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VwGH 16.11.2021, 2020/15/0015

VwGH 16.11.2021, 2020/15/0015

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
EStG 1988 §20 Abs1 Z4
RS 1
§ 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 normiert nicht die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften, sondern legt lediglich ein Abzugsverbot fest.
Normen
EStG 1972 §18 Abs1 Z1
EStG 1972 §20 Abs1 Z4
EStG 1972 §29 Z1
RS 2
Im Geltungsbereich des EStG 1972 war bei Renten, die in Zusammenhang mit der Übertragung von Wirtschaftsgütern vereinbart wurden, zwischen Gegenleistungsrenten einerseits und Zuwendungsrenten andererseits unterschieden worden, wobei bei Letzteren zwischen außerbetrieblichen Versorgungsrenten und Unterhaltsrenten unterschieden wurde. Versorgungsrentenzahlungen waren gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1972 als Sonderausgaben abzugsfähig (); beim Rentenempfänger lagen Einkünfte nach § 29 Z 1 EStG 1972 vor. Unterhaltsrentenzahlungen waren hingegen gemäß § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1972 nicht abzugsfähig und beim Empfänger nicht steuerbar.
Normen
EStG 1988 §20 Abs1 Z4
SteuerreformG 2000
RS 3
Die mit dem SteuerreformG 2000 vorgenommene Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 ist Teil der Neuordnung der Rentenbesteuerung und bezieht sich nur auf Rentengeschäfte. Solche eignen sich in besonderem Maße dafür, einem Versorgungszweck zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber für Rentengeschäfte die Regelung getroffen, nach der typisierend ein Versorgungs- bzw. Unterhaltscharakter angenommen wird, wenn der Rentenwert in einem besonderen Ausmaß unter oder über dem Wert eines übergebenen Wirtschaftsgutes liegt. In diesen Fällen sollen Rentenzahlungen (oder Teile der Rentenzahlungen) nicht (bzw. - bei betrieblichen Einheiten - als Sonderausgaben) abzugsfähig sein. Auf andere Rechtsgeschäfte als Rentengeschäfte ist die in Rede stehende Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 nicht anzuwenden, insbesondere nicht für Zwecke der Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit.
Normen
ABGB §938
EStG 1988 §30 Abs1
RS 4
Die zur Anknüpfung an den Tatbestand des § 30 EStG 1988 erforderliche Abgrenzung von entgeltlichen zu unentgeltlichen Geschäften ist auch im Rahmen einer Grundstücksübertragung durch vorweggenommene Erbfolge maßgeblich.
Normen
ABGB §938
EStG 1988 §30 Abs1
RS 5
Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn die beteiligten Personen einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollen (vgl. , Rn. 16, mwN). Sie liegt bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nahe, wenn aus den Verhältnissen der Personen zu vermuten ist, dass sie - aus privaten Motiven - einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollten. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gegeben, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (). Zur Gegenleistung zählt auch das Entgelt, das nicht dem Gläubiger, sondern einem Dritten erbracht wurde (vgl. zur zivilrechtlichen Rechtsprechung ; , 6 Ob 620/82).
Normen
ABGB §938
EStG 1988 §30 Abs1
RS 6
Bei der gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien subjektiv des Charakters der Leistung als unentgeltlich bewusst sein, sie müssen die (teilweise) Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt haben (, mwN). Das subjektive Element des "Bereichernwollens" wird bei Zuwendungen zwischen nahen Angehörigen - im Gegensatz zu Rechtsgeschäften zwischen unabhängigen Vertragspartnern im gewöhnlichen geschäftlichen Verkehr - im Zweifel grundsätzlich als gegeben vermutet (vgl. und ). Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiderseitigen Leistungen reicht zwar für sich allein nicht aus, eine gemischte Schenkung anzunehmen; es kann jedoch - als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles - den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen (vgl. , Rn. 17, mwN).
Normen
ABGB §938
EStG 1988 §30 Abs1
RS 7
Der in der bisherigen Rechtsprechung enthaltenen Formulierung, wonach ein unentgeltlicher Erwerb nicht nur bei (reinen) Schenkungen, sondern auch bei gemischten Schenkungen anzunehmen ist (vgl. , mwN), liegt die Beurteilung des gemischten Vertrags als einheitliches Rechtsgeschäft mit deutlich im Vordergrund stehenden unentgeltlichen Komponenten zugrunde. Erfolgte eine Verfügung teils entgeltlich, teils unentgeltlich, ist nämlich nach dem Hauptzweck und Gesamtcharakter des Geschäftes zu beurteilen, ob Unentgeltlichkeit vorliegt (vgl. und , 6 Ob 311/04k; vgl. auch RIS-Justiz RS0018777). Weicht allerdings der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25% vom Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes ab, und liegen keine besonderen Umstände vor, die einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen, ist für die Frage der ertragssteuerlichen Behandlung in der Regel von einem einheitlichen, entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen.
Normen
EStG 1988 §108c
IO §46 Abs1 Z2
RS 1
Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO gehören zu den Masseforderungen öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Entsprechendes muss spiegelbildlich für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen der Schuldnerin auf Prämien nach § 108c EStG 1988 gelten (vgl. ).
Normen
ABGB §1439
EStG 1988 §108c
IO §149 Abs1
IO §156 Abs4
IO §19
VwRallg
RS 2
Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung standen sich ein aufrechenbarer Prämienbetrag und eine angemeldete Forderung auf Umsatzsteuer in zumindest gleicher Höhe gegenüber. Die Aufrechnung selbst ist nach der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplans erfolgt, weshalb sich die Frage des Umfangs der Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem Sanierungsplan stellt. Schon vor Ergehen des Urteils eines verstärkten Senates des , sprachen sich weite Teile der Lehre für eine Beschränkung der Aufrechnung auf die Quote aus (vgl. Buchegger, Ausgleichserfüllung [1988] 79 f; Rummel in Rummel ABGB² § 1439 Rz 11; Heidinger in Schwimann ABGB³ § 1439 Rz 16; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59, Nummer-Krautgasser, Aufrechnung und Zwangsausgleich ZIK 2009/7, 4; dieselbe in Aufrechnung in der Insolvenz: Grundlagen und aktuelle Rechtsfragen in Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [183 ff]; Konecny, EvBl 2009/46; Holly in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1439 Rz 16/6; Mohr, Sanierungsplan und Sanierungsverfahren nach dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 Rz 250; Fichtinger, Die gesetzliche Aufrechnung im Insolvenzverfahren [2015] 335 ff). Dieser Auffassung schließt sich der VwGH an, zumal sich aus § 19 IO eine volle Aufrechnungsbefugnis nicht ableiten lässt, die Sicherungsfunktion der Aufrechnung keine andere Beurteilung zulässt und eine analoge Anwendung des § 149 Abs. 1 IO auf den aufrechnungsberechtigten Insolvenzgläubiger nicht in Betracht kommt (vgl. mit jeweils ausführlicher Begründung ). Eine über die Quote hinausgehende Aufrechnung kommt nur in Betracht, wenn der Gläubiger unverschuldet aufgrund eines Verschuldens des Insolvenzschuldners - wenn auch in Form leichter Fahrlässigkeit - an einer Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger Sanierungsplanbestätigung gehindert worden ist, zumal für diesen Fall § 156 Abs. 4 IO (analog) zur Anwendung kommt (vgl. Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 402; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59 und ein weiteres Mal ).

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

RdW 2/2022, 130-133;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Univ.-Prof. DI Dr. G S in G, vertreten durch Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/2100647/2018, betreffend Einkommenssteuer 2016, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber und seine Ehefrau übertrugen eine jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft (Wohnhaus) mit einem in Form eines Notariatsaktes errichteten „Schenkungsvertrag“ vom an ihre gemeinsame Tochter E. Im Gegenzug räumte die Tochter ihren Eltern ein Wohnungsgebrauchsrecht an sämtlichen Räumlichkeiten und ein Fruchtgenussrecht am gesamten Garten und den vorhandenen Obstbäumen ein und verpflichtete sich darüber hinaus, an ihre drei Geschwister Ausgleichzahlungen in Höhe von jeweils 211.044,70 € bis spätestens zu leisten. Weiters wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Revisionswerbers und seiner Ehefrau vereinbart. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags vom hatte die Liegenschaft (abzüglich des Werts des den Eltern eingeräumten Wohnrechts und Fruchtgenussrechts) einen Verkehrswert von 844.178 €.

2 Mit Notariatsakt ebenfalls vom wurde ein partieller Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen, wonach die Tochter E und ihre drei Geschwister auf ihren jeweiligen gesetzlichen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Revisionswerber und dessen Ehefrau hinsichtlich der streitgegenständlichen Liegenschaft verzichteten.

3 Mit Überweisungsaufträgen vom bezahlte die Tochter E aus ihrer eigenen Vermögenssphäre jeweils 211.044,70 €, gesamt sohin 633.134,10 €, an ihre drei Geschwister.

4 Mit Schreiben vom ersuchte der Revisionswerber die belangte Behörde zu dem unter Rn. 1 bis 3 wiedergegebenen Sachverhalt um Rechtsauskunft dahingehend, ob überhaupt eine Steuerpflicht entstanden sei, und bejahendenfalls über die Höhe der zu entrichtenden Immobilienertragssteuer. Aus den Einkommenssteuerrichtlinien gehe dies nicht klar hervor bzw. sei die darin enthaltene 50% Grenze verfassungswidrig.

5 Mit Schreiben vom erteilte die belangte Behörde Rechtsauskunft und führte unter anderem aus, dass im Ertragssteuerrecht die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften in Anlehnung an die für die Rentenbesteuerung maßgebende Vorschrift des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 danach getroffen werde, ob die Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes weniger als die Hälfte des gemeinen Wertes dieses Wirtschaftsgutes betrage (Überwiegen des Schenkungscharakters) oder nicht (entgeltliches Rechtsgeschäft). Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge liege Unentgeltlichkeit solange vor, als Mittel vom potentiellen Erblasser auf die voraussichtlichen künftigen Erben verteilt würden. Entgeltlichkeit liege erst dann vor, wenn Vermögensübertragungen durch Mittel von anderen beteiligten Personen ausgeglichen würden. Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Ertragssteuerrecht liege, unabhängig von der Zahl künftiger Erben, dann keine vorweggenommene Erbfolge, sondern ein entgeltliches Rechtsgeschäft vor, wenn der Übernehmer der Liegenschaft im Rahmen eines synallagmatischen Leistungsaustausches aus eigenen Mitteln bzw. aus eigenem Vermögen mehr als die Hälfte des Wertes der an ihn übertragenen Immobilie an den Übergeber oder an vom Übergeber bestimmte Personen zu erbringen habe.

6 Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber dem Revisionswerber als Veräußerer der Liegenschaft die Einkommenssteuer für das Jahr 2016 fest und wies dabei - erklärungsgemäß auf der Basis einer für „Altvermögen“ ermittelten Bemessungsgrundlage - einen Betrag von 20.595,15 € als „Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz von 30%)“ aus.

7 Im angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht (BFG) der Beschwerde des Revisionswerbers teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid gemäß § 279 BAO dahingehend ab, dass es die Höhe der festgesetzten Abgabe auf 10.542,25 € reduzierte. Begründend führte es aus, dass keine gemischte Schenkung vorliege, die als unentgeltlich einzustufen sei, sondern eine entgeltliche Übertragung eines Grundstücks im Rahmen eines Veräußerungsgeschäfts. Für die Annahme einer als unentgeltlich einzustufenden, gemischten Schenkung müsse in einem ersten Prüfungsschritt ein offenbares bzw. krasses Wertmissverhältnis der gemeinen Werte der Leistung und Gegenleistung (objektives Element) vorliegen. Bejahendenfalls sei in einem zweiten Prüfungsschritt ein zumindest teilweises „Bereichernwollen“ (subjektives Element) zu prüfen, wobei dieses zwischen nahen Angehörigen vermutet werde. Von einer gemischten Schenkung sei nur dann auszugehen, wenn sowohl das objektive als auch das subjektive Element erfüllt seien. Zur Feststellung des Vorliegens eines offenbaren Wertmissverhältnisses leitete das BFG aus § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 einen Überwiegensgrundsatz ab. Da gegenständlich Ausgleichszahlungen in einer Höhe von 75% des Verkehrswerts der Liegenschaft zu leisten gewesen seien, die aufgrund des eindeutigen Überwiegens der entgeltlichen Komponente die Annahme eines „offenbaren“ bzw. „krassen“ Wertmissverhältnisses nicht zulasse, würde es an einer wesentlichen Voraussetzung für eine als unentgeltlich einzustufende, gemischte Schenkung mangeln.

8 Allerdings seien die aus der Liegenschaftsübertragung resultierenden Einkünfte nur zur Hälfte dem Revisionswerber zuzurechnen, da die Liegenschaft jeweils zur Hälfte im Eigentum des Revisionswerbers und seiner Ehefrau gestanden sei, weshalb der Beschwerde teilweise Folge gegeben wurde.

9 Die Revision ließ das BFG zu, weil zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Grundstücksübertragung durch einen potentiellen Erblasser auf einen künftigen Erben, der zu Ausgleichszahlungen an Dritte verpflichtet sei, einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vorgang darstelle, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu deren Zulässigkeit geltend gemacht wird, dass insbesondere für den Fall, dass die Ausgleichszahlungen in gleicher Höhe an erb- und pflichtteilsberechtigte Geschwister geleistet werden, mit denen der elterliche Schenkungswille implementiert werde, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Im Übrigen sei die Revision auch schon deshalb zuzulassen, weil die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur gemischten Schenkung im Allgemeinen noch zu § 30 Abs. 1 EStG in der Fassung vor dem 1. StabG, BGBL. I Nr. 22/2012, ergangen sei.

11 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht begründet.

14 Einkünftebegründender Tatbestand des § 30 Abs. 1 EStG 1988 ist die Veräußerung von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören.

15 Zur Frage des Vorliegens einer „Veräußerung“ bei einem gemischten Rechtsgeschäft stellt das BFG auf die Regelung des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF StRefG 2000, BGBl. I 1999/106, ab. Damit hat es die Rechtslage verkannt, weil § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 nicht die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften normiert, sondern lediglich ein Abzugsverbot festlegt. Zur Genese der genannten Bestimmung ist Folgendes zu berücksichtigen:

16 Im Geltungsbereich des EStG 1972 war bei Renten, die in Zusammenhang mit der Übertragung von Wirtschaftsgütern vereinbart wurden, zwischen Gegenleistungsrenten einerseits und Zuwendungsrenten andererseits unterschieden worden, wobei bei Letzteren zwischen außerbetrieblichen Versorgungsrenten und Unterhaltsrenten unterschieden wurde (Doralt/Ruppe, Steuerrecht I2 [1982], 151ff).

17 Versorgungsrentenzahlungen waren gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1972 als Sonderausgaben abzugsfähig (); beim Rentenempfänger lagen Einkünfte nach § 29 Z 1 EStG vor. Unterhaltsrentenzahlungen waren hingegen gemäß § 20 Abs. 1 Z 4 EStG nicht abzugsfähig und beim Empfänger nicht steuerbar (vgl. nochmals Doralt/Ruppe, Steuerrecht I2 [1982], 153, 155).

18 Mit Erkenntnis vom , 98/14/0045, sprach der Verwaltungsgerichtshof zur Versorgungsrente (unter Bezugnahme auf die Kritik bei Doralt, Die Versorgungsrente - ein Steuersparmodell, RdW 1998, 517) aus:

„Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich jedoch nicht veranlasst, diese Rechtsprechung im Geltungsbereich des EStG 1988 aufrechtzuerhalten. Wird ein Wirtschaftsgut gegen eine Rente übertragen, die als angemessene Gegenleistung angesehen werden kann, dann liegt eine Gegenleistungsrente vor. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut gegen eine Rente übertragen, die nicht als angemessene Gegenleistung qualifiziert werden kann, muss von einer freiwilligen Zuwendung bzw. einer Unterhaltsrente im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 ausgegangen werden. Im Bereich der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Rente ist für eine weitere Rentenkategorie kein Raum.“

19 Auf diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Gesetzgeber mit dem StRefG 2000 reagiert. In den Gesetzesmaterialien (ErlRV 1766 BlgNR XX. GP 39 und AB 1858 BlgNR XX. GP 2) wird festgehalten, dass entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Erkenntnis 98/14/0045) am Typus der außerbetrieblichen Versorgungsrente insofern festgehalten werden soll, als sie aus Anlass einer Betriebsübertragung vereinbart wird. Bei Rentenvereinbarungen aus Anlass der Übertragung anderer (privater bzw. zur außerbetrieblichen Einkunftserzielung eingesetzter) Wirtschaftsgüter soll es hingegen - dem angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend - nur noch Kaufpreisrenten und Unterhaltsrenten, also keine Versorgungsrenten, geben.

20 Aus der mit dem StRefG 2000 vorgenommenen Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich, dass nicht abzugsfähige freiwillige Zuwendungen unter anderem vorliegen,

„- wenn die Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern weniger als die Hälfte ihres gemeinen Wertes beträgt oder

- soweit für die Übertragung von Wirtschaftsgütern unangemessen hohe Gegenleistungen gewährt werden und

wenn es sich in den vorgenannten Fällen nicht um die Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen handelt, aus Anlass deren Übertragung eine Rente oder dauernde Last als unangemessene Gegenleistung vereinbart wird.”

21 Dazu halten die ErlRV (1766 BlgNR XX. GP 53) fest: „Die Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 ist Bestandteil der Neuordnung der Rentenbesteuerung (siehe Art. I Z 15).“

22 Auf Seite 56 führen die ErlRV zum genannten Art. I Z 15 StRefG 2000 (1766 BlgNR XX. GP) zur Begründung der Einschränkung des Typus der Versorgungsrente aus, die unentgeltliche Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ermögliche, wenn diese der Einkünfteerzielung dienen, eine Aufwertung nach (der damaligen Fassung des) § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 und damit eine höhere Abschreibungsbasis, was im Falle einer zusätzlichen Absetzbarkeit der gezahlten Versorgungsrente (als Sonderausgabe) eine Begünstigung bilden würde. Solle das erworbene Einzelwirtschaftsgut nicht der Einkünfteerzielung dienen, bestünde hingegen - im Falle der Anerkennung von Versorgungsrenten - die Möglichkeit einer von weiteren ertragsteuerlichen Effekten freien - und damit gestaltungsanfälligen - „willkürlichen“ Verlagerung der Steuerlast vom Rentenzahler auf den Rentenempfänger. Auf der Grundlage dieser Abwägung scheine es daher - so die ErlRV weiter - gerechtfertigt, den Typus der außerbetrieblichen Versorgungsrente nur im Bereich der Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen, nicht hingegen bei der Übertragung anderer Wirtschaftsgüter vorzusehen.

23 Die mit dem StRefG 2000 vorgenommene Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 ist, wie sich dies unter Berücksichtigung der Genese der in Rede stehenden Vorschriften aus den Gesetzesmaterialen und aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, Teil der Neuordnung der Rentenbesteuerung und bezieht sich nur auf Rentengeschäfte. Solche eigenen sich in besonderem Maße dafür, einem Versorgungszweck zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber für Rentengeschäfte die Regelung getroffen, nach der typisierend ein Versorgungs- bzw. Unterhaltscharakter angenommen wird, wenn der Rentenwert in einem besonderen Ausmaß unter oder über dem Wert eines übergebenen Wirtschaftsgutes liegt. In diesen Fällen sollen Rentenzahlungen (oder Teile der Rentenzahlungen) nicht (bzw. - bei betrieblichen Einheiten - als Sonderausgaben) abzugsfähig sein. Auf andere Rechtsgeschäfte als Rentengeschäfte ist die in Rede stehende Ergänzung des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 nicht anzuwenden, insbesondere nicht für Zwecke der Abgrenzung von Entgeltlichkeit und Unentgeltlichkeit. Solcherart können die vom Revisionswerber diesbezüglich vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken ungeprüft bleiben.

24 Die zur Anknüpfung an den Tatbestand des § 30 EStG 1988 erforderliche Abgrenzung von entgeltlichen zu unentgeltlichen Geschäften, die auch im Rahmen einer Grundstücksübertragung durch vorweggenommene Erbfolge maßgeblich ist (vgl. Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Rz 113), ist somit ausschließlich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorzunehmen.

25 Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn die beteiligten Personen einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollen (vgl. zuletzt , Rn. 16, mwN). Sie liegt bei einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nahe, wenn aus den Verhältnissen der Personen zu vermuten ist, dass sie - aus privaten Motiven - einen zum Teil entgeltlichen, zum Teil unentgeltlichen Vertrag schließen wollten. Ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist gegeben, wenn sich nach Lage des Falles für den einen Teil auf jeden Fall eine Vermögenseinbuße, für den anderen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung ergibt (). Zur Gegenleistung zählt auch das Entgelt, das nicht dem Gläubiger, sondern einem Dritten erbracht wurde (vgl. zur zivilrechtlichen Rechtsprechung ; , 6 Ob 620/82).

26 Bei der gemischten Schenkung müssen sich die Vertragsparteien subjektiv des Charakters der Leistung als unentgeltlich bewusst sein, sie müssen die (teilweise) Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt haben (, mwN). Das subjektive Element des „Bereichernwollens“ wird bei Zuwendungen zwischen nahen Angehörigen - im Gegensatz zu Rechtsgeschäften zwischen unabhängigen Vertragspartnern im gewöhnlichen geschäftlichen Verkehr - im Zweifel grundsätzlich als gegeben vermutet (vgl. nochmals und ).

27 Ein krasses Missverhältnis des Wertes der beiderseitigen Leistungen reicht zwar für sich allein nicht aus, eine gemischte Schenkung anzunehmen; es kann jedoch - als einer der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles - den Schluss auf die Schenkungsabsicht der Parteien rechtfertigen (vgl. zuletzt , Rn. 17, mwN). Im vorliegenden Fall ist schon aufgrund des bestehenden Verwandtschaftsverhältnisses von einer teilweisen Bereicherungsabsicht des Revisionswerbers (und seiner Ehefrau) gegenüber ihrer Tochter E auszugehen, die in der Revisionsbeantwortung auch nicht bestritten wird.

28 Der in der bisherigen Rechtsprechung enthaltenen Formulierung, wonach ein unentgeltlicher Erwerb nicht nur bei (reinen) Schenkungen, sondern auch bei gemischten Schenkungen anzunehmen ist (vgl. neuerlich zuletzt , mwN), liegt die Beurteilung des gemischten Vertrags als einheitliches Rechtsgeschäft mit deutlich im Vordergrund stehenden unentgeltlichen Komponenten zugrunde. Erfolgte eine Verfügung teils entgeltlich, teils unentgeltlich, ist nämlich nach dem Hauptzweck und Gesamtcharakter des Geschäftes zu beurteilen, ob Unentgeltlichkeit vorliegt (vgl. aus der zivilrechtlichen Judikatur und Lehre und , 6 Ob 311/04k; vgl. auch RIS-Justiz RS0018777; Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 917, Rz 6). Weicht allerdings der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25% vom Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes ab, und liegen keine besonderen Umstände vor, die einen unentgeltlichen Gesamtcharakter nahelegen, ist für die Frage der ertragssteuerlichen Behandlung in der Regel von einem einheitlichen, entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen.

29 Im vorliegenden Fall hat sich die Tochter E als Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft durch ihre Eltern diesen gegenüber verpflichtet, Zahlungen an ihre Geschwister im Ausmaß von insgesamt 75% des Verkehrswerts der Liegenschaft zu leisten. Entgegen dem Revisionsvorbringen können diese Zahlungen bei der Beurteilung des Werts der Gegenleistung nicht unberücksichtigt bleiben, da die Liegenschaftsübernehmerin mit den Zahlungen an ihre Geschwister eine Leistung an ihre Eltern erbrachte, die sie (die Übernehmerin) von ihrer Gegenleistungsverpflichtung aus dem gemischten Vertrag befreite. Es liegt lediglich ein verkürzter Zahlungsweg vor. Die Gründe für die vom Revisionswerber und seiner Ehefrau (vorab) getätigte Disposition über die Gegenleistung (in Form der „Weisung“ zur Ausgleichszahlung an ihre übrigen Kinder) können zur Beurteilung der Entgeltlichkeit der Liegenschaftsübertragung außer Betracht bleiben. Insgesamt war daher das der Liegenschaftsübertragung zugrundeliegende Rechtsgeschäft wegen der deutlich im Vordergrund stehenden entgeltlichen Komponenten als Veräußerung iSd § 30 Abs. 1 EStG 1988 zu qualifizieren.

30 Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Revisionswerber im Ergebnis nicht in seinen Rechten verletzt wurde. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

31 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des P C als Masseverwalter der X GmbH in G, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Kalchberggasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100047/2019, betreffend Rückzahlung gemäß § 239 BAO und Abrechnung gemäß § 216 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Masseverwalter der X GmbH, über deren Vermögen am über Eigenantrag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung der Schuldnerin eröffnet wurde. Das Sanierungsverfahren wurde am nach Abschluss eines Sanierungsplans rechtskräftig beendet. Die Insolvenzgläubiger sollten laut Sanierungsplan eine Quote von 30%, zahlbar durch eine Barquote von 5% binnen 14 Tagen ab rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans, eine Teilquote von 5% bis längstens sowie weitere Teilquoten von je 10% zum und , erhalten.

2 Die X GmbH tätigte im gesamten Jahr 2017, also sowohl vor, als auch nach Insolvenzeröffnung Aufwendungen, die für die Forschungsprämie anspruchsbegründend waren. Mit Eingabe vom beantragte die X GmbH die Zuerkennung einer Forschungsprämie für das Jahr 2017 in Höhe von 1,028.757,72 €.

3 Am schrieb das Finanzamt dem Abgabenkonto der X GmbH die Forschungsprämie 2017 in Höhe von 1,028.757,72 € gut, woraufhin die X GmbH die Auszahlung der Forschungsprämie und eines weiteren auf dem Abgabenkonto befindlichen Guthabens von 64,60 € beantragte (Eingaben vom ).

4 Das Finanzamt verbuchte am die zuvor im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung auf Umsatzsteuer 10/2017 in Höhe von 1,028.757,72 € auf dem Abgabenkonto der X GmbH und rechnete die Umsatzsteuerschuld mit der Gutschrift aus der Forschungsprämie 2017 auf. Das verbleibende Guthaben von 64,60 € zahlte es an die X GmbH zurück, wohingegen es die Rückzahlung des Mehrbetrages in Höhe von 1,028.575,72 € mit Bescheid vom ablehnte.

5 Eine gegen den Bescheid vom gerichtete Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin der Revisionswerber deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

6 Das Bundesfinanzgericht deutete den vom Finanzamt erlassenen Bescheid als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO und gab der dagegen erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem es eine Revision für nicht zulässig erklärte, teilweise Folge. Zur Begründung führte es aus, im Revisionsfall sei zunächst entscheidend, ob die Prämienansprüche der X GmbH aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor oder nach Insolvenzeröffnung fielen und je nachdem mit Insolvenzforderungen des Finanzamts aufrechenbar seien oder nicht.

7 Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO gehörten zu den Masseforderungen u.a. öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht werde. Entsprechendes müsse für die zeitliche Abgrenzung der Forderung für eine Prämie nach § 108c EStG 1988 gelten. Die insolvenzrechtliche Einordnung der Prämienforderung erfordere somit die Feststellung, ob der die Forderung auslösende Sachverhalt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei (Hinweis auf ).

8 Der Verwaltungsgerichtshof habe zur Frage der Zuordnung des Anspruches auf eine Bildungsprämie 2009 bei einem unterjährig eröffneten Insolvenzverfahren klargestellt, dass eine Aufteilung nach den einkommensteuerlichen Grundsätzen in einen Zeitraum vor und einen Zeitraum nach Insolvenzeröffnung zu erfolgen habe. Auf die Modalitäten der Geltendmachung nach § 108c Abs. 3 und 4 EStG 1988 bzw. die Fälligkeit komme es nicht entscheidend an (Hinweis auf ).

9 § 108c EStG 1988 in der für das Jahr 2009 geltenden Fassung habe „Prämien für Forschung und Bildung“ in einem geregelt. Mit dem Steuerreformgesetz 2015/2016 sei die Regelung über die Zuerkennung von Bildungsprämien gestrichen worden. Die im Jahr 2017 anzuwendende Fassung des § 108c EStG 1988 sei jedoch hinsichtlich ihrer rechtlichen Ausgestaltung weitgehend ident mit jener, welche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/15/0188, zu Grunde gelegen habe. Die vom Verwaltungsgerichtshof dort getroffenen Aussagen seien auf den Revisionsfall übertragbar, weshalb die Aufwendungen für die Forschungsprämie 2017 für die insolvenzrechtliche Einordnung aufzuteilen seien.

10 Anhaltspunkte dafür, dass die Forschungstätigkeit nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens eingestellt worden sei, lägen nicht vor. Auch nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens seien Löhne und Gehälter bezahlt worden. Dies lasse auf die Fortsetzung der Forschungstätigkeit schließen, zumal der Revisionswerber dem Bundesfinanzgericht über Aufforderung mitgeteilt habe, dass ein wesentlicher Anteil der Forschungsprämie 2017 auf Löhne und Gehälter entfalle. Mangels exakter zeitlicher Zuordnung der Aufwendungen habe deren Aufteilung im Schätzungswege zu erfolgen und die Aliquotierung der Aufwendungen scheine eine sachgerechte Lösung zu sein. Demnach entfielen 10/12 (857.298,10 €) der Aufwendungen auf die Zeit vor und 2/12 (171.459,62 €) auf die Zeit nach der Insolvenzeröffnung. Dem auf den Zeitraum Jänner bis Oktober entfallenden Teil der Forschungsprämie von 857.298,10 € (10/12) liege ein Sachverhalt zugrunde der vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens verwirklicht worden sei. Dieser Teil der Prämie führe zu einer Insolvenzgutschrift (negativer Abgabenanspruch), welcher die Insolvenzforderung des Finanzamts aus der Umsatzsteuervorauszahlung 10/2017 gegenüberstehe. Die Aufrechnung der Forschungsprämie im Ausmaß von 857.298,10 € sei daher zu Recht erfolgt. Die verbleibende Forschungsprämie 2017 in Höhe von 171.459,62 € (2/10) stelle hingegen eine Massegutschrift dar, die nicht mit Insolvenzforderungen aufzurechnen sei. Insoweit sei der Beschwerde stattzugeben gewesen.

11 Zur Frage der Aufrechnung selbst vertrete der Revisionswerber - unter Bezugnahme auf das (verstärkter Senat) - den Standpunkt, dass die Aufrechnung der Forschungsprämie auch bei einer Qualifikation als negative Insolvenzforderung nur in Höhe der Quote zulässig sei. Diesem Vorbringen hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, die X GmbH habe dem Finanzamt ihren Prämienanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sanierungsverfahrens verschwiegen. Das Finanzamt habe während des Sanierungsverfahrens keine Kenntnis vom Prämienanspruch haben können. Das Finanzamt treffe somit kein Verschulden an der Unterlassung einer rechtzeitigen Aufrechnungserklärung. Damit habe die X GmbH, die vom Prämienanspruch Kenntnis gehabt und geplant habe, die Prämie für die Begleichung der Sanierungsquote zu verwenden, das Finanzamt schuldhaft an der Abgabe einer Aufrechnungserklärung während des Sanierungsverfahrens gehindert. Dieses Vorgehen, nämlich das Verschweigen des Prämienanspruchs bis zum Abschluss des Sanierungsverfahrens, stelle einen Anwendungsfall des § 156 Abs. 4 IO dar, der (auch laut dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten OGH-Urteil) in Fällen wie dem vorliegenden analog anwendbar sei. Nach § 156 Abs. 4 IO könnten Gläubiger, deren Forderungen aus dem Verschulden des Insolvenzschuldners im Insolvenzverfahren unberücksichtigt geblieben seien, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrage vom Insolvenzschuldner verlangen. In Bezug auf den Prämienbetrag von 857.298,10 € habe das Finanzamt daher eine volle Aufrechnung vornehmen können.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorbringt, das Bundesfinanzgericht komme im angefochtenen Erkenntnis zu dem Schluss, der die Forschungsprämie begründende Sachverhalt sei nicht erst mit Ablauf des , sondern nach Maßgabe der Aufwandstätigung erfüllt worden, weshalb zwischen Aufwendungen vor und nach Insolvenzeröffnung zu unterscheiden sei. Damit weiche das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, der den Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhalts gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO mit jenem der Entstehung des Abgabenanspruches iSd § 4 Abs. 2 BAO gleichsetze (Hinweis auf ; und , 85/13/0057). Das vom Bundesfinanzgericht zur Bekräftigung seiner Rechtsansicht zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/15/0188, sei auch nicht einschlägig, weil dem Erkenntnis ein Fall zugrunde gelegen sei, in dem alle Aufwendungen die zur Bildungsprämie (dort 2009) geführt hätten, unstrittig vor Insolvenzeröffnung getätigt worden seien. Im Revisionsfall seien auch nach Insolvenzeröffnung Aufwendungen getätigt worden. Zu unterjährig eröffneten Insolvenzverfahren, bei denen auch nach Insolvenzeröffnung Prämien begründende Aufwendungen getätigt worden seien, liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die Revision sei weiters deswegen zulässig, weil ein verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofes mit Urteil vom , 6 Ob 179/14p, die bis dahin strittige Frage des Umfangs der Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem Sanierungsplan anders beurteilt habe als der Verwaltungsgerichtshof (Hinweis auf ) und davon auszugehen sei, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von seiner bisherigen Entscheidungslinie in dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes anschließen werde.

13 Das Finanzamt hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattet.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist zulässig und begründet.

16 Soweit die Revision den Standpunkt vertritt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, der den Zeitpunkt der Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhalts gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO mit jenem der Entstehung des Abgabenanspruches iSd § 4 Abs. 2 BAO gleichsetze, ist ihr Folgendes zu entgegnen:

17 Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 IO gehören zu den Masseforderungen öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Entsprechendes muss - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2011/15/0188, ausgesprochen hat - spiegelbildlich für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen der Schuldnerin auf Prämien nach § 108c EStG 1988 gelten. Im angeführten Erkenntnis, das die Abgrenzung der Entstehung von Forderungen einer Schuldnerin vor und nach Insolvenzeröffnung zum Inhalt hatte, hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, aus § 108c EStG 1988 ergibt sich, dass der die Prämie auslösende Sachverhalt in der Tätigung von (dort) Bildungsaufwendungen liegt. Auf die Modalitäten der Geltendmachung bzw. Fälligkeit der Prämie kommt es - anders als etwa bei Beurteilung der Frage des Entstehens des Abgabenanspruchs iSd § 208 Abs. 1 lit. a BAO für Zwecke der Verjährung (vgl. dazu ) - nicht entscheidend an. Wenn das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis den Standpunkt vertrat, der die Forschungsprämie begründende Sachverhalt sei nach Maßgabe der Aufwandstätigung erfüllt worden, wich es nach dem Gesagten nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

18 Da das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/15/0188, die Abgrenzung der zeitlichen Entstehung von Forderungen einer Schuldnerin vor und nach Insolvenzeröffnung zum Inhalt hatte, wird auch mit dem Zulässigkeitsvorbringen, es liege keine Judikatur zu unterjährig eröffneten Insolvenzverfahren vor, bei denen auch nach Insolvenzeröffnung Prämien begründende Aufwendungen getätigt worden seien, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Mit dem vorliegenden Erkenntnis wurde implizit zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei jenem Teil der Forschungsprämie, der auf nach der Insolvenzeröffnung getätigte Aufwendungen entfällt, um einen Anspruch der Masse handelt.

19 Dem Vorbringen, wonach die Frage des Umfangs der Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem Sanierungsplan im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/10/0230, anders beurteilt worden sei als im Urteil eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 179/14p, ist zu entgegnen, dass dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ein Fall zugrunde lag, in dem sich diese Frage nicht stellte. Den diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die Rechtsmittelbehörde den Standpunkt vertrat, Forderungen des dortigen Beschwerdeführers seien durch Aufrechnung untergegangen, obwohl zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keine Gegenforderung, sondern eine bloße Anwartschaft bestanden hatte.

20 Im Revisionsfall standen sich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein aufrechenbarer Prämienbetrag von 857.298,10 € und eine angemeldete Forderung auf Umsatzsteuer in zumindest gleicher Höhe gegenüber. Die Aufrechnung selbst ist unstrittig nach der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplans erfolgt, weshalb sich im Revisionsfall die Frage des Umfangs der Aufrechnungsbefugnis nach rechtskräftig bestätigtem Sanierungsplan (erstmalig) stellt. Schon vor Ergehen des Urteils eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 179/14p, sprachen sich weite Teile der Lehre für eine Beschränkung der Aufrechnung auf die Quote aus (vgl. Buchegger, Ausgleichserfüllung [1988] 79 f; Rummel in Rummel ABGB² § 1439 Rz 11; Heidinger in Schwimann ABGB³ § 1439 Rz 16; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59, Nummer-Krautgasser, Aufrechnung und Zwangsausgleich ZIK 2009/7, 4; dieselbe in Aufrechnung in der Insolvenz: Grundlagen und aktuelle Rechtsfragen in Jahrbuch Insolvenz‑ und Sanierungsrecht 2014, 163 [183 ff]; Konecny, EvBl 2009/46; Holly in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1439 Rz 16/6; Mohr, Sanierungsplan und Sanierungsverfahren nach dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 Rz 250; Fichtinger, Die gesetzliche Aufrechnung im Insolvenzverfahren [2015] 335 ff). Dieser Auffassung schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an, zumal sich aus § 19 IO eine volle Aufrechnungsbefugnis nicht ableiten lässt, die Sicherungsfunktion der Aufrechnung keine andere Beurteilung zulässt und eine analoge Anwendung des § 149 Abs. 1 IO auf den aufrechnungsberechtigten Insolvenzgläubiger nicht in Betracht kommt (vgl. mit jeweils ausführlicher Begründung ).

21 Eine über die Quote hinausgehende Aufrechnung kommt nur in Betracht, wenn der Gläubiger unverschuldet aufgrund eines Verschuldens des Insolvenzschuldners - wenn auch in Form leichter Fahrlässigkeit - an einer Aufrechnungserklärung vor rechtskräftiger Sanierungsplanbestätigung gehindert worden ist, zumal für diesen Fall § 156 Abs. 4 IO (analog) zur Anwendung kommt (vgl. Fichtinger, Insolvenzaufrechnung 402; Lovrek in Konecny/Schubert § 156 KO Rz 59 und ein weiteres Mal ).

22 Das Bundesfinanzgericht geht im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass die Bestimmung des § 156 Abs. 4 IO im Revisionsfall greift, weil die X GmbH dem Finanzamt ihren Prämienanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Sanierungsverfahrens schuldhaft verschwiegen habe. Konkrete Feststellungen dazu traf es im angefochtenen Erkenntnis nicht. Auch auf das Vorbringen des Revisionswerbers im Beschwerdeverfahren, wonach die Forschungsprämie im Sanierungsverfahren der X GmbH in die Unternehmensplanung eingebunden worden sei, ging das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht weiter ein, obwohl dieses Vorbringen eine Kenntnis des Finanzamts vom Prämienanspruch indizieren würde.

23 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §938
EStG 1972 §18 Abs1 Z1
EStG 1972 §20 Abs1 Z4
EStG 1972 §29 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z4
EStG 1988 §30 Abs1
SteuerreformG 2000
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020150015.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-44980