnisses zur Revisionswerberin als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG gewährt worden. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass auch Zuwendungen an ehemalige Dienstnehmer sowie bei sozialen Härtefällen und bei Todesfällen getätigt worden seien.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob von einer Privatstiftung geleistete Zuwendungen an Dienstnehmer eines Unternehmens der Sozialversicherungspflicht nach dem ASVG unterliegen. Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes - zur Einstufung von Zahlungen von Dritten als Entgelt iSd. § 49 Abs. 1 ASVG - seien nicht einschlägig, die nach der Rechtsprechung notwendigen Voraussetzungen lägen nicht vor. Im vorliegenden Fall habe es weder einen Anspruch der Dienstnehmer auf Leistungen aus der Privatstiftung, noch eine Verpflichtung zur Erbringung irgendwelcher Tätigkeiten gegeben. Es habe keinen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zur Revisionswerberin gegeben, bei dieser seien keine Interessen an der Zuwendung vorgelegen.
11 Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
12 Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Jede Zahlung an den Dienstnehmer, die aufgrund eines Dienstverhältnisses aus welchen Gründen immer (auch ohne Rechtsanspruch) tatsächlich geleistet wird, stellt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG beitragspflichtiges Entgelt dar, sofern nicht eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 49 Abs. 3 ASVG vorliegt (vgl. ).
13 Leistungen auf Grund eines Dienstverhältnisses liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sie in einem Kausalzusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, was dann der Fall ist, wenn sie Gegenwert für eine vom Dienstnehmer erbrachte oder noch zu erbringende Leistung sein sollen, die auch die betriebsbezogenen Eigeninteressen des Dienstgebers fördert (vgl. ; , 90/08/0004). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Falle einer Geldleistung - an Dienstnehmer - nicht zweifelhaft (vgl. , mwN). Der Kausalzusammenhang wird auch nicht durchbrochen, wenn Leistungen nicht nur an aktive, sondern auch an ehemalige (etwa pensionierte) Dienstnehmer - oder allenfalls an Angehörige der Dienstnehmer - erbracht werden, weil sich auch in diesem Fall die Leistungserbringung einzig aus dem ehemaligen Dienstverhältnis ableitet (vgl. , mwN).
14 Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze kann dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es den Kausalzusammenhang zwischen den Geldzuwendungen durch die Privatstiftung und den Dienstverhältnissen der Begünstigten mit der Revisionswerberin bejaht und diese Zuwendungen an die Dienstnehmer der Revisionswerberin als Entgelt iSd. § 49 Abs. 1 ASVG eingestuft hat.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Entgelt Begriff |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080192.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-45228