VwGH 15.09.2023, Fr 2022/13/0007
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Immer dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem ein Rechtsmittel zuzurechnen ist, ist das VwG verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. zum - nach § 56 Abs. 1a Salzburger Tourismusgesetz 2003 iVm § 17 VwGVG im Beschwerdeverfahren vor dem VwG geltenden - AVG etwa ; sowie zur BAO etwa , jeweils mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0105 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, in der Fristsetzungssache des Mag. M in B, vertreten durch die M.S. Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H. in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 42, gegen das Bundesfinanzgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Einkommensteuer 2012, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103129/2015, mit dem der Fristsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des Antragstellers für das Jahr 2012 in näher bezeichneter Höhe fest. Dieser Bescheid war an den Antragsteller zu Handen der C GmbH adressiert.
2 Gegen diesen Einkommensteuerbescheid wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben. Die Beschwerde enthielt im Betreff die Steuernummer des Antragstellers und das Datum des Einkommensteuerbescheids. Die Beschwerde war von der C GmbH, die auch im Kopf des Schriftsatzes aufscheint, unterfertigt.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 ab. Die Beschwerdevorentscheidung war wie der Einkommensteuerbescheid 2012 an den Antragsteller zu Handen der C GmbH adressiert.
4 Dagegen brachte der Antragsteller selbst ein als „Beschwerde zum Bescheid vom “ bezeichnetes Schreiben ein, welches vom Finanzamt als Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht behandelt wurde.
5 Mit Beschluss vom wies das Bundesfinanzgericht „in der Beschwerdesache betreffend [Antragsteller]“ „[d]ie Beschwerde der [C GmbH] vom [...] gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 246 Abs. 1 BAO als unzulässig [zurück]“, weil der C GmbH, die die Beschwerde im eigenen Namen eingebracht habe, die Aktivlegitimation fehle.
6 Die dagegen vom Antragsteller erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2019/13/0052, mit der Begründung zurück, das Bundesfinanzgericht habe mit dem Beschluss vom eine Beschwerde der C GmbH zurückgewiesen. Da der Beschluss gegenüber dem Antragsteller keine Wirkung entfalte, sei dieser dadurch auch nicht beschwert. Sollte der Antragsteller der Ansicht sein, dass die Beschwerde vom von der C GmbH in seinem Namen eingebracht worden sei, stehe ihm die Geltendmachung der Entscheidungspflicht des Gerichts mittels Fristsetzungsantrags nach § 38 VwGG offen.
7 Mit Fristsetzungsantrag vom machte der Antragsteller eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesfinanzgericht geltend und begehrte, diesem eine Frist zur Entscheidung über seine Beschwerde zu setzen. Er brachte vor, die Beschwerde vom sei von der C GmbH in seinem Namen und Auftrag eingebracht worden. Daher habe auch die Abgabenbehörde den Antragsteller als Beschwerdeführer und die C GmbH als Zustellbevollmächtigte angesehen.
8 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht den Fristsetzungsantrag des Antragstellers gemäß § 30a Abs. 1 iVm Abs. 8 VwGG als unzulässig zurück. Wie bereits aus dem Zurückweisungsbeschluss des Bundesfinanzgerichts vom an die C GmbH hervorgehe, habe der Antragsteller keine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 erhoben. Vielmehr sei die Beschwerde von der C GmbH, an die der Zurückweisungsbeschluss ergangen sei, erhoben worden. Es bestehe sohin keine Entscheidungspflicht und keine Frist für eine Entscheidung. Der Fristsetzungsantrag erweise sich daher als unzulässig.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich der Vorlageantrag des Antragstellers nach § 30b Abs. 1 VwGG.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund des rechtzeitigen und zulässigen Vorlageantrags zur Entscheidung über den Fristsetzungsantrag berufen und hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. c VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid des Antragstellers vom von der C GmbH im Namen des Antragstellers oder im eigenen Namen erhoben wurde.
12 Immer dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem ein Rechtsmittel zuzurechnen ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. , mwN).
13 Für die Beurteilung eines Parteianbringens kommt es auf dessen Inhalt an, auf das erkennbar oder zu erschließende Ziel des Parteischritts. Der Erklärungsinhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. , mwN).
14 Im gegenständlichen Fall wurde Beschwerde gegen einen an den Antragsteller zu Handen der C GmbH ergangenen Bescheid erhoben, in dem dem Antragsteller die Hauptwohnsitzbefreiung für den Verkauf eines näher bezeichneten Grundstücks nicht gewährt wurde. Im „Betreff“ der Beschwerde ist neben dem Datum des Einkommensteuerbescheids auch die Steuernummer des Antragstellers angeführt. Inhaltlich wendet sich die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung der Hauptwohnsitzbefreiung an den Antragsteller und endet mit der „Bitte um Berichtigung des Einkommensteuerbescheids“.
15 Bei dieser Sachlage trifft es nicht zu, dass der Erklärungswert des Beschwerdeschriftsatzes zweifelsfrei dahingehend gedeutet werden kann, dass die Beschwerde von der C GmbH im eigenen Namen und nicht im Namen des Antragstellers erhoben worden sei. Der erkennbare Verfahrenszweck legt es vielmehr nahe, die Beschwerdeerhebung dem Antragsteller zuzurechnen.
16 Wie vom Antragsteller zutreffend aufgezeigt wird, ging auch das Finanzamt davon aus, dass eine Beschwerdeerhebung im Namen des Antragstellers vorliegt. Es hat dem Antragsteller eine abweisende Beschwerdevorentscheidung zugestellt, der in der Folge deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt hat.
17 Das Bundesfinanzgericht wäre somit verpflichtet gewesen, über die Beschwerde des Antragstellers zu entscheiden. Eine solche Entscheidung hat das Bundesfinanzgericht bisher nicht getroffen. Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts stellt sich der am - und daher weit nach Ablauf der sechsmonatigen Entscheidungsfrist - eingebrachte Fristsetzungsantrag des Antragstellers als zulässig dar.
18 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 30b Abs. 1 VwGG (vgl. z.B. ; , Fr 2022/08/0008, je mwN) aufzuheben.
19 Das Verfahren über den Fristsetzungsantrag wird - zunächst von der nach § 14 Abs. 2 VwGG zuständigen Berichterin - gemäß § 38 Abs. 4 VwGG weiterzuführen sein.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:FR2022130007.F00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-45030