VwGH 24.03.2021, Ra 2018/13/0002
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | BAO §115 Abs1 VwGG §63 Abs1 |
RS 1 | Erfolgt die Aufhebung einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - wie im ersten Rechtsgang -, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalls wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustands aber gerade darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts ermöglichen (vgl. etwa ; , Ra 2019/03/0091). |
Normen | BAO §270 VwGG §41 |
RS 2 | Das Neuerungsverbot nach § 41 VwGG gilt nur im Verfahren vor dem VwGH, nicht aber in jenem vor dem Bundesfinanzgericht (vgl. § 270 zweiter Satz BAO). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dipl. Ing. M in B, vertreten durch die PKF CENTURION Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100757/2017, betreffend Abrechnung (§ 216 BAO), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/13/0153, und vom , Ra 2014/13/0008, zu verweisen. Mit dem Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof das im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts aufgehoben, weil dieses seiner Verpflichtung nach § 63 Abs. 1 VwGG, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen, nicht nachgekommen war.
2 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das Bundesfinanzgericht habe sich weder mit der Vorhaltsbeantwortung der Abgabenbehörde vom zu den Forderungspfändungen vom und vom sowie zur Grundbuchsabfrage vom auseinander gesetzt, noch habe es dem Revisionswerber dazu Parteiengehör gewährt. Vielmehr habe es erstmals - und im Widerspruch zu der in den Aufhebungsgründen des Erkenntnisses vom u.a. zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Frage einer Verfristung des Antrags - die Auffassung vertreten, dass es im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Normierung des § 216 letzter Satz BAO nur zu prüfen habe, ob die Einhebungsverjährung im Zeitraum vom bis zum (Fünfjahreszeitraum) eingetreten sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht im dritten Rechtsgang die Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1992 sowie der Gewerbesteuer für die Jahre 1986 bis 1993 (samt Verspätungszuschlägen) im Gesamtbetrag von 3.706.916,89 € die Einhebungsverjährung nicht eingetreten und die Verpflichtung zu deren Tilgung nicht erloschen sei. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
4 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, die verfahrensgegenständlichen Abgaben seien vom Finanzamt mit Bescheiden vom 21. und erstmalig festgesetzt worden. Da es sich um hinterzogene Abgaben handle, sei die Festsetzung innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO erfolgt. Mit Ablauf des Jahres 1996 habe daher die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist nach § 238 Abs. 2 BAO neu zu laufen begonnen. Nach einer tabellarischen Auflistung der sich aus den Einbringungsakten des Finanzamts ergebenden Amtshandlungen führte das Bundesfinanzgericht weiter aus, der Revisionswerber habe in seiner Stellungnahme zu den ihm am vorgehaltenen Amtshandlungen die Forderungspfändungen vom und vom nicht mehr in Zweifel gezogen, sondern lediglich die Tauglichkeit der Grundbuchsabfragen als Unterbrechungshandlungen bestritten. Eine Grundbuchsabfrage stelle keinen internen Vorgang dar, sondern sei an eine andere Behörde (Justizverwaltung) gerichtet, in deren EDV-System die Anfrage registriert und protokolliert werde. Die Grundbuchsabfragen vom seien daher nach außen in Erscheinung getreten. Auch seien sie erkennbar auf die Durchsetzung des Abgabenanspruchs gerichtet gewesen, seien doch sämtliche abgefragten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile im (Mit)Eigentum des Revisionswerbers gestanden und müsse bei der Abfrage zwingend eine Begründung, üblicherweise die Steuernummer des Abgabepflichtigen angegeben werden, die auf dem Protokoll der Justizverwaltung aufscheine. Weiters sei mit zwei Anfechtungsklagen die Einverleibung von Belastungs- und Veräußerungsverboten auf den Liegenschaften des Revisionswerbers zugunsten seiner Ehefrau und seines Sohns angefochten worden, sodass auch sämtlichen darauf gerichteten Verfahrenshandlungen Unterbrechungswirkung zukomme. Gleiches gelte für die Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit einer Exszindierungsklage.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zur Zulässigkeit zunächst vorgebracht, „[d]as Bundesfinanzgericht verstieß gegen die ständige Rechtsprechung des VwGH zu § 63 VwGG, wonach die Behörde die Pflicht hat, einen der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen (z.B. 2013/21/0120)“.
9 Mit diesem nicht näher konkretisierten Vorbringen wird der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Genüge getan, wonach in den gesonderten Gründen für die Zulässigkeit der Revision - bezogen auf den jeweils vorliegenden Fall - konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa , mwN).
10 In der Revisionsbegründung wird dazu näher ausgeführt, das Bundesfinanzgericht hätte keine ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen treffen dürfen.
11 Erfolgt die Aufhebung einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - wie im ersten Rechtsgang -, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalls wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustands aber gerade darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts ermöglichen (vgl. etwa ; , Ra 2019/03/0091). Da das Bundesfinanzgericht im zweiten Rechtsgang u.a. dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war und damit den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand nicht hergestellt hatte, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Ersatzentscheidung des Bundesfinanzgerichts neuerlich aufgehoben. Dem Bundesfinanzgericht war es daher im dritten Rechtsgang - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - gerade nicht verwehrt, ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen.
12 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, „[d]as Bundesfinanzgericht hat gegen die ständige Rechtsprechung des VwGH verstoßen, wonach es dem Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) widerspricht, Rechtsausführungen vorzunehmen, deren Wahrnehmung zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordern, diese aber nicht bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen wurden ( Zl. 83/06/0118; Zl. 2004/16/0205; Zl. 2011/16/0067; Zl. 2011/13/0289; Zl. 2004/16/0205)“.
13 Aus diesem Vorbringen ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, gilt das Neuerungsverbot nach § 41 VwGG doch nur im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, nicht aber in jenem vor dem Bundesfinanzgericht (vgl. § 270 zweiter Satz BAO).
14 In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt, weil „der Pflichtige Gelegenheit haben muss, sich zu neu ins Spiel gebrachten Tatsachen äußern zu können (z.B. Zl. 2011/03/0160)“.
15 Dem angefochtenen Erkenntnis ist - in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verfahrensakten - zu entnehmen, dass das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber mit Schreiben vom die Unterlagen zu den in weiterer Folge als Unterbrechungshandlungen gewerteten Amtshandlungen übermittelt und der Revisionswerber mit Schreiben vom dazu Stellung genommen hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Parteiengehörs nicht erkennbar.
16 Schließlich bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, „ob die fünfjährige Frist für die Antragstellung nach § 216 BAO auch dann gilt, wenn die Abgabenbehörde - wenngleich auch zu Unrecht - auf dem Standpunkt steht, dass die Frist zur Einhebungsverjährung wegen einer unwirksamen Unterbrechungshandlung verlängert wurde bzw. neu zu laufen begonnen hat“.
17 Hiezu genügt ein Hinweis darauf, dass schon das Finanzamt den Antrag des Revisionswerbers nicht zurückgewiesen hat und das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich davon ausgeht, dass der Revisionswerber die Frist des § 216 BAO nicht versäumt habe (Seite 9 des angefochtenen Erkenntnisses).
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018130002.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-45050